Baurecht

Nachbarantrag gegen Baugenehmigung für die Sanierung einer Gastwirtschaft

Aktenzeichen  9 CS 18.1076

Datum:
31.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21899
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146
VwGO § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5
BauNVO § 6, § 15
BauGB § 29 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Materiell oder formell zulässigerweise errichtete Vorhaben  bleiben von den Festsetzungen eines Bebauungsplans unberührt, auch wenn sie diesen widersprechen; sie genießen Bestandsschutz. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 aus der vier Jahre andauernden Unterbrechung der Nutzung einer Gastwirtschaft aus Anlass der Insolvenz der Vorbesitzerin folgt nicht automatisch ein Verzicht auf die weitere Ausübung der genehmigten und/oder materiell bestandsgeschützten Nutzung. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Gastwirtschaft, die mit ihrem bestandsgeschützten Gebäude bzw. ihren Gebäudeteilen (Vorderhaus, Saalgebäude, Hinterhaus und Hofanbau) als eine bauliche Anlage iSd § 29 Abs. 1 BauGB und im Sinne der Regelungen der Baunutzungsverordnung gilt, ist es planungsrechtlich ohne Belang, in welchen Gebäudeteilen, Geschossen oder Räumen die Gastraum-, Küchen- oder sonstigen Nutzungen im Rahmen des Betriebs der Gastwirtschaft stattfinden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 Auch geringfügige bauliche Veränderungen an bestandsgeschützten baulichen Anlagen können bauplanungsrechtlich relevant sein, wenn die Maßnahmen die Immissionssituation der baulichen Anlage iSd § 29 Abs. 1 BauGB im Vergleich zur Bestandsnutzung nachteilig verändern. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 S 18.458 2018-04-19 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die dem Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 11. Oktober 2017 mit Ergänzungsbescheid vom 12. Februar 2018 (Berichtigung der Auflage A557) für die „Sanierung und Teilumnutzung des Gasthauses ‚G* … …‘ – Einbau einer Küche in bish. Saal EG, Toiletten u. Gasträume in bish. Lager- und Technikräume, Verlegung Wirtewohnung ins. 2. OG etc.“ auf den der Nordostseite der G* …straße anliegenden Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung F* …
Das zu Wohn- und Gewerbezwecken genutzte Gebäude des Antragstellers auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung F* … liegt gegenüber dem Vorhabenstandort südwestlich der G* …straße.
Das Baugrundstück und das Grundstück des Antragstellers liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … der Antragsgegnerin, der am 8. Februar 1997 bekanntgemacht wurde (Änderungsfassung). Als Baugebiet ist ein Mischgebiet festgesetzt (Nr. 1 der textlichen Festsetzungen). Im hier maßgeblichen Planbereich „A“ ist die nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1990 allgemein zulässige Nutzung Schank- und Speisewirtschaften einschließlich deren besonderer Betriebsarten, wie auch Cafés – auch solche, die der Versorgung des Gebiets dienen – nicht zulässig, wenn es sich um erlaubnispflichtige Betriebe nach dem Gaststättengesetz handelt. „Bestehende Betriebe genießen Bestandsschutz“. Für Erweiterungen kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme erteilt werden (vgl. Nr. 2.1 der textlichen Festsetzungen).
Unter der Überschrift „Auflagen (Nebenbestimmungen) und Hinweise“ wurden im Baugenehmigungsbescheid „Auflagen zum Immissionsschutz“ festgelegt (A555 bis A559). Nach Auflage A555 ist das zum Bauantrag eingereichte schalltechnische Gutachten vom 14. Juli 2017 des Ingenieurbüros für Bauphysik W* … S* … (Bericht-Nr.: 13784.1, im folgenden Schalluntersuchung) Bestandteil der Baugenehmigung.
Gegen die am 8. November 2017 im Amtsblatt der Antragsgegnerin öffentlich bekanntgemachte Baugenehmigung vom 11. Oktober 2017 hat der Antragsteller am 30. November 2017 Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Az. AN 3 K 17.02482). Am 7. März 2017 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 11. Oktober 2017 anzuordnen. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 19. April 2018 in der Sache ab. Die Baugenehmigung vom 11. Oktober 2017 habe allein bauordnungsrechtliche Fragen zum Inhalt. Eine Verletzung drittschützender Normen des Bauordnungsrechts liege nicht vor. Jedenfalls bestehe materieller Bestandsschutz für die Nutzung als Schank- und Speisewirtschaft, weshalb sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf den im Bebauungsplan festgesetzten Ausschluss von Schank- und Speisewirtschaften berufen könne. Dieser sei auch nicht infolge der Betriebsaufgabe der Vorbesitzerin im Jahr 2014 erloschen. Eine Erweiterung des Gaststättenbetriebs erfolge nicht, die Nutzung bleibe vielmehr im Rahmen des bisher bestandsgeschützten Zustands.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. April 2018, der ihm am 25. April 2018 zugestellt wurde, am 8. Mai 2018 Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet. Er ist der Auffassung, das Vorhaben habe entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine planungsrechtliche Relevanz. Anders als das Verwaltungsgericht annehme, komme es im Vergleich zum früheren Zustand ausweislich der Bauvorlagen auch zu einer höheren Intensität der Gaststättennutzung. Bestandsschutz erstrecke sich aber nur auf den genehmigten Bestand und dessen Instandhaltung. Vorliegend würden bislang unbekannte Gasträume etabliert, die bauliche Anlage erhalte einen neuen Zuschnitt und eine umfangreichere Nutzung als bislang, weshalb die Frage nach der planungsrechtlichen Rechtmäßigkeit aufgeworfen sei. Ein etwaiger Bestandsschutz sei vorliegend erloschen, weil die Betriebstätigkeit eingestellt worden sei. Deshalb greife der Ausschluss in Nr. 2.1 des Bebauungsplans, wonach Schank- und Speisewirtschaften nicht zulässig seien. Einen dauerhaften Schutz vormals genehmigter baulicher Anlagen sehe der Bebauungsplan nicht vor, sondern einen Schutz bestehender Betriebe. Zudem sei der Zuschnitt des vormals bestehenden Betriebs nicht nur in geringem Umfang überschritten worden. Für die beantragte Nutzung mit zweimal ca. 200 Gästen gebe es keine Genehmigung in der Vergangenheit. Das vom Verwaltungsgericht genannte „Zeitmodell“ betreffe die Frage, ob eine Nutzung, die geendet hat, wieder aufgenommen werden könne. Vorliegend sei die Nutzung aber aufgegeben worden, weshalb kein bestehender Betrieb i.S.d. Bebauungsplans mehr vorgelegen habe und der Ausschluss von Schank- und Speisewirtschaften zu beachten sei. Auch wenn der Bebauungsplan nicht gelten würde und keine Änderung des Gebäudezuschnitts und der Nutzung erfolgte, dürfe nach vier Jahren nicht von der Fortdauer der Baugenehmigung ausgegangen werden. Der Bebauungsplan schütze auch die Interessen des Antragstellers, vor erheblichen Lärmwirkungen durch die Aufnahme eines Betriebs mit zweimal ca. 200 Gästen einschließlich des hierdurch verursachten Zu- und Abgangsverkehrs verschont zu bleiben. Auf das Anwesen des Antragstellers wirkten bereits die vielen bestehenden Schank- und Speisewirtschaften ein. Der Saal sei ohne Einschränkungen als Veranstaltungsort bei Verköstigung mit Speisen und Getränken genehmigt worden und dürfe täglich bis 3 Uhr betrieben werden. Da mit allen möglichen Nutzungen wie Konzerten, Tanzveranstaltungen, Familienfeiern gerechnet werden müsse, sei eine Vergnügungsstätte legalisiert worden, die aber im Plangebiet nicht zulässig sei (vgl. Nr. 2.6 der textlichen Festsetzungen).
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. April 2018 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Oktober 2017 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Durch die Baugenehmigung würden keine öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte des Antragstellers verletzt. Der Gaststättenbetrieb genieße Bestandsschutz. Das gegenständliche Vorhaben führe zu einer Verringerung der bestandsgeschützten Gastraumfläche. Die immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen würden gewährleisten, dass sich keine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am Anwesen des Antragstellers ergebe.
Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Bauakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Die vom Antragsteller dargelegten Gründe‚ auf die sich die Prüfung zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)‚ rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Im Ergebnis zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Wiederinbetriebnahme der Gastwirtschaft sowie deren Umbau mangels planungsrechtlicher Relevanz aller Voraussicht nach im Rahmen des Bestandsschutzes bleiben.
1. Die Genehmigung des Bauvorhabens verletzt voraussichtlich nicht den Anspruch des Antragstellers auf die Bewahrung der Gebietsart, weil das Bauvorhaben wohl keine Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB zum Inhalt hat. Aus Anlass der genehmigten baulichen Maßnahmen kommt es deshalb voraussichtlich nicht darauf an, ob die Nutzung der Gastwirtschaft mit den Festsetzungen des Bebauungsplans zu vereinbaren ist, weil die §§ 30 ff. BauGB nur Anwendung finden, wenn ein von § 29 Abs. 1 BauGB erfasstes Vorhaben vorliegt (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2018, § 29 Rn. 15).
a) Grundsätzlich hat die Festsetzung eines Baugebiets kraft Bundesrechts nachbarschützende Funktion; der Antragsteller hat deshalb als Eigentümer eines in demselben Baugebiet liegenden Grundstücks einen Schutzanspruch auf die Bewahrung der Gebietsart (st.Rspr., vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 12, 23 m.w.N.). Nach Maßgabe des Bebauungsplans Nr. … der Antragsgegnerin in seiner derzeit gültigen Fassung von 1997 ist als Baugebiet ein Mischgebiet festgesetzt, in dem Schank- und Speisewirtschaften an sich nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1990 zulässig sind. Allerdings hat die Antragsgegnerin nach § 1 Abs. 5 BauNVO 1990 festgesetzt, dass im Bereich „A“ des Bebauungsplans die allgemein zulässige Nutzungsart Schank- und Speisewirtschaften nicht zulässig ist. Ob sich der Antragsteller nur auf die Bewahrung des Baugebietstypus eines Mischgebiets i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1, § 6 BauNVO 1990 oder auch auf Abwandlungen der Baugebietstypen nach § 1 Abs. 4 ff. BauNVO 1990 berufen kann, hier also als Eigentümer eines ebenfalls im Planbereich „A“ liegenden Grundstücks auf den Ausschluss von Schank- und Speisewirtschaften, bedarf aus Anlass des Falls wohl keiner Klärung (vgl. Bönker in Bönker/Bischopnik, BauNVO, 1. Auflage 2014, § 1 Rn. 5, keine „Nachbarschutzautomatik“; ebs. BVerwG, B.v. 21.9.1982 – 4 B 179.82 – juris Rn. 4; VGH BW, U.v. 11.3.1997 – 10 S 2815/96 – NVwZ 1999, 439 = juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 17.10.2002 – 15 CS 02.2068 – BayVBl 2003, 307 = juris Rn. 20; OVG NW, B.v. 2.12.2013 – 2 A 1231/13 – BauR 2014, 1258 = juris Rn. 9; Roeser in König/Roeser/Stock, 3. Auflage 2014, § 1 Rn. 41, jeweils m.w.N.).
Materiell oder formell zulässigerweise errichtete Vorhaben – wie voraussichtlich die gegenständliche Gastwirtschaft – bleiben von den Festsetzungen eines Bebauungsplans unberührt, auch wenn sie diesen widersprechen; sie genießen Bestandsschutz (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2018, § 30 Rn. 24; BVerwG, U.v. 17.1.1986 – 4 C 80.82 – BVerwGE 72, 362 = juris Rn. 10). Wie schon aus der Formulierung „materiell oder formell zulässigerweise errichtete Vorhaben“ folgt, kann sich ein geschützter Baubestand nicht nur aus der Erteilung einer förmlichen Baugenehmigung ergeben, sondern auch dann, wenn ein Gebäude materiell rechtmäßig errichtet oder zumindest zu einem Zeitraum während seiner Existenz baurechtlich genehmigungsfähig gewesen ist. Ist dies der Fall, so wird das Gebäude im Umfang seines vorhandenen baulichen Bestands und in seiner Funktion geschützt (vgl. Söfker a.a.O. § 35 Rn. 179 m.w.N.). Mit der Wendung in Nr. 2.1 der textlichen Festsetzung, „bestehende Betriebe genießen Bestandsschutz“, stellt die Antragsgegnerin lediglich klar, dass sich der Bestandsschutz gegenüber den Festsetzungen eines Bebauungsplans durchsetzt.
Dass die Gastwirtschaft „G* … …“ jedenfalls bis zu ihrer Schließung im Jahr 2014 Bestandsschutz genoss, bezweifelt auch der Antragsteller nicht (vgl. die zum Bauantrag eingereichte Festschrift „Gasthof ‚G* … …‘ 1632-1932“; Denkmalliste des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege Denkmalnummer …; Altakten der Antragsgegnerin „G* …straße 34“, Band I und II mit einer Vielzahl von Bauvorlagen, Lageplänen, baupolizeilicher, baurechtlicher und sonstiger Genehmigungen). Der Antragsteller geht aber davon aus, dass kein bestehender Betrieb und damit auch kein Bestandsschutz mehr vorliege, weil die Nutzung im Jahr 2014 aufgegeben worden sei. Diese Wertung trifft wohl nicht zu. Denn aus der vier Jahre andauernden Unterbrechung der Nutzung der Gastwirtschaft aus Anlass der Insolvenz der Vorbesitzerin ergibt sich weder ein Verzicht auf die weitere Ausübung der genehmigten und/oder materiell bestandsgeschützten Nutzung, noch hat sich die Nutzungsunterbrechung auf die Nutzungstauglichkeit des Gebäudes als Gastwirtschaft ausgewirkt. Auch sonstige Anhaltspunkte, die auf einen dauerhaften Verzichtswillen schließen oder einen solchen auch nur vermuten lassen könnten, bestehen nicht (vgl. Söfker a.a.O. § 35 Rn. 179; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, § 29 Rn. 18; Spannowsky in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, § 34 Rn. 74.5; BayVGH, B.v. 6.2.2014 – 1 ZB 11.1675 – juris Rn. 3 sowie B.v. 28.6.2016 – 15 CS 15.44 – juris Rn. 20; vgl. auch BVerwG, B.v. 5.6.2007 – 4 B 20.07 – BauR 2007, 1967 = juris Rn. 5 sowie B.v. 5.5.2015 – 4 BN 2.15 – juris Rn. 18, jeweils m.w.N.). Hiervon geht auch das Verwaltungsgericht mit einer überzeugenden Begründung aus.
b) Der Bestandsschutz wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass bauliche Maßnahmen, die nach Landesrecht genehmigungsbedürftig sind, an dem geschützten Gebäude oder darüber hinausgreifend durchgeführt werden, sofern die Identität mit dem ursprünglichen Bauwerk gewahrt bleibt, also das ursprüngliche Gebäude nach wie vor als die „Hauptsache“ erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 17.1.1986 a.a.O juris Rn. 12; bes. BVerwG, B.v. 21.3.2001 – 4 B 18.01 – NVwZ 2002, 92 = juris Rn. 11; Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger; BauGB, Stand Februar 2018, § 29 Rn. 46, jeweils m.w.N.). So liegt es voraussichtlich hier.
Ausweislich der mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen beschränken sich die baulichen Änderungsmaßnahmen im Wesentlichen auf den Abbruch und den Neubau von Innenwänden, Fußböden, Fenstern und Türen, die Erneuerung haustechnischer Anlagen sowie Veränderungen in der Raumausstattung und -nutzung (vgl. Bauvorlagepläne Grundrisse sowie Ansichten und Schnitte vom 21.12.2016; s. auch Brandschutznachweis vom 7.7.2017). Eine bauliche Erweiterung des Gebäudes ist nicht vorgesehen oder genehmigt. Ebenso wenig ist mit den baulichen Maßnahmen eine Erhöhung des Nutzungsmaßes verbunden, auch eine Nutzungserweiterung findet – entgegen den Darlegungen des Antragstellers – ausweislich der Bauvorlagen nicht statt (vgl. z.B. Bauvorlageplan Gastraumflächen vom 21.12.2016/11.7.2017). Es trifft zwar zu, dass einzelne Räume als Gastraumflächen genutzt werden sollen, die vormals zu anderen Zwecken genutzt wurden. Dem steht aber die Umnutzung bisher genutzter Gasträume zu anderen Zwecken gegenüber (z.B. „… …“ sowie „…“ nunmehr als Küchenräume). Insgesamt wird die Gastraumfläche von 555,90 m² im Bestand auf 535,23 m² in der genehmigten Planung verringert, das „Vereinszimmer“ bleibt unverändert (vgl. Bauvorlageplan „Gastraumflächen“ vom 21.12.2016/11.7.2018). Da die Gastwirtschaft „G* … …“ mit seinem bestandsgeschützten Gebäude bzw. seinen Gebäudeteilen (Vorderhaus, Saalgebäude, Hinterhaus und Hofanbau) als eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB und im Sinn der Regelungen der Baunutzungsverordnung gilt, ist es planungsrechtlich hier voraussichtlich ohne Belang, in welchen Gebäudeteilen, Geschossen oder Räumen die Gastraum-, Küchen- oder sonstigen Nutzungen im Rahmen des Betriebs der Gastwirtschaft stattfinden (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1996 – 4 C 17.95 – BVerwGE 102, 351 = juris Rn. 32; vgl. auch U.v. 18.4.1996 – 4 C 17.94 – BauR 1996, 674 = juris Rn. 17 f. zur geänderten Raumaufteilung einer Spielhalle). Insbesondere führen die Änderungen der Raumnutzung wohl zu keiner Verschlechterung, sondern zu einer Verbesserung der Immissionssituation, weil nach dem genehmigten Bauantrag für die Gasträume im Erd- und Obergeschoss sowie für den Saal im Obergeschoss im Unterschied zum Bestand mechanische Lüftungsanlagen vorgesehen sind und die (schallgedämmten) Fenster während des gesamten Betriebs geschlossen gehalten werden und zu halten sind (vgl. Nr. 7.1 des Schallgutachtens vom 14. Juli 2017 sowie „Auflagen Immissionsschutz“).
Der vonseiten des Antragstellers beanstandete Betrieb mit „zweimal zirka 200 Gästen“, u.a. aufgrund der Saalnutzung, ist nach vorstehenden Ausführungen aller Voraussicht nach bestandsgeschützt; eine Ausweitung des bisherigen Betriebs oder eine Nutzungserhöhung findet wohl nicht statt. Insbesondere bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass bei der bisherigen Saalnutzung lediglich „von einem Versammlungsraum mit der Verabreichung von Getränken ausgegangen werden kann“. Der bestehende und in seinen Abmessungen unverändert bleibende Saal im 1. Obergeschoss (eigentlicher Saal mit Bühne) und im 2. Obergeschoss (Luftraum/Galerie) besteht nach dem „Baualtersplan, 1. Obergeschoss“ (Kenntnisstand Dezember 2016) wohl schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Er ist auch Gegenstand einer Erlaubnis vom 24. Januar 1939 nach dem Gaststättengesetz „zum Fortbetrieb der Gastwirtschaft“ (Saal, Bühne, Saalschänke, Galerie Schmal- und Längsseite; vgl. auch Grundrissplan von 1925). Eine irgendwie geartete Beschränkung auf Versammlungen oder Anhaltspunkte für den Ausschluss der Verabreichung von Speisen ergibt sich aus dieser Wirtschaftserlaubnis von 1939 nicht. Nichts anderes gilt wohl hinsichtlich der geplanten Betriebszeiten (vgl. Betriebsbeschreibung zum Bauantrag und deren Anlage 1 vom 13.7.2017 Bl. 238 der Bauakte der Antragsgegnerin). Im Baugenehmigungsbescheid vom 11. Oktober 2017 wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass „die Bestimmungen und Auflagen der gültigen Sperrzeitverordnung für Freischankflächen oder evtl. Sonderregelungen (Gaststättenrechtlicher Bescheid) zu beachten“ sind (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.1998 – 4 C 9.97 – BauR 1999, 228 = juris Rn. 20, zu § 11 Abs. 1 Buchst. b GastG 1930, nunmehr: § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG).
Die in den Bauvorlagen dargestellte „Sondernutzung“ einer Freischankfläche vor dem Eingang des Gasthauses an der G* …straße ist weder Gegenstand des Bauantrags noch der Baugenehmigung (vgl. Bauvorlage „Grundrisse“ v. 21.12.2016 und Auflage A101/Hinweis).
c) Auch eine den Bestandsschutz infrage stellende Nutzungsänderung i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB liegt wohl nicht vor.
Ausweislich der Bauvorlagen wird die Wirtewohnung vom 1. Obergeschoss in das 2. Obergeschoss verlegt. Im Vergleich mit der bisherigen Nutzung dieser Räume als Fremden- und Mädchenzimmer, die aufgegeben wird, bleibt die künftige Nutzung im Rahmen dessen, was schon bislang zulässig war; eine Erweiterung des Nutzungsspektrums erfolgt nicht (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2010 – 4 C 10.09 – BVerwGE 138, 166 = juris Rn. 12 m.w.N.). Auch der Einbau einer neuen Küche im Saalgebäude führt zu keiner Erweiterung des Nutzungsspektrums der baulichen Anlage.
Da der Nutzungsumfang im Vergleich zum bisherigen Bestand keine Änderung erfährt, wurde mit der angefochtenen Baugenehmigung auch keine „Vergnügungsstätte legalisiert“. Nach der zum Bauantrag eingereichten Zusammenstellung U108 bleibt die Nutzung des Saals im „Saalgebäude“ als „Tanz-/Gastraumsaal“ unverändert (vgl. Stellungnahme, Zusammenstellung, Bl. 100 ff. [103] der Bauakte der Antragsgegnerin).
2. Fehlt dem Vorhaben mithin wohl eine bauplanungsrechtliche Relevanz i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB, stellt sich aus Anlass der genehmigten baulichen Maßnahmen voraussichtlich auch nicht die Frage, ob von der bestandsgeschützten Nutzung Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind (vgl. § 30 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO 1990). Dass die Antragsgegnerin gleichwohl mit dem Baugenehmigungsbescheid vom 11. Oktober 2017 „Auflagen zum Immissionsschutz“ festgelegt hat, ändert hieran nichts.
a) Auch geringfügige bauliche Veränderungen an bestandsgeschützten baulichen Anlagen können bauplanungsrechtlich relevant sein, wenn die Maßnahmen die Immissionssituation der baulichen Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB im Vergleich zur Bestandsnutzung nachteilig verändern (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.1983 – 4 C 67.78 – BauR 1983, 443 = juris Rn. 13 zur Umwandlung von Betriebsleiterwohnungen in frei verfügbare Wohnungen).
Hiervon ausgehend diente die durch die Antragsgegnerin von der Beigeladenen geforderte Vorlage einer schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung in erster Linie der nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 bzw. Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO gebotenen bauaufsichtlichen Prüfung im Genehmigungsverfahren, ob die zur Genehmigung gestellten baulichen Maßnahmen im Vergleich zur Bestandssituation zu einer i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB städtebaulich relevanten Verschlechterung der Lärmsituation in der Nachbarschaft führen (vgl. im Übrigen Art. 62 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO, § 12 BauVorlV zum bauordnungsrechtlichen Schallschutz).
Ausweislich des Schallgutachtens vom 14. Juli 2017 spricht überwiegendes dafür, dass sich die Lärmsituation aufgrund der bauantragsgemäß vorgesehenen Maßnahmen zum Schallschutz (vgl. Nr. 7 des Schallgutachtens vom 14. Juli 2017, u.a. Einbau von Lüftungsanlagen für die Gasträume im Erdgeschoss und Obergeschoss sowie für den Saal im Obergeschoss und Schließung der Fenster während des gesamten Betriebs, teilweise Erneuerung der Türen und Fenster mit entsprechendem Schalldämmmaßen) gegenüber der Bestandsnutzung sogar verbessert; eine Nutzungserweiterung erfolgt – wie bereits ausgeführt wurde – wohl nicht.
b) Im Übrigen ergibt sich aus dem Schallgutachten vom 14. Juli 2017, das nach der Auflage A555 Bestandteil der Baugenehmigung ist, zwar auch, dass die Gaststättennutzung mit den Vorgaben der TA Lärm in Einklang zu bringen ist. Es ist aber wohl auszuschließen, dass die Auflage A555 auch die sachverständige Bewertung im Hinblick auf die Wahrung der gebietsbezogenen Anforderungen nach Nr. 6 TA Lärm durch den Gesamtbetrieb der Gaststätte erfasst. Denn die Wahrung der gebietsbezogenen Anforderungen nach Nr. 6 TA Lärm durch den Gesamtbetrieb der Gaststätte dürfte mangels planungsrechtlicher Relevanz der genehmigten baulichen Maßnahmen weder vom Prüfungsumfang des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1 oder Art. 60 Satz 1 BayBO erfasst sein, noch wurden mit der Baugenehmigung selbst oder in den Auflagen zum Immissionsschutz bestimmte Immissionswerte bzw. Immissionsrichtwertanteile festgelegt, die beim Betrieb der Gaststätte am nächstgelegenen Immissionsort einzuhalten sind (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 9 CS 16.883 – juris Rn. 26 m.w.N.). Die Auflagen A556 bis A559 betreffen in erster Linie die in Nr. 7 des schalltechnischen Gutachtens vom 14. Juli 2017 genannten Maßnahmen zum Schallschutz (Schalldämmmaße der neugeplanten Fenster und Türen sowie Schallleistungspegel geplanter technischer Anlagen).
aa) Da Regelungsgegenstand der Baugenehmigung vom 11. Oktober 2017 nur die zur Genehmigung gestellten baulichen Maßnahmen sind, die – wie bereits ausgeführt wurde – voraussichtlich keine planungsrechtliche Relevanz aufweisen, finden die §§ 30 ff BauGB und damit auch das aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO folgende planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme aller Voraussicht nach keine Anwendung. Insoweit dürfte vorliegend lediglich der Nachweis von Belang sein, dass aufgrund der genehmigten baulichen Maßnahmen keine über die bisherige, bestandsgeschützte Nutzung hinausgehenden Lärmwirkungen in der Nachbarschaft zu erwarten sind.
bb) Etwaige weitergehende immissionsschutzrechtliche Anforderungen an den bestandsgeschützten Betrieb der Gaststätte, die sich gleichwohl aus dem Baugenehmigungsbescheid vom 11. Oktober 2017 ergeben könnten, wären mangels planungsrechtlicher Relevanz der genehmigten baulichen Maßnahmen nicht vom materiellen Prüfumfang dieser Baugenehmigung erfasst und würden deshalb auch keine Feststellungswirkung im Hinblick auf nachbarschützende Vorschriften entfalten (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand März 2018, Art. 68 Rn. 37 ff. m.w.N.).
Angesichts der zwischen den Beteiligten umstrittenen Lärmsituation im Bereich der G* …straße dürfte eine den gebotenen Prüfumfang übersteigende Anforderung wohl als (nachträgliche) Anordnung etwa nach Art. 54 Abs. 2 und Abs. 4 BayBO zu werten sein. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden nicht nur bei der Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung, sondern auch bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Ob dies hier Sache der Bauaufsichtsbehörde ist (vgl. Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO, „soweit nicht andere Behörden zuständig sind“; vgl. etwa §§ 24 f. BImSchG, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) oder die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO für Anordnungen gegenüber bestandsgeschützten Anlagen vorliegen, sofern sie angesichts der dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG überhaupt vorliegen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1999 – 4 C 20.94 – BVerwGE 98, 235 = juris Rn. 26; vgl. auch BVerwG, B.v. 26.8.1988 – 7 B 124.88 – NVwZ 1989, 257 = juris Rn 5 und U.v. 25.2.1992 – 1 C 7.90 – BVerwGE 90, 53 = juris Rn. 16, jeweils m.w.N.), bedarf wohl keiner Klärung, weil die Beigeladene etwaige sich aus den „Auflagen zum Immissionsschutz“ ergebende, den Bestandsschutz einschränkende Anordnungen hingenommen hat. Auch hat der Antragsteller mangels planungsrechtlicher Relevanz der genehmigten Baumaßnahmen wohl keinen Anspruch auf Verbesserung einer gegebenen Lärmsituation.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie orientiert sich an der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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