Baurecht

Kein Vertrauensschutz aus erloschener Baugenehmigung im Neuerteilungsverfahren

Aktenzeichen  9 ZB 15.948

Datum:
16.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 710
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 69 Abs. 1

 

Leitsatz

Aus einer erloschenen Baugenehmigung können keine Rechte mehr abgeleitet werden und diese hat keine Bindungswirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren. Eine Bindungswirkung der Baugenehmigung kann sich nur während ihrer formellen Wirksamkeit ergeben (Art. 43 BayVwVfG). Ebenso wie im Falle einer Verlängerung nach Art. 69 Abs. 2 BayBO gilt somit für eine nachfolgende Baugenehmigung bei Erlöschen einer vorhergehenden Baugenehmigung nach Art. 69 Abs. 1 BayBO in materieller Hinsicht nichts anderes als für eine erstmalige Erteilung. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 14.01076 2015-03-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 100.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt vom Landratsamt N …- … die Erteilung von Baugenehmigungen zur Errichtung von insgesamt fünf Einfamilienhäusern auf den Grundstücken FlNr. …, …, … und … jeweils Gemarkung S … Die Grundstücke befinden sich unmittelbar am nördlichen Ufer der Schwarzach und werden im Norden von einer Felswand begrenzt.
Die Beigeladene verweigerte mit Schreiben vom 27. Mai 2013 ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben und beschloss am 25. März 2014 die Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung eines Grünordnungsplans mit den Rechtswirkungen eines Bebauungsplans sowie eine Veränderungssperre für den Bereich der Grundstücke. Mit Bescheiden vom 21. Mai 2014 lehnte das Landratsamt die beantragten Baugenehmigungen ab. Die dagegen erhobenen Klagen wies das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 5. März 2015 ab. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. An der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Kläger ist der Ansicht, sein Bauvorhaben beeinträchtige keine öffentlichen Belange, weil das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe, dass nach § 35 Abs. 4 BauGB der Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes die Darstellungen des Flächennutzungsplans nicht entgegengehalten werden können. Die Veränderungssperre sei unwirksam, da die zugrundeliegende Planung eine reine Verhinderungsplanung darstelle. Zudem könne er sich auf einen Vertrauensschutz aus einer am 13. August 2009 erteilten Baugenehmigung für die Errichtung von sechs Einfamilienhäusern auf denselben Baugrundstücken berufen. Da diese Baugenehmigung in Folge ihres Erlöschens nicht mehr aufgehoben oder widerrufen werden könne, sei die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Wohnbebauung bestandskräftig festgestellt. Aus diesem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass offen bleiben kann, ob die von der Beigeladenen beschlossene Veränderungssperre, die die Planung der Beigeladenen, das Gebiet als „Flächen zur Maßnahme von Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft“ auszuweisen, sichern will, wirksam ist. Denn schon das bisher für die Grundstücke geltende Bauplanungsrecht hindert eine Verwirklichung des Vorhabens des Klägers (UA. S. 10). Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen vom 5. Juli 1990 stellt den Bereich, in dem die klägerischen Grundstücke liegen, als gewerbliche Bauflächen dar (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BauNVO). Damit widerspricht eine Bebauung der Grundstücke mit fünf Einfamilienhäusern den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), weil im Bereich gewerblicher Flächen nur ausnahmsweise Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zulässig sind (§ 8 Abs. 3 Nr. 1, § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). Entgegen dem Zulassungsvorbringen kommt eine Anwendung von § 35 Abs. 4 BauGB hier nicht in Betracht. Es liegt ohne Weiteres auf der Hand, dass es sich bei der Errichtung von fünf Einfamilienhäusern auf einer – vom Kläger selbst als „Industriebrache“ bezeichneten – Fläche, die mit einem im Jahr 2009 abgebrochenen Restaurant und einem im Jahr 2002 abgebrochenen Industriegebäude bebaut war, nicht um die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle handelt (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Veränderungssperre sind damit nicht entscheidungs-erheblich.
Der Kläger kann sich hinsichtlich der erloschenen Baugenehmigung vom 13. August 2009 nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil aus einer erloschenen Baugenehmigung keine Rechte mehr abgeleitet werden können und diese keine Bindungswirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren hat (vgl. BayVGH, U.v. 31.1.1973 – 40 II 70 – BayVBl. 1974, 15 = BeckRS 2010, 52116; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand August 2008, Art. 69 Rn. 68, 71). Der Hinweis des Klägers, dass eine erloschene Baugenehmigung nicht mehr zurückgenommen oder widerrufen werden könne und deshalb die planungsrechtliche Zulässigkeit der Wohnbauten bestandskräftig festgestellt sei, geht fehl. Der Ausschluss der Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeit bei einer erloschenen Baugenehmigung ist – unabhängig von einer ggf. gleichwohl möglichen Beseitigung deren Rechtsscheins – Ausfluss des allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsatzes, wonach nur einer wirksamer Verwaltungsakt zurückgenommen oder widerrufen werden kann (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 198; BayVGH, U.v. 12.10.1989 – 26 B 86.02944 – BayVBl. 1990, 405 m.w.N.). Eine über das Erlöschen hinausgehende Rechtsfolge oder fortdauernde Bindungswirkung lässt sich daraus jedenfalls nicht ableiten. Eine Bindungswirkung der Baugenehmigung kann sich nur während ihrer formellen Wirksamkeit ergeben (Art. 43 BayVwVfG; vgl. Lechner in Simon/Busse, a.a.O., Art. 68 Rn. 88). Ebenso wie im Falle einer Verlängerung nach Art. 69 Abs. 2 BayBO gilt somit für eine nachfolgende Baugenehmigung bei Erlöschen einer vorhergehenden Baugenehmigung nach Art. 69 Abs. 1 BayBO in materieller Hinsicht nichts anderes als für eine erstmalige Erteilung (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2016 – 1 ZB 13.1441 – juris Rn. 10 m.w.N.; König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 69 Rn. 10). Die Ablehnung der Neuerteilung einer Baugenehmigung nach Fristablauf des Art. 69 Abs. 1 BayBO stellt auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar (BayVGH, U.v. 31.1.1973 – 40 II 70 – BayVBl. 1974, 15 = BeckRS 2010, 52116). Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 4 BauGB nicht erfüllt sind, ergibt sich auch aus Art. 14 GG nichts anderes (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2007 – 4 B 14.07 – juris Rn. 9).
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind, nach den obigen Ausführungen ohne Weiteres und mit zweifelsfreien Ergebnissen klären. Die Frage der Wirksamkeit der Veränderungssperre ist bereits nicht entscheidungserheblich. Aufgrund des Erlöschens der Baugenehmigung vom 13. August 2009 nach Art. 69 Abs. 1 BayBO kann der Kläger hieraus keine Rechte mehr ableiten. Die ursprünglich festgestellte planungsrechtliche Zulässigkeit besteht hier nicht mehr fort, so dass die Genehmigungsfrage vollständig neu aufgeworfen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene keinen wesentlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre im Zulassungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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