Baurecht

Gliederung eines Dorfgebiets durch einen bebauungsplan

Aktenzeichen  9 N 17.2367

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36194
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47, § 101 Abs. 2, § 132 Abs. 2, § 133, § 167
BauGB § 1 Abs. 7, Abs. 2 Abs. 3, § 34, § 214 Abs. 3 S. 1
BauNVO § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 1 Abs. 3 S. 1, S 2, § 5

 

Leitsatz

1. Das gleichwertige Nebeneinander der drei Hauptnutzungsarten Land- und Forstwirtschaft, Wohnen und Gewerbe kann durch Einbeziehung einer schon bestehenden Nutzung erfolgen. (Rn. 17 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verletzung des Abwägungsgebots liegt vor, wenn eine Abwägung nicht stattfand oder Belange in die Abwägung nicht eingestellt wurden, die nach Lage der Dinge eingestellt hätten werden müssen, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wurde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis stand. (Rn. 28 – 34) (Rn. 28 – 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag, über den mit Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat keinen Erfolg.
I. Der innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Der Antragsteller ist Eigentümer zweier im Plangebiet gelegener Grundstücke und wendet sich (auch) gegen bauplanerische Festsetzungen, die unmittelbar im Zusammenhang mit seinen Grundstücken stehen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5 m.w.N.). Darüber hinaus macht der Antragsteller einen Anspruch auf gerechte Abwägung seiner Belange wegen an seinen landwirtschaftlichen Betrieb heranrückende (Wohn-)Bebauung geltend (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 9 N 14.2674 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 2.12.2013 – 4 BN 44.13 – juris Rn. 3).
II. Der Normenkontrollantrag ist unbegründet.
Verfahrensfehler sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Bebauungsplan „S. Nord“ verstößt hinsichtlich der Gliederung des festgesetzten Dorfgebiets weder gegen die Bestimmungen der Baunutzungsverordnung (1.) noch gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (2.). Hinsichtlich der vom Antragsteller geltend gemachten landwirtschaftlichen Belange liegt auch kein beachtlicher Abwägungsfehler vor (3.).
1. Die Gliederung des festgesetzten Dorfgebiets unterliegt hier keinen rechtlichen Bedenken.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann die Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden. Die für die Bebauung vorgesehener Flächen entsprechend den in § 1 Abs. 2 BauNVO dargestellten Baugebietstypen werden nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung im Bebauungsplan festgesetzt (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauNVO). Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht aufgrund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO).
Jedes der in §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete dient einer auf den Gebietstypus zugeschnittenen und insofern allgemeinen Zweckbestimmung. Diese allgemeine Zweckbestimmung darf durch die planerischen Festsetzungen nicht verloren gehen, da anderenfalls die Pflicht des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauNVO verletzt wird, im Bebauungsplan ein in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichnetes Baugebiet festzusetzen (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.1989 – 4 NB 32.89 – juris Rn. 3). Das im Bebauungsplan festgesetzte „zonierte“ Dorfgebiet wahrt hier aufgrund der speziellen Konstellation und der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten diese Anforderungen.
Die Festsetzung des Dorfgebietes beruht auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5, Abs. 9, § 5 BauNVO. Die für die Zulässigkeit der Festsetzung eines Dorfgebietes erforderliche Prägung durch ein grundsätzlich gleichwertiges Nebeneinander der drei Hauptnutzungsarten Land- und Forstwirtschaft, Wohnen und Gewerbe hat die Antragsgegnerin durch eine Gliederung des Dorfgebietes unter Einbeziehung des bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers sichergestellt, was grundsätzlich möglich und zulässig ist (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2020, § 5 BauNVO Rn. 21).
Der Bebauungsplan setzt insgesamt ein Dorfgebiet nach § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 5 BauNVO fest, das sich in einen Teilbereich West und einen Teilbereich Ost gliedert. Die Antragsgegnerin wollte ersichtlich nicht mehrere einzelne Dorfgebiete, sondern ein einheitliches Dorfgebiet verwirklichen, das einerseits neue (Wohn-)Bebauung zulässt, andererseits aber auch den weiteren Bestand des vorhandenen, ins Plangebiet einbezogenen landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers sichert. Dies ergibt sich sowohl aus den Planaufstellungsakten und den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans, die einen westlichen und einen östlichen Teil eines einheitlichen Dorfgebiets regeln als auch aus der Begründung, die von einem „zonierten“ Dorfgebiet mit einer Untergliederung in ein Dorfgebiet West und ein Dorfgebiet Ost spricht (vgl. Begründung Nr. 3.1). Darüber hinaus stellen sowohl die textlichen Festsetzungen als auch die Begründung hinsichtlich der Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung des Gebiets jeweils auf das gesamte Baugebiet ab (vgl. Nr. 1.1. der textlichen Festsetzungen, Begründung Nr. 3.1). Dies macht deutlich, dass ein Baugebiet, nämlich das Dorfgebiet, entsprechend den verschiedenen Nutzungsarten in bestimmte „Bereiche“ gegliedert werden sollte (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2007 – 26 N 05.3254 – juris Rn. 23).
Im Rahmen dieser Gliederung sind dabei im Teilgebiet Ost – anders als im Teilgebiet West, das insbesondere die bestehende landwirtschaftliche Hofstelle des Antragstellers in das Plangebiet einbezieht und in dem alle Nutzungen nach § 5 Abs. 2 BauNVO allgemein und alle Nutzungen nach § 5 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässig sind, – alle Nutzungen nach § 5 Abs. 2 Nrn. 1 bis 8 BauNVO allgemein zulässig, soweit sie das Wohnen nicht wesentlich stören. Nach der Planbegründung sind danach z.B. Lager- und Unterstellhallen (Maschinenhallen), extensive Hobbytierhaltung oder eine Pferdekoppel zulässig. Ausdrücklich ausgeschlossen sind dort nach Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen Tankstellen (§ 5 Abs. 2 Nr. 9 BauNVO) und Vergnügungsstätten (§ 5 Abs. 3 BauNVO). Zwar ist der Störgrad der Landwirtschaft nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im Gegensatz zu gewerblichen Nutzungen in einem Dorfgebiet nicht beschränkt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2020, § 5 BauNVO Rn. 10), ein genereller Ausschluss land- oder forstwirtschaftlicher Betriebsstellen – wie der Antragsteller meint – liegt aber weder im Teilgebiet Ost, noch – worauf es aufgrund der grundsätzlich möglichen Gliederung vielmehr ankommt – im gesamten Baugebiet vor (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2009 – 4 CN 5.07 – juris Rn. 27). Damit wahrt die Festsetzung des zonierten Dorfgebiets gerade unter Einbeziehung der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebsstelle des Antragstellers in diesem einheitlichen Dorfgebiet hier auch dessen allgemeine Zweckbestimmung (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.1989 – 4 NB 32.89 – juris Rn. 3, 11 und U.v. 23.4.2009 a.a.O. juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 19.1.1987 – 15 N 83 A.1241 – BauR 1987, 284). Darüber hinaus liegt es im Wesen einer derartigen Gliederung, dass ein in seiner Gesamtheit positiv gewolltes Dorfgebiet Teilbereiche umfassen kann, die für sich betrachtet der allgemeinen Zweckbestimmung des Dorfgebiets nicht voll entsprechen (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.1995 – 14 N 94.1158 – juris Rn. 46; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 5 BauNVO Rn. 20a).
Die Einschränkung im Teilgebiet Ost hinsichtlich des Störgrades erfolgt auch aus städtebaulichen Gründen (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.1987 – 4 N 4.86 – juris Rn. 13). Zum einen wird aufgrund der geringen Entfernung des Baufensters im Teilgebiet Ost zum in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einbezogenen landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers im Teilgebiet West das Teilgebiet Ost von diesem Betrieb maßgebend geprägt. Aufgrund der nur relativ geringen Baufläche im östlichen Teil, die bislang dem Außenbereich zuzuordnen war, sowie der eher geringen Größe des gesamten Plangebiets und den Entfernungen zur bestehenden Landwirtschaft des Antragstellers ist hier ohne weiteres eine Prägung des gesamten Plangebiets durch dessen Betrieb anzunehmen. Dies zeigt zudem auch die im Rahmen des Aufstellungsverfahrens erfolgte Beurteilung der Geruchsimmissionen aus einer benachbarten Rinderhaltung durch die M. GmbH vom 26. März 2014. Die zwischen den Teilgebieten West und Ost festgesetzte öffentliche Grünfläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft widerspricht dem aufgrund ihrer nur geringen Breite nicht, weil hier- ebenso wie durch die unterschiedliche Regelungsdichte beim Maß der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. §§ 16 ff. BauNVO) der beiden Teilbereiche – aufgrund der konkreten Situation weder die Einheitlichkeit des Dorfgebiets hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 5 BauNVO) noch die Prägung des östlichen Teils durch den bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers aufgehoben werden. Zum anderen verfolgt die Antragsgegnerin mit der Gliederung und dem Ausschluss wesentlich störender Nutzungen im Teilgebiet Ost das Ziel, ein konfliktfreies Nebeneinander von Wohnen und Landwirtschaft zu ermöglichen (vgl. Begründung Nr. 3.1, Umweltbericht Nr. 4.2.1) und damit auch den weiteren nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauNVO allgemein zulässigen Nutzungen im festgesetzten Dorfgebiet Raum zu geben. Immissionskonflikte sollten durch die Gliederung vermieden werden. Die Antragsgegnerin hat somit die grundsätzlich mögliche räumliche Gliederung nach der Art der zulässigen Nutzung durch die Festsetzung verschiedener Nutzungsbereiche in dem Dorfgebiet erreicht (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2007 – 26 N 05.3254 – juris Rn. 23).
2. Der Bebauungsplan „S. Nord“ ist auch im Hinblick darauf, dass im Teilgebiet West nur die Art der baulichen Nutzung festgesetzt wurde, hinreichend bestimmt und widerspricht nicht dem Gebot der Normenklarheit.
Als Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB) unterliegt der Bebauungsplan dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Grundsatz hinreichender Bestimmtheit von Rechtsnormen (vgl. BVerwG, B.v. 4.1.1994 – 4 NB 30.93 – juris Rn. 6; HambOVG, U.v. 10.4.2013 – 2 E 14/11.N – juris Rn. 81). Erforderlich ist, dass die Festsetzungen hinreichend bestimmt sind und keine unauflösbaren Widersprüche beinhalten (vgl. BVerwG, U.v. 16.2.1973 – IV C 66.69 – juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 28.7.2020 – 9 N 16.2497 – juris Rn. 30).
Soweit der Antragsteller geltend macht, der Bebauungsplan entspreche nur im Teilgebiet Ost einem qualifizierten Bebauungsplan i.S.d. § 30 Abs. 1 BauGB und es sei deshalb unklar, welche Festsetzungen dort im Übrigen gälten, zeigt dies keinen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz auf. Während der Bebauungsplan „S. Nord“ im Teilgebiet Ost neben der Art baulichen Nutzung eines Dorfgebietes (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 5 BauNVO) auch Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB), zu den überbaubaren Grundstücksflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) sowie zu Verkehrsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) enthält, setzt er im Teilgebiet West lediglich die Art der baulichen Nutzung als Dorfgebiet gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 5 BauNVO fest. Damit handelt es sich im Teilgebiet West lediglich um einen einfachen Bebauungsplan i.S.d. § 30 Abs. 3 BauGB.
Eine solche abweichende Regelungsdichte innerhalb eines Bebauungsplans ist grundsätzlich möglich und zulässig (vgl. HessVGH, B.v. 13.3.1989 – 4 TH 2205787 – juris Rn. 87; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 30 Rn. 12; Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Aufl. 2018, § 30 Rn. 13; Roeser in Berliner Kommentar, BauGB, Stand April 2020, § 30 Rn. 5). Die Antragsgegnerin wollte hier im Teilgebiet West bewusst nur die Art der baulichen Nutzung als Dorfgebiet festsetzen und im Übrigen keine weiteren Festsetzungen treffen. Dies ergibt sich eindeutig aus der Begründung zum Bebauungsplan „S. Nord“ unter Nr. 3.1. und ist insoweit Ausdruck ihrer planerischen Zurückhaltung bei der Überplanung des Bestandes im Teilgebiet West (vgl. VGH BW, U.v. 26.3.1998 – 8 S 315/98 – BRS 60 Nr. 140). Aufgrund der Regelung des § 30 Abs. 3 BauGB, auf den die Antragsgegnerin in der Begründung auch ausdrücklich Bezug nimmt, ist auch nicht unklar, wonach sich die Zulässigkeit von Vorhaben in dem Teil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans, der die Anforderungen des § 30 Abs. 1 BauGB nicht erfüllt, im Übrigen richtet; die Antragsgegnerin stellt insoweit auf § 34 BauGB ab (Begründung Nr. 3.1, Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen), was weder angegriffen noch im Hinblick auf die berücksichtigten, bestehenden baulichen Gegebenheiten zweifelhaft erscheint.
4. Der Bebauungsplan leidet auch nicht an einem beachtlichen Abwägungsmangel.
Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot, um die Verfahrensanforderung (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange in wesentlichen Punkten (zutreffend) zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln und zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Für die Abwägung ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend (BayVGH, U.v. 10.7.2019 – 9 N 14.2525 – juris Rn. 17). Diesen Anforderungen wird der Bebauungsplan „S. Nord“ gerecht.
a) Soweit der Antragsteller vorträgt, die Abwägung sei fehlerhaft, weil seine baulichen Entwicklungsmöglichkeiten nicht ausreichend beachtet worden seien, führt dies nicht zum Erfolg.
Die Antragsgegnerin hat den mit Bescheid vom 27. März 2012 auf dem Grundstück des Antragstellers FlNr. … Gemarkung S. genehmigten Jungviehstall gesehen und in die Planung einbezogen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Beschluss vom 11. November 2013 als auch aus den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen im Bebauungsplan, die jeweils Bezug hierauf nehmen bzw. den genehmigten, aber noch nicht errichteten Stall darstellen. Insoweit ist die Antragsgegnerin den Erweiterungsabsichten des Antragstellers ausreichend nachgekommen (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2005 – 26 N 03.2404 – juris Rn. 38 f.). Soweit der Antragsteller vorträgt, eine bauliche Entwicklung seines landwirtschaftlichen Betriebes könne ausschließlich auf den Grundstücken FlNr. … … Gemarkung S. erfolgen, ist weder ersichtlich, dass ihm dies durch die erfolgte Planung unmöglich gemacht würde, noch, dass er insoweit – über den mit Bescheid vom 27. März 2012 genehmigten Stall hinaus – überhaupt konkrete Erweiterungsabsichten hätte. Unkonkrete Planungen oder bloße Absichten brauchen jedoch im Rahmen der Abwägungsentscheidung nicht berücksichtigt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.9.2000 – 4 B 56.00 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 9 N 14.2674 – juris Rn. 25).
b) Die Antragsgegnerin hat – entgegen der Ansicht des Antragstellers – auch die Geruchsimmissionen ausreichend abgewogen.
Im Rahmen der Abwägung sind zunächst mögliche Nutzungskonflikte durch den landwirtschaftlichen Betrieb des Antragsgegners sowie den mit Bescheid vom 27. März 2012 genehmigten Rinderstall und mögliche Einschränkungen durch eine heranrückende Bebauung einzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.1998 – 4 BN 44.98 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 9 N 14.2674 – juris Rn. 25). Dem ist die Antragsgegnerin nachgekommen (vgl. Beschlüsse vom 11.11.2013 und vom 9.5.2015). Sie hat zudem ein Gutachten zur Beurteilung der Geruchsimmissionen aus benachbarter Rinderhaltung beauftragt und dessen Ergebnis im Rahmen der Festsetzungen berücksichtigt sowie in die Abwägung eingestellt. Auch dieser Bericht der M. GmBH vom 26. März 2014 beinhaltet und berücksichtigt die mit Bescheid vom 27. März 2012 genehmigte Betriebserweiterung des Antragstellers.
Die Antragsgegnerin hat die Geruchsimmissionen gemäß dem Bericht vom 26. März 2014 auch nicht fehlerhaft abgewogen. Der Bericht hat die Geruchsimmissionen anhand der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) ermittelt und die meteorologischen Grenzschichtprofile und die benötigten Größen gemäß der Richtlinie VDI 3783 bestimmt (vgl. Bericht S. 14). Die GIRL, deren Immissionswerte keine strikt einzuhaltenden, rechtssatzmäßig anzuwendenden Grenzwerte darstellen, sieht bei grundsätzlich konservativer Ausrichtung zur Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchseinwirkung – differenziert nach Nutzungsgebieten – unterschiedliche Immissionswerte in relativen Häufigkeiten der Jahresgeruchsstunden (Nr. 3.1, Tabelle 1) für die höchstzulässige Geruchsimmission vor. Berechnungen auf der Basis der GIRL stellen ein im Sinne einer konservativen Prognosesicherheit komfortables „worst-case-Szenario“ dar. Die Anwendung der GIRL gewährleistet mithin eine grundsätzlich hinreichend verlässliche Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen; sie wird allgemein als antizipiertes Sachverständigengutachten angesehen, welches auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 29; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.1890 – juris Rn. 12). Sie wird auch im Rahmen der Bauleitplanung für die Einschätzung der Verträglichkeit unterschiedlicher Nutzungen im Hinblick auf Geruchsimmissionen angewandt (vgl. Schwarz, UPR 2012, 121/122; Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage 2010, Rn. 498; Gierke/Schmidt-Eichstaedt, Die Abwägung in der Bauleitplanung, 1. Aufl. 2019, Rn. 1174). Ihre Anwendung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Abstände gemäß der VDI-Richtlinien nicht eingehalten werden oder eine Einzelfallprüfung für nicht immissionsschutzrechtlich-genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen erfolgen soll (vgl. Kuschnerus, a.a.O., Rn. 496; Schenk in Birkl, Praxishandbuch Bauplanungs- und Immissionsschutzrecht, Stand Juli 2020, F 92 b). Dies hat die Antragstellerin hier berücksichtigt (vgl. Bericht v. 26.3.2014 S. 5). Sie hat danach ihrer Abwägung zutreffend zugrundegelegt, dass der berechnete Immissionsbeitrag hier am westlichen Rand des Baufensters im Teilgebiet Ost über dem Immissionswert für ein Dorfgebiet von 0,15, aber unter dem Wert von 0,2 liegt und vorhandene Wohnbebauung außerhalb des Plangebiets (vgl. FlNr. … Gemarkung S.*) mit einem höheren Immissionswert belastet ist. Die Antragsgegnerin hat danach die Zumutbarkeit der Geruchsbelastung mit 17 v.H. der Jahresstunden am westlichen Rand des Baufensters im Teilgebiet Ost als zumutbar eingestuft (vgl. OVG, NW, U.v. 20.9.2007 – 7 A 1434/06 – juris Rn. 68 ff.; B.v. 28.3.2019 – 2 B 1425/18.NE – juris Rn. 48; Gierke/Schmidt-Eichstaedt a.a.O. Rn. 1165; Kuschnerus a.a.O. Rn. 499). Sie hat zudem in die Abwägung eingestellt, dass aufgrund der – auch unter Berücksichtigung der mit Bescheid vom 27. März 2012 genehmigten Betriebserweiterung des Antragstellers – bestehenden Belastung der vorhandenen Wohnbebauung keine zusätzlichen Einschränkungen des Antragstellers durch die Planung erfolgen (vgl. Begründung S. 7). Auch insofern ist kein Abwägungsfehler ersichtlich, zumal aufgrund der einheitlichen Festsetzung eines Dorfgebiets und dessen interner Gliederung keine unzulässige Konfliktverlagerung der Geruchsimmissionen und allein eine Herabsetzung der Schutzwürdigkeit des Teilgebiets Ost beabsichtigt ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO, insbesondere § 708 Nr. 11, § 709 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben