Baurecht

Kein Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen Errichtung einer Betonwand an der Grundstücksgrenze

Aktenzeichen  AN 3 E 17.01814

Datum:
7.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1
BayBO BayBO Art. 6 Abs. 9 Nr. 3, Abs. 4 S. 2, Art. 10 S. 3, Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 lit. a, Art. 68 Abs. 4, Art. 75 Abs. 1 S. 1, Art. 81
VwGO VwGO § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten kann nur dann angenommen werden, wenn das Bauvorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt und das behördliche Ermessen auf Null reduziert ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die möglicherweise zu Unrecht unterbliebene Überprüfung eines Vorhabens in einem Baugenehmigungsverfahren gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO begründet kein Abwehrrecht des Nachbarn. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wie und mit welchen dem Schutz des Nachbarn dienenden technischen Vorkehrungen ein Bauvorhaben verwirklicht wird, ist nicht notwendiger Regelungsgehalt einer Baugenehmigung, die unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird (Art. 68 Abs. 4 BayBO). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Öffentlich-rechtlich kann nicht verhindert werden, dass ein tieferliegendes Grundstück durch ein Bauvorhaben auf einem höherliegenden Grundstück, das nach den Abstandsflächenvorschriften zulässig ist, in einem gewissen Umfang beeinträchtigt wird. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Bauarbeiten betreffend das Vorhaben des Beigeladenen vorläufig stillzulegen und die Errichtung einer Betonwand an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu untersagen.
Die Antragsteller ist Miteigentümer des Grundstücks …, FlNr. … der Gemarkung …, welches mit einem Wohnhaus bebaut ist. Die Beigeladenen sind Miteigentümer des Grundstücks …, FlNr. … der Gemarkung …, welches ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut ist. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich einer Satzung über Einfriedung der Gemeinde … vom 27. Juni 1983. Auf den Satzungstext wird Bezug genommen.
Die Grundstücke befinden sich in einer Hanglage, wobei das Grundstück des Antragstellers im Bereich des Bauvorhabens ca. 1,20 m niedriger liegt als das Grundstück der Beigeladenen. Das Wohnhaus des Antragstellers ist in einem Abstand von circa vier Metern – soweit aus den Akten ersichtlich – zur Grundstücksgrenze errichtet und liegt dem streitgegenständlichen Bauvorhaben mit den Wohnzimmer – und Küchenfenstern gegenüber.
Die Beigeladenen errichten auf ihrem Grundstück – wie die vorliegenden Fotografien zeigen – an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf einer Länge von 9 Metern eine 1,80 m hohe Mauer aus Schalbeton. Auf dem Grundstück der Beigeladenen befindet sich bereits zur Abstützung des Hanggeländes eine 1,20 m hohe Stützmauer, auf der die streitgegenständliche Mauer errichtet werden soll.
Im Wesentlichen trägt der Antragsteller vor, es komme neben den optischen Einschränkungen zu einer erheblichen Verdunkelung seiner Wohnräume. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die bereits bestehende Stützmauer statisch nicht geeignet sei, das streitgegenständliche Bauvorhaben zu tragen. Auch sei das Bauvorhaben baugenehmigungspflichtig. Eine Baugenehmigung liege jedoch nicht vor. Außerdem stehe das Vorhaben in Widerspruch zu der Einfriedungssatzung der Gemeinde, die in § 3 Abs. 3 Sichtschutzblenden verbiete. Das Rücksichtnahmegebot sei verletzt. Auch sei Abstandsflächenrecht verletzt, da die zulässige Höhe von 2 m wegen des Aufbaus auf die bereits vorhandene Stützmauer überschritten werde.
Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus dem unmittelbar bevorstehenden Abschluss der Baumaßnahme.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Bauarbeiten zur Errichtung einer 1,8 m hohen Schalwand an der südlichen Grundstücksgrenze der FlNr. … der Gemarkung … durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen und die Errichtung einer Betonwand an dieser Grundstücksgrenze vorläufig zu untersagen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, das Wohnhaus des Antragstellers befinde sich ausweislich der Katasterauszüge an keiner Stelle weniger als 4 m vom Grundstück der Beigeladenen entfernt. Die Gemeinde habe der Errichtung der Schalwand zugestimmt. Die Beigeladenen hätten ursprünglich eine 2,15 m hohe metallene Sichtschutzkonstruktion an der Grenze zur FlNr. … errichten wollen. Diesem Vorhaben habe der Antragsgegner nicht zugestimmt.
Bislang sei seitens des Antragstellers kein ausdrücklicher Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten beim Antragsgegner gestellt worden. Es habe jedoch eine telefonische Beschwerde gegeben, wobei dem Antragsteller von der Sachbearbeiterin erklärt worden sei, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden.
Die im Rahmen des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO zur Begründung eines Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten notwendige Ermessensreduzierung auf Null bestehe vorliegend nicht. Die Einfriedungssatzung diene als örtliche Bauvorschrift lediglich der Gestaltung des Ortsbildes, nicht dem Schutz von Einzelinteressen. Abstandsflächenvorschriften seien nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO nicht einzuhalten. Abzustellen sei auf den natürlichen Geländeverlauf. Von diesem aus gemessen weise das Vorhaben eine Höhe von 1,80 m auf. In der Regel verletze ein Vorhaben, das Abstandsflächenrecht einhalte, nicht das Rücksichtnahmegebot. Für die Annahme einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung bestünden vorliegend keine Anhaltspunkte.
Nachdem auch sonst kein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften erkennbar sei, sei der Antrag abzulehnen.
Die mit Beschluss vom 1. September 2017 zum Verfahren Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) gerichtete Antrag ist zulässig, soweit der Antragsgegner verpflichtet werden soll, die Bauarbeiten vorläufig einzustellen, aber unbegründet. Die Untersagung der Errichtung der streitgegenständlichen Betonwand kann wegen der Vorwegnahme der Hauptsache im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht begehrt werden, § 123 Abs. 1 VwGO.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten der Baugenehmigungsbehörde. Einen Anordnungsanspruch (das Bestehen eines zu sichernden Rechts) kann der Antragsteller nicht glaubhaft machen.
1. Der Antrag ist statthaft, da der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz mangels der Erteilung einer Baugenehmigung nicht mit einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO) erlangen kann.
Unschädlich ist, dass der Antragsteller bislang keine auf die Verpflichtung des Antragsgegners zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gerichtete Klage erhoben hat. Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung bereits vor Klageerhebung erlassen (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine solche muss lediglich noch möglich sein. Dies ist der Fall, weil über das Begehren auf bauaufsichtliches Einschreiten bislang noch nicht entschieden wurde.
Das auch für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis besteht. Der Antragsteller hat sich zuvor ohne Erfolg an den Antragsgegner gewandt. Er hat jedenfalls – so räumt es auch der Antragsgegner in seiner Stellungnahme vom 6. September 2017 ein – seine Bedenken gegen das Vorhaben gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geäußert. Nachdem der Antragsgegner bereits außerhalb des gerichtlichen Verfahrens seine Rechtsauffassung geäußert hatte, bedurfte es eines ausdrücklich auf bauaufsichtliches Einschreiten gerichteten Antrages nicht mehr. Ein solcher wäre offensichtlich aussichtslos gewesen (vgl. dazu Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 123 Rn. 121b).
2. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO ist jedoch unbegründet, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat. Eine Verletzung seiner öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte durch das Bauvorhaben der Beigeladenen, die ein behördliches Einschreiten zwingend erfordern würde, ist nicht ersichtlich.
Die Bauaufsichtsbehörde kann nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden. Ein Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten kann dabei allerdings nur dann angenommen werden, wenn das Bauvorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt und das behördliche Ermessen auf Null reduziert ist (vgl. Simon/Busse, Komm. zur BayBO, Stand Januar 2017, Art. 75 RdNr. 147; BayVGH, B.v. 3.4.2008 – 1 ZB 07.345 – juris; BVerwG, U.v. 4.6.1996 – 4 C 15/95 – juris).
Im vorliegenden Fall besteht ein Anordnungsanspruch bereits deshalb nicht, weil das Vorhaben des Beigeladenen weder nach Bauordnungsrecht (siehe unten a-d) noch nach Bauplanungsrecht (siehe unten e) berücksichtigungsfähige drittschützende Vorschriften zu Lasten des Antragstellers verletzt.
a) Ob das Bauvorhaben wegen der Höhenentwicklung von 3,00 m auf dem Grundstück des Antragstellers wegen der dort bereits vorhandenen Stützmauer von 1,20 m Höhe gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a BayBO zu recht ohne Durchführung eines vorherigen Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 55 BayBO ausgeführt wird, kann vorliegend offenbleiben (siehe hierzu BayVGH, B.v. 14.1.2016 – 1 ZB 12.788 – juris Rn. 3), da ein Anordnungsanspruch nur bei Verletzung drittschützender Nachbarrechte bejaht werden kann. Die möglicherweise zu Unrecht unterbliebene Überprüfung des Vorhabens in einem Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO begründet kein Abwehrrecht des Nachbarn.
b) Darauf, dass das Bauvorhaben gegen § 3 Abs. 3 der Satzung über Einfriedungen der Gemeinde … verstößt, kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen, da dieser Regelung als örtlicher Bauvorschrift nach Art. 81 BayBO grundsätzlich keine drittschützende Wirkung beizumessen ist.
Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus örtlichen Bauvorschriften Abwehrrechte Dritter ergeben können (vgl. BayVGH, U.v. 11.8.1988 – 2 B 87.02300, wohl a.A. BayVGH, U.v. 22.2.2000 – 2 B 94.2587 – juris; siehe hierzu auch Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2017, Art. 81 Rn. 314). Vorliegend sind jedoch aus dem Satzungstext keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Gemeinde über ortsgestalterische Belange hinaus auch solche des Nachbarschutzes regeln wollte, so dass aus Ortsrecht kein Abwehrrecht des Nachbarn folgt.
c) Soweit vorgetragen wird, die bereits bestehende Stützmauer sei wegen der zu erwartenden Schubwirkung statisch nicht geeignet, das streitgegenständliche Bauvorhaben aufzunehmen, kann sich der Antragsteller darauf nicht mit Erfolg berufen.
Aus Art. 10 Satz 3 BayBO, nach dem die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstückes nicht gefährdet werden darf, lässt sich eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ableiten. Diese Vorschrift enthält zwar eine dem Nachbarschutz dienende, bei der Bauausführung zu beachtende Voraussetzung. Jedoch wird seitens des Antragstellers lediglich behauptet, dass die Stützmauer aus statischen Gründen nicht geeignet sei, auf diese die weitere Mauer aufzubauen. Tatsächliche Anhaltspunkte bestehen dafür nicht und werden auch seitens der Baugenehmigungsbehörde nicht genannt. Überdies wäre die Vorschrift des Art. 10 Satz 3 BayBO nicht Gegenstand des Prüfprogramms der Bauaufsichtsbehörde im vorliegend wohl durchzuführenden vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO. Wie und mit welchen dem Schutz des Nachbarn dienenden technischen Vorkehrungen ein Bauvorhaben verwirklicht wird, ist nicht notwendiger Regelungsgehalt einer Baugenehmigung, die unbeschadet privater Recht Dritter erteilt wird, Art. 68 Abs. 4 BayBO (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2582 – juris Rn.3; VG Augsburg, U.v. 26.2.2015 – Au 5 K 14.990 – juris).
d) Auch auf die Verletzung von nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen, da das streitgegenständliche Bauvorhaben keine Abstandsflächen einhalten muss.
Gemäß Art. 6 Abs. 9 Nr. 3 BayBO sind Stützmauern und geschlossene Einfriedungen außerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten bis zu einer Höhe von 2 m in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden. Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine (Teil-)Einfriedung des Grundstücks der Beigeladenen.
Für die Ermittlung der maßgeblichen Höhe ist im Abstandsflächenrecht die in der Natur vorhandene Geländeoberkante auf dem Baugrundstück Bezugspunkt, Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO.
Auf dem Baugrundstück wird die Einfriedung nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten 1,80 m hoch werden.
Bei unterschiedlichen Höhenlagen – vorliegend befindet sich zwischen den beiden streitgegenständlichen Grundstücken aufgrund der Hanglage nach übereinstimmenden Angaben ein Geländeversatz von 1,20 m – ist für die abstandsflächenrechtliche Beurteilung von der Geländeoberfläche des Baugrundstücks aus zu messen, auch wenn das angrenzende Nachbargrundstück tiefer als das Baugrundstück liegt. Der Nachbar muss eine sich hieraus ergebende unverhältnismäßige Höhe der Einfriedung grundsätzlich hinnehmen (Dohm/Franz/Rauscher in Simon/Busse, a.a.O. Art. 6 BayBO, Rn. 153; VGH BW, U.v. 24.3.2014 – 8 S 1938/12 – BauR 2014, 1752 – juris Rn. 28). Öffentlich-rechtlich kann nicht verhindert werden, dass ein tieferliegendes Grundstück durch ein Bauvorhaben auf einem höherliegenden Grundstück, das nach den Abstandsflächenvorschriften zulässig ist, in einem gewissen Umfang beeinträchtigt wird (Dhom in Simon/Busse, a.a.O., Art. 6 BayBO, Rn. 584). Sonst könnte die Höhe einer Grenzbebauung stets nur in Zusammenschau mit dem Oberflächenniveau des Nachbargrundstücks beurteilt werden. Das Abstandsflächenrecht soll aber dem Bauherrn ermöglichen, sein Eigentum unter Berücksichtigung nachbarlicher Interessen an Belichtung, Besonnung und Belüftung auszunutzen. Korrekturen sind im Einzelfall über das allgemeine planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot möglich, siehe dazu unten e).
Anhaltspunkte dafür, dass der maßgebliche Bezugspunkt ausnahmsweise tiefer liegen müsste, bestehen vorliegend nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Grundstück der Beigeladenen aufgeschüttet worden wäre und deswegen die natürliche Geländeoberkante niedriger zu liegen käme.
e) Auch ein Verstoß gegen das im Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB bzw. für faktische Baugebiete in § 34 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme liegt bei summarischer Prüfung nicht vor.
Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommen soll, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG in ständiger Rechtsprechung z.B. U. v. 23.9.1999, Az.: 4 C 6.98 und B.v. 18.11.2004, Az.: 4 C 1/04 – juris).
Von der von den Beigeladenen errichteten Einfriedung gehen keine unzumutbaren Störungen und Belästigungen für den Antragsteller aus, die zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme führen würden. Entspricht ein Bauvorhaben – wie hier oben unter 2 d. ausgeführt – den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 BayBO), ist für das Gebot der Rücksichtnahme grundsätzlich kein Raum mehr (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – NVwZ-RR 1997, 516; BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93 – juris Rn. 22). Nur in Ausnahmefällen kann eine bauliche Anlage dennoch eine unzumutbare, einmauernde oder erdrückende Wirkung entfalten (BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 24.3.2009
– 14 CS 08.3017; B.v. 25.1.2013 – 15 ZB 13.68; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222; B.v. 5.9.2016
– 15 CS 16.1536, alle juris). Kriterien hierfür sind unter anderem die Höhe und die Länge des Bauvorhabens sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris). Rücksichtslosigkeit kann danach etwa bei nach Höhe, Breite und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden angenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85). Entscheidend ist die konkrete Situation im Einzelfall.
Ein solcher Ausnahmefall ist hier nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausreichenden Beurteilung anhand der in der Behördenakte befindlichen Pläne und Lichtbilder auch unter Berücksichtigung des konkreten Standorts der Einfriedung und des unterschiedlichen Geländeniveaus offensichtlich nicht gegeben.
Die Einfriedung liegt auf einer Länge von neun Metern dem Wohnhaus des Antragstellers gegenüber. Nach der im Eilverfahren nur summarischen Prüfung liegt das Wohnhaus des Antragstellers in vier Metern Entfernung zur Grenzbebauung und diese weist dabei (aus Sicht des Antragstellers) eine Höhenentwicklung von drei Metern auf. Nach der gesetzlichen Wertung des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO mutet der Gesetzgeber Nachbarn eine Grenzbebauung mit diesen Ausmaßen grundsätzlich zu.
Außerdem ist das Grundstück des Antragstellers durch die Hanglage vorbelastet. Die Nachbarn des Antragstellers sind aufgrund der bestehenden gesetzlichen Regelungen ebenso wenig verpflichtet, auf die Höhendifferenz von 1,20 m bei Realisierung ihres Bauvorhabens Rücksicht zu nehmen, wie der Antragsteller dies seinerseits gegenüber einem niedriger liegenden Nachbargrundstück wäre. Darauf dass bislang keine Grenzbebauung vorgenommen wurde, kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Dass der Antragsteller subjektiv die Veränderung der baulichen Verhältnisse als unzumutbar empfindet, weil er eine Beeinträchtigung der Belichtung seiner Wohnräume und ein „Eingemauertsein“ befürchtet, ist im Rahmen des Rücksichtnahmegebots unbeachtlich.
Da das streitgegenständliche Vorhaben nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht, liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 75 Abs. 1 BayBO nicht vor. Der Antragsteller hat schon deshalb keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber dem Antragsgegner. Auf die Frage einer Ermessensreduzierung auf Null kam es hier deshalb nicht mehr an.
Nach alledem konnte der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen, so dass der Antrag auf Erlass einer Baueinstellungsverfügung abzulehnen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladenen keinen eigenen Antrag gestellt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in Anlehnung an Nr. II. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. der zuletzt am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen von einem Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR ausgegangen ist, der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wurde (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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