Baurecht

Keine Verletzung eigener Rechte des Nachbarn bezüglich Stellplatzerrichtung

Aktenzeichen  M 9 SN 16.3217

Datum:
25.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 59, Art. 68 Abs. 4

 

Leitsatz

Ein Dritter kann gegen eine Baugenehmigung für den Nachbarn nur mit Erfolg vorgehen, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die auch dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Soweit eine Verletzung eigener Rechte durch die Situierung von neuen Stellplätze geltend macht wird, führt dies nicht zu einem Verstoß gegen nachbarschützende Regelungen, denn die Stellplatzpflicht als solche besteht im öffentlichen Interesse und dient nicht dem Nachbarschutz. Dies bedeutet, dass der Nachbar kein Recht darauf hat, dass die notwendige Anzahl von Stellplätzen für das Grundstück seines Nachbarn dort auch errichtet wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den Ausbau des Dachgeschosses des Werkstattgebäudes auf der FlNr. … zu einer Hausmeister- und Mitarbeiterwohnung mit vier weiteren Stellplätzen.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, das östlich an das Baugrundstück FlNr. … angrenzt und des Grundstücks FlNr. …, das nördlich angrenzt. Das Bestandsgebäude auf dem Vorhabensgrundstück ist eine Werkstatt, das Dachgeschoss soll mit zwei Wohnungen ausgebaut werden.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 28. November 2013 hat der Bauherr das Vorhabensgrundstück, dessen Mieter er bis dahin war, von den Antragstellern gekauft. Ausweislich Nr. 15 des notariellen Kaufvertrages ist für die FlNr. …, das herrschende Grundstück, eine Grunddienstbarkeit als Zugang und Zufahrt sowie für die FlNr. … als herrschendes Grundstück eine Wendeplatte vereinbart.
Ausweislich des zum Gegenstand des notariellen Kaufvertrages gemachten Lageplans verläuft die Grunddienstbarkeit als Zufahrt an der Westgrenze des Vorhabensgrundstücks. Die Entfernung des Bestandsgebäudes auf dem Vorhabensgrundstück zum östlichen angrenzenden Klägergrundstück FlNr. … beträgt (gemessen) nach den genehmigten Plänen 2,50 m – 3 m. Das Wohnhaus der Antragsteller auf dem Grundstück FlNr. … steht ca. 1 m von der gemeinsamen Grenze zum Vorhabensgrundstück entfernt. Die Abstandsflächen nach Norden zur gemeinsamen Grenze zur FlNr. … durch das Bauvorhaben betragen ausweislich der Pläne mit 2,81 m ½ H. Im Dachgeschoss sollen an der östlichen Dachfläche Richtung Fl.Nr. … zwei Gauben eingebaut werden; dahinter liegen jeweils die Badezimmer (Plangrundriss „Dachgeschoss“).
Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2016 erhob der Bevollmächtigte der Kläger Klage (M 9 K 16.3215) und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom … Juni 2016.
Vier der insgesamt sechs Stellplätze befänden sich im südöstlichen Teil des Grundstücks genau an der Stelle, an der das Geh- und Fahrtrecht vereinbart worden sei. Dies habe zur Folge, dass den Antragstellern durch die Stellplätze die Nutzung dieses Geh- und Fahrtrechtes verwehrt werden würde. Das Geh- und Fahrtrecht sei bisher im Grundbuch noch nicht eingetragen, da der Kaufpreis noch nicht vollständig gezahlt sei. Dies werde voraussichtlich im Jahre 2019 geschehen. Es liege ein Verstoß gegen Abstandsflächenregelungen vor, da das Bauvorhaben im Norden einen Vorbau habe, der weit in die Abstandsflächen der Antragsteller hineinrage.
Das Landratsamt beantragte mit Schreiben vom 12. August 2016:
Antragsablehnung.
Die Antragsteller könnten sich nicht auf die Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen berufen, da diese nicht im Prüfungsumfang des hier einschlägigen vereinfachten Verfahrens enthalten seien und eine Abweichung nicht beantragt worden sei. Die Baugenehmigung beauflage unter Ziff. 3.1.2 die notwendige Zahl von Stellplätzen. Die Situierung der vier neuen Stellplätze im Bereich des Geh- und Fahrtrechts sei zwar nicht bekannt gewesen; es handele sich jedoch um ein privates Recht, das zudem noch nicht im Grundbuch eingetragen sei. Die Baugenehmigung werde unbeschadet der Rechte Dritter erteilt und verletze daher insoweit keine nachbarschützenden Rechte.
Ergänzend teilte das Landratsamt mit Schreiben vom 16. September 2016 mit:
Das nördlich angrenzende Grundstück der Antragsteller (FlNr. …) werde – unabhängig von der Lage der genehmigten und angefochtenen Stellplätze – nicht über die FlNr. …, das Vorhabensgrundstück erschlossen, sondern liege über FlNr. … unmittelbar an einer öffentlichen Verkehrsfläche und sei über diese erschlossen.
Der Bevollmächtigte der Antragsteller nahm zu der Antragsbegründung mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2016, auf den Bezug genommen wird, Stellung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80a Abs. 3 Satz 1, 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung dahingehend, ob das öffentliche und private Vollzugsinteresse des Bauherren oder das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Die vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich maßgeblich an den summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs.
Dabei gilt, dass ein Dritter gegen eine Baugenehmigung für den Nachbarn nur mit Erfolg vorgehen kann, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die auch dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Im gerichtlichen Verfahren findet deshalb keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017). Dabei gilt, dass Nachbarrechte durch eine Baugenehmigung nur verletzt sein können, soweit deren Prüfungsumfang und damit die Regelungsreichweite geht.
Soweit die Antragsteller vortragen, es läge eine Abstandsflächenverletzung vor, hat der Antrag keinen Erfolg, da die Abstandsflächen nicht Gegenstand des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO sind und eine Abweichung nicht beantragt wurde.
Ungeachtet dessen handelt es sich ausweislich der vorgelegten Pläne bei dem nördlichen Anbau – der in den Abstandsflächen zur nördlichen gemeinsamen Grenze mit der FlNr. … liegt – um ein Nebengebäude für die Heizung mit 5,11 m², das nicht dem Aufenthalt von Personen dient, Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO. Danach sind Gebäude ohne Aufenthaltsräume mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m in den Abstandsflächen sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig.
Soweit die Antragsteller eine Verletzung eigener Rechte durch die Situierung der vier neuen Stellplätze geltend machen, führt dies nicht zu einem Verstoß gegen nachbarschützende Regelungen. Die Stellplatzpflicht als solche besteht im öffentlichen Interesse und dient nicht dem Nachbarschutz. Dies bedeutet, dass der Nachbar kein Recht darauf hat, dass die notwendige Anzahl von Stellplätzen für das Grundstück seines Nachbarn dort auch errichtet wird.
Ausweislich der Stellungnahme des Landratsamtes und dem in den Akten vorhandenen Plänen ist die Erschließung des nördlich an das Bauvorhaben angrenzenden Grundstücks FlNr. … von Norden her durch die Lage an einer öffentlichen Straße gesichert. Die notariell vereinbarte Zufahrt entlang der Westgrenze dient nicht zur Sicherung eines Wegerechts für ein Hinterliegergrundstück, so dass diesbezügliche öffentliche Belange der Situierung der Stellplätze nicht entgegenstehen.
Da die Baugenehmigung ungeachtet privater Rechte Dritter erteilt wird (Art. 68 Abs. 4 BayBO) und die Grunddienstbarkeit nur privatrechtlich notariell vereinbart, nicht jedoch im Grundbuch eingetragen wurde, führt die Genehmigung der Stellplätze nicht zu einer Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte der Antragsteller durch die erteilte Baugenehmigung.
Auch ansonsten ist nach Aktenlage eine Verletzung von nachbarschützenden Regelungen – etwa des Gebotes der Rücksichtnahme – nicht erkennbar.
Das Wohnhaus der Antragsteller auf der FlNr. … hält (selbst) die Abstandsflächen zum Vorhabensgrundstück nicht ein. Die im Dachgeschoss des Bauherrn geplanten Gauben zur Belichtung und Belüftung der dahinter liegenden Bäder an der Ostseite befinden sich nicht auf der Höhe des Wohnhauses.
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da er nicht durch die Stellung eines Antrages ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog.


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