Baurecht

Herstellungsbeitrag für die öffentliche Wasserversorgungsanlage

Aktenzeichen  W 2 K 19.1222

Datum:
29.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5601
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2a, Art. 13 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. Mai 2018 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die klagende Gemeinde nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Die Erhebung des Herstellungsbeitrags vom Beigeladenen durch Bescheid vom 10. November 2016 ist schon deswegen rechtswidrig, weil sie sich auf keine gültige Rechtsgrundlage stützen kann. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2018 kommt es insoweit nicht an.
Die im Bescheid vom 10. November 2016 als Rechtsgrundlage angegebene Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung 2011 in der Fassung der Änderungssatzung vom 15. Mai 2012 (BGS-WAS 2011) ist nichtig, weil die in dieser Satzung normierte Übergangregelung in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 gegen höherrangiges Recht verstößt.
§ 16 BGS-WAS 2011 hat folgenden Wortlaut:
„Abs. 1:
Beitragstatbestände, die von der BGS-WAS v. 26.06.1981 erfasst werden sollten, werden als abgeschlossen behandelt, sobald auf deren Grundlage bestandskräftige Veranlagungen vorliegen. Wurden Beitragstatbestände nach der genannten Satzung nicht oder nicht vollständig veranlagt oder sind Beitragsbescheide noch nicht bestandskräftig, bemisst sich der Beitrag nach den Regelungen der vorliegenden Satzung. Dabei werden die Grundstücks- und Geschossflächen als abgegolten betrachtet, die bereits bestandskräftig erhoben wurden. Die Sätze 1-3 gelten entsprechend für Beitragstatbestände, die von der Übergangsregelung gemäß § 3 Abs. 3 der BGS-WAS v. 26.06.1981 erfasst werden sollten.
Abs. 2:
Bei Grundstücken, die aufgrund einer Satzung vor dem Inkrafttreten der BGS-WAS v. 26.06.1981 zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen wurden, findet eine Nacherhebung erst statt, wenn sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nach Inkrafttreten dieser Satzung ändern. Im Falle der Nacherhebung gilt, dass die Grundstücks- und Geschossflächen, die zum Zeitpunkt der (früheren) Veranlagung bereits vorhanden waren, als abgegolten betrachtet werden, sodass nur der Unterschied zwischen der zulässigen Geschossfläche und der vorhandenen Geschossfläche bzw. bei einer Grundstücksvergrößerung nur die hinzugekommene Fläche berechnet wird.“
Wie der Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2018 zutreffend ausführt und auf den insoweit verwiesen wird, waren alle bisher erlassenen Beitrags- und Gebührensatzungen zur Wasserabgabesatzung nichtig: Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 26. März 1965 wegen des darin vorgesehenen Beitragsmaßstabs „Meterzahl x Rohrnetzzahl x Wohnungszahl“ (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2006 – 23 CS 06.928 – juris); die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung vom 1. Juni 1971 wegen eines einheitlichen Grundbetrages für alle Grundstücke; die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung vom 25. Juni 1981, mit der der Beitragsmaßstab „zulässige Geschossfläche“ eingeführt werden sollte, wegen einer unzulässigen Regelung für Außenbereichsgrundstücke.
Nach § 16 Abs. 1 BGS-WAS 2011 werden Beitragstatbestände, die von der Beitrags- und Gebührensatzung vom 26. Juni 1981 erfasst werden sollten und für die bestandskräftige Veranlagungen vorliegen, als abgeschlossen behandelt, während nach § 16 Abs. 2 BGS-WAS 2011 die Beitragstatbestände, die auf Grundlage einer der Beitrags- und Gebührensatzungen vom 26. März 1965 oder vom 1. Juni 1971 zu Herstellungsbeiträgen herangezogen wurden, noch nachveranlagt werden können.
Obwohl alle Vorgängersatzungen wegen Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip, das Vorteilsprinzips sowie den Gleichheitssatz ungültig waren, werden durch diese Bestimmungen je nach zeitlicher Geltung der einzelnen Satzungen unterschiedliche Übergangsregelungen für die Nacherhebungstatbestände, nämlich teilweise Nacherhebung und teilweise Schlussstrich für Altanschließer, eingeführt. Nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Januar 2013 – 20 N 12.1060 – juris, lässt es der Grundsatz der Gleichbehandlung jedoch nicht zu, bei mehreren nichtigen Satzungen eine Differenzierung nach diesen Satzungen zu treffen.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich. Auch auf entsprechender Nachfrage des Gerichts konnte die klagende Gemeinde hierfür keine Gründe nennen; insbesondere können dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 24. Januar 2020 und dem Protokoll über die nichtöffentliche Gemeinderatssitzung vom 10. November 2011 mit dem Top „Information und evtl. Entscheidung zur Entwässerungssatzung – EWS, sowie Wasserabgabesatzung – WAS, jeweils mit Beitrags- und Gebührensatzung und Festlegung der Übergangsregelungen“ diesbezüglich keine Anhaltspunkte entnommen werden.
1.2 Selbst bei Gültigkeit dieser Übergangsregelung wäre die Erhebung des Herstellungsbeitrags durch Bescheid vom 10. November 2016 in Höhe von 636,47 EUR für die veranlagten 263,20 m² Geschossfläche rechtswidrig gewesen.
1.2.1 Zum einen hätten von der zulässigen Geschossfläche von 363,20 nicht nur 100 m², sondern 200 m² als bereits veranlagte Geschossfläche abgezogen werden müssen, weil mit Bescheid vom 3. Dezember 1979 Herstellungsbeiträge zur Wasserversorgungsanlage für eine Geschossfläche von 200 m² erhoben wurden.
1.2.2 Darüber hinaus war – wie im Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2016 zu Recht festgestellt wurde – eine Nacherhebung für die zulässige Geschossfläche aufgrund der Ausschlussfrist nicht mehr zulässig.
Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, Doppelbuchst. bb KAG ist die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig. Liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Wie dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Juli 2017 (20 B 16.1695 – juris) und dem Beschluss vom 3. Juni 2019 (20 ZB 18.882 – juris) entnommen werden kann, ist bei vorangegangenem nichtigen Satzungsrecht und bei einem Maßstabswechsel von tatsächlicher zu zulässiger Geschossfläche die Vorteilslage für das veranlagte Grundstück bereits mit der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit an eine ordnungsgemäße Wasserversorgung eingetreten und zwar im Umfang der jeweils zulässigen Geschossfläche, weil die erstmals gültige Satzung auf diesen Zeitpunkt zurückwirkt. Da für das Grundstück schon seit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans „Am oberen Tor“ im Jahr 1975 eine zulässige Geschossflächenzahl von 0,8 gilt und es seit 1976 an die ordnungsgemäß funktionierende Wasserversorgung angeschlossen werden konnte, ist die Vorteilslage in diesem Umfang schon seit dem Jahr 1976 gegeben. Daran kann auch die Grundstücksteilung nichts ändern, weil die zulässige Geschossfläche jedem Grundstücksteil anhaftet. Damit ist für veranlagte Grundstück die zulässige Geschossfläche von 363,20 m² seit 1996 von der Ausschlussfrist erfasst und kann nicht mehr veranlagt werden.
2. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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