Baurecht

Heranziehung zum Herstellungsbeitrag für eine Entwässerungsanlage

Aktenzeichen  W 2 K 19.553

Datum:
5.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13267
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1, § 5 Abs. 2a, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b
BGS-EWS § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 9 S. 2
BauGB § 3, § 10 Abs. 3
AO § 169 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Erhöht die Gemeinde die zulässige Geschossfläche im Bebauungsplan, so erhöht dies beim Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche eine Änderung der für die Beitragssatzung maßgeblichen Umstände und es entsteht -aufgrund der höheren baulichen Ausnutzbarkeit- ein zusätzlicher Vorteil für das Grundstück, der eine neue Beitragspflicht auslöst.  (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Festsetzungsverjährungsfrist für die aus der Erhöhung der zulässigen Geschossfläche resultierenden neuen Beitragspflichten beläuft sich auf vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die 20-jährige Ausschlussfrist ab Entstehen der Vorteilslage wird hinsichtlich jedes neu hinzukommenden Vorteils gesondert in Gang gesetzt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2016 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. April 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
1.1.
Nach Art. 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. d. Bek. vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Mai 2019 (GVBl. S. 266), können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählt auch die von der Beklagten öffentlich-rechtlich betriebene Entwässerungsanlage. Ändern sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich und erhöht sich dadurch der Vorteil, so entsteht dadurch grundsätzlich ein zusätzlicher Beitrag, Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG.
Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte durch den Erlass ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) vom 22. Mai 2012 Gebrauch gemacht.
1.2
Entgegen der Rechtsaufassung des Klägers erweist sich die Satzung nicht aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013, 1 BvR 2457/08, in dem die zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben für verfassungswidrig erklärt wurde, als nichtig. Wie seitens der Beklagten im Schreiben vom 11. Juli 2018 sowie im Widerspruchsbescheid ausgeführt, hat der bayerische Gesetzgeber den verfassungswidrigen Gesetzeszustand durch die Einführung einer 20- bzw. 25-jährigen Ausschlussfrist für die Erhebung von Beiträgen nach Entstehen der Vorteilslage in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit Wirkung zum 1. April 2014 beseitigt. Die getroffene Neuregelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH, U.v. 12.3.2015, 20 B 14.1441 – juris).
Weitere Einwände gegen die Gültigkeit der Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.3.
Mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 22. Mai 2012 hat die Beklagte erstmals wirksames Satzungsrecht zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen für die Entwässerungseinrichtung der Beklagten geschaffen.
Sämtliche vorherigen Beitragssatzungen der Beklagten waren nichtig. Die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 22. Dezember 1976, auf die der Beitragsbescheid vom 9. März 1981 gestützt wurde, sowie die Beitragssatzung vom 26. Mai 2009 enthielten in § 5 Abs. 9 bzw. § 3 Abs. 3 jeweils eine gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende Übergangsregelung; die Beitragssatzungen vom 19. April 1989 und vom 6. Mai 1997 enthielten in § 5 Abs. 7 Satz 5 eine unzulässige Dachgeschossregelung für Außenbereichsgrundstücke. Diese Satzungsmängel führten jeweils zur Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils (VG Würzburg, U.v. 21.3.2012, Az. W 2 K 11.759 – juris).
Dies führt dazu, dass die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück des Klägers erstmalig mit dem Inkrafttreten der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 22. Mai 2012 entstanden ist.
1.4.
Hinsichtlich einer Geschossfläche von 156 m² wurde das Grundstück bereits mit Bescheid vom 9. März 1981 bestandskräftig zu einem Herstellungsbeitrag nach dem Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche veranlagt, basierend auf der im Bebauungsplan Nr. … damals festgesetzten Geschossflächenzahl von 0,5. Insoweit ist der Beitragstatbestand gemäß § 3 Abs. 2 BGS-EWS als abgeschlossen zu betrachten. Im Übrigen wäre insoweit auch die Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG überschritten.
1.5.
Anders verhält es sich hinsichtlich der Erhöhung der Geschossflächenzahl um 0,15 von bisher 0,5 auf 0,65 für das klägerische Grundstück durch die am 28. Juli 2006 in Kraft getretene Änderung des Bebauungsplans Nr. … Erhöht eine Gemeinde die zulässige Geschossfläche im Bebauungsplan, so bewirkt dies beim Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche eine Änderung der für die Beitragserhebung maßgeblichen Umstände und es entsteht – aufgrund der höheren baulichen Ausnutzbarkeit – ein zusätzlicher Vorteil für das Grundstück (BayVGH, B.v. 30.3.2015, 20 ZB 14.1520 – juris). Dadurch wird – im Zeittunkt des Vorliegen wirksamen Satzungsrechts – gem. Art. 5 Abs. 2a KAG eine neue (Teil)-Beitragspflicht ausgelöst (Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Teil IV, Art. 5, Frage 14, Nr. 8.2.), wie hier in § 5 Abs. 9 Satz 2 Spiegelstrich 2 BGS-EWS festgelegt.
Soweit der Kläger die Nichtigkeit der erfolgten Bebauungsplanänderung rügt, kann er damit nicht durchdringen. Die Festsetzung unterschiedlicher Geschossflächenzahlen für sein Grundstück (0,65) und das Nachbargrundstück Wespenweg 11 (0,5) begegnet angesichts der unterschiedlichen Größe der Grundstücke (312 m² und 737 m²) sowie des bei der Aufstellung und Änderung eines Bebauungsplans bestehenden planerischen Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers keinen durchgreifenden Bedenken. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die nach § 3 BauGB erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung und die gem. § 10 Abs. 3 BauGB erforderliche ortsübliche Bekanntmachung der Bebauungsplanänderung. Der Kläger wurde zudem von der Beklagten auf die Rechtslage ausreichend hingewiesen.
Auch ist die aus der Erhöhung der zulässigen Geschossfläche resultierende neue (Teil-)Beitragspflicht nicht verjährt. Die Festsetzungsverjährungsfrist beläuft sich auf vier Jahre (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO) und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Da die streitgegenständliche (Teil-)Beitragspflicht aufgrund der Nichtigkeit des früheren Satzungsrechts der Beklagten erst mit Inkrafttreten der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 22. Mai 2012 entstanden ist, erfolgte die Heranziehung des Klägers mit Bescheid vom 7. Dezember 2016 noch fristgemäß.
Die 20-jährige Ausschlussfrist ab Entstehen der Vorteilslage gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist ebenfalls nicht überschritten. Denn der Eintritt einer neuen Vorteilslage setzt hinsichtlich des neu hinzukommenden Vorteils die Ausschlussfrist gesondert in Gang (BayVGH, B.v. 25.3.2015, 20 CS 15.300 – juris; B.v. 20.5.2019, 20 B 18.1431).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben