Baurecht

Nachbarantrag gegen eine Baugenehmigung für einen Rinderstall

Aktenzeichen  M 1 SN 16.2195

Datum:
20.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BImSchG BImSchG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Nach ständiger Rechtsprechung des BayVGH bilden die Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München/Weihenstephan „Geruchsimmissionen aus Rinderställen“ vom März 1994 („Gelbes Heft“ 52) und „Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen“ vom Juni 1999 („Gelbes Heft“ 63) brauchbare Orientierungshilfen, um die Schädlichkeit von Geruchsimmissionen von Rinderhaltung auf Wohnbebauung ermitteln zu können. Das Gleiche gilt für die „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ (BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 2 B 16.231). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gegen eine Baugenehmigung für einen Rinderstall, die der Antragsgegner dem Beigeladenen erteilt hat.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 650 Gemarkung …, eines ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesens mit Betriebsleiterwohnhaus und einem westlich anschließenden, früher landwirtschaftlich genutzten Gebäude. An dieses Grundstück grenzt nördlich und westlich das Grundstück FlNr. 648 des Beigeladenen. Dieser führt darauf einen landwirtschaftlichen Betrieb; sein Betriebsleiterwohnhaus liegt ca. 20 m nördlich vom Haus des Antragstellers entfernt. Beim Beigeladenen schließen sich an dessen Wohnhaus westlich landwirtschaftlich genutzte Gebäude an, u. a. ein Rinderstall mit derzeit 120 Großvieheinheiten (GVE). Dieser Rinderstall ist vom Wohnhaus des Antragstellers ca. 13 bis 15 m entfernt.
Unter dem … Februar 2015 beantragte der Beigeladene eine Baugenehmigung zum Neubau einer Freß- und Liegehalle für Kühe und Jungvieh mit 45 m Länge und 28,5 m Breite. Darin sollen 142,8 GVE untergebracht werden; im bisherigen Stall soll die Belegung nach Ausführung des Bauvorhabens 57,5 GVE betragen. Die Halle soll nordwestlich der genannten Anwesen mit Toren nur an der West-, nicht aber an der Ostseite ausgeführt werden; vom Wohnhaus des Antragstellers ist diese Ostseite der geplanten Halle ca. 40 m entfernt. Die Gemeinde … erteilte hierzu am 10. März 2015 das Einvernehmen. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim (Landwirtschaftsamt) befürwortete mit Stellungnahme vom 15. Mai 2015 das Bauvorhaben; es diene dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen. In einer immissionsschutzfachlichen Stellungnahme vom … Juli 2015 des Technischen Immissionsschutzes im Landratsamt Rosenheim (Landratsamt) wird ausgeführt, in Anbetracht der Abstände der geplanten Halle zum östlich gelegenen maßgeblich nächsten Immissionsort (dem Wohnhaus des Antragstellers) und unter Berücksichtigung der Abstandsregelung des Arbeitskreises für Immissionsschutz in der Landwirtschaft seien schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu befürchten. Nach den synthetischen Windrosen des Landesamts für Umwelt sei die Hauptwindrichtungsachse dort in Südwest-Nordost-Richtung gelegen. Wind aus westlichen Richtungen sei je Sektor mit etwa 2% der Jahresstunden zu erwarten. Deshalb liege das Wohnhaus des Antragstellers nicht innerhalb der Hauptwindrichtung. Die Ostseite des Stallneubaus sei geschlossen beantragt worden und entsprechend zu errichten. Unter „Hinweise“ sind Entfernungsangaben zu Fahrsilos, zur „geschlossenen Bauweise der Ostseite des Stallneubaus“ sowie zur Möglichkeit des Beigeladenen enthalten, aus Gründen der Planungssicherheit ein Gutachten zur Luftreinhaltung erstellen zu lassen. Auflagenempfehlungen enthält die Stellungnahme nicht.
Das Landratsamt erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 2. Dezember 2015, dem Antragsteller per Postzustellungsurkunde mit Schreiben gleichen Datums zugestellt, die beantragte Baugenehmigung. Immissionsschutzrechtliche Auflagen sind im Tenor des Bescheids nicht enthalten. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, „die tenorierten Auflagen zum Immissionsschutzrecht“ dienten dazu, die Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme, sicherzustellen.
Der Antragsteller erhob beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am Montag, dem … Januar 2016, Klage gegen diesen Bescheid (M 1 K 16.30). Am 12. Mai 2016 beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts Rosenheim vom 2. Dezember 2015 anzuordnen.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Bescheid sei ermessensfehlerhaft. Das Landratsamt hätte die Arbeitshilfe des Arbeitskreises zur Abstandsbemessung nicht heranziehen dürfen, da darin die besondere örtliche Situation beim Antragsteller nicht berücksichtigt sei. Im engen Zwischenraum zwischen seinem Haus und dem Haus des Beigeladenen würden Gerüche von Westen her eingetragen, kanalisiert und gefangen. Dort seien schützenswerte Wohnräume seines Hauses, insbesondere sein Schlafzimmer. Es herrsche überwiegend Westwindlage vor. Eine gutachterliche Stellungnahme vom … Juni 2016 belege, dass die Grenzen der Geruchsstundenhäufigkeit der Geruchsrichtlinie GIRL an seinem Anwesen überschritten würden. Die weit auseinander gelegenen Immissionsquellen ließen eine Beurteilung des Vorhabens durch Abstandsregelungen fachlich nicht zu. Der Beigeladene habe im nördlichen Bereich seines Grundstücks Alternativen für den Standort seines Bauvorhabens. Es sei zu befürchten, dass er nach Errichtung der beantragten Halle den bisherigen Stall wieder voll auslaste. Durch die Genehmigung der Halle werde die eigene Planung des Antragstellers, im ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäudeteil zwei Mietwohnungen einzurichten, unmöglich gemacht. Das greife in sein Eigentumsgrundrecht ein und verletze das Gebot der Rücksichtnahme. Er sei vom Landratsamt aufgefordert worden, seinerseits zu diesem Vorbescheidsantrag ein Luftreinhaltungsgutachten vorzulegen.
Der Antragsgegner, der dem Antrag entgegentritt, hat im Klageverfahren vorgetragen, eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme sei gegenüber dem Antragsteller nicht zu besorgen. Unter Anwendung der maßgeblichen technischen Regelwerke würden durch das Vorhaben des Beigeladenen keine schädlichen Umwelteinwirkungen zulasten des Antragstellers verursacht. Der Antragsgegner legt eine ergänzende Stellungnahme des technischen Immissionsschutzes im Landratsamt vom … Mai 2016 vor. Darin wird ausgeführt, die erforderlichen Abstände zwischen dem geplanten Stallneubau und dem Wohnhaus des Antragstellers würden eingehalten, ebenso der erforderliche Abstand bei einer Gesamtbetrachtung des Standorts. Dagegen liege der bestehende Stall des Beigeladenen hinsichtlich einer derzeit zu besorgenden Geruchsbelastung zu nahe am Wohnhaus des Antragstellers. Auch diese Stellungnahme enthält keine Auflagenempfehlungen, sondern lediglich die bereits in der früheren Stellungnahme genannten „Hinweise“.
Der Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt im Wesentlichen vor, durch die Verlagerung der Rinderhaltung vom bisherigen Stall in die neue Halle rücke ein Großteil seiner Tiere vom Wohnhaus des Antragstellers ab. Zwischen diesem und der neuen Halle lägen dessen eigener landwirtschaftlicher Stall und auch eine Scheune. Der Antragsteller habe einen Vorbescheid für zwei Wohnungen in unmittelbarer Nähe zum bisherigen Stall beantragt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist in der Sache ohne Erfolg.
In Fällen, in denen die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Grundsatz nach gegebene aufschiebende Wirkung der Anfechtungs-klage wie im vorliegenden Fall durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch – BauGB), kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag des Nachbarn die aufschiebende Wirkung der innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtzeitig erhobenen Klage anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht in einer dem Charakter des summarischen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden Weise die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen, wobei als Indiz die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens berücksichtigt werden können.
Nach diesen Grundsätzen bleibt der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne Erfolg, da seine Klage gegen die Baugenehmigung vom 2. Dezember 2015 voraussichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das kraft Gesetzes nach § 212a Abs. 1 BauGB bestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung muss daher auch nicht ausnahmsweise zurücktreten.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat, und dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist.
Aufgrund der im vorliegenden Verfahren nur vorzunehmenden summarischen Überprüfung ist eine Rechtsverletzung des Antragstellers durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung aller Voraussicht nach nicht gegeben. Er kann sich insbesondere nicht erfolgreich auf die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme berufen. Die genehmigte Fress- und Liegehalle für Kühe und Jungvieh nordwestlich seines Anwesens ist ihm gegenüber nicht rücksichtslos, da er nach summarischer Prüfung keinen unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt wird. Die Verletzung von Nachbarrechten kann u. a. wirksam dann geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, dem drittschützende Wirkung zukommen kann (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – BauR 1981, 354 – juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 2.9.2013 – 14 ZB 13.1193 – juris Rn. 11). In räumlicher Hinsicht besteht der sich aus dem Rücksichtnahmegebot ergebende Nachbarschutz vor allem gegenüber der in der unmittelbaren Nähe des Vorhabens vorhandenen Bebauung, schützt diese vor nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen und will damit einen angemessenen Ausgleich schaffen zwischen dem, der baut, und dem, der vor unzumutbaren Belästigungen oder Benachteiligungen zu schützen ist (BVerwG, U. v. 13.3.1981 a. a. O.). Dabei kommt es darauf an, auf welche Interessen der Umgebungsbebauung in bestimmter Weise Rücksicht zu nehmen ist. Hierbei kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit seinem Vorhaben verfolgten Interessen sind (BVerwG, U.v. 25.5.1977 – 4 C 22.75 – BauR 1977, 244 – juris Rn. 22).
Es kann offenbleiben, ob das Grundstück des Antragstellers in einem faktischen Dorfgebiet liegt oder ein nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB landwirtschaftlich privilegiertes Außenbereichsvorhaben ist. Durch den genehmigten Stall wird der Antragsteller jedenfalls nicht in geschützten Nachbarrechten verletzt.
Das Anwesen des Antragstellers, welches offensichtlich früher als Betriebsleiterhaus eines landwirtschaftlichen Betriebs diente, wird durch das Bauvorhaben des Beigeladenen keinen Immissionen ausgesetzt, die die Schädlichkeitsgrenze des § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) überschreiten. In einem faktischen Dorfgebiet wäre der Stall gegenüber der umliegenden Bebauung nur dann rücksichtslos, wenn von ihm schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen würden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Gleiches gilt bezüglich des öffentlichen Belangs von durch das genehmigte Vorhaben hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall:
1. Weder das Baugesetzbuch noch das Bundes-Immissionsschutzgesetz legen fest, welche Gerüche von einem landwirtschaftlichen Anwesen auf benachbarte Wohngrundstücke in zulässiger Weise ausgehen dürfen. Auch die Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) äußert sich zu Geruchsemissionen aus der Rinderhaltung nicht. Es ist deshalb auf Regelwerke zurückzugreifen, die in der landwirtschaftlichen Praxis entwickelt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bilden die Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München/Weihenstephan „Geruchsimmissionen aus Rinderställen“ vom März 1994 („Gelbes Heft“ 52) und „Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen“ vom Juni 1999 („Gelbes Heft“ 63) brauchbare Orientierungshilfen, um die Schädlichkeit von Geruchsimmissionen auf Wohnbebauung ermitteln zu können. Das Gleiche gilt für die „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ (BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 2 B 16.231 – juris Rn. 27), wie sie der technische Immissionsschutz des Landratsamts im Baugenehmigungsverfahren des Beigeladenen herangezogen hat. Er hat sich im Rahmen seiner Stellungnahmen vom 21. Juli 2015 und 19. Mai 2016 an der „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ in den Arbeitspapieren des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ orientiert, die Schutzabstände von Rinderhaltungsbetrieben zu Wohnbebauung in Abhängigkeit von der Bestandsgröße des Betriebs bestimmen und eine in der Rechtsprechung anerkannte sachverständige Orientierungshilfe darstellen (BayVGH, B.v. 3.2.2011 – 1 ZB 10.718 – juris Rn. 10).
Ausgehend von den für die neue Halle vom Beigeladenen vorgesehenen 142,8 GVE kommt der technische Immissionsschutz in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass das Wohnhaus des Antragstellers außerhalb der Bereiche liegt, in denen nach den zugrunde gelegten Arbeitspapieren des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ schädliche Umweltweinwirkungen zu erwarten sind (Abstandskurve Bild 2 – Abstand von Rinderhaltungsbetrieben zu Wohnhäusern im Dorfgebiet – roter Bereich) bzw. eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist (grauer Bereich). Nach den genannten Arbeitspapieren ist bei dem neuen Stall des Beigeladenen, der im östlichen Teil nicht in Offenbauweise errichtet wird, sondern mit geschlossener Rückwand auszuführen ist, der Abstand des Emissionsschwerpunkts zum Wohnhaus des Antragstellers zu ermitteln. Bei summarischer Prüfung ist nicht zu beanstanden, dass der technische Immissionsschutz diesen Emissionsschwerpunkt bei dem nach den Bauvorlagen nur an der Westseite mit Toren versehenen Stall in einem Abstand von 50 m zum Wohnhaus des Antragstellers entfernt annimmt. Nach der in nicht zu beanstandender Weise heran gezogenen Abstandskurve – Bild 2 – liegen bei den als maximalen Tierbestand festgesetzten 142,8 GVE ab einer Entfernung von ca. 45 Metern zum Emissionsschwerpunkt keine schädlichen Umwelteinwirkungen mehr vor.
Angesichts dieses Ergebnisses ist nach den Arbeitspapieren auch keine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Deshalb kommt es auf den Einwand des Antragstellers, es käme im Bereich zwischen seinem Anwesen und dem des Beigeladenen zu einem Tunneleffekt, da dort der Geruch kanalisiert bzw. gefangen werde, nicht an. Sein weiterer, mit einer Stellungnahme eines Sachverständigen vom … Juni 2016 unterlegter Einwand, dass die Grenzwerte der Geruchsimmissions-Richtlinie (in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29. Februar 2008 mit einer Ergänzung vom 10. September 2008 – GIRL) vom Vorhaben des Beigeladenen nicht eingehalten würden, führt ebenfalls nicht zur Annahme unzumutbarer Geruchsbeeinträchtigungen für sein Anwesen. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass diese Richtlinie zwar im Einzelfall als Orientierungshilfe herangezogen werden kann, dass sie jedoch in Bayern nicht als Verwaltungsvorschrift eingeführt wurde und die Genehmigungsbehörden deshalb nicht an die darin enthaltenen Vorgaben gebunden sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2014 – 15 CS 13.1910 – juris Rn. 17, 25). Im Übrigen hat der Antragsteller auch durch die gutachterliche Stellungnahme vom … Juni 2016 seine Behauptung, es herrsche am Standort des neuen Stalles des Beigeladenen überwiegend Westwindlage vor, nicht nachvollziehbar belegen können. Nach summarischer Prüfung ist deshalb davon auszugehen, dass gemäß den Angaben des technischen Immissionsschutzes nach den synthetischen Windrosen des Landesamtes für Umwelt die Hauptwindrichtungsachse an diesem Standort tatsächlich in Südwest-Nordost-Richtung verläuft und dass Wind aus westlichen Richtungen je Sektor nur mit etwa 2% der Jahresstunden zu erwarten ist.
2. Der Vortrag des Antragstellers, die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sei ermessensfehlerhaft, verhilft dem Antrag deshalb nicht zum Erfolg, weil nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) bei Einhaltung der vom Prüfprogramm (hier: nach Art. 59 BayBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren) umfassten öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung besteht. Wie jedoch oben gezeigt, hält der Beigeladene die hier zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich des Abstands zu benachbarter Wohnbebauung, ein. Deshalb ist es auch unschädlich, dass im Tenor der Baugenehmigung keine immissionsschutzrechtlichen Auflagen enthalten sind, obwohl in den Gründen des Bescheids von solchen Auflagen die Rede ist. Zu beachten ist hierbei, dass die Stellungnahmen des technischen Immissionsschutzes im Landratsamt keine Auflagenvorschläge enthalten und sich die „Hinweise“ dieser Stellungnahmen in Bezug auf den beantragten Stall lediglich auf die in den Bauvorlagen so vorgesehene geschlossene Ausführung der Ostwand beziehen. Deshalb bestand für die Genehmigungsbehörde auch keine Notwendigkeit, solche immissionsschutzrechtlichen Auflagen in den Tenor des Bescheids aufzunehmen.
Auch der Einwand des Antragstellers, das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen stehe der Genehmigungsfähigkeit seines eigenen Vorhabens, ein ehemaliges landwirtschaftliches Gebäude in Mietwohnungen umzunutzen, entgegen, führt nicht zur Annahme einer Verletzung des ihm gegenüber zu beachtenden Rücksichtnahmegebots. Der Antragsteller hat vorgetragen, im westlich seines Wohnhauses angrenzenden Gebäude diese Mietwohnungen einrichten zu wollen. Nach überschlägiger Prüfung lägen die Wohnungen in einem Abstand von 13 bis 15 m zum bisherigen Stall des Beigeladenen und wären wohl bereits aus diesem Grund nicht genehmigungsfähig. Die bisherige Geruchsbelastung des Anwesens des Antragstellers durch die Rinderhaltung des Beigeladenen im alten Stall ist offensichtlich auch der Grund dafür, dass der Antragsteller – wie er selbst vorträgt – hinsichtlich seines Vorbescheidsantrags zur Umnutzung seines früheren landwirtschaftlichen Nebengebäudes in zwei Wohnungen am … Februar 2016 vom Landratsamt aufgefordert worden war, ein Gutachten zur Luftreinhaltung vorzulegen.
Auch der Einwand des Antragstellers, es hätte für den neuen Stall des Beigeladenen auf dessen Grundstück Standortalternativen gegeben, verleiht ihm keinen wirksamen Drittrechtsschutz gegenüber dem genehmigten, in Nähe zum Betriebsleiterwohnhaus des Beigeladenen gelegenen Standort. Ferner kann er seinen Antrag auch nicht erfolgreich mit Hinweis auf die Befürchtung begründen, der Beigeladene könnte möglicherweise nach Errichtung des neuen Stalls den ursprünglichen Stall (wieder) in vollem Umfang nutzen. Gegenstand der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung ist eine hauptsächliche Belegung des neu zu errichtenden Stalls mit Kühen und Jungvieh und nur eine Belegung von 57,5 GVE (Kühe und Kälber) im alten Stall. Davon ist auch der technische Immissionsschutz des Landratsamts in seiner Stellungnahme vom … Juli 2015 ausgegangen, die der Baugenehmigung zugrunde liegt. Eine demgegenüber höhere Belegung des alten Stalls würde gegebenenfalls eine erneute immissionsschutzfachliche Untersuchung der Geruchsauswirkungen des Gesamtbestands auf die umliegende Bebauung erforderlich machen. Im Übrigen spricht viel dafür, dass – entsprechend dem Vortrag des Beigeladenen – dessen Verlagerung von Großvieheinheiten vom alten in den neuen Stall zu einer Verlagerung des Tiergeruchs vom Antragsteller weg und damit zu einer Verringerung der Geruchsbelastung für den Antragsteller führt.
3. Aus diesem Grund ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen. Da der Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, ist es angemessen, dass der Antragsteller auch dessen außergerichtliche Kosten trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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