Aktenzeichen M 1 K 16.1385
Leitsatz
Ein Nachbar hat nicht schon bei objektiver Rechtswidrigkeit einer Baugenehmigung einen Rechtsanspruch auf ihre Aufhebung. Er muss vielmehr durch die Baugenehmigung gerade in eigenen Rechten verletzt sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, sie also drittschützende Wirkung hat. Daher kann ein Nachbar eine Baugenehmigung nicht erfolgreich mit der Begründung anfechten, das Vorhaben verstoße gegen das Anbauverbot gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FStrG, denn diese besteht im öffentlichen Interesse und dient nicht dem Schutz von Grundstückseigentümern oder Anwohnern. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2016 über die Klage entscheiden, obwohl die Kläger nicht erschienen sind. Sie waren über ihren früheren Bevollmächtigten ordnungsgemäß geladen und auf den Umstand, dass auch bei ihrem Ausbleiben verhandelt und entschieden werden könne, hingewiesen worden (§ 102 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Kläger haben auch keinen erheblichen Grund für die Verlegung vorgetragen und glaubhaft gemacht (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Die Klägerin hat insoweit keine Darlegungen gemacht. Der Kläger hat die angeführten gesundheitlichen Gründe nicht mittels Vorlage eines Attests oder anderer Unterlagen nachgewiesen. Insbesondere führt eine mögliche Verhandlungsunfähigkeit in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht automatisch zum Vorliegen der Verhandlungsunfähigkeit in dem hier in Rede stehenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die Kläger haben überdies nicht vorgebracht, persönlich an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen, sondern vielmehr ihr Einverständnis mit einer Entscheidung nach Aktenlage zum Ausdruck gebracht.
Die Klage hat keinen Erfolg. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie haben als Nachbarn nicht schon bei objektiver Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung einen Rechtsanspruch auf ihre Aufhebung. Sie müssen vielmehr durch die Baugenehmigung gerade in eigenen Rechten verletzt sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, sie also drittschützende Wirkung hat (vgl. BayVGH, B. v. 2.9.2013 – 14 ZB 13.1193 – juris Rn. 11). Hier ist eine Verletzung der Kläger in drittschützenden Rechten zu verneinen.
Die Kläger begründen ihre Klage mit der infolge der Errichtung des Kälberstalls nahe liegenden Verschiebung der einst angedachten Trasse der Westtangente nach Osten, die eine verstärkte Inanspruchnahme ihres Grundstücks FlNr. 2680/8 zur Folge habe und mit der auch die Stadt … nicht einverstanden sei; außerdem verweisen sie auf das Anbauverbot des § 9 FStrG. Diese Umstände können ihrer Klage gegen die Baugenehmigung des Beigeladenen jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.
Die bloße Befürchtung der Kläger kann einer Baugenehmigung, auf deren Erteilung der Beigeladene einen Anspruch hat (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO), nicht entgegen gehalten werden. Die bisher wenig konkretisierte Planung der Trasse der sogenannten Westtangente entfaltet im derzeitigen Stadium noch keine Rechtswirkungen und kann den Klägern daher nicht zum Klageerfolg verhelfen. Eine mögliche Umplanung der Straßenführung wäre gegebenenfalls in einem künftigen Planfeststellungsverfahren gegenüber den Klägern rechtlich aufzuarbeiten. Die Darstellung des ehemals angedachten Trassenverlaufs im derzeit gültigen Flächennutzungsplan der Gemeinde … vermittelt ihnen ohnehin keinen Drittschutz. Einer Darstellung in einem Flächennutzungsplan (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) kommt nur unter sehr engen Voraussetzungen nachbarschützende Wirkung zu (BayVGH, B. v. 29.11.2010 – 9 CS 10.2197 – juris Rn. 13), etwa dann, wenn eine entsprechende Festsetzung in einem Bebauungsplan drittschützende Wirkung hätte und die Darstellung in dem Flächennutzungsplan hinreichend konkret ist (so Geiger in Birkl, Praxishandbuch des Bauplanungs- und Immissionsschutzrechts, Stand März 2016, Rn. E 267). Nach diesem Maßstab ist ein Drittschutz hier zu verneinen. Die Planung einer Straße dient nicht dem Schutz oder den Zielen eines Anwohners oder Grundstückseigentümers, sondern allein dem öffentlichen Zweck der straßenmäßigen Erschließung. Überdies ist die Darstellung und die ihr zugrunde liegende Planung im derzeit noch gültigen Flächennutzungsplan nach dem Bekunden der Gemeinde …, der die alleinige Planung auf ihrem Gemeindegebiet obliegt, obsolet und in der aktuellen Flächennutzungsplanung nicht mehr enthalten. Die Stadt … besitzt für das Gebiet der Gemeinde … keine Planungshoheit. Das von den Klägern herangezogene Anbauverbot an Bundesfernstraßen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG besteht im öffentlichen Interesse und dient nicht dem Schutz ihrer Rechte. Überdies fällt eine geplante Kreisstraße schon nicht in den Anwendungsbereich des Bundesfernstraßengesetzes (vgl. § 1 FStrG), und findet die Beschränkung des Anbauverbots nach § 9 Abs. 4 FStrG erst vom Beginn der Auslegung der Pläne im Planfeststellungsverfahren oder von dem Zeitpunkt an, zu dem den Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, den Plan einzusehen, Anwendung. Dieses Planungsstadium wurde hier aber nicht erreicht.
Einer Entscheidung über den von den Klägern schriftlich angekündigten Beweisantrag bedurfte es nicht, weil zu dessen Inhalt keine Angaben gemacht wurden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kläger tragen die Kosten dabei als Gesamtschuldner (§ 159 Satz 2 VwGO). Der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt und sich deshalb keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.