Baurecht

Klagebefugnis gegen Bauvorbescheid und Zustimmungsbescheid

Aktenzeichen  AN 9 K 15.00056, AN 9 K 16.00383

Datum:
27.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 6 III, 63 I, 66, 71 S. 4, 73

 

Leitsatz

1 Wenn der im bauaufsichtlichen Zustimmungsverfahren eingereichte Bauantrag für den begehrten Vorbescheid den gem. Art. 73 II 5 iVm Art. 71 S. 4 Hs. 2 BayBO zulässigen Antrag des Bauherrn enthält, von einer Nachbarbeteiligung abzusehen, besteht für einen Nachbarn keine Klagebefugnis gegen den Vorbescheid. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Mangel an Stellplätzen führt nicht zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot, wenn nicht angenommen werden kann, dass ein das Grundstück des Nachbarn beeinträchtigender Parksuchverkehr entstehen wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren.

Gründe

1. Die im Verfahren AN 9 K 15.00056 erhobene Klage gegen den Vorbescheid vom 19. September 2012 ist unzulässig.
Für diese Klage besitzt die Klägerin keine Klagebefugnis, da eine Verletzung der Klägerin als Eigentümerin des Nachbargrundstücks durch den hier gegenständlichen Vorbescheid ausgeschlossen ist. Der im bauaufsichtlichen Zustimmungsverfahren nach Art. 73 BayBO eingereichte Bauantrag für den begehrten Vorbescheid enthielt den ausdrücklichen Antrag des Bauherrn, von einer Nachbarbeteiligung abzusehen. Dies war nach Art. 73 Abs. 2 Satz 5 BayBO i. V. m. Art. 71 Satz 4 2. Halbsatz BayBO zulässig, das bauaufsichtliche Zustimmungsverfahren wurde demgemäß ohne Nachbarbeteiligung durchgeführt, auch der Bescheid vom 19. September 2012 enthält einen dahingehenden ausdrücklichen Hinweis. Damit enthält der Vorbescheid aber keinerlei rechtliche Bindungswirkung für die Klägerin als Nachbar (Decker in Simon/Busse, BayBO, Rn. 56 zu Art. 71, BayVGH v. 28.3.2006 – 25 ZB 03.3304, juris). Die Klägerin ist somit mit eventuellen Einwendungen aus dem Nachbarverhältnis gegen das Bauvorhaben weder beschränkt noch ausgeschlossen, vielmehr kann sie alle Verletzungen subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte im folgenden Zustimmungsverfahren geltend machen.
Da somit eine Verletzung nachbarschützender Rechte durch den angefochtenen Vorbescheid keinesfalls gegeben ist, ist die Klage wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig.
2. Die Klage im Verfahren AN 9 K 16.00383 ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2014 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klage gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2014 wäre begründet, wenn die Regelungen dieses Bescheids nachbarschützende Rechte der Klägerin verletzten, dies ist vorliegend aber nicht der Fall.
Gegenstand des Zustimmungsbescheids ist dabei nach dessen eindeutigen Inhalt, was auch durch entsprechende Kennzeichnung der zugehörigen Pläne klargestellt wurde, lediglich der Abriss und der Neubau der Regionalstelle … des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in der Roonstraße 22, nicht dagegen die Errichtung eines Parkhauses auf dem Baugrundstück. Ebenso wenig enthält der Zustimmungsbescheid eine Regelung zum Nachweis von Stellplätzen. Wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich klargestellt hat, ist die Auflage Nr. 1 im Bescheid lediglich als Hinweis auf die Rechtslage, nicht aber, etwa in Verbindung mit den beiden Sätzen zur Stellplatzermittlung und dem Stellplatznachweis in den Gründen, als Regelung zu verstehen. Der Beklagte wollte in dem angefochtenen Zustimmungsbescheid keine Regelung über Stellplätze treffen und hat dies nach Auffassung des Gerichts auch nicht getan. Der vorliegende Zustimmungsbescheid regelt ausschließlich die Zulässigkeit der Errichtung des gegenständlichen Bürogebäudes, ob, wann, wie und gegebenenfalls wo die notwendigen Stellplätze, die nach Art. 47 Abs. 1 BayBO i. V. m. der Garagen- und Stellplatzsatzung der Stadt Nürnberg vom Vorhaben ausgelöst werden, nachgewiesen werden,regelt der Bescheid gerade nicht.
Eine Rechtsverletzung der Klägerin durch das Absehen von einer Regelung hinsichtlich der notwendigen Stellplätze und deren Nachweis liegt nicht vor. Die Erfüllung der Stellplatzpflicht ist grundsätzlich nicht nachbarschützend (Würfel in Simon/Busse, BayBO, Rn. 242 zu Art. 47, BayVGH, B.v. 1.8.2007 – 14 CS 07.670, juris). Ein eventueller Mangel an Stellplätzen, der hier entstehen könnte, falls bis zur Aufnahme der Nutzung des gegenständlichen Bürogebäudes keine hinreichende Zahl von Stellplätzen auf dem Baugrundstück oder in dessen näherer Umgebung nachgewiesen werden sollte, führt hier ersichtlich auch nicht zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot, da im Hinblick auf die Lage des Grundstücks der Klägerin und des gegenständlichen Bürogebäudes sowie den jeweiligen Zufahrten hierzu nicht angenommen werden kann, dass ein das Grundstück der Klägerin beeinträchtigender Parksuchverkehr entstehen wird.
Soweit der angefochtene Bescheid in Ziffer 3) eine Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 3 BayBO wegen Überdeckung der Abstandsflächen erteilt, ist eine Verletzung subjektiver Rechte der Klägerin hierin nicht zu sehen, denn die betreffenden Gebäude, die die hier gegenständlichen Abstandsflächen auslösen, befinden sich in einer derartigen Entfernung vom Grundstück der Klägerin und dem dort befindlichen Wohngebäude, dass eine Beeinträchtigung durch das Gebäude im Hinblick auf die durch die Abstandsflächen geschützten Belange praktisch ausgeschlossen ist.
Soweit die Klägerin vortragen lässt, das Bauvorhaben verstoße hinsichtlich der Art der Nutzung gegen nachbarschützende Vorschriften, so kann dem nicht gefolgt werden. Der hier geltende Bebauungsplan Nr. 3510 der Stadt Nürnberg setzt für das Baugrundstück Fläche für Gemeinbedarf (Verwaltungsgebäude) fest, ein solches soll hier gerade errichtet werden. Dass das Gebäude teilweise auf einer Fläche errichtet werden soll, auf der der Bebauungsplan Stellplätze vorsieht, berührt nicht die Art der Nutzung, sondern eine aus städtebaulichen Gründen getroffene Festsetzung im Bebauungsplan, von der Befreiung im Bescheid erteilt wurde. Dass die Festsetzung der Stellplätze hier Nachbarschutz entfalten sollte, ergibt sich weder aus dem Bebauungsplan selbst noch aus den Bebauungsplanunterlagen, etwas anderes hat auch die Klägerseite nicht vorgetragen.
Die Festsetzung des Bebauungsplans hinsichtlich der Situierung der Stellplätze besitzt ebenso wenig nachbarschützende Wirkung wie die Festsetzungen im Bebauungsplan zur Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl, zur zulässigen Gebäudelänge, zur festgesetzten Zahl der Vollgeschosse und zu den Baugrenzen. Die überbaubare Grundstücksfläche bzw. das Maß der baulichen Nutzung betreffende Festsetzungen entfalten nur dann nachbarschützende Wirkung, wenn dies vom Satzungsgeber so gewollt wurde und dieser Wille sichtbar zum Ausdruck gekommen ist. Dies liegt hier gerade nicht vor, da weder der Bebauungsplan selbst noch die Planunterlagen Hinweise auf eine entsprechende Absicht des Satzungsgebers enthalten.
Damit kann sich die Klägerin allein auf das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme berufen, welches aber durch das gegenständliche Bauvorhaben zulasten des klägerischen Grundstücks nicht verletzt wird. Weder die Größe noch die Lage des hier genehmigten Bürogebäudes noch dessen Nutzung lassen eine abwehrfähige Beeinträchtigung der Klägerin in der Nutzung ihres Grundstücks erwarten, dies gilt auch für den vom Vorhaben ausgelösten Verkehr, zumal die nach den bisherigen Planungen vorgesehene Zufahrt zu dem im Vorbescheid enthaltenen Parkhaus nicht über die Straße An der Reithalle, sondern direkt von der B-straße und östlich und nördlich des vorhandenen Parkhauses auf dem Nachbargrundstück FlNr. … erfolgen soll. Das genehmigte Bürohaus löst auch keine Benachteiligung oder Beeinträchtigung des klägerischen Anwesens im Hinblick auf die Frage der Herstellung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück aus, da die Frage der Zulässigkeit einer solchen Planung einschließlich des durch ein solches Parkhaus möglicherweise ausgelösten Zugangsverkehrs Gegenstand des diese betreffenden Zustimmungsverfahrens wäre und gegen einen entsprechenden Bescheid der Klägerin die üblichen Rechtsmittel zustünden.
Damit sind beide Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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