Baurecht

Kein Dönerimbiss in einem als Laden ausgewiesenen Teileigentum

Aktenzeichen  1 S 17319/19 WEG

Datum:
24.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29879
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 15
BGB § 1004

 

Leitsatz

Sieht die Teilungserklärung im Teileigentum einen Laden vor, darf dort kein Dönerimbiss betrieben werden. (Rn. 2 – 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

483 C 8260/19 WEG 2019-10-31 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 15.11.2019, Az. 483 C 8260/19 WEG, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Eine mündliche Verhandlung ist nicht gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geboten, weil die entscheidungserheblichen Umstände bereits erstinstanzlich mündlich erörtert werden konnten und wurden.
Die Berufung ist auch offensichtlich unbegründet (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), weil der tenorierte Unterlassungsanspruch besteht.
1. Dabei geht die Kammer von einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Berufung aus, obgleich der Inhalt der Berufungsbegründung zu Bedenken diesbezüglich Anlass gibt, § 520 III S. 1 Nr. 2-3 ZPO. Umstände und Anhaltspunkte im Sinne dieser Vorschrift sind der Begründung kaum zu entnehmen. Die Berufungsbegründung besteht in weiten Zügen aus einer wortgleichen Wiederholung des Vortrags aus der Klageerwiderung, welcher teilweise nicht an die aktuelle Sachlage und den Streitstand angepasst und auch in einigen Passagen mehrfach wiederholt wird. Allerdings geht aus der Berufungsbegründung in möglicherweise noch hinreichender Weise hervor, dass die Berufung eine vom Amtsgericht und der herrschenden Meinung abweichende Auffassung zu den Voraussetzungen der typisierenden Betrachtungsweise besitzt. Dieses Verständnis vermag die Kammer aber nicht zu teilen.
2. Die Teilungserklärung wurde durch das Amtsgericht zutreffend ausgelegt. Zweckbestimmungen finden sich in der Teilungserklärung, dem dort in Bezug genommenen Aufteilungsplan oder in der Gemeinschaftsordnung. Ist sie in der Teilungserklärung enthalten, so handelt es sich um eine „Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter“ (Bärmann/Suilmann, 14. Aufl. 2018, WEG § 15 Rn. 13). Weil die Teilungserklärung und der darin in Bezug genommene Aufteilungsplan Bestandteil der Grundbucheintragung sind, ist – wie stets bei Auslegung einer Grundbucheintragung – auf den Wortlaut und Sinn der Teilungserklärung abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (BGH Urteil vom 27.10.2017 – V ZR 193/16, NJW 2018, 41). Die Bezeichnung „Laden“ wird in Anlage 1 der Teilungserklärung vom 22.11.1978 in Abgrenzung zur „Wohnung“ verwendet. Dass ihr ein weiterer Begriff i.S.d. Berufung zukäme, ist aus dem Zusammenhang nicht ersichtlich. Da es bei der Auslegung auf die objektive Bedeutung des Begriffs ankommt, wird etwa unter einem „Café“ ein Gaststättenbetrieb verstanden, der in erster Linie Kaffee, Tee und Konditoreiwaren anbietet, unter „Laden“ dagegen eine Verkaufsstätte zum Vertrieb von Waren (Bärmann/Suilmann, 14. Aufl. 2018, WEG § 15 Rn. 22 m.w.N.). Das typische Geschäft für den Laden ist der Warenkleinverkauf durch den Einzelhandel und das warenverkaufende Handwerk (BayObLG, Beschluss vom 2.6.1980 – BReg. 2 Z 66/79, BayObLGZ 1980, 154). Der Beschreibung des Teileigentums als „Laden“ ist eine Nutzungsbeschränkung jedenfalls dahingehend zu entnehmen, dass die Räume grundsätzlich nur als Laden während der normalen (gegenwärtig allerdings in Ausweitung begriffenen) Ladenöffnungszeiten genutzt werden dürfen und demzufolge etwa ein Gaststättenbetrieb mit Publikumsverkehr außerhalb der gewöhnlichen Ladenschlusszeiten ausscheidet (OLG Hamburg Beschl. v. 26.2.2002 – 2 Wx 10/01, BeckRS 2002, 30242572, beck-online).
Unerheblich ist die von der Berufung aufgeworfene Frage, ob in den Zeiten des Versandhandels über das Internet ein Laden grundsätzlich wirtschaftlich unmöglich bzw. zum Scheitern verurteilt sein soll. Wenn dies so wäre, so könnte allenfalls ein Anspruch auf Anpassung der Teilungserklärung bestehen. Allerdings legt die Beklagte hierzu ohnehin nicht dar.
3. Der Betrieb der mit dem angegriffenen Urteil untersagten Nutzung stört bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise mehr als der eines Ladens. Eine Verkaufsstätte zum Vertrieb von Waren ist dadurch geprägt, dass sie alleine innerhalb der geltenden Ladenöffnungszeiten betrieben wird, der Publikumsverkehr nicht verweilt und allenfalls durch das Kommen und Gehen verursachte Emissionen verursacht. Der Betrieb eines Speiselokals in der Form eines Imbisses oder Dönerhauses wird regelmäßig darüber hinaus betrieben, so auch insbesondere neben den Abend- und Nachtstunden auch tagsüber an Sonn- und Feiertagen. Das Publikum verweilt deutlich länger als an einer reinen Verkaufsstelle, wobei Lärmemissionen durch Unterhaltungen, aber auch bspw. Belästigungen durch Raucher auf den Freiflächen vor dem Lokal ganz typische Begleiterscheinungen sind. Dazu kommen im Falle der Zubereitung von Speisen noch die dabei auftretenden Geruchsimmissionen. Jede einzelne dieser Störungen ist hinreichend gravierend, um den Unterlassungsanspruch zu begründen: außer Betracht blieben eben nur unerhebliche Störungen. Hierzu sind gerade keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich, weil es auf konkrete Beeinträchtigungen nicht ankommt. Die Berufung erkennt zwar, dass es alleine auf eine typisierende Betrachtungsweise ankommt, im Widerspruch hierzu stellt sie aber umfangreich auf die Emissionen der Umgebung und die Sinneseindrücke der einzelnen Nachbarn und Miteigentümer ab. Die typisierende Betrachtungsweise ist, was die Kammer nicht weiter zu vertiefen müssen glaubt, vom Einzelfall aber gerade unabhängig.
4. Zutreffend ist die Auffassung der Berufung, wonach das angegriffene Endurteil in seiner Ziffer 2 die Begriffe der Zwangsmittel und der Ordnungsmittel miteinander verwechselt. Erfolgsaussichten besitzt die Berufung auch unter diesem Gesichtspunkt dennoch nicht, denn zum einen ist auch der Tenor der angegriffenen Entscheidung auslegungsfähig und der Berichtigung zugänglich, zum anderen kann ein Erfolg der Berufung nicht darin liegen, dass sie die Vollstreckung gegen sich selbst erleichtert. Die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, dass Ziffer 2 des Urteils im Wortlaut neu gefasst würde, stellt kein auch nur teilweises Obsiegen der Beklagten dar.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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