Baurecht

Klage des Käufers gegen ausgeübtes gemeindliches Vorkaufsrecht – wirksame Abwendung nach § 27 BauGB

Aktenzeichen  AN 17 K 20.01814

Datum:
21.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37041
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 25 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 1 Abs. 5, § 8, § 16 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Die rechtswirksam erklärte Abwendung nach § 27 BauGB führt zur Rechtswidrigkeit des ausgeübten Vorkaufsrechts als Verwaltungsakt, nicht zu dessen Erledigung (umstr.). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Verwendung des Grundstücks nach § 27 Abs. 1 S. 1 BauGB richtet sich bei Vorliegen eines dem Vorkaufsrecht zugrundeliegenden einfachen oder qualifizierten Bebauungsplans nach dem durch diesen aufgestellten Zulässigkeitsrahmen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vorschrift des § 27 BauGB gewährleistet die Grundstücksverwendung iRd bauplanungsrechtlichen Vorgaben, aber eben nur diese, und rechtfertigt keine weitere Einschränkung des gegebenen Zulässigkeitsrahmens durch außerhalb dessen liegende Verwendungswünsche der Gemeinde. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Dafür, dass der Käufer iSd § 27 Abs. 1 S. 1 BauGB „in der Lage“ ist, das Grundstück binnen angemessener Frist zweckentsprechend zu verwenden, genügt die Glaubhaftmachung (umstr.). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Verpflichtungserklärung des Käufers iRd Abwendung des Vorkaufsrechts nach § 27 Abs. 1 S. 1 BauGB begründet ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis eigener Art, auf das die Vorschriften über den städtebaulichen Vertrag entsprechend anzuwenden sind. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 11. August 2020 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. 
3. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die statthafte Klageart, wenn sich die Klägerin als Käuferin eines Grundstückes gegen die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. BauGB als privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt wendet (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr (BKL), BauGB, 14. Aufl. 2019, § 28 Rn. 2, 21).
2. Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. August 2020 ist rechtswidrig, verletzt die Klägerin in ihren Rechten und ist daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Durch die rechtswirksam erklärte Abwendung des Vorkaufsrechts gemäß § 27 Abs. 1 BauGB durch die Klägerin mit Erklärung vom 20. November 2020 entfallen rückwirkend die Rechtswirkungen dessen Ausübung und damit auch der neue Kaufvertrag mit der Gemeinde. Dies führt jedoch nicht zur Erledigung der Ausübung des Vorkaufsrechts als Verwaltungsakt im Sinne des § 43 Abs. 2 BayVwVfG, sondern lediglich zu dessen Rechtswidrigkeit (Reidt in BKL, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 27 Rn. 8; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (EZBK), BauGB, 142. EL Mai 2021, § 27 Rn. 52; a.A. wohl Jarass/Kment, BauGB, 2. Aufl. 2017, § 27 Rn. 6, die allerdings trotz Erledigung des ausgeübten Vorkaufsrechts inkonsequent eine Anfechtungsklage gegen dieses für statthaft halten, weil im Rahmen dieses Rechtsbehelfs über die Wirksamkeit der Abwendung zu entscheiden sei). Das ist auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes sachgerecht, da die Klägerin als Käuferin, folgte man der Gegenansicht, den Rechtsstreit nach Erklärung der Abwendung nach § 27 BauGB für erledigt hätte erklären müssen, um dann anschließend, sollte sich die von der Rechtmäßigkeit ihres Bescheids ausgehende Beklagte naheliegender Weise weigern, das zur Überwindung der Grundbuchsperre nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB erforderliche Negativattest des § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB auszustellen, eine diesbezügliche Verpflichtungsklage hätte erheben müssen. Daher und angesichts der Systematik der §§ 24 ff. BauGB liegt es näher, die Abwendung nach § 27 BauGB als negatives Tatbestandsmerkmal in die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts zu integrieren – von den Fällen des § 27 Abs. 2 BauGB abgesehen (vgl. HansOLG, U.v. 11.7.2012 – 1 U 1/11 Baul – juris Rn. 45 zu dem damit einhergehenden prozessualen Vorteil, dass die Grundbuchsperre allein durch das rechtskräftige Aufhebungsurteil überwunden werden kann).
a) Die Beklagte hatte hinsichtlich des streitgegenständlichen Kaufvertrages vom 23. Juni 2020 für das Grundstück FlNr. … (UR-Nr. …) zwischen dem Freistaat Bayern als Verkäufer und der Klägerin als Käuferin mit Bescheid vom 11. August 2020 zunächst fristgerecht gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 a.F. i.V.m. § 234 Abs. 1 BauGB das besondere gemeindliche Vorkaufsrecht aus § 25 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ausgeübt. Das besagte Grundstück unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans „… – 2. Änderung“, ortsüblich bekannt gemacht am 25. Juni 2018. Zudem hat die Beklagte mit ihrer Vorkaufssatzung vom 28. Februar 2019 ein Vorkaufsrecht u.a. an dem streitgegenständlichen Grundstück begründet (§ 2 der Vorkaufssatzung i.V.m. dem in Bezug genommenen Lageplan), womit die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erfüllt waren. Zweifelhaft war hingegen, ob die Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts, wie es die § 25 Abs. 2 Satz 1, § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB fordern, zusätzlich durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt war. Die Definition des Wohls der Allgemeinheit ist kontextabhängig anhand der Ziele zu gewinnen, die mit den einzelnen Tatbeständen der Vorkaufsrechte aus § 24, § 25 BauGB verfolgt werden (BayVGH, B.v. 24.4.2020 – 15 ZB 19.1987 – juris Rn. 17). Die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Beschaffung von Gewerbe- und Industriegrundstücken ist dabei grundsätzlich zulässig, jedoch darf die Gemeinde das Vorkaufsrecht nicht ausüben, um dadurch eine zulässige, aber von ihr nicht gewünschte Nutzung zu verhindern. Will der Käufer das streitgegenständliche Grundstück selbst zur Betriebsansiedlung nutzen, bleibt wenig Raum für Gründe des öffentlichen Wohls. Letztlich kann die Entscheidung dieser Frage aber dahinstehen, da die Klägerin jedenfalls rechtswirksam gemäß § 27 BauGB die Abwendung des Vorkaufsrechts erklärt hat (Grziwotz in Spannowsky/ Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.2.2021, § 24 Rn. 24).
b) Mit ihrem am 20. November 2020 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben hat die Klägerin form- und fristgerecht die Abwendung des Vorkaufsrechts nach § 27 BauGB erklärt. Die Abwendungserklärung musste gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 2 Satz 1 a.F., § 234 Abs. 1 BauGB binnen zwei Monaten (nach der Reform des § 28 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind es drei Monate) nach Mitteilung des Kaufvertrags an die Gemeinde erfolgen. Diese Frist hielt die Klägerin zwar nicht ein, da der Beklagten der Inhalt des Kaufvertrages bereits am 20. Juli 2020 mitgeteilt worden war. Jedoch wurde auf ihren Antrag vom 18. September 2020 hin mit Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober die Zweimonatsfrist um zwei weitere Monate bis zum 20. November 2020 gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BauGB verlängert. Die für die Abwendungserklärung erforderliche Schriftform in entsprechender Anwendung des § 11 Abs. 3 BauGB wurde gewahrt (Reidt in BKL, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 27 Rn. 4).
Schließlich erfüllt die Abwendungserklärung der Klägerin auch die materiellen Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB, nämlich, dass der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden kann, wenn die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften oder Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen und er sich hierzu vor Ablauf der (verlängerten) Frist verpflichtet.
aa) Die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Verwendung des Grundstücks richtet sich bei Vorliegen eines dem Vorkaufsrecht zugrundeliegenden einfachen oder qualifizierten Bebauungsplans nach dem durch diesen aufgestellten Zulässigkeitsrahmen (Stock in EZBK, BauGB, 142. EL Mai 2021, § 27 Rn. 16; s.a. Reidt in BKL, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 27 Rn. 2). Der das streitgegenständliche Grundstück erfassende Bebauungsplan „…- 2. Änderung“ in der Fassung der zweiten Änderung setzt hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet im Sinne des § 8 BauNVO fest und sieht für das Maß der baulichen Nutzung unter anderem eine Grundflächenzahl von 0,8, eine maximalen Traufhöhe von 12 m und eine maximale Firsthöhe von 15 m vor. Des Weiteren sind u.a. Baugrenzen festgesetzt sowie hinsichtlich der Bauweise, dass die zulässigen Hausformen eine Länge von 50 m überschreiten dürfen. Nicht Teil des Bebauungsplans sind etwaige Festsetzungen zu einem Minimum an zu überbauender Grundstücksfläche oder der gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO grundsätzlich mögliche Ausschluss nach § 8 Abs. 2 BauNVO im Gewerbegebiet allgemein zulässiger Nutzungen, insbesondere von Lagerplätzen.
bb) Die Käuferin hat sich auch zu einer Verwendung des Grundstücks entsprechend der Vorgaben des Bebauungsplans binnen angemessener Frist verpflichtet und dargelegt, hierzu in der Lage zu sein.
(1) Ist wie hier für die bauliche Nutzung des vorkaufsgegenständlichen Grundstücks durch einen qualifizierten Bebauungsplan ein Zulässigkeitsrahmen aufgespannt, so kann dem Käufer darüber hinaus nicht abverlangt werden, dass er bestimmte zulässige, aber der Gemeinde nicht genehme Nutzungsarten nicht ausübt oder er bestimmte, planungsrechtlich nicht festgesetzte Untergrenzen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung oder der Bauweise einhält. Hat die Gemeinde einen dahingehenden Willen, so muss sie den Bebauungsplan entsprechend fassen oder gegebenenfalls anpassen, vgl. etwa § 1 Abs. 5 BauNVO und § 16 Abs. 4 BauNVO. Der Käufer muss sich darüber hinaus nicht auf ein bestimmtes Vorhaben festlegen, wenn der Bebauungsplan eine Vielzahl zulässiger Vorhaben gestattet, vielmehr genügt es, wenn er sich zu (irgend-)einem bauplanungsrechtlich zulässigen Vorhaben verpflichtet; für diese Verpflichtung ist angesichts der Kürze der Zeit nicht Voraussetzung, dass das Vorhaben bereits entsprechend der Detailtiefe eines Bauantrags konkretisiert ist. Die Vorschrift des § 27 BauGB gewährleistet die Grundstücksverwendung im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Vorgaben, aber eben nur diese und rechtfertigt keine weitere Einschränkung des gegebenen Zulässigkeitsrahmens durch außerhalb dessen liegende Verwendungswünsche der Gemeinde (Stock in EZBK, BauGB, 142. EL Mai 2021, § 27 Rn. 38 f.; s.a. die neueste, bisher nur als Pressemitteilung vorliegende Rechtsprechung des BVerwG, U.v. 9.11.2021 – 4 C 1.20 zu einem Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB). Sonstige Vorgaben zur Verwendung des Grundstücks im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann im Falle des besonderen Vorkaufsrechts nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 BauGB allerdings auch die Vorkaufssatzung der Gemeinde enthalten, was hier aber nicht der Fall ist.
Die Angemessenheit der Frist, innerhalb derer der Käufer die versprochene Nutzung umsetzen muss, ist nicht starr festgelegt, sondern ist anhand der Umstände des Einzelfalls objektiv zu bestimmen, also insbesondere anhand des abgeschätzten Zeitraums für Planung, Finanzierung, Genehmigung und Durchführung des Vorhabens (Stock in EZBK, BauGB, 142. EL Mai 2021, § 27 Rn. 28: Frist eher großzügig zu bemessen; Köster in Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 27 Rn. 7).
„In der Lage“, die zweckentsprechende Grundstücksnutzung auszuüben, ist der Käufer im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wenn er das Vorhaben tatsächlich, rechtlich und wirtschaftlich umsetzen kann (Reidt in BKL, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 27 Rn. 3). Hierfür bedarf es der Glaubhaftmachung durch den Käufer, ein expliziter (Finanzierungs-)Nachweis ist im Rahmen der Abwendungserklärung nicht erforderlich (Reidt a.a.O.; Stock in EZBK, BauGB, 142. EL Mai 2021, § 27 Rn. 24). Die Gegenansicht, welche eine Sicherung der Durchführungsverpflichtungen, etwa durch eine Unterlassungsdienstbarkeit zugunsten der Gemeinde oder die Vereinbarung eines durch Auflassungsvormerkung gesicherten Ankaufsrechts bei einem Verstoß fordert, ist mit Blick auf den Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 1 und die verhältnismäßig kurze Zeitspanne, innerhalb derer die Abwendung erklärt werden muss, abzulehnen (zur a.A. Grziwotz in Spannow-sky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.2.2021, § 27 Rn. 7). Die Gemeinde ist gleichwohl nicht ohne jede Sicherung, da die Verpflichtungserklärung des Käufers im Rahmen der Abwendung des Vorkaufsrechts nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis eigener Art begründet, auf das die Vorschriften über den städtebaulichen Vertrag entsprechend anzuwenden sind (Reidt in BKL, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 27 Rn. 4).
(2) Diesen Maßstab zugrunde gelegt erfüllt die Abwendungserklärung der Klägerin vom 20. November 2020 die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB, weil sie sich zunächst zur Umsetzung eines dem Bebauungsplan „… – 2. Änderung“ entsprechenden Vorhabens verpflichtet. Zu mehr, insbesondere dem seitens der Beklagten geäußerten Wunsch nachzukommen, mindestens 25% der Grundstücksfläche zu überbauen, oder keine Nutzung als Lagerplatz anzustreben, war die Klägerin nach dem oben Gesagten nicht verpflichtet. Der Bebauungsplan setzt nämlich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zeichnerisch ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO fest. In diesem sind Lagerplätze gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 BauNVO allgemein zulässig. Das maximal zulässige Maß der baulichen Nutzung ist unter anderem mit einer Grundflächenzahl (§ 19 BauNVO) von 0,8 festgesetzt, enthält jedoch keine Mindestvorgabe für den Umfang der Bebauung, obwohl § 16 Abs. 4 BauNVO die Möglichkeit hierzu eröffnet. Dies mag für die Beklagte im Ergebnis städtebaulich unbefriedigend sein, jedoch hatte und hat sie die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zur Entwicklung des Gewerbegebiets im Rahmen der rechtlichen Vorgaben in den Bebauungsplan aufzunehmen.
Auch hält sich die Klägerin im Rahmen des durch § 1 der Vorkaufssatzung der Beklagten vom 28. Februar 2019 vorgegebenen Zwecks, was die Beklagte auch nicht in Frage gestellt hat. Die Klägerin ist unbestritten ein in … ansässiges Unternehmen und würde durch die Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks entsprechend den Vorgaben des Bebauungsplans eine gewerbliche Entwicklung im Gemeindegebiet vollziehen, auch wenn sie das zu errichtende Gebäude oder das Grundstück sodann an ein anderes, ebenfalls in … ansässiges Unternehmen der Firmengruppe … vermietet bzw. verpachtet.
Weiter erscheint die von der Klägerin verpflichtend erklärte Umsetzungsfrist – Bauantrag binnen zwölf Monaten nach Eigentumserwerb und Umsetzung des Vorhabens binnen drei Jahren nach Bestandskraft der Baugenehmigung – angemessen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin den für Planung, Finanzierung, Genehmigung und Durchführung des Vorhabens im Rahmen des § 8 BauNVO nötigen Zeitrahmen überdehnt; sie bewegt sich mit der Umsetzungsfrist von drei Jahren insbesondere innerhalb der Geltungsdauer einer Baugenehmigung von vier Jahren, Art. 69 Abs. 1 BayBO.
Die Klägerin hat auch glaubhaft gemacht, zur zweckentsprechenden Verwendung des streitgegenständlichen Grundstücks in der Lage zu sein. Für die Glaubhaftmachung genügt es nämlich, dass die Fähigkeit der Klägerin zur zeit- und zweckgerechten Durchführung des Vorhabens überwiegend wahrscheinlich sein, aber nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen muss (Stock in EZBK, BauGB, 142. EL Mai 2021, § 27 Rn. 23; Happ in Eyermann, VwGO, § 123 Rn. 51). Die Beklagte selbst hat anerkannt, dass dies für sie der Fall ist, indem sie mit Bescheid vom 13. Oktober 2020 die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts bis zum 20. November 2020 verlängert und darin ausgeführt hat, dass die Voraussetzungen für die Verlängerung der Frist nach Ansicht der Gemeinde vorlägen. Zentrale Voraussetzung für eine solche Fristverlängerung aber ist nach § 27 Abs. 1 Satz 3 BauGB, dass der Käufer glaubhaft macht, dass er in der Lage ist, die Anforderungen aus § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu erfüllen. Für die Kammer besteht angesichts der Aktenlage und der mündlichen Verhandlung kein Anlass dieser Einschätzung entgegenzutreten. Die Klägerin kauft, verwaltet, bebaut und vermietet bzw. verpachtet Gewerbeflächen an die …, die … und die …, ist also überwiegend wahrscheinlich finanziell und organisatorisch fähig, ein Grundstück in einem festgesetzten Gewerbegebiet entsprechend dem Bebauungsplan und dem Rahmen des § 8 BauNVO zu nutzen, was die Beklagte auch nicht bestreitet, sondern vielmehr befürchtet.
c) Nach alldem ist von einer wirksamen Abwendung des Vorkaufsrechts nach § 27 Abs. 1 BauGB durch die Klägerin auszugehen, was zur Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten vom 11. August 2020 führt. Die Klägerin ist durch diesen Bescheid auch in ihren Rechten verletzt, da sie als Käuferin durch das ausgeübte Vorkaufsrecht faktisch aus ihrer Position verdrängt würde, wenn auch die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts wegen § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB, § 464 Abs. 2 BGB nicht dazu führt, dass der Kaufvertrag zwischen dem beigeladenen Freistaat Bayern und der Klägerin qua Gesetz erlöschen würde. Wie auch sonst ist die Lage bei einem nicht durch Vormerkung gesicherten Vorkaufsrecht nicht anders als bei einem Doppelverkauf. Der Verpflichtete – hier der Beigeladene – kann sich entscheiden, ob er die Ansprüche des Vorkaufsberechtigten oder des Dritten erfüllt, wobei er dann dem jeweils anderen wegen Nichterfüllung haftet. Vertragsrechtlich wird für diesen Fall typischerweise eine auflösende Bedingung oder wie hier – allerdings befristet bis zum 31. März 2021 – ein Rücktrittsrecht im Vertrag zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten (Klägerin) vereinbart (zum Ganzen Faust in Hau/Poseck, BeckOK BGB, 59. Ed. 1.5.2021, § 464 Rn. 9).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dem Beigeladenen waren gemäß § 154 Abs. 3 VwGO keine Kosten aufzuerlegen, da er keinen Antrag gestellt hat. Umgekehrt kann er auch keine Kostenerstattung verlangen, § 162 Abs. 3 VwGO, und trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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