Baurecht

Mögliche Veränderungssperre zur Sicherung eines Parkraumkonzepts für einen Flugahfen – keine unzulässige Verhinderungsplanung

Aktenzeichen  2 N 19.1128

Datum:
1.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42575
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3, § 14
VwGO § 47
BauNVO § 1 Abs. 6, § 12 Abs. 6

 

Leitsatz

Eine unzulässige Verhinderungsplanung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB liegt nicht vor, falls eine Gemeinde in einem Gewerbegebiet in Rahmen eines Parkraumkonzepts für einen Flughafen lediglich die gewerbliche Vermietung von Stellplätzen (vgl. § 1 Abs. 6 ff. BauNVO) sowie die Errichtung von Parkplätzen ohne funktionale Zuordnung zu einer Hauptnutzung ausschließen will (§ 12 Abs. 6 BauNVO). Eine derartige Planung kann durch eine Veränderungssperre gem. § 14 BauGB gesichert werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat entscheidet über den Antrag ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten darauf verzichtet haben (§ 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
Der zulässige Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist unbegründet.
1. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, weil er als Eigentümer des Teilbereichs eines Grundstücks, das im Geltungsbereich der Veränderungssperre gelegen ist, möglicherweise in seinen Rechten verletzt wird. Soweit die Antragsgegnerin eine genauere Darlegung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung M.angemahnt hat, konnte sich der Senat im Rahmen einer Grundbucheinsicht davon überzeugen, dass der Antragsteller Eigentümer dieses Grundstücks ist.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde nach § 14 Abs. 1 BauGB eine Veränderungssperre beschließen. Die gesetzliche Voraussetzung, dass die Veränderungssperre zur Sicherung der Planung erlassen wird, ist nur erfüllt, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Veränderungssperre ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 13/03 – NVwZ 2004, 984) und wenn diese Planung nicht an schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Verfahrens erkennbaren, nicht behebbaren Mängeln leidet (vgl. BVerwG, B. v. 21.12.1993 – 4 NB 40/93 – NVwZ 1994, 685). Die mit der Veränderungssperre wirksam werdenden Verbote des § 14 Abs. 1 BauGB sind dem Grundstückseigentümer – auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht zumutbar, wenn die Sperre eine Planung sichern soll, deren Inhalt sich noch in keiner Weise absehen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 10.9.1976 – IV C 39.74 – BVerwGE 51, 121/128) oder die auf nicht ausräumbare rechtliche Hindernisse stößt. Auch aus § 14 Abs. 2 BauGB ergibt sich das Erfordernis eines Mindestmaßes an konkreter planerischer Vorstellung, denn nach dieser Vorschrift kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen; ob jedoch der in der Praxis wichtigste öffentliche Belang – die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung – beeinträchtigt ist, kann nur dann beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 a.a.O.). Inhaltlich muss sich die Veränderungssperre nicht dem allgemeinen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB stellen; der in Aussicht genommene Bebauungsplan wird insbesondere nicht nach Art einer vorweggenommenen Normenkontrolle geprüft (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.1992 – 4 NB 35/92 – NVwZ 1993,473).
Nach diesen Kriterien ist die angegriffene Veränderungssperre wirksam. Insbesondere stellt die durch die Veränderungssperre gesicherte Planung keine gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßende und daher unzulässige Verhinderungs- oder Negativplanung dar. Weder fehlt der Planung das erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung (a)) noch handelt es sich um eine Verhinderungsplanung (b)).
a) Der künftige Planinhalt ist in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar. Die Antragsgegnerin hat in der Sitzung des Gemeinderats vom 9. Juli 2018 ihre Planungsziele festgelegt. Die angestrebte Art der baulichen Nutzung, auf die es zur Beurteilung des Konkretisierungsgrads besonders ankommt, stand fest. Die Antragsgegnerin wollte im Umgriff des bisherigen Bebauungsplans einen neuen Bebauungsplan unter Festsetzung eines Gewerbegebiets nach § 8 BauNVO aufstellen.
b) Die durch die Veränderungssperre gesicherte Planung stellt keine, gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßende und daher unzulässige Verhinderungs- oder Negativplanung dar. Hierunter wird eine Planung verstanden, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, ohne dass die nach den Darstellungen bzw. Festsetzungen zulässigen Nutzungen in Wirklichkeit gewollt sind, sondern nur vorgeschoben werden, um andere Nutzungen zu verhindern (vgl. BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 1 N 05.2521 – juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit jeder Regelung in einem Bauleitplan neben der zulassenden (positiven) Wirkung grundsätzlich auch eine ausschließende (negative) Wirkung verbunden ist. Eine Regelung kann selbst dann unbedenklich sein, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8/90 – DVBl. 1991, 445). Im Übrigen können positive Planungsziele auch durch negative Festsetzungen erreicht werden (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1999 – 4 B 129/98 – BayVBl 1999, 410).
Im vorliegenden Fall liegt keine unzulässige Verhinderungsplanung vor. Ausweislich der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderats vom 9. Juli 2018 sollen in das Aufstellungsverfahren die Ergebnisse des Parkraumkonzepts der Gemeinde für den Flughafen miteinfließen. Die Errichtung von Parkplätzen, die keine funktionale Zuordnung zu einer Hauptnutzung aufwiesen, laufe den bisherigen Intentionen der Gemeinde zuwider, neue gewerbliche Flächen vornehmlich dem produzierenden Gewerbe vorzubehalten. Eigenständige Parkplätze bzw. Parkservicebetriebe für Flughafengäste stellten zwar gewerbliche Nutzungen dar. Derartige Angebote machten aus Sicht der Gemeinde vor allem im näheren Umfeld des Flughafens Sinn. Dort seien entsprechende Angebote erwünscht und derzeit auch vorhanden. Die übrigen Gewerbeflächen sollten jedoch dem „klassischen“ Gewerbe vorbehalten sein. Die Gemeinde wolle daher die Zulässigkeit von Parkservicebetrieben auf das unmittelbare Flughafenumfeld beschränken. Zur Entwicklung entsprechender Parkangebote befände sich die Gemeinde derzeit in enger Abstimmung mit dem Flughafen. In neuen Bebauungsplänen, die Gewerbe- oder Industrieflächen zum Gegenstand hätten und nicht in unmittelbarer Nähe des Flughafens lägen, schließe die Gemeinde schon seit geraumer Zeit die gewerbliche Nutzung und Vermietung von Stellplätzen aus. Da sich der neu aufzustellende Bebauungsplan nicht im unmittelbaren Flughafenumfeld befinde, sollte dementsprechend die Zulässigkeit eigenständiger Parkplatznutzungen ohne funktionale Zuordnung zu einer Hauptnutzung im Baugebiet nach Möglichkeit ausgeschlossen werden, um die gewerblichen Flächen der bestehenden hohen Nachfrage nach Gewerbegrundstücken des produzierenden Gewerbes vorzubehalten. Der gezielte Ausschluss einzelner gewerblicher Nutzungen im Gewerbegebiet sei grundsätzlich möglich, solange der Gebietscharakter gewahrt bleibe. Im vorliegenden Fall könne davon ausgegangen werden, dass wegen des weiten Spektrums der im Gewerbegebiet zulässigen gewerblichen Nutzungen der Gebietscharakter des Gewerbegebiets gewahrt bleibe, wenn lediglich die gewerbliche Vermietung von Stellplätzen (vgl. § 1 Abs. 6 ff. BauNVO) sowie die Errichtung von Parkplätzen ohne funktionale Zuordnung zu einer Hauptnutzung ausgeschlossen werde (§ 12 Abs. 6 BauNVO). Zum Schutz des Aufstellungsverfahrens werde der Erlass einer Veränderungssperre empfohlen. Diese solle in der Sperrwirkung auf Vorhaben, welche die gewerbliche Vermietung von Stellplätzen (z.B. Parkservicebetriebe) bzw. Stellplätze und/oder Garagenstellplätze ohne funktionale Zuordnung zu einer Hauptnutzung zum Gegenstand hätten, beschränkt werden, da darüber hinaus bisher kein Sicherheitsbedürfnis erkennbar sei. Diese Überlegungen wurden vom Antragsteller nicht substantiiert in Frage gestellt und sind auch für den Senat nachvollziehbar.
Mithin ist die Veränderungssperre in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Dass die Antragsgegnerin sich mit dem nachvollziehbaren Bedarf an zusätzlichen Parkplätzen außerhalb des Flughafengeländes ernsthaft beschäftigt hat, zeigt auch der am 30. Juli 2018 beschlossene Rahmenplan. Dieser sieht Entwicklungsflächen für derartige Parkplatzangebote im Umfeld des Flughafens in unmittelbarer Nähe des Terminals vor. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass dort diese Flächen auch am besten ihre Funktion erfüllen. Mit diesem Rahmenplan wird auch zum Ausdruck gebracht, dass die Antragsgegnerin die übrigen Flächen im Gewerbegebiet von „bloßen“ Parkplätzen weitgehend freihalten und sie dem „klassischen“ Gewerbe vorbehalten will. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die in der Fassung vom 23. Juli 2018 verzeichnete Parkplatzfläche „K* …“ (ganz im Westen), vor der Beschlussfassung herausgenommen wurde, weil sie offensichtlich lediglich irrtümlich in den Plan aufgenommen worden war und sie schon von der Lage her nicht dem Kriterium der Terminalnähe entsprochen hatte.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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