Baurecht

isolierte Befreiung, Abwägungsfehler, Funktionslosigkeit, Grundzüge der Planung, Baugrenzen für Nebenanlagen

Aktenzeichen  AN 3 K 20.01047

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3985
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO § 23 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Die erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet, da der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der isolierten Befreiung von den Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO.
Die Klage ist unbegründet, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 436 der Beklagten nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorliegen.
Die hier begehrte Errichtung der Gartenhütte bedarf aufgrund ihrer Ausmaße nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit a) BayBO keiner Genehmigung. Die Verfahrensfreiheit nach Art. 57 BayBO entbindet jedoch nicht von der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften gemäß Art. 55 Abs. 2 BayBO. Insofern bedarf es einer isolierten Befreiung, wenn – wie im hiesigen Fall – in Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gebaut werden soll.
1. Der streitgegenständliche Bebauungsplan ist im Hinblick auf die hier in Frage stehende „Baugrenzenfestsetzung“ wirksam und gültig. Er leidet diesbezüglich weder an einem unheilbaren Abwägungsmangel im Abwägungsergebnis (1.1) noch kann von seiner Funktionslosigkeit (1.2) ausgegangen werden.
1.1 Rechtsgrundlage für die hier in Streit stehende textliche Festsetzung Nr. 1 im Bebauungsplan Nr. 436 ist nicht § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO, sondern § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO. Hiernach kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass die Ausnahmemöglichkeit des § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO keine Anwendung findet. Damit fallen der Wortlaut der textlichen Festsetzung Nr. 1 und der dieser Festsetzung von der Kammer beigemessene Regelungsgehalt deutlich auseinander. Die textliche Festsetzung regelt hier ihrem Wortlaut nach (u.a.), dass Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO außerhalb der Baugrenzen unzulässig sind. Einer solchen textlichen Festsetzung hätte es für diese Wirkung jedoch gar nicht bedurft, da bereits die zeichnerische Festsetzung einer Baugrenze nach der gesetzlichen „Grundkonstruktion“ gemäß § 23 Abs. 3 BauNVO Nebenanlagen außerhalb der Baugrenzen verhindert. § 23 Abs. 3 BauNVO gilt über seinen Wortlaut hinaus grundsätzlich für jede Art von baulicher Anlage (BVerwG, U.v. 21.10.2004 – 4 C 3/04 – juris Rn. 38 m.w.N. = BVerwGE 122, 117). Diese Rechtslage galt auch schon Zeitpunkt der Bekanntmachung des Bebauungsplans.
Regelt ein Bebauungsplan, dass Nebenanlagen außerhalb der Baugrenzen unzulässig sind, so ist Rechtsgrundlage für diese Festsetzung § 23 Abs. 5 BauNVO (BVerwG, U.v. 21.3.2013 – 4 C 15/11 – juris Rn. 11 = NVwZ 2013, 1014). Die Funktion einer Festsetzung von § 23 Abs. 5 BauNVO ist damit der gewünschte „Gleichlauf“ von Nebenanlagen und „Hauptanlagen“ im Hinblick auf die Wirkung der festgesetzten Baugrenzen (VGH Mannheim, U.v. 9.4.2019 – 8 S 1527/17 – juris Rn. 48 = NVwZ-RR 2019, 935). Regelungsgehalt der textlichen Festsetzung Nr. 1 ist hier also ausschließlich das Abbedingen der Ausnahmemöglichkeit nach § 23 Abs. 5 BauNVO, welche nur Nebenanlagen offensteht.
Mit diesen Feststellungen läuft auch der klägerische Vortrag über die Fehlerhaftigkeit des Abwägungsergebnisses der textlichen Festsetzung ins Leere. Die Frage eines „Totalverbots“ stellt sich insofern nicht, als dass die textliche Festsetzung nur die Ausnahmemöglichkeit von § 23 Abs. 5 BauNVO sperrt. Nicht nur ist diese Möglichkeit ganz eindeutig in der gesetzlichen Ermächtigung genau so vorgesehen, sondern vielmehr ist sie vorliegend schon ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan (Ziffer 4.4) durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt. Die Beklagte hat diese Festsetzung gewählt, um die „offene, parkartige Struktur“ der ehemaligen Offizierssiedlung der US-Armee zu bewahren.
Aber auch soweit man den klägerischen Vortrag „ummünzt“ und auf die zeichnerische Festsetzung der Baugrenze beziehen will, kann das Gericht keinen Abwägungsfehler erkennen. Die durch die Baugrenzen gewährten Baufelder haben ausweislich der Pläne keine Dimension, die eine unzumutbare Bebaubarkeit begründen könnten. Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass innerhalb der Baufelder auch vom Bauherren eventuell gewünschte Nebenanlagen rechtlich realisiert werden können. Soweit der Kläger sein Baufeld durch andere Anlagen bereits ausgenutzt hat, ist dies keine Frage eines Abwägungsfehlers.
1.2 Eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans bzw. seiner „Festsetzungen zur Baugrenze“ kann das Gericht nicht erkennen. Auch insoweit ist auf das unter 1.1 dargelegte Verständnis der Kammer von den im Raum stehenden Festsetzungen hinzuweisen.
Die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans oder einzelner seiner Festsetzungen setzt voraus, dass in tatsächlicher Hinsicht ein erkennbar dauerhafter Widerspruch zwischen den faktischen Gegebenheiten und den Festsetzungen des Bebauungsplans besteht und dass in normativer Hinsicht die Erkennbarkeit des Widerspruchs ein Maß erreicht, dass eine Verwirklichung der Festsetzungen nicht mehr realistisch erscheinen lässt und dem Vertrauen in den Bestand der Festsetzungen die Schutzwürdigkeit nimmt (BVerwG, B.v. 22.7.2010 – 4 B 22/10 – juris Rn. 9 ff. = BauR 2010, 2060). Wann dieser Punkt erreicht ist, ist eine Frage des Einzelfalls.
Vorliegend kann eine Funktionslosigkeit der textlichen Festsetzung Nr. 1 mit ihrem oben festgelegten Regelungsgehalt ausgeschlossen werden. Eine solche wäre aufgrund der beschränkten Regelungswirkung überhaupt nur denkbar, wenn Ausnahmen nach § 23 Abs. 5 BauNVO entgegen der Festsetzung gewährt worden wären. Dafür ist nichts ersichtlich.
Befreiungen von einer solchen Festsetzung sind wiederum nicht denkbar (VGH Mannheim, U.v. 9.4.2019 – 8 S 1527/17 – juris Rn. 48 = NVwZ-RR 2019, 935). Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die hier im Raum stehenden Befreiungen von der Baugrenze und nicht von der textlichen Festsetzung erteilt wurden.
Insofern kann eine Funktionslosigkeit auch nur im Hinblick auf die Baugrenze selbst überhaupt angedacht werden. Eine solche liegt jedoch nicht vor. Dass die Baugrenze als solche ihre Steuerungsfunktion durch tatsächliche Entwicklungen im Baugebiet bereits derart eingebüßt hat, dass obiger Maßstab der Funktionslosigkeit in normativer Hinsicht erreicht wäre, kann das Gericht nicht feststellen.
Das Gericht verkennt nicht, dass im Baugebiet offensichtlich etliche Nebenanlagen, aber auch Hauptanlagen in Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans errichtet wurden. Die Beklagte hat diese Entwicklung auch schriftsätzlich ebenso wie ihre Befreiungspraxis eingeräumt. Für das Gericht ist jedoch weder die nicht substantiierte Zahl von angeblich 104 Anlagen außerhalb der Baugrenzen nachvollziehbar, noch käme es entscheidend auf die reine Zahl an. Ebenso kann hier dahingestellt bleiben, ob oder unter welchen Bedingungen die von der Beklagten vorgebrachten Schwarzbauten bei dieser Betrachtung eine Rolle spielen (dazu etwa OVG Münster, U.v. 20.2.2015 – 7 D 29/13.NE – juris Rn. 113 = DVBl 2015, 849, BayVGH, B.v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9 – juris Rn. 13). Vielmehr ist für das Gericht ausschlaggebend, dass die durch die Baugrenzenfestsetzung vorgegebene Gliederungsstruktur des Baugebiets noch deutlich erkennbar ist. Schon ausweislich der allgemein zugänglichen Satellitenbilder des Baugebiets ist die Struktur der Baufelder als solche immer noch erhalten. Auch die von der Beklagten intendierte Erhaltung der offenen Baustruktur des Baugebiets ist immer noch deutlich gewahrt. Demgegenüber ist auch durch ein (häufiger) anzutreffendes Überschreiten der Baugrenze hier kein Zustand erreicht, der bereits das Vertrauen in den Bestand der gesamten Baugrenzen gänzlich entfallen lassen würde. Dass das Baugebiet derart bebaut ist, dass für jedermann offenkundig wäre, dass jeder Bauherr letztlich auf seinem Baugrundstück den Bauort (abgesehen von Abstandsflächen) frei bestimmen könnte, kann nicht gesehen werden.
2. Aufgrund der vom Gericht angenommenen Wirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans kann wegen des gewählten Bauortes außerhalb der Baugrenzen eine Realisierung der Gartenhütte nur dann in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung von dieser Festsetzung nach § 31 Abs. 2 BauGB vorliegen. Eine Ausnahme nach § 23 Abs. 5 BauNVO kommt aufgrund obiger Ausführungen nicht in Betracht.
Vorliegend scheitert die Erteilung einer Befreiung schon daran, dass nach Gerichtsmeinung die Grundzüge der Planung betroffen sind (2.1), hilfsweise aber auch die übrigen Voraussetzungen für eine Befreiung nicht gegeben wären (2.2).
2.1 Mit dem Begriff der Grundzüge der Planung bezeichnet das Gesetz die durch die Hauptziele der Planung bestimmte Grundkonzeption eines Bauleitplanes. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich jeweils nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Unter welchen Voraussetzungen die Grundzüge der Planung berührt werden, lässt sich dabei nicht allgemeingültig formulieren; maßgeblich ist die jeweilige Planungssituation (vgl. u.a. BVerwG, B.v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 – juris). Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Dabei kommt es darauf an, ob die fragliche Festsetzung Bestandteil eines Planungskonzepts ist, das das gesamte Plangebiet oder maßgebliche Teile hiervon gleichsam quasi wie ein roter Faden durchzieht, so dass eine Abweichung zu weit reichenden Folgen führt, oder ob die einzelne Festsetzung entweder gewissermaßen „zufällig“ erfolgt ist oder aber – wird von ihr abgewichen – der damit verbundene Eingriff in das Planungsgefüge eingegrenzt, also quasi „isoliert“ werden kann (BayVGH, U.v. 19.10.1998 – 15 B 97.337 – juris). Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 – juris; B.v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 – juris; U.v. 18.11.2010 – 4 C 10/09 – juris). Mithin scheiden im Allgemeinen Abweichungen von Festsetzungen aus, die diese Grundkonzeption des Bebauungsplanes berühren. Aber auch Festsetzungen, die nicht für die Grundkonzeption maßgeblich sind, können die Grundzüge der Planung bestimmen, wenn ihnen nämlich ein spezifisches planerisches Konzept zugrunde liegt. Dies gilt auch für einzelne Festsetzungen. Denn auch sie können „die Planung tragende Festsetzungen“ sein (BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 – juris). Entscheidend ist, dass der im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachte planerische Wille der Gemeinde auf eine bestimmte städtebauliche Ordnung gerichtet ist, die der Planung als Grundkonzept zugrunde liegt. Ist dies der Fall, handelt es sich um Grundzüge der Planung. Diese sind berührt, wenn bezogen auf diesen planerischen Willen derart vom Planinhalt abgewichen wird, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Mit anderen Worten muss eine Abweichung – soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein – durch das planerische Wollen noch gedeckt sein; es muss angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Plangeber gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (vgl. etwa BayVGH, U.v. 3.11.2010 – 15 B 08.2426 – juris). Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung Spannungen hineinträgt oder erhöht, die nur durch eine Planung zu bewältigen sind (vgl. etwa BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 15 ZB 15.468 – juris).
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend davon auszugehen, dass die Baugrenzenfestsetzung als solche einen Grundzug der Planung darstellt, von dem nicht befreit werden kann. Betrachtet man die Baugrenzenfestsetzung im gesamten Plangebiet, so zeigt sich deutlich, dass sie durchgehend einen gewissen Mindestabstand der Bebauung zur Grundstücksgrenze bezogen sowohl auf die Vorderseite (Straßenseite) als auch die Hinterseite der Gebäude bewahren soll. Dieses Planungskonzept kann auf alle Baufenster übertragen werden. Im Zusammenspiel mit der Begründung des Bebauungsplans unter Ziffer 4.4 wird deutlich, dass dies auch kein „Zufallsprodukt“ darstellt. Vielmehr ist dies offenkundig ein Absicherungsinstrument der Beklagten gewesen, um die „offene, parkartige Struktur“ der ehemaligen US-Armee-Siedlung zu wahren.
Soweit die Klägerseite unter Verweis auf obergerichtliche Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 14.7.2016 – 1 ZB 15.443 – juris Rn. 6) meint, dass für die Auslegung des Begriffs „Grundzüge der Planung“ auf die Befreiungspraxis der Beklagten abzustellen sei, folgt die Kammer dem nicht und sieht sich ebenso von obergerichtlicher Rechtsprechung gedeckt (BayVGH, B.v. 26.7.2018 – 2 ZB 17.1656 – juris Rn. 3). Bei anderer Betrachtung würde durch die (zunächst nach beiden Ansichten) rechtswidrig erteilten Befreiungen sukzessive ein Zustand geschaffen, der zwischen Funktionslosigkeit einer Festsetzung und Wirksamkeit angesiedelt wäre. Zwar wären dann – auch nach Klägermeinung – die Festsetzungen zwar nicht funktionslos, aber „als Grundzug der Planung“ unwirksam. Die Kammer geht nicht davon aus, dass ein solcher Zwischenzustand existiert, denn die Befreiungen könnten eine solche Wirkung nur aufgrund ihrer faktischen Widersprüche zu den rechtlichen Festsetzungen hervorrufen. Faktische Widersprüche werden allerdings über das Institut der Funktionslosigkeit abgewickelt, die hier (s.o.) nicht vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2018 – 2 ZB 17.1656 – juris Rn. 3).
Selbst wenn man dies wie die Klägerseite sehen will, meint die Kammer, dass die der Klägerseite günstige Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 14.7.2016 – 1 ZB 15.443 – juris Rn. 6) auch nur soweit gemeint ist, als die Befreiungspraxis der Beklagten geht. Die Beklagte hat vorliegend (nicht nur schriftsätzlich sondern auch im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid) eingeräumt, dass sie die gescheiterten Planentwürfe von 1995 im Wege einer etablierten Befreiungspraxis umsetzt. Diese Entwürfe (Ziffer 8 des Änderungsentwurfs 1995) sahen Ausnahmen für Gerätehütten im Maß 2 m x 3 m vor. Selbst bei Wahrunterstellung des von Klägerseite schriftsätzlich vorgebrachten Vortrags hat die flächenmäßig größte – angeblich durch die Beklagte formell legalisierte – Nebenanlage eine Grundfläche von nur 15 qm. Die Klägerseite begehrt hier eine Befreiung für eine Grundfläche von 28 qm. Dies stellt ein Vorhaben ohne ersichtlichen Bezugsfall im Baugebiet dar.
2.2 Hilfsweise wären auch die übrigen Voraussetzungen für eine Befreiung nicht gegeben.
Nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB kann eine Befreiung nur erteilt werden, wenn sie städtebaulich vertretbar ist. Für die Frage, ob eine Befreiung städtebaulich vertretbar ist, ist in erster Linie darauf abzustellen, ob die Befreiung als Inhalt des konkreten Bebauungsplans abwägungsfehlerfrei festgesetzt werden könnte (BVerwG, U.v. 17.12.1998 – 4 C 16/97 – juris Rn. 36 = BVerwGE 108, 190).
Eine Befreiung in dieser Dimension wäre hier nicht mehr abwägungsfehlerfrei möglich, da sie dem Plankonzept der „offenen, parkähnlichen Struktur“, welche durch die Beklagte verfolgt wird, deutlich entgegentritt. Eine solche Zielsetzung wäre nicht mehr verwirklichbar, wenn die Baugrenzen allgemein mit Nebenanlagen dieser Dimension bebaut werden dürften. Die von der Beklagten beabsichtigte Erhaltung einer „amerikanisch“ geprägten Siedlungsstruktur lässt sich hiermit nicht vereinen. Vielmehr wäre der Konflikt mit weiterer Grenzbebauung vorprogrammiert.
Nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB kann eine Befreiung nur erteilt werden, wenn die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde. Eine offenbar nicht beabsichtigte Härte liegt vor, wenn das Baugrundstück in boden-(bebauungs-)rechtlicher Hinsicht Besonderheiten aufweist, die die Gemeinde bei Aufstellung des Bebauungsplans nicht bedacht hat und aufgrund derer der Eigentümer bei einem Festhalten am Bebauungsplan in einer Weise in der baulichen Nutzung beschränkt würde, die vom Ziel geordneter städtebaulicher Entwicklung und von dem im Bebauungsplan getroffenen Interessenausgleich nicht geboten ist (BayVGH, B.v. 14.2.2011 – 9 ZB 10.240 – juris Rn 18). Erforderlich ist mithin eine grundstücksbezogene „Sondersituation“, die den Fall von anderen Fällen unterscheidet und damit auch die beabsichtigte Härte von der unbeabsichtigten Härte abgrenzt.
Eine solche liegt beim Kläger nicht vor. Soweit auf die Lagerung von Brennholz, die Größe des „Rasenmähertraktors“ und die Unterbringung von Fahrrädern abgestellt wird, liegt keine Besonderheit des klägerischen Grundstücks gegenüber den anderen im Plangebiet vorhandenen Grundstücken vor. Es handelt sich schlichtweg um den Wunsch des Klägers nach einem „größeren Baufeld“. Die Verweigerung dieses Wunsches stellt keine unbeabsichtigte, sondern die beabsichtigte Härte dar, da sie der Regelfall der Baugrenzenfestsetzung ist.
Soweit die Klägerseite sich auf eine zivilrechtliche Nichtbebaubarkeit des Grundstücks wegen der Leitungsrechte der Stadtwerke der Beklagten auf dem klägerischen Grundstück beruft, kann dies schon deswegen keine unbeabsichtigte Härte begründen, weil diese Leitungsrechte der Beklagten bei Aufstellung des Bebauungsplans bewusst waren. So sind in den zeichnerischen Festsetzungen im Plangebiet auch bereits „mit Leitungsrechten belastete Flächen“ festgelegt worden, die auch auf dem klägerischen Grundstück liegen. Dass deren ggf. zivilrechtlich bedingte Nichtbebaubarkeit der Beklagten also bei Aufstellung bewusst war, ist zu unterstellen. Insofern ist auch dieser Aspekt bei der Festsetzung der Baugrenzen berücksichtigt worden.
3. Da kein Anspruch auf Befreiung besteht, kann auch dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus ein Anspruch auf Abweichung von den Vorschriften der streitgegenständlichen örtlichen Bauvorschrift nach Art. 63 Abs. 1 BayBO gegeben ist, da der Kläger kein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung nur einer Abweichung hat, da ihm diese alleine keine Realisierungsmöglichkeit für sein Vorhaben bietet.
Nach alledem ist die Klage abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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