Baurecht

Nachbarantrag gegen Verlängerung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung

Aktenzeichen  M 9 SN 16.4238

Datum:
10.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34
BayBO BayBO Art. 66

 

Leitsatz

Die mit einem bauplanungsrechtlich zulässigen Vorhaben verbundene Lärmbelastung ist von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine den Beigeladenen erteilte Verlängerung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung.
Die Beigeladenen sind Eigentümer des Vorhabengrundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung …, … … … in … …. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des nordwestlich vom Vorhabengrundstück gelegenen und von diesem nur durch zwei schmale Grundstücksstreifen (Fl.Nrn. … sowie …) getrennten Grundstücks Fl.Nr. …, auf dem sich ein Wohnhaus befindet. Ein Bebauungsplan existiert in diesem Bereich der Gemeinde … nicht.
Mit Antrag vom 16. Januar 2002 wurde für das Vorhabengrundstück die Erteilung einer Baugenehmigung mit der folgenden Vorhabensbezeichnung beantragt: „Wiederaufbau des ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäudeteils zu Wohnzwecken“.
Die Gemeinde … erteilte hierzu mit Beschluss ihres Bauausschusses vom 28. Februar 2002 das gemeindliche Einvernehmen.
Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens brachte die hiesige Antragstellerin mit Schreiben an das Landratsamt Miesbach (im Folgenden: Landratsamt) vom 2. Juni 2002 gegen das Bauvorhaben Bedenken vor. Auf das Schreiben, das sich bei den vorgelegten Behördenakten befindet (Bl. 26f. der Behördenakten) wird Bezug genommen.
Mit Bescheid des Landratsamtes vom … August 2002 wurde gegenüber dem damaligen Bauherren eine Abweichung bezogen auf die Traufhöhe von der Gestaltungssatzung der Gemeinde … zugelassen (Nr. I. des Bescheidstenors) sowie eine Abweichung ebenfalls von der Gestaltungssatzung der Gemeinde … hinsichtlich der Dachform der Garage (Nr. II. des Bescheidstenors). Aus den Gründen des Bescheides, auf den Bezug genommen wird, geht hervor, dass mit diesem Bescheid der Bauantrag für den Wiederaufbau des landwirtschaftlichen Wohnteils auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … genehmigt werden sollte.
Mit weiterem Bescheid des Landratsamtes vom … August 2002 wurde der Bescheid vom … August 2002 folgendermaßen ergänzt:
„Vor Ziff. I. des Ausgangsbescheides wird Buchst. A eingefügt: A. Das oben genannte Bauvorhaben wird nach Maßgabe der beiliegenden geprüften und mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen und unter den nachfolgenden Auflagen genehmigt.“. Aus den Gründen dieses Bescheides, auf den ebenfalls Bezug genommen wird, geht hervor, dass das Landratsamt zwischenzeitlich gemerkt hatte, dass im Ausgangsbescheid vom … August 2002 keine Aussage über die Genehmigung des Vorhabens getroffen wurde.
Mit Schreiben des Landratsamtes an den damaligen Bauherren, den Sohn der hiesigen Beigeladenen, vom 19. April 2005 wurde dieser aufgefordert, unter anderem das Formblatt „Baubeginnsanzeige“ fristgerecht zu übersenden.
Mit Schreiben vom 20. April 2005 teilte der damalige Bauherr mit, dass mit dem Neubau noch nicht begonnen worden sei und sich das Vorhaben aufgrund verschiedener Umstände auf unbestimmte Zeit verschoben habe.
In der Folge beantragte der damalige Bauherr zuerst mit Schreiben vom 6. Juli 2006 und in der Folge alle 2 Jahre (Verlängerungsanträge v. 12.07.2008, undatiert mit Eingang bei der Gemeinde … am 05.07.2010, mit Schreiben vom 11.06.2012, mit Schreiben vom 30.07.2014 sowie schließlich streitgegenständlich mit Schreiben vom 03.08.2016) jeweils die Verlängerung der erteilten Baugenehmigung.
Diesen Anträgen wurden seitens des Landratsamtes auch jeweils entsprochen (zunächst mit Bescheid v. ….07.2006, weiterhin mit Bescheiden v. ….07.2008, ….07.2010, …08.2012, …08.2014 sowie schließlich streitgegenständlich mit Bescheid v. …09.2016; die beiden letzten Bescheide wurden auf Wunsch des ursprünglichen Bauherren vom Landratsamt an die im hiesigen Verfahren Beigeladenen gerichtet).
Mit dem letzten Verlängerungsbescheid vom … September 2016 verfügte das Landratsamt unter I.: „Die Geltungsdauer der Baugenehmigung gilt für weitere 2 Jahre ab Bekanntgabe dieses Bescheides.“
Zur Begründung lässt sich dem Bescheid entnehmen, dass dem Antrag auf Verlängerung der Geltungsdauer der Baugenehmigung habe stattgegeben werden können, da das Vorhaben den derzeit geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind, nicht widerspreche (Art. 69 Abs. 2, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
Eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde der Antragstellerin gegen Postzustellungsurkunde am 7. September 2016 zugestellt.
Mit Schreiben vom 17. September 2016 wandte sich die Antragstellerin an das Landratsamt. Sie lege rein vorsorglich Widerspruch ein, da offenbar für das streitgegenständliche Bauvorhaben nach 2002 ein Bescheid erteilt worden sei, der ihr jedoch nicht zugestellt worden sei. Sie bitte um die Übersendung der entscheidungserheblichen Unterlagen.
Mit Schreiben vom 20. September 2016 antwortete das Landratsamt hierauf, dass das Bauvorhaben mit Bescheid vom … August 2002 genehmigt worden sei und die Nachbarbeteiligung damals an Frau … erfolgt sei. Der damalige Genehmigungsbescheid sei am 8. August 2002 laut Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Die Einlegung eines Widerspruchs sei nicht mehr möglich, stattdessen sei eine Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München möglich.
Mit Schreiben vom 17. September 2016, beim Verwaltungsgericht München eingegangen per Telefax am selben Tag, erhob die Antragstellerin Klage (M 9 K 16.4237) mit dem Antrag, den Verlängerungsbescheid des Landratsamtes vom … September 2016 aufzuheben und festzustellen, dass eine wohl nach 2002 erteilte Baugenehmigung mangels Nachbarbeteiligung nicht bestandskräftig ist.
Zur Begründung ist ausgeführt:
Das Landratsamt habe mit Schreiben vom 5. September 2016 mitgeteilt, dass eine Nachbarbeteiligung bisher nicht erfolgt sei. Demgemäß kenne die Antragstellerin den Umfang des Bauvorhabens nicht. Es werde daher Akteneinsicht beantragt bzw. Übersendung der maßgeblichen Unterlagen, danach erfolge eine weitere Begründung.
In demselben Schreiben der Antragstellerin vom 17. September 2016 wird außerdem „hilfsweise“ beantragt:
1. Die erteilte Baugenehmigung ist rechtswidrig und aufzuheben.
2. Es wird beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der angeblich erteilten Baugenehmigung zu erteilen.
3. Es wird beantragt, einen möglicherweise erteilten Sofortvollzug der Baugenehmigung aufzuheben.
Mit Schreiben des Verwaltungsgerichts München vom 20. September 2016 wurde auf entsprechende Verfügung des Berichterstatters die Antragstellerin aufgefordert, bis zum 30. September 2016 mitzuteilen, ob neben der Klage auch ein Antrag auf vorläufigen Rechtschutz gemäß §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden sollte.
Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.
Mit Schreiben des Landratsamtes vom 4. Oktober 2016 wurden die Behördenakten vorgelegt und Antragsablehnung beantragt.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:
Die Antragstellerin wende sich in der Hauptsache gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 5. September 2016, in dem die Geltungsdauer der am … August 2002 erteilten Baugenehmigung um weitere 2 Jahre verlängert werde. Die Baugenehmigung vom … August 2002 sei der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 8. August 2002 zugestellt worden.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei abzulehnen, da der Hauptsacherechtsbehelf keinerlei Erfolgsaussichten habe. Sowohl der Verlängerungsbescheid vom … September 2016 als auch der Genehmigungsbescheid vom … August 2002 seien rechtmäßig. Eine Beteiligung der Antragstellerin als Nachbarin sei ordnungsgemäß erfolgt. Selbst wenn eine solche Nachbarbeteiligung nicht erfolgt wäre, so würde dieser Verfahrensmangel allein nicht die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung begründen.
Mit Beschluss des Gerichts vom 10. Oktober 2016 wurden die Bescheidsadressaten zum Verfahren beigeladen.
Mit Schreiben des Gerichts vom 31. Oktober 2016 wurde die Antragstellerin gebeten, umgehend den Eilantrag zu begründen. Hinsichtlich der begehrten Akteneinsicht wurde darauf hingewiesen, dass die Akteneinsicht im Verwaltungsgericht nach entsprechender Terminvereinbarung wahrgenommen werden kann.
Mit Schreiben vom 5. November 2016, das sich sowohl auf das Klage- wie auch auf das Antragsverfahren bezieht, begründete die Antragstellerin ihre Rechtsbehelfe.
Mit Schreiben vom 20. September 2016 habe das Landratsamt mitgeteilt, dass ein landwirtschaftlicher Wohnteil „… …“ wiederaufgebaut werden solle. Den damaligen Antrag habe … … jun. gestellt. Das Landratsamt behaupte eine Zustellung am 8. oder 9. August 2002. Diese Zustellung sei nicht erfolgt. Die Zustellungsurkunde sei nicht vollständig ausgefüllt. Aus ihr ergebe sich nicht, an wen zugestellt worden sei. Daher sei keine Zustellung erfolgt. Eine Zustellung durch Niederlegung sei nicht dokumentiert. Eine ausreichende Nachbarbeteiligung sei demnach nicht erfolgt. Rechtsmittelfristen könnten nicht ablaufen, zumal seit dieser Zeit keine baulichen Aktivitäten erkennbar gewesen seien.
Mit Schreiben vom … September 2016 habe das Landratsamt einen Verlängerungsbescheid mit dem Hinweis erteilt, dass bisher keine Nachbarbeteiligung erfolgt sei. Der Bescheid sei diesmal an … und … … und nicht mehr an … … jun. ergangen. Allein der Bauherrenwechsel erfordere die Durchführung eines geordneten Genehmigungsverfahrens und nicht nur ein Verlängerungsverfahren. Bei Eigentümerwechseln seien die Privilegierungsvorschriften, die für den Wiederaufbau eines landwirtschaftlichen Wohnteils gelten würden, nur bedingt anwendbar, zumal in diesem Anwesen seit der Erstgenehmigung im Jahr 2002 kein landwirtschaftlicher Betrieb geführt werde. Der landwirtschaftliche Grund sei verpachtet oder verkauft. Die landwirtschaftlichen Gebäude seien Bauruinen. Weiterer Sachvortrag bleibe nach Durchführung der Akteneinsicht vorbehalten.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte in diesem sowie im dazugehörigen Klageverfahren (M 9 K 16.4237) sowie auf die vorgelegten Behördenakten einschließlich der Bauvorlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig.
Zwar ist die Formulierung in der Antrags- bzw. Klageschrift, in der hilfsweise beantragt wird, einen möglicherweise erteilten Sofortvollzug der Baugenehmigung aufzuheben, nimmt man ihn wörtlich, unzulässig, da sowohl eine Klageerhebung wie auch eine Antragstellung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht unter einer Bedingung erfolgen können. Allerdings ist dieses Begehren der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin sachgerecht so auszulegen, dass tatsächlich ein unbedingter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage nach §§ 80, 80a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gewollt ist.
Dies ergibt sich einerseits daraus, dass der Antragstellerin offensichtlich nicht klar ist, dass im Falle einer Baugenehmigung oder – wie hier – einer Verlängerung einer Baugenehmigung auf der Grundlage von Art. 69 Abs. 2 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) die Anordnung des Sofortvollzuges im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht erforderlich ist, da eine Klage in diesem Fall wegen § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) schon kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat, mithin ein Fall von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO vorliegt.
Aus der Antragstellung geht hervor, dass sich die Wendung „hilfsweise“ wohl darauf bezog, dass die Antragstellerin nicht wusste, ob ein Sofortvollzug angeordnet ist. Hätte sie dagegen gewusst, dass dies nicht nötig ist und die Klage schon kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 VwGO hat, hätte sie nach den vorliegenden schriftlichen Äußerungen eine unbedingte Antragstellung gewollt.
Dieses Ergebnis wird auch durch den Umstand bestätigt, dass die Antragstellerin auf den gerichtlichen Hinweis im Schreiben vom 20. September 2016 nicht erklärt hat, keinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen zu wollen. Vielmehr wird der Wille der Antragstellerin, neben der Klage auch einen Antrag auf vorläufigen Rechtschutz zu verfolgen, auch aus der nachgereichten Begründung vom 5. November 2016, die sich ausdrücklich neben dem Klage auch auf das Eilverfahren bezieht, deutlich.
Auch im Übrigen ist der Antrag zulässig, insbesondere ist er statthaft – auch im Falle der hier vorliegenden Verlängerung einer bereits erteilten Baugenehmigung hat die Klage keine aufschiebende Wirkung, da auch diese die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens im Sinne von § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) darstellt (vgl. z. B. VG Würzburg, B.v. 6.8.2007 – W 5 S 07.851 – juris Rn. 26).
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 80a Abs. 1 Nr. 2, § 80a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage eines Dritten gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung oder wie hier die Verlängerung einer bereits erteilten Baugenehmigung aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen. Hierzu hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Insoweit stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherren, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch machen zu dürfen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Deshalb ist bei der Entscheidung über den Antrag nach §§ 80a, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs abzustellen.
Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich also nach summarischer Prüfung die angefochtene Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen.
Erscheint der Nachbarrechtsbehelf dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich erfolglos, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtschutz abzulehnen.
Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine reine Interessenabwägung statt.
Die nach den genannten Grundsätzen vorzunehmende Interessenabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus. Denn nach der im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung wird die streitgegenständliche Verlängerungsentscheidung im Hauptsacheverfahren – die Anfechtungsklage der Antragstellerin – voraussichtlich nicht aufzuheben sein.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es im Fall einer hier vorliegenden Nachbarklage für die Aufhebung einer Baugenehmigung bzw. wie hier einer Verlängerung einer Baugenehmigung nicht ausreicht, wenn diese rechtswidrig ist; vielmehr können sich Nachbarn – wie hier die Antragstellerin – wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein auf nachbarschützende Rechte berufen (vgl. etwa BayVGH, B.v.24.03.2009 – 14 CS 08.3017 -, juris Rn. 20).
Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Antragstellerin auf entsprechende nachbarschützende Vorschriften berufen kann. Das gilt zunächst hinsichtlich der von der Angtragstellerin geltend gemachten fehlerhaften bzw. nicht erfolgten Zustellung einer Ausfertigung der ursprünglichen Baugenehmigung bzw. der sukzessive erteilten Verlängerungsbescheide (nachfolgend unter 1.).
Aber auch im Übrigen ist kein Gesichtspunkt vorgebracht noch sonst ersichtlich, aus dem die Antragstellerin eine subjektive Rechtsverletzung herleiten könnte (nachfolgend unter 2.).
1. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Zustellungsmängel – bezogen auf die ursprüngliche Baugenehmigung aus dem Jahr 2002 bzw. die ebenfalls geltend gemachten fehlenden Zustellungen der sukzessive erteilten Verlängerungsbescheide – können nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung bzw. des hier streitgegenständlichen Verlängerungsbescheides vom … September 2016 führen. Ob die Zustellung – wie von der Antragstellerin geltend gemacht – nicht, oder – wie vom Landratsamt geltend gemacht – schon erfolgt ist, kann dabei offenbleiben. Denn ein Verstoß allein gegen das formelle Recht des Nachbarn auf Beteiligung nach Art. 66 BayBO begründet noch keine Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung und kann deswegen nicht zu deren Aufhebung führen (vgl. nur Dirnberger in: Simon/Busse, BayBO, 122. EL Januar 2016, Art. 66 Rn. 582 sowie Rn. 208, letztere m. w. N.). Selbst ein tatsächlich erfolgter Verfahrensfehler begründet nicht die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung. Art. 66 BayBO ist nämlich nicht in dem Sinne nachbarschützend, dass die Nichtbeteiligung von Nachbarn schon für sich allein die Baugenehmigung diesen Nachbarn gegenüber rechtswidrig macht.
Der Nachbar kann wegen seiner fehlenden oder fehlerhaften Beteiligung einen Rechtsbehelf zulässigerweise nur erheben, wenn er gleichzeitig geltend machen kann, auch in eigenen materiellen Rechten verletzt zu sein.
Einer fehlenden oder unwirksamen nachbarlichen Beteiligung kommt ebenso wenig eine rechtliche Bedeutung zu, wie der Verweigerung der Unterschrift. Denn die formelle Beteiligung des Nachbarn hat auf die materielle Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde und auf die materielle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung keinen Einfluss. Das folgt bereits aus Art. 46 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), wonach die Aufhebung der Baugenehmigung dann nicht beansprucht werden kann, wenn keine andere Entscheidung in der Sache getroffen hätte werden können, mit anderen Worten, wenn der Nachbar einen Anspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung hat.
Daraus folgt, dass ein möglicherweise geschehener Verfahrensverstoß allein nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung führen kann.
2. Entscheidend ist daher, ob sich die Antragstellerin auf die Verletzung von materiellen Rechten, die speziell ihrem subjektivrechtlichen Schutz dienen, berufen kann. Die Antragstellerin hat insoweit nichts geltend gemacht, sondern sich nur auf den Vortrag der soeben abgehandelten formellen Fehlerhaftigkeit beschränkt.
Allerdings geht aus dem vorgelegten Behördenakt, in dem sich das Einwendungsschreiben der Antragstellerin vom 2. Juni 2002 gegen die ursprüngliche Baugenehmigung (Bl. 26f. der Behördenakten) befindet, hervor, wogegen sich die Antragstellerin in der Sache wenden möchte bzw. zumindest damals gewandt hat.
Jedoch begründen auch die in diesem Schreiben vorgetragenen rechtlichen Bedenken keine Verletzung der Antragstellerin in ihren subjektivöffentlichen Rechten.
Die Antragstellerin macht in diesem Schreiben zunächst geltend (unter 1. des Schreibens vom 02.06.2002), dass mit den im Zuge des Bauantrages bereits geführten Abrissmaßnahmen des ursprünglichen Bestands vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen, die eine denkmalschutzrechtliche Würdigung des Bauvorhabens „präjudizieren sollen“.
Ein etwaiger Verstoß gegen Denkmalrecht verleiht der Antragstellerin jedoch keine subjektivrechtlich geschützte Position; die Antragstellerin ist nicht Sachwalterin des öffentlichen Interesses am Denkmalschutz.
Auch der von der Antragstellerin (unter 2. des genannten Schreibens) geltend gemachte erhebliche Eingriff in die nachbarrechtliche Situation, da der Zugang zu den geplanten Garagen zum Teil über die nördliche Seite des Anwesens erfolge und damit eine Gefährdung des ca. 15 m hohen Ufers des dort verlaufenden Baches verbunden sei, ohne dass aus den Bauvorlagen Sicherungsmaßnahmen ersichtlich seien, verleiht ihr keine drittschützende Rechtsposition, da auch der Schutz des Bachufers nicht Sache der Antragstellerin ist.
Ebenso folgt kein nachbarschützendes Recht der Antragstellerin aus dem unter 3. des Schreibens vom 2. Juni 2002 geltend gemachten Gesichtspunkt, dass das Anwesen – entgegen der bisherigen Nutzung – unterkellert werden solle und dadurch eine zusätzliche Gefährdung des Bachufers gegeben sei, da auch insofern der Schutz des Bachufers nicht von der Antragstellerin geltend gemacht werden kann.
Die ungeklärte abwasserrechtliche Situation, auf die die Antragstellerin unter 4. des Schreibens vom 2. Juni 2002 verweist, vermag ihr ebenfalls keine subjektivrechtlich geschützte Rechtsposition zu vermitteln. Abgesehen vom Prüfungsumfang im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, in dem die Abwasserbeseitigung überhaupt nicht geregelt wird, folgen aus diesem Vortrag ebenfalls keine Gesichtspunkte, die auf einen Verstoß gegen drittschützende Vorschriften hindeuten könnten.
Gleiches gilt für den Verweis auf die durch die hinzukommenden Wohneinheiten aus Sicht der Antragstellerin kritisch zu würdigende Erschließung; denn die Regelung zur Erschließung in einer Baugenehmigung ist grundsätzlich nicht drittschützend (z. B. BayVGH, B.v.03.02.2014 – 9 CS 13.1916 -, juris Rn. 14).
Auch das Hinzutreten von mehr Wohneinheiten als bisher ist grundsätzlich kein Gesichtspunkt, der einen Drittschutz begründen kann; ob sich der dörfliche Bereich um die gegenüber dem Vorhabensgrundstück südlich auf der anderen Straßenseite gelegene Kirche verändert, ist kein für den Drittschutz der Antragstellerin relevanter Gesichtspunkt.
Die Geltendmachung einer erhöhten Lärmbelastung durch die hinzukommenden Wohneinheiten wäre zwar tatsächlich ein Gesichtspunkt, der für den Drittschutz der Antragstellerin relevant sein könnte. Allerdings ist aus der bloßen Behauptung einer nicht tolerierbaren Lärmbelastung nicht auf das tatsächliche Vorhandensein einer solchen zu schließen. Weiteren Vortrag hierzu machte die Antragstellerin nicht. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes allein möglichen Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nach Aktenlage besteht hierfür auch kein nachvollziehbarer Hinweis. Denn ebenfalls nach Aktenlage ging das Landratsamt bei der ursprünglichen Genehmigung im Jahr 2002 wie wohl auch bei den sukzessive erfolgten Verlängerungen, die schließlich in die streitgegenständliche Verlängerung mündeten, zu Recht von einer Zulässigkeit des Vorhabens auf der Grundlage von § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB aus. Die mit einem bauplanungsrechtlich zulässigen Vorhaben verbundene Lärmbelastung ist von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen. Für eine Rücksichtslosigkeit, die der Baugenehmigung bzw. der Verlängerung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) entgegengehalten werden könnte, sind tatsächliche Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Die Ausführungen der Antragstellerin im Schreiben vom 5. November 2016 dazu, dass die genehmigte Wohnnutzung nicht mehr von der ursprünglich vorhandenen landwirtschaftlichen Privilegierung erfasst sei, stehen dem nicht entgegen. Denn abgesehen davon, dass die Antragstellerin eine fehlende Privilegierung nicht geltend machen könnte, da die Vorschriften über die Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich keinen Drittschutz entfalten (BVerwG, B.v.03.04.1995 – 4 B 47/95 -, juris Rn. 2), liegt zumindest das Vorhabensgrundstück jedenfalls nach Aktenlage nicht im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 Abs. 1 BauGB), sondern im sog. unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB, weswegen dort eine Wohnnutzung vollkommen unabhängig von einer bestehenden landwirtschaftlichen Privilegierung zulässig ist. Ob das auch für das Grundstück der Antragstellerin gilt, was nach Aktenlage fraglich erscheint, und ob die Antragstellerin aus diesem Gesichtspunkt nicht von vorneherein mit Einwendungen gegen das Vorhaben ausgeschlossen ist, kann daher offenbleiben.
Auch die übrigen geltend gemachten Gesichtspunkte erlauben nicht im Ansatz den Schluss auf eine mögliche Verletzung der Antragstellerin in drittschützenden Vorschriften.
Nach alledem ist der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich damit wegen § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt, weshalb es der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. Nrn. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2013, Beilage 2.


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