Baurecht

Kostenentscheidung nach Rücknahme des vergaberechtlichen Nachprüfungsantrages

Aktenzeichen  Verg 9/20

Datum:
6.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47006
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 173, § 182 Abs. 3 S. 5, Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

Es entspricht der Billigkeit, dass der Antragsteller die Verfahrenskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegner und der Beigeladenen (die sich aktiv am Verfahren beteiligt haben) trägt, wenn der Antragsteller sich durch die Rücknahme seines Nachprüfungsantrags selbst in die Rolle des Unterlegenen begeben hat.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RMF-SG21 – 3194-5-20 2020-09-02 Bes VKNORDBAYERN Vergabekammer Ansbach

Tenor

I. Das Nachprüfungsverfahren ist durch Rücknahme des Nachprüfungsantrags erledigt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 173 GWB und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen.
III. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen für das Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
IV. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird Ziffer 4 Satz 1 des Beschlusses der Vergabekammer Nordbayern vom 02.09.2020, Az. RMF-SG21-4194-5-20 (Gebührenfestsetzung) aufgehoben. Insoweit wird das Verfahren zur erneuten Prüfung und Festsetzung der Gebühren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats an die Vergabekammer zurückverwiesen.
V. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30 Millionen € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die sich im Verfahren gegen die beabsichtigte Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene gewandt hat, hat ihren Nachprüfungsantrag mit Schriftsatz vom 04.11.20 zurückgenommen. Aufrechterhalten hat sie nur die sofortige Beschwerde gegen die Gebührenfestsetzung der Vergabekammer.
II.
1. Das Nachprüfungsverfahren ist durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags erledigt, ohne dass es einer Zustimmung der übrigen Verfahrensbeteiligten zur Antragsrücknahme bedarf (vgl. Möllenkamp in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Auflage, § 178 GWB, Rn. 29). Der Beschluss der Vergabekammer vom 02.09.2020, Az. RMF-SG21-3194-5-20, ist damit hinfällig.
Hinsichtlich der Gebührenfestsetzung der Vergabekammer, die durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich nicht berührt wird, hat die Antragstellerin ihre sofortige Beschwerde aufrechterhalten. Dies ist prozessual zulässig, da die Gebührenfestsetzung isoliert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann (BGH vom 25.10.2011, X Z ZB 5/10). Gesonderte Gebühren oder Kosten fallen hierdurch nicht an.
2. Über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die Tragung von notwendigen Aufwendungen der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 182 Abs. 3 S. 5, Abs. 4 S. 3 GWB nach billigem Ermessen. Gleiches gilt für die Kosten des Beschwerdeverfahrens, die auf § 175 Abs. 2 GWB i.V.m. § 78 GWB beruhen. Es entspricht jeweils der Billigkeit, dass die Antragstellerin die Verfahrenskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen (die sich aktiv am Verfahren beteiligt hat) trägt. Denn die Antragstellerin hat sich durch die Rücknahme ihres Nachprüfungsantrags selbst in die Rolle der Unterlegenen begeben (vgl. OLG Düsseldorf vom 20.05.2019, Verg 60/18, Rn. 8 zit. nach Juris). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens umfassen auch die Kosten des Verfahrens nach § 173 GWB, mag auch der Senat bis zur Rücknahme des Antrags die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten noch nicht durchgeführt haben. Insoweit kommt zwar eine Ermäßigung der gerichtlichen Gebühren in Betracht, nicht jedoch ein vollständiger Wegfall.
3. Aus den im wirkungslos gewordenen Beschluss der Vergabekammer ausgeführten Gründen (tatsächliche und rechtliche Komplexität des Falles) war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegnerinnen und die Beigeladene notwendig, § 182 Abs. 4 S. 2 GWB i.Vm. § 80 Abs. 2 und 3 BayVwVfG.
4. Der Senat hat die Gebührenfestsetzung der Vergabekammer gemäß § 182 GWB nur auf Ermessensfehlgebrauch zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 25.10.2011, X ZB 5/10, Rdnr. 12 zit. nach Juris; Senat, Beschluss vom 16.3.2018, Verg 8/17; OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.3.2013, Verg W 1/13, Rdnr. 12 zit. nach Juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.2.2006, 1 Verg 2/06, Rdnr. 8 zit. nach Juris).
Die Gebühren werden von der Vergabekammer nach den Grundsätzen des § 3 S. 1 VwKostG für den Einzelfall festgelegt. Sie sind so zu bemessen, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert und dem Nutzen an der Amtshandlung andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht. Keine Bedenken bestehen zwar dagegen, dass die Vergabekammer angesichts des außergewöhnlich hohen wirtschaftlichen Interesses der Verfahrensbeteiligten die Erhöhung der Gebühr bis zur Höchstgrenze von 100.000 € in Betracht gezogen hat. Da sich im Verfahren völlig andere Fragen und Probleme stellten als im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren, erscheint es auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die Vergabekammer wegen der Vorbefassung keine Reduktion der Höchstgebühr vorgenommen hat. Die Tatsache, dass der Nachprüfungsantrag nunmehr zurückgenommen wurde, rechtfertigte ebenfalls keine Gebührenermäßigung für das bereits abgeschlossene Verfahren vor der Vergabekammer.
Allerdings hat die Vergabekammer die Tatsache, dass keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, im Rahmen der getroffenen Ermessensentscheidung mit dem von ihr vorgenommenen Abschlag von nur 500 € nicht hinreichend berücksichtigt. Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung reduziert den Verwaltungsaufwand in aller Regel relevant, da sowohl die Vorbereitungszeit als auch die Zeit für die Durchführung der Verhandlung entfällt.
Dementsprechend erfolgt auch in der Regel ein Abschlag auf die Gebühr, wenn dieser Aufwand entfällt (vgl. VK Niedersachsen vom 14.11.2016, VgK-44/2016: 1/6; andere Vergabekammern gewichten die mündliche Verhandlung mit 1/5). Auch wenn nicht verkannt wird, dass in § 182 GWB allein die wirtschaftliche Bedeutung eine Erhöhung auf bis zu 100.000 € rechtfertigen kann, bleibt es bei dem Grundsatz, dass das Verhältnis von Verwaltungsaufwand und wirtschaftlichem Wert des Auftrags mitzuberücksichtigen ist. Insoweit scheint der Abschlag von lediglich 500 € von der Maximalgebühr, den die Vergabekammer vorgenommen hat, nicht mehr angemessen.
Der Senat kann die Höhe der angemessenen Gebühr nicht selbst festlegen, da es keine zwingenden Gründe gibt, einen Abschlag in einer bestimmten prozentualen Höhe vorzunehmen. Vielmehr ist es Sache der Vergabekammer, ihren Ermessensspielraum unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles auszuüben.
Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt gemäß § 50 Abs. 2 GKG.


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