Aktenzeichen M 8 SN 22.364
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000…. festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich als Nachbarn gegen eine dem Beigeladenen zu 1 durch die Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Hofgebäudes mit einer Wohneinheit auf dem Grundstück Fl.Nr. … Gem. … (im Folgenden: Baugrundstück). Die Beigeladene zu 2 hat das Baugrundstück zwischenzeitlich von dem Beigeladenen zu 1 erworben.
Das Baugrundstück wurde aus dem früheren Gesamtgrundstück Fl.Nr. … Gem. … (* … straße 40) herausgeteilt auf dem sich – wie auf den nördlich und südlich angrenzenden Grundstücken entlang der … straße – eine straßenseitig grenzständige Bebauung mit Vordergebäuden befindet. Das Baugrundstück ist ausweislich der in den Behördenakten befindlichen amtlichen Lagepläne derzeit unbebaut.
Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. … Gem. …, … straße 15, das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist (im Folgenden: Nachbargrundstück). Das Nachbargrundstück liegt unmittelbar östlich angrenzend an das Baugrundstück. Für beide Grundstücke ist jeweils eine vordere Baulinie festgesetzt. Sie liegen im Geviert … straße, … straße, … straße und … straße.
Vgl. zur Lage der Grundstücke und ihrer Bebauung anliegenden Lageplan, der eine Darstellung des Vorhabens enthält (nach dem Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht):
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2021 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen zu 1 aufgrund seines Bauantrags vom 19. Mai 2021 nach PlanNr. … und Änderungsantrag vom 14. Juli 2021 nach PlanNr. … die Baugenehmigung zur Errichtung eines Hofgebäudes mit einer Wohneinheit auf dem Baugrundstück. Der geplante Baukörper mit Flachdach soll zweigeschossig werden und eine Wandhöhe von 6,47 m erhalten. Er soll an der Nordseite unmittelbar an das dort bestehende zweigeschossige Rückgebäude mit der gleichen Wandhöhe grenzständig aneinandergebaut werden. An der Grenze zum Nachbargrundstück ist die östliche Außenwand auf eine Länge von ca. 2,71 m ebenfalls unmittelbar an der Grenze geplant. Der südöstliche Eckbereich des Baugrundstücks bleibt entlang der Grundstücksgrenze zum Nachbargrundstück auf eine Länge von 8,31 m von einer Bebauung frei. An der Südgrenze zum Grundstück Fl.Nr. … Gem. … ist die geplante Bebauung auf eine Länge von 4,48 m erneut grenzständig geplant.
Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 10. November 2021 Klage gegen die Baugenehmigung vom 27. Oktober 2021 erhoben. Über die Klage wurde bisher nicht entschieden (M 8 K 21.5859).
Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2022 beantragen die Antragsteller:
Die aufschiebende Wirkung der am 10. November 2021 erhobenen Klage der Antragsteller gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 2021 wird angeordnet.
Das streitgegenständliche Vorhaben verletze die Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung. Abstandsflächen seien nur dann nicht erforderlich und die Grenzbebauung zulässig, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden dürfe. Die hier maßgebliche Umgebung im Bebauungsgeviert … straße, … straße, … straße und … straße sei von einer Blockrandbebauung in geschlossener Bauweise geprägt. Diese Straßenrandbebauung präge das Blockinnere nicht. Insofern sei nur auf die Bebauung im Blockinnenbereich abzustellen. Diese sei hier durch Freiflächen und unterschiedlich situierte Nebenanlagen und Garagen geprägt. Die vorhandenen Grenzgebäude im rückwärtigen Bereich der Grundstücke Fl.Nr. … und … seien Fremdkörper, die die Umgebungsbebauung nicht prägen könnten. In den rückwärtigen Bereichen der Grundstücke im Blockinnern befänden sich Garagen, überdachte Unterstände oder Lagerflächen, jedoch keine Anlagen zu Aufenthaltszwecken. In dem Geviert mit über 30 straßenseitig bebauten Grundstücken würden die zwei genannten Grundstücke mit Rückgebäuden aus der Struktur des Gevierts herausragen. Sie stünden zudem einzeln jeweils im Norden und Süden des Blockinnenbereichs. Die Privilegierung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO greife daher nicht.
Das Vorhaben verstoße darüber hinaus auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die rückwärtige Bebauung wirke sich in beachtlicher Weise negativ auf die Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks aus, da dadurch eine unzumutbare Verschattung und negative mikroklimatische Auswirkungen entstünden. Es fehle an einem Luftaustausch im Blockinneren, da der Lüftungskorridor zwischen … straße 15 und … straße 40 bebaut würde. Bei Verwirklichung des Vorhabens ergäben sich unzumutbare Beeinträchtigungen der Luftqualität, der Besonnung und höhere Temperaturen im Blockinnern. Darüber hinaus wirke der geplante Baukörper erdrückend auf das Grundstück der Antragsteller. Die Zulassung des Vorhabens führe zu einer Ausweitung des Baurechts für andere Grundstücke im Geviert und zu einer erheblichen Nachverdichtung des Bereichs.
Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2022 beantragt die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Im Geviert zwischen … straße, … straße, … straße und … straße sei auf zahlreichen Grundstücken ein- bzw. mehrgeschossige Bebauung im hinteren Grundstücksbereich vorhanden. Mehrgeschossige Gebäude seien insbesondere auf dem Nachbargrundstück Fl.Nr. … sowie den Grundstücken Fl.Nrn. …, … sowie … vorhanden. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO würden vorliegen. Im Geviert sei ein seitlicher Grenzanbau auch im hinteren Bereich der Grundstücke vorhanden, wie die Bebauung auf Fl.Nrn. …, …, …, …, … sowie … zeige. Eine Aussonderung von Gebäuden im Geviert sei nur möglich, wenn es sich um eine singuläre Anlage handle, die im auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung stehe. Dies sei hier nicht der Fall. Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Insbesondere liege das Gebäude nur in einem kleinen Teilbereich unmittelbar an der hinteren Grundstücksgrenze und rücke im Übrigen bogenförmig weit von der hinteren Grenze ab. Es nehme damit gerade Rücksicht auf die benachbarten Grundstücke. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung sei nicht ersichtlich.
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2022 beantragt die Beigeladene zu 2, den Antrag abzulehnen.
Das Innere des Gevierts werde durch mehrere rückwärtige, grenzständige Gebäude geprägt, die sowohl an die rückwärtige als auch die seitliche Grundstücksgrenze gebaut seien. Es seien jedenfalls vier vergleichbare Baukörper im Inneren des Gevierts vorhanden, die nicht als Ausreißer ausgesondert werden könnten. Es dürfe daher nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden, weshalb der Grenzanbau an das Nachbargrundstück nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zulässig sei. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Form einer erdrückenden Wirkung des Baukörpers liege angesichts des niedrigen Bauvorhabens und dem erheblich höheren Gebäude auf dem Nachbargrundstück nicht vor.
Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2022 beantragt der Beigeladene zu 1, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf die Stellungnahme der Beigeladenen zu 2 verwiesen.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren M 8 K 21.5859 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg, da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist die für den Erfolg von Klage und Antrag allein maßgebliche Verletzung nachbarschützender Vorschriften (1.) weder in Form eines Verstoßes gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften (2.) noch wegen einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes (3.) zu erkennen.
1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen.
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist hier zu berücksichtigen, dass sich Dritte gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen können, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Hinzu kommt, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn es sich um nachbarschützende Normen handelt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
2. Eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschriften des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts liegt nicht vor.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO müssen die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen. Die östliche Außenwand des geplanten Gebäudes ist teilweise grenzständig und hält hier keine Abstandsfläche auf dem Baugrundstück zum Nachbargrundstück ein. Hieraus ergibt sich jedoch kein Verstoß gegen die drittschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts, weil die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vorliegen.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
Nach planungsrechtlichen Vorschriften darf hier an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Grenzanbaus beurteilt sich hier nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB. Danach ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. In der maßgeblichen näheren Umgebung ist vorliegend sowohl offene als auch geschlossene Bauweise zu finden. Wenn die Bebauung in der näheren maßstabsbildenden Umgebung Hauptgebäude mit und ohne seitlichen Grenzabstand umfasst und die vorzufindende Bauweise wegen ihrer Regellosigkeit auch keine abweichende Bauweise i.S. des § 22 Abs. 4 Satz 1 BauNVO darstellt, fügen sich sowohl Gebäude mit als auch ohne seitlichen Grenzabstand in die Umgebung ein. In einem unbeplanten Gebiet mit teils offener, teils geschlossener Bebauung sind regelmäßig beide Bauweisen planungsrechtlich zulässig, der Bauherr hat insoweit ein Wahlrecht (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1994 – 4 B 53.94 – NVwZ 1994, 1008; BayVGH, B.v. 26.1.2000 – 26 CS 99.2723 – BayVBl 2001, 628; B.v. 25.1.2008 – 15 ZB 06.3115 – juris; U.v. 4.5.2017 – 2 B 16.2432 – juris).
Als „maßgebliche nähere Umgebung“ ist dabei der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder beeinflusst (BVerwG, U.v. 26.5.1978, BauR 1978, S. 276; B.v. 28.8.1998, NVwZ-RR 1999, 106; B.v. 11.2.2000, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 197; B.v. 28.8.2003 – 4 B 74/03 – juris). Die Eigenart der näheren Umgebung ist für jedes Kriterium des Einfügens gesondert abzugrenzen (BVerwG, B.v. 13. 5. 2014 – 4 B 38/13 – NVwZ 2014, 1246). Hinsichtlich der Beurteilung des Einfügens nach der Bauweise kann insbesondere ein engerer Umgriff zu Grunde zu legen sein als bei der Bestimmung nach der Art der baulichen Nutzung (BayVGH, B.v. 17.3.2014 – 2 CS 14.27 – juris Rn 3). Wie weit die wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. In der Regel gilt bei einem inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (BayVGH, B.v. 27.9.2010 – 2 ZB 08.2775 – juris Rn. 4; U.v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris Rn. 25; U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19).
Für das in Frage stehende Einfügungskriterium der Bauweise nach § 34 Abs. 1 BauGB ist hier als maßgebliche Umgebung das Geviert …straße im Westen, … straße im Norden, … straße im Osten und … straße im Süden zu betrachten. Das Geviert ist nach dem dem Gericht vorliegenden amtlichen Lageplan sowie den aus dem Geoinformationssystemen BayernAtlasPlus und Google Maps zu ersehenden Verhältnissen durch eine grenzständige Blockrandbebauung mit Unterbrechungen durch sogenannte Pavillionabstände geprägt. Aufgrund der einheitlichen Struktur und dem Fehlen einer städtebaulich relevanten Zäsur ist entsprechend der eingangs dargestellten Regel das gesamte Geviert für die Beurteilung des Einfügenskriteriums heranzuziehen. Im Blockinneren befinden sich mehrere Gebäude, die sowohl an die rückwärtige Grundstücksgrenze als auch an die seitliche Grundstückgrenze angebaut sind. Ein Ordnungssystem bzw. eine das Geviert prägende Systematik ist – insbesondere in Bezug auf die Bauweise – nicht auszumachen.
Die grenzständige Bebauung fügt sich auch bei einer isolierten Betrachtung des rückwärtigen Bereichs im Blockinneren des vorgenannten Gevierts als maßstabbildender Bereich planungsrechtlich in die Umgebung ein. Zwar handelt es sich bei einigen der im rückwärtigen Bereich an der Grenze gelegenen Gebäude um möglicherweise zwar abstandsflächenrechtlich nicht privilegierte, aber in Bezug auf die Bauweise unbeachtliche Nebengebäude. Auf den Grundstücken Fl.Nrn. …, …, … und … Gem. … bestehen indes jeweils grenzständige Gebäude mit Hauptnutzungen. Auch diese Bebauung ist für das Baugrundstück als prägend anzusehen. Sie kann aufgrund ihrer Zahl und ihrer Dimension nicht als sog. „Ausreißer“ unbeachtlich bleiben. Ein nicht zu berücksichtigender „Ausreißer“ oder Fremdkörper liegt nur dann vor, wenn eine bauliche Anlage von ihrem quantitativen Erscheinungsbild oder nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfällt. Dies wäre namentlich dann anzunehmen, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht (vgl. BayVGH, B. v. 15.1.2001 – 2 ZB 00.1940 – juris Rn. 2; U.v. 6.5.2021- 15 B 20.2689 – juris Rn. 18). Nachdem sich hier im rückwärtigen Bereich des Gevierts insgesamt vier Hauptgebäude als Grenzbebauung finden lassen und zudem die Bebauung auf Fl.Nr. … Gemarkung … über drei Geschosse mit Dachgeschoss und auch die übrige Grenzbebauung hinsichtlich der Baukörpergröße nicht zu vernachlässigen ist, verbietet sich das Ausscheiden dieser Gebäude als singuläre Anlagen.
Das grenzständig geplante Vorhaben fügt sich demnach objektiv in die hinsichtlich der Bauweise regellose maßgebliche Umgebung ein. Die erkennende Kammer bekräftigt damit ihre bereits im Beschluss vom 27. Oktober 2020 (M 8 SN 20.5154 – nicht veröffentlicht) zur Zulässigkeit einer Grenzbebauung im Blockinneren des vorliegenden Gevierts geäußerte Rechtsauffassung. Eine Grenzbebauung ist planungsrechtlich hier auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot unzulässig (vgl. 3.).
3. Das Vorhaben verstößt nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, das hier aus dem Gebot des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB abzuleiten ist.
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17).
3.1 Das Gebot der Rücksichtnahme erfordert vorliegend kein Zurückweichen des Bauvorhabens von der Grenze. Den Antragstellern ist eine besondere Schutzwürdigkeit gegenüber dem geplanten Grenzanbau nicht zuzubilligen.
Die geplante grenzständige Außenwand hat gegenüber dem Nachbargrundstück lediglich eine Länge von 2,71 m und eine Wandhöhe von 6,47 m. Sie weist damit Dimensionen auf, die im innerstädtischen Bereich als grenzständige Brandwand regelmäßig auch im Geviertsinneren anzutreffen sind. Schon aufgrund ihrer Höhe ist sie bei Weitem nicht in der Lage, gegenüber dem Anwesen der Antragsteller eine erdrückende Wirkung zu entfalten. Die Möglichkeit einer erdrückenden Wirkung ist grundsätzlich zu verneinen, wenn der Baukörper des angegriffenen Gebäudes nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Nachbargebäudes (BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 16 m.w.N.). Das dreigeschossige Anwesen der Antragsteller mit Hochparterre und Dachgeschoss überragt das geplante Vorhaben mehr als deutlich und kann dementsprechend nicht von dem streitgegenständlichen Vorhaben eingemauert oder erdrückt werden. Angesichts der Größenverhältnisse und der Entfernung des Anwesens der Antragsteller von der geplanten Außenwand von ca. 7,5 m scheidet auch eine unzumutbare Verschattung durch die grenzständige Wand aus.
3.2 Auch die übrigen mit der geplanten Bebauung einhergehenden Auswirkungen sind im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes im dicht bebauten innerstädtischen Bereich hinzunehmen. Das Rücksichtnahmegebot vermittelt dem Nachbarn nicht das Recht auf die Beibehaltung einer günstigen Situation. Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B. v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 6). Das Rücksichtnahmegebot legt dem Bauherrn zudem auch keine Pflicht auf, generell die für den Nachbarn am wenigsten beeinträchtigende Alternative für seine Bauabsicht zu wählen (BVerwG, B.v. 26.6.1997 – 4 B 97/97 – juris Rn. 6). Ein Anspruch auf Freihaltung des Nachbargrundstücks zum Erhalt der Durchlüftung und der mikroklimatischen Verhältnisse auf dem eigenen Grundstück, wie ihn die Antragsteller im Ergebnis geltend machen, lässt sich aus dem Rücksichtnahmegebot, nicht ableiten. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12; B.v. 7.2.2012 – 15 CE 11.2865 – juris Rn. 14; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 14; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7).
Die geplante Bebauung nimmt im Verhältnis zu der in der Umgebung vorhandenen rückwärtigen Grenzbebauung besonders auf die Interessen der Antragsteller am Erhalt der Belichtung und Belüftung Rücksicht, da die Grenzbebauung auf einen geringen Teil (ca. 2,7 m) der gemeinsamen Grenze reduziert ist und im übrigen Bereich (8,31 m) eine Einhaltung der Abstandsflächen gewährleistet bleibt.
Der Antrag war nach alldem mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzulehnen. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2 tragen, da diese einen Antrag gestellt und mit dem Antrag Erfolg haben.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.