Baurecht

Nachbareilantrag gegen Baugenehmigung, Gebot der Rücksichtnahme, Gebietserhaltungsanspruch, Abstandsflächen, Denkmalschutz

Aktenzeichen  M 11 SN 21.3828

Datum:
9.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41315
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a Abs. 3
BayBO Art. 6
BauGB § 34 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1
BayDSchG Art. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 17. März 2021 wird angeordnet, soweit diese Genehmigung eine über der Erdoberfläche liegende Tiefgarageneinhausung zum Gegenstand hat.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Antragsteller 3/4, der Antragsgegner und der Beigeladene tragen je 1/8.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt Eilrechtsschutz gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Flurnummer 66 der Gemarkung … Das Grundstück grenzt im Osten an die H H1. straße – eine Staatsstraße -, über die es erschlossen ist. Es ist mit einem denkmalgeschützten Gebäude, der „… …“, bebaut. Unmittelbar südlich vom Grundstück des Antragstellers liegt das im Eigentum des Beigeladenen stehende Grundstück Flurnummer 63/6 (Vorhabengrundstück), das im Osten ebenfalls an die Hauptstraße grenzt und im Süden an die rechtwinkelig von Westen her in die H H1. straße einmündende B H1. straße.
Unter dem 26. Oktober 2020 stellte der Beigeladene für das Vorhabengrundstück einen Bauantrag zum Abriss des Bestandsgebäudes und Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses. Dieses soll nach den vorgelegten Plänen 18,99 m lang und 13,24 m breit sein, eine Wandhöhe von maximal 9,10 m und eine Firsthöhe von maximal 11,51 m bei einer Dachneigung von 20° aufweisen. Das Kellergeschoss soll u. a. eine Tiefgarage mit 12 Stellplätzen beinhalten, wobei die Zu- und Ausfahrt mit einer oberirdischen Tiefgarageneinhausung entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück des Antragstellers hin vorgesehen ist. Im Erdgeschoss des Haupthauses ist neben einer größeren Wohnung eine Büronutzung vorgesehen, im Obergeschoss und im Dachgeschoss sind insgesamt 5 weitere Wohnungen geplant.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2020, das im Landratsamt am 10. Dezember 2020 einging, erteilte die Gemeinde … zu dem Vorhaben das Einvernehmen auf der Grundlage eines am 1. Dezember 2020 gefassten Beschlusses des Gemeinderates.
Am 14. Januar 2021 wurde dem Landratsamt eine „Betriebsbeschreibung Gewerbe für die fachtechnische Beurteilung im Immissionsschutz“ vom 11. Januar 2021 vorgelegt. In der Rubrik „Art des Betriebs oder der Anlage“ wurde hierbei „Rechtsanwalts- oder Maklerbüro“ angegeben. In der Rubrik „Allgemeine Betriebsbeschreibung“ findet sich der Eintrag „Keine Erzeugnisse, übliche Tätigkeiten im Verwaltungsbereich, keine besonderen Anforderungen an Publikumsverkehr, erreichbar zu den üblichen Laden- bzw. Geschäftsöffnungszeiten“. Als „Betriebszeit/Öffnungszeit“ wurde für Werktage die Zeit von 7 Uhr bis 20 Uhr angegeben, an Sonn- und Feiertagen finde kein Betrieb statt. Die Zahl der Beschäftigten wurde mit 3 Personen angegeben.
Mit Schreiben vom 3. März 2021 äußerte sich die untere Immissionsschutzbehörde. Sie hatte gegenüber dem Vorhaben keine Bedenken, sofern bestimmte – von ihr näher bezeichnete – Auflagen und Hinweise Eingang in den Baugenehmigungsbescheid fänden.
Mit Bescheid vom 17. März 2021 erteilte das Landratsamt … dem Beigeladenen für das Vorhaben eine Baugenehmigung unter verschiedenen Auflagen. Der Bescheid wurde dem Beigeladenen und dem Antragsteller jeweils am 18. März 2021 zugestellt.
Der Antragsteller erhob am 16. April 2021 Klage.
Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2021 beantragte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 17. März 2021 anzuordnen.
Zur Begründung führt der Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen aus:
Das Vorhabengrundstück liege im unbeplanten Innenbereich der Gemeinde … Die bebauten Grundstücke im Bereich westlich der H H1. straße zwischen der B H1. straße im Süden, der S …gasse im Westen und dem Anwesen H H1. straße 25//27 im Nordosten würden gegenwärtig fast ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt. Das Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück, das sog. „…“, sei zwischenzeitlich vollständig abgerissen worden. Die Zufahrt zu diesem Gebäude bzw. zur zugehörigen Garage habe sich nicht im östlichen, sondern in dem vom Grundstück des Antragstellers abgewandten südwestlichen Bereich des Vorhabengrundstück, zur B H1. straße hin, befunden. Die Zufahrt zum Grundstück des Antragstellers befindet sich im nordöstlichen Bereich dieses Grundstücks. Der südwestliche Grundstücksteil sei vollständig als begrünte Gartenfläche ausgestaltet, die dem Aufenthalt im Freien diene.
Im Gegensatz zum abgerissenen Gebäudebestand solle das künftige Gebäude über 3 oberirdische Vollgeschosse verfügen. Oberhalb des 3. Vollgeschosses solle eine Galerie errichtet werden. Die Fassade des künftigen Gebäudes solle im Bereich des obersten Vollgeschosses sowie des Dachgiebels blauweiß ausgestaltet werden. Die oberirdische Einhausung der Tiefgaragenzufahrt solle auf einer Länge von jedenfalls über 10 m unmittelbar entlang der Grenze zum Grundstück des Antragstellers errichtet werden. Auch insoweit sei geplant, den Bereich unter der Bedachung in blauweiß zu gestalten. Die Einmündung der Tiefgaragenzufahrt in die H H1. straße sei nur wenige Meter nordöstlich der dort bestehenden Lichtzeichenanlage geplant. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sei eine Bushaltestelle gelegen.
Der streitgegenständliche Bescheid verstoße im Hinblick auf das geplante Hauptgebäude gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO. Die vor der nördlichen Gebäudeabschlusswand einzuhaltende Abstandsflächentiefe von 9,83 m überschreite den an dieser Stelle ca. 9,3 m betragenden tatsächlichen Abstand zur Grenze des Grundstücks des Antragstellers um 0,53 m. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass nach der Abstandsflächensatzung der Gemeinde … die Tiefe der Abstandsfläche 1 H betrage. Neben der Wandhöhe finde dabei auch die Dachhöhe zu 1/3, d. h. mit 0,8 m Berücksichtigung. Aus § 2 Satz 3 der Abstandsflächensatzung könne sich nichts Abweichendes ergeben, weil diese Vorschrift mangels Rechtsgrundlage wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam sei.
Hinsichtlich der Tiefgaragenzufahrt liege ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO vor. Insbesondere könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Tiefgaragenzufahrt als nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegierte Anlage errichtet werden dürfe. Die eingehauste Tiefgaragenzufahrt befinde sich mit einer Länge von mindestens 10 m unmittelbar entlang der Grenze zum Grundstück des Antragstellers.
Die Baugenehmigung verletze den Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers. Das Vorhabengrundstück und das Grundstück des Antragstellers befänden sich in einem faktischen reinen Wohngebiet. Die Bereiche östlich der H H1. straße, südlich der B H1. straße, westlich der S …gasse und nördlich des Anwesens H H1. straße 23 seien nicht mehr zur näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks zu zählen. Mit dem städtebaulichen Charakter eines faktischen reinen Wohngebiets lasse sich das in Rede stehende Vorhaben nach der Art seiner baulichen Nutzung typischerweise nicht in Einklang bringen, weil es dem Gebietscharakter hinsichtlich der von ihm künftig ausgehenden Immissionsbelastung widerspräche. Gegen die allgemeine Gebietsverträglichkeit des Vorhabens spreche insbesondere, dass die Errichtung von 12 Tiefgaragenstellplätzen massiv denjenigen Bedarf überschreite, der durch die in einem faktischen reinen Wohngebiet der vorliegenden Art zugelassene Nutzung typischerweise verursacht werde. Das Vorhaben verletze zudem den konkreten Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers. Der konkrete bauplanungsrechtliche Charakter des in Rede stehenden faktischen Baugebiets sei durch eine Bebauung mit alleinstehenden (Wohn-) Gebäuden geprägt, die in aufgelockerter Bauweise errichtet und mit dazwischenliegenden großzügigen Grünflächen ausgestaltet seien. Zu dieser Eigenart des Baugebiets stehe das Vorhaben nach Anzahl, Lage, Umfang und Zweckbestimmung in erheblichem Widerspruch. Das Bauvorhaben weiche bereits im Hinblick auf die Dimensionierung der Tiefgarage und hinsichtlich der räumlichen Situierung ihrer Zufahrt in wesentlicher Weise von der die Eigenart des Baugebiets prägenden Bebauung ab. Im Übrigen überschreite das Bauvorhaben auch im Hinblick auf die mit der Nutzung der 12 Stellplätze einhergehenden Immissionen das Maß dessen, was in einem faktischen reinen Wohngebiet der vorliegenden Größe noch als sozialverträglich bezeichnet werden könne.
Das Vorhaben stehe darüber hinaus in Widerspruch zum Gebot der Rücksichtnahme. Beabsichtige der zur Rücksichtnahme Verpflichtete, in der unmittelbaren Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes eine bauliche Anlage zu errichten, sei ihm bereits im Ausgangspunkt ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme gegenüber der denkmalgeschützten Bebauung auf dem Nachbargrundstück zuzumuten. Im Grundsatz könne davon ausgegangen werden, dass für einen Nachbarn regelmäßig nur diejenigen Immissionen hinzunehmen seien, die mit der Nutzung von notwendigen oder nach § 12 BauNVO zulässigerweise errichteten Stellplätzen in Verbindung stünden. Insbesondere dann, wenn Stellplätze in einer Tiefgarage untergebracht würden und geplant sei, die Tiefgarage bzw. ihrer Zufahrt nahe der Grundstücksgrenze zu errichten, könnten nicht nur Lärmsondern auch Luftimmissionen zu unzumutbaren Zuständen auf benachbarten Grundstücken führen. Lüftungsanlagen müssten in solchen Fällen bestimmte Mindestabstände zu Grundstücksgrenzen einhalten, die nicht unter 1 m liegen dürften.
Das Interesse des Beigeladenen, das Bauvorhaben in der genehmigten Form realisieren zu können, bleibe hinter den gewichtigen Interessen des Antragstellers zurück. Das Bauvorhaben solle in unmittelbarer Umgebung des sich auf dem Grundstück des Antragstellers befindlichen Einzelbaudenkmals errichtet werden. Jedenfalls die örtlichen Verhältnisse würden eine entsprechende Unzumutbarkeit für den Antragsteller begründen. In Bezug zu nehmen sei insoweit zunächst die Verkehrsbelastung auf der H H1. straße. Wegen der unmittelbar südwestlich der Tiefgaragenzufahrt vorhandenen Lichtzeichenanlage sei mit erheblichen Wartezeiten für Kraftfahrzeuge zu rechnen, die vom Baugrundstück auf die H H1. straße gelangen wollten. Gerade der Betrieb der Tiefgarage sei es im Übrigen, der die Unzumutbarkeit der künftigen Immissionsbelastung zusätzlich begründe. Das Tor zur geplanten Tiefgarage sei als (Teil-) Gittergaragentor geplant, weil ihm gleichzeitig die Funktion als Lüftungsöffnung der Tiefgarage zukommen solle. Es sei nicht geeignet, Lärmbelästigungen zu unterbinden. Die Ausgestaltung des Tiefgaragentores bedinge außerdem, dass auf dem Grundstück des Antragstellers künftig auch mit solchen Luftimmissionen zu rechnen sei, die mit dem Betrieb der Tiefgarage und der Nutzung in Zusammenhang stünden. Es habe die Funktion als eine von 2 Lüftungsanlagen der Tiefgarage. Im Übrigen halte das grenzständig geplante Garagentor weder diejenigen Abstände zur Grundstücksgrenze des Antragstellers ein, die nach dem „Lüftungsgutachten Tiefgarage vom 25.01.2021“ einzuhalten seien, noch werde es den in der Rechtsprechung hierzu aufgestellten Anforderungen gerecht, welche die Einhaltung von Abständen zu Grundstücksgrenzen verlangen würden. Der Antragsteller könne deshalb jedenfalls die Errichtung einer Tiefgaragenzufahrt an einem alternativen Standort verlangen. Der Antragsgegner habe es unterlassen, durch hinreichende Nebenbestimmungen sicherzustellen, dass der Antragsteller künftig keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt sei, die vom Baugrundstück ausgingen. Es sei nach dem Kenntnisstand des Antragstellers keine immissionsschutzrechtliche schalltechnische Begutachtung der Tiefgaragenzufahrt vorgenommen worden. Die verfügten Nebenbestimmungen könnten einen hinreichenden Schutz nicht sicherstellen. Der Antragsgegner habe lediglich Auflagen zu Immissionen verfügt, die die gewerbliche Büronutzung einschließlich Fahrverkehr, die Abdeckungen der Regenrinnen im Bereich der Tiefgarage und der Tiefgaragenrampe sowie den Betrieb des Garagentors beträfen. Diese Auflagen beträfen nur einen Bruchteil der zu erwartenden unzumutbaren Immissionen und seien auch innerhalb ihres begrenzten Regelungsumfangs ungeeignet, den Antragsteller hinreichend zu schützen. Der Antragsgegner scheine unter dem Punkt „maßgeblicher Immissionsort“ davon auszugehen, dass das Grundstück des Antragstellers in einem faktischen Mischgebiet liege. Er habe dann als Immissionsrichtwerte richtigerweise diejenigen Werte festgesetzt, die für reine Wohngebiete gelten würden. Bezüglich kurzzeitiger Geräuschspitzen nehme der Antragsgegner dann wieder zu Unrecht diejenigen Werte in Bezug, die für Mischgebiete anzusetzen seien. Diese Regelung werde den Anforderungen nicht gerecht, die in faktischen reinen Wohngebieten zu gelten hätten. Sie lasse für den Antragsteller aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit auch nicht erkennen, auf was er sich künftig einzustellen habe.
Das Vorhaben stehe zudem in Widerspruch zu den denkmalschutzrechtlichen Vorgaben aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG. Es beeinträchtige die Denkmalwürdigkeit des Baudenkmals „… …“ erheblich. Die das Baudenkmal charakterisierenden städtebaulichen Eigenschaften würden bei Umsetzung des Vorhabens völlig in den Hintergrund gedrängt und von diesem erheblich übertönt werden. Das äußere Erscheinungsbild und die besondere Wirkung des Baudenkmals, das insbesondere durch eine 2geschossige Bauweise und eine in hellen Tönen gehaltene Fassade mit Gliederungen im geometriesierenden Jugendstil geprägt sei, werde bei Umsetzung des Vorhabens erheblich beeinträchtigt. Gerade aufgrund der räumlichen Dimensionierung des Bauvorhabens würden künftig nicht mehr die genannten Charakteristika des Baudenkmals, sondern diejenigen des genehmigten und im Vergleich zur bisherigen Bebauung ca. 2,6 m höheren Neubaus im Mittelpunkt des Erscheinungsbildes stehen. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass mit dem Wegfall des Laborgebäudes, dass sich bislang als Anbau zwischen dem „…“ und der „… …“ befunden habe, auch die Blechbedachung des Laborgebäudes entfalle, die eine gestalterische Verbindung zwischen der Bebauung auf dem Vorhabengrundstück und der „… …“ hergestellt habe. Auch die genehmigte blauweiße Gestaltung der Fassade des Neubaus werde das südliche Erscheinungsbild der … … in entscheidender Weise beeinträchtigen. Eine erhebliche Beeinträchtigung gehe auch von der Tiefgarage, deren eingehauster Rampe und deren Zufahrt aus.
Der Antragsgegner habe nicht nur die Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Baudenkmals „… …“ verkannt, sondern jegliche Erwägungen zum Denkmalschutz unterlassen. Die Baugenehmigung sei deshalb ermessensfehlerhaft. Eine Baugenehmigung werde zwar grundsätzlich als gebundene Entscheidung erteilt. Ersetze sie jedoch gleichzeitig eine andere Genehmigung, deren isolierter Erlass im Ermessen der Behörde stünde, so habe auch die Baugenehmigungsbehörde entsprechende Ermessenserwägungen anzustellen. Dass der Antragsgegner erforderliche Ermessenserwägungen hinsichtlich der denkmalschutzrechtlichen Genehmigungsfähigkeit angestellt habe, sei weder aus der Begründung des Bescheids noch aus sonstigen Umständen ersichtlich. Insbesondere sei es nach diesseitigem Kenntnisstand unterlassen worden, zur Einschätzung des Denkmalwerts Stellungnahmen der zuständigen Fachbehörden, namentlich des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege einzuholen.
Die Baugenehmigung sei zudem inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, worauf sich der Antragsteller berufen könne, weil die Unbestimmtheit nachbarrechtsrelevante Fragen betreffe. Die Baugenehmigung lasse für den Antragsteller nicht hinreichend bestimmt erkennen, in welchem Maß er die vom Grundstück des Beigeladenen ausgehenden Belästigungen auf seinem Grundstück hinzunehmen habe. Die vom Antragsgegner verfügten Auflagen hätten nur einen Bruchteil der zu erwartenden unzumutbaren Immissionen auf dem Grundstück des Antragstellers zum Gegenstand. Sie seien in sich widersprüchlich und ohne objektiv eindeutig erkennbaren Regelungsgehalt.
Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2021 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers zusätzlich,
im Wege der Zwischenverfügung die aufschiebende Wirkung der Klage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO anzuordnen.
Der Beigeladene beabsichtige mit dem „Baugrubenverbau“ zu beginnen, wodurch sich der Antragsteller bereits gegenwärtig der Schaffung vollendeter Tatsachen ausgesetzt sehe.
Der Antragsgegner hat sich im Gerichtsverfahren bisher inhaltlich nicht geäußert.
Der Bevollmächtigte des Beigeladenen beantragte mit Schriftsatz vom 5. August 2021,
den Antrag auf Zwischenentscheidung abzulehnen und
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
Er wendet im Wesentlichen ein:
Das Vorbringen des Antragstellers, die oberirdische Einhausung der Tiefgarage solle auf einer Länge von 10 m errichtet werden, sei unzutreffend. Das eigentliche Einfahrtshaus erstrecke sich über eine Länge von 5,0 m, die abnehmende Rampenüberdachung erstrecke sich anschließend über eine Länge von 5,15 m. Das Bauvorhaben verstoße nicht gegen die gesetzlichen Abstandsflächen. Ob die Abstandsflächensatzung der Gemeinde … unwirksam sei, habe, wie näher ausgeführt wurde, auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung keine Auswirkung. Auch in Bezug auf die Tiefgaragenzufahrt sei kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO gegeben. Höchst vorsorglich habe der Beigeladene einen Antrag auf Abweichung nach Art. 63 BayBO gestellt.
Der Antragsteller sei auch nicht in seinem vermeintlichen Gebietserhaltungsanspruch verletzt. Das Bauvorhaben befinde sich nicht innerhalb eines faktischen reinen Wohngebiets. Im zwischenzeitlich abgerissenen Altbestand sei eine Zahnarztpraxis mit angeschlossenem Labor untergebracht gewesen. Dort sei 24 Stunden am Tag ein Kompressor gelaufen. Im Gebäude H H1. straße 23 sei zudem eine Rechtsanwaltskanzlei untergebracht. Entlang der B H1. straße befänden sich ein Elektriker, ein Radio- und Fernsehtechniker und ein Bauunternehmen. Die Immissionen durch den fließenden und anfallenden Verkehr auf der H H1. straße seien um ein Vielfaches höher als die von den 12 Stellplätzen ausgehenden Beeinträchtigungen. Die im Erdgeschoss geplanten Büroräume stünden einem reinen Wohngebiet nicht entgegen.
Das Bauvorhaben verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Von ihm gingen keine unzumutbaren Lärm- und Luftimmissionen aus. Die Baugenehmigung enthalte zahlreiche Auflagen. Es seien erhebliche Lärmschutzmaßnahmen und Immissionsbeschränkungen für die Tages- und Nachtzeit vorgesehen. Es sei unzutreffend, dass das geplante Garagentor nicht die Abstände einhalte, die nach dem „Lüftungsgutachten Tiefgarage“ einzuhalten seien. Das Garagentor könne darüber hinaus so gestaltet werden, dass eine Abschirmung möglich sei.
Das Vorhaben stehe nicht im Widerspruch zu den denkmalschutzrechtlichen Vorgaben aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG. Vom Vorhaben gehe keine erhebliche Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes oder der künstlerischen Wirkung des Denkmals aus, wie näher ausgeführt wurde.
Die Baugenehmigung sei inhaltlich hinreichend bestimmt.
Mit Schriftsatz vom 6. August 2021 übersandte der Bevollmächtigte des Beigeladenen dem Gericht einen – undatierten – Antrag auf Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für die oberirdische Wand der Tiefgaragenrampenabfahrt mit Begründung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Hierbei kommt es auf eine Abwägung der Interessen des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung mit den Interessen des Dritten, keine vollendeten, nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen entstehen zu lassen, an. Im Regelfall ist es unbillig, einem Bauwilligen die Nutzung seines Eigentums durch Gebrauch der ihm erteilten Baugenehmigung zu verwehren, wenn eine dem summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entsprechende vorläufige Prüfung des Rechtsbehelfs ergibt, dass dieser letztlich erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf offensichtlich begründet, so überwiegt das Interesse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei. Bei der Abwägung ist den Belangen der Betroffenen umso mehr Gewicht beizumessen, je stärker und je irreparabler der Eingriff in ihre Rechte wäre (BVerfG, B. v. 18.7.1973 – 1 BvR 155/73, 1 BvR 23/73 – BVerfGE 35, 382; zur Bewertung der Interessenlage vgl. auch BayVGH, B. v. 14.1.1991 – 14 CS 90.3166 – BayVBl. 1991, 275).
2. Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung der Klage nur in dem tenorierten Umfang anzuordnen. Das ergibt sich aufgrund folgender Erwägungen:
a) Nach vorläufiger Ansicht der Kammer ist dem Antragsteller darin beizupflichten, dass die nach den genehmigten Plänen vorgesehene überdachte Tiefgaragenzufahrt nicht nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr.1 BayBO privilegiert ist, weil sie die nach dieser Vorschrift zulässige Gesamtlänge von 9 m überschreitet. Nach der „Ansicht Nord + Abwicklung Zufahrt Tiefgarage“ besteht die Einhausung der Zufahrt aus einem 5 m breiten Hauptteil, der mit einem Satteldach versehen werden soll (vgl. Ansicht Ost), und einem dahinterliegenden, mit schräger Wandhöhe verlaufenden Teil. Dieser ist nach Messung mit dem Lineal für sich genommen nicht nur 5,15 m lang, wie im Schriftsatz vom 5. August 2021 ausgeführt wird. Die Länge beträgt vielmehr etwa 8 m, weil man die Darstellung in der „Ansicht Nord + Abwicklung Zufahrt Tiefgarage“ wohl so deuten muss, dass über der Betondecke noch eine etwa 30 cm dicke Aufschüttung angebracht werden soll. Auch bei diesem hinteren Teil der Einhausung handelt es sich um einen oberirdischen Gebäudeteil, der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO grundsätzlich abstandsflächenpflichtig ist. Zwar dürfte dieser schräge Teil an der Stelle, die vom Beginn der Einhausung 9 m entfernt liegt, wohl nur noch weniger als 1 m über die Erdoberfläche herausragen. Er ist an dieser Stelle aber mit der Aufschüttung jedenfalls noch nicht so niedrig, dass das Herausragen über die Erdoberfläche so marginal wäre, dass die 9-m-Grenze des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO als eingehalten angesehen werden könnte. Der Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO, der eine Ausnahmeregelung zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO darstellt, bietet nach seinem Wortlaut auch keinen Anhalt dafür, dass bei überdachten Tiefgaragenzufahrten solche Gebäudeteile, die jenseits der Schwelle der Marginalität eine bestimmte Höhe nicht überschreiten, außer Betracht bleiben können (ebenso wohl Simon/Kraus/Hahn/Harant, BayBO, Stand März 2021, Art. 6 Rn. 524). Der Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO ist deshalb wohl nicht erfüllt. Insoweit kommt zwar wohl eine Befreiung nach Art. 63 BayBO in Betracht (ebenso Simon/Kraus/Hahn/Harant, BayBO, a. a. O.). Eine solche ist aber bisher noch nicht erteilt worden, sodass das Bauvorhaben insoweit Rechte des Antragstellers verletzt, weil die Verletzung eine drittschützende Norm betrifft.
b) Nicht beizupflichten ist dem Antragsteller darin, dass das Vorhaben auch in Bezug auf das Haupthaus die Abstandsflächen zum Grundstück des Antragstellers hin nicht einhält.
Auf die Frage, ob § 2 Satz 3 der Abstandsflächensatzung der Gemeinde … mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage unwirksam ist, kommt es dabei nicht an. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass an der Gültigkeit dieser Vorschrift erhebliche Zweifel bestehen. Nach Wortlaut und systematischer Stellung der Ermächtigungsgrundlage (Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO n. F.) spricht einiges dafür, dass die Gemeinden lediglich befugt sind, durch Satzung ein abweichendes Maß der Abstandsflächentiefe festzulegen, nicht aber auch die Wandhöhenberechnung abweichend von der gesetzlichen Vorgabe des Art. 6 Abs. 4 BayBO n. F. regeln können. Der Antragsteller zieht jedoch nach vorläufiger Ansicht der Kammer aus der etwaigen Teilunwirksamkeit von § 2 Satz 3 der Abstandsflächensatzung nicht die richtige Konsequenz, wenn er meint, dass diese Teilunwirksamkeit die Geltung von § 2 Satz 1 der Abstandsflächensatzung, wonach abweichend von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO die Abstandsflächentiefe 1 H beträgt, nicht berühre. Vielmehr spricht alles dafür, dass eine etwaige Teilnichtigkeit von § 2 Satz 3 der Satzung zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führt, weil die Gemeinde die in § 2 Satz 1 getroffene Teilregelung ohne die ergänzende Regelung zur Wandhöhenberechnung nicht getroffen hätte. Das ergibt sich aus der auf der Website der Gemeinde eingestellten Begründung der Satzung, der ohne weiteres zu entnehmen ist, dass die Gemeinde eine Verschärfung des bisherigen Rechts nicht beabsichtigt hat (vgl. die Ausführungen unter Teil A, Nrn. 3, 4 und 5 der Begründung). Auf eine solche Verschärfung läuft es jedoch hinaus, wenn man, wie der Antragsteller, einerseits die an Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO a. F. angelehnte Regelung in § 2 Satz 1 der Abstandsflächensatzung anwendet, andererseits aber die an Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO a. F. angelehnte Regelung in § 2 Satz 3 der Abstandsflächensatzung wegen bloßer Teilnichtigkeit nicht anwendet und stattdessen auf die jetzige Regelung in Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO n. F. abstellt, nach der im Gegensatz zur früheren Regelung die Höhe von Dächern auch dann, wenn ihre Neigung 45° nicht übersteigt, zu einem Drittel der Wandhöhe hinzugerechnet werden. Die Abstandsflächensatzung der Gemeinde … ist daher voraussichtlich entweder wegen Gesamtnichtigkeit überhaupt nicht oder aber vollständig anzuwenden. Im ersten Fall gilt für die Abstandsflächentiefe die gesetzliche Regelung in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO n. F., dessen Vorgaben (0,4 H) das geplante Gebäude zum Grundstück des Antragstellers hin ohne weiteres einhält. Im zweiten Fall folgt aus § 2 Satz 3 der Abstandsflächensatzung, dass die Höhe des Daches, das nur eine Neigung von 20° hat, außer Betracht bleibt, so dass für die Berechnung der Wandhöhe nur die Außenwand selbst von Bedeutung ist. Dass die zum Grundstück des Antragstellers hin ausgerichtete Außenwand die Vorgabe von § 2 Satz 1 der Abstandsflächensatzung (1 H) nicht einhält, ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht behauptet.
Insgesamt verletzt das Hauptgebäude den Antragsteller in Bezug auf die einzuhaltenden Abstandsflächen somit voraussichtlich nicht in seinen Rechten.
c) Die Baugenehmigung verletzt den Antragsteller in bauplanungsrechtlicher Hinsicht voraussichtlich nicht in seinem – etwaigen – Gebietserhaltungsanspruch.
Zunächst ist festzustellen, dass sich die angestrebte Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung auch dann einfügen würde, wenn die nähere Umgebung als faktisches reines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 BauNVO anzusehen wäre, wie der Antragsteller meint. Nicht nur die angestrebte Wohnnutzung wäre dort allgemein zulässig (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), sondern auch die nach den Plänen im Erdgeschoss (auch) vorgesehene Büronutzung. Diese ist nach der zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärten Betriebsbeschreibung auf ein Rechtsanwalts- oder Maklerbüro beschränkt. In einem reinen Wohngebiet sind einzelne Räumlichkeiten zur Ausübung solcher Nutzungen nach § 13 BauNVO allgemein zulässig, weil es sich hierbei um die Berufsausübung eines freiberuflich Tätigen (Rechtsanwalt) oder – bei einem Maklerbüro – eines Gewerbetreibenden handelt, der seinen Beruf in ähnlicher Art ausübt (vgl. Ernst/Zinkahn, Bielenberg/Krautzberger/Stock, Baugesetzbuch, Stand Februar 2021, BauNVO, § 13 Rn. 25, 26).
Dem Einwand des Antragstellers, gegen die allgemeine Gebietsverträglichkeit spreche insbesondere die den Bedarf massiv übersteigende Anzahl der Tiefgaragenstellplätze, kann nicht gefolgt werden. Nach § 12 Abs. 2 BauNVO sind u. a. in reinen Wohngebieten Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Diese Bestimmung ist erstens so zu interpretieren, dass damit der Gesamtbedarf im Baugebiet gemeint ist, die Vorschrift keine Kontingentierung der Parkplätze auf dem einzelnen Baugrundstück bewirken soll, sodass derjenige, der nur für den Eigenbedarf Parkraum für die Nutzung auf demselben Grundstück benötigt, keiner Bedarfsprüfung unterzogen werden darf (Ernst/Zinkahn, Bielenberg/Krautzberger/Stock, a. a. O., § 12 Rn. 43). Zweitens steht die Anzahl der geplanten Stellplätze ohnehin in einem ohne weiteres angemessenen Verhältnis zur beabsichtigten Nutzung des Haupthauses. Nach der bei den Akten befindlichen Berechnung liegt die Nutzfläche der im Erdgeschoss geplanten Büroräume bei etwa 94 m², sodass hierfür nach der Anlage zur Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) jedenfalls 2 Stellplätze vorzusehen sind. Für Wohnungen schreibt die Anlage zur GaStellV zwar unabhängig von der Wohnungsgröße nur einen Stellplatz je Wohnung vor. Von den insgesamt sechs Wohnungen hat jedoch nach den vorliegenden Wohnflächenberechnungen nur eine einzige Wohnung eine Wohnfläche von unter 50 m² (47,10 m²). Drei Wohnungen haben eine Wohnfläche von über 100 m² oder nur knapp darunter (110,55 m²; 99,90 m²; 96,74 m²). Die Wohnflächen der beiden anderen Wohnungen liegen bei 76,44 m² und 70,49 m². Angesichts dessen ist die geplante Anzahl der Stellplätze keineswegs überhöht. Sie trägt vielmehr dem zu erwartenden Stellplatzbedarf Rechnung.
d) Das Vorhaben steht voraussichtlich auch nicht in Widerspruch zur konkreten Eigenart des – etwaigen – faktischen Baugebiets. Nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO sind bauliche und sonstige Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen oder wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Unabhängig davon, ob die nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einem der in der BauNVO näher bezeichneten Baugebiete zugeordnet werden kann und § 15 Abs. 1 BauNVO damit überhaupt anwendbar ist, ist der Einschätzung des Antragstellers, das Vorhaben sei mit der konkreten Eigenart des faktischen Baugebiets nicht vereinbar, voraussichtlich schon deshalb nicht zu folgen, weil der Bereich der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB jedenfalls weiter gezogen werden muss, als der Antragsteller meint. Berücksichtigt werden muss die Umgebung einmal insoweit, als sich das Vorhaben auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (z. B. BVerwG, Urteil vom 26.5.1978 – 4 C 9/77 – juris). Davon ausgehend dürfte das sehr große Gebäude auf der Flurnummer 67, das innerhalb desselben Gevierts auf derselben Straßenseite der H H1. straße in nur etwa 60 m Entfernung vom Vorhabenstandort liegt, ohne weiteres ebenso zu berücksichtigen sein, wie die Bebauung westlich der S …gasse, der schon allein aufgrund ihrer geringen Breite keine trennende Wirkung zukommen dürfte. Auch die Bebauung auf den gegenüberliegenden Straßenseiten der H H1. straße und der B H1. straße dürfte jedenfalls in gewissem Umfang zu berücksichtigen sein. Den aus dem Bayern Atlas und Google Maps zugänglichen Luftbildaufnahmen ist insoweit zu entnehmen, dass sich auf der anderen Straßenseite der H H1. straße unmittelbar gegenüber dem Vorhabengrundstück eine größere Schulanlage und auf der anderen Straßenseite der B H1. straße ein anscheinend zu einem Krankenhaus gehörender Parkplatz befinden. Es mag zwar sein, dass die Bebauungsstruktur jenseits der H H1. straße und der B H1. straße anders ist. Dennoch lässt sich kaum verneinen, dass diese beiden Anlagen den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks nicht wenigstens beeinflussen, weil von ihnen ein gewisses Störpotenzial ausgeht, das sich auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch auswirken kann. Die vom Antragsteller vorgenommene Einschätzung, dass der konkrete Charakter der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks durch eine aufgelockerte Bauweise und großzügige Grünflächen geprägt werde, teilt die Kammer deshalb vorläufig nicht. Auch die Größe der geplanten Tiefgarage und ihre räumliche Situierung widersprechen der Eigenart der näheren Umgebung nicht. Dass eine Tiefgaragenzufahrt entlang einer Grundstücksgrenze situiert wird, ist eine übliche Gegebenheit.
e) Rücksichtslos ist das Vorhaben auch nicht deshalb, weil der Beigeladene für die Tiefgaragenzufahrt die nördliche Grundstücksseite gewählt hat. Insbesondere ist ihm dies nicht deshalb vorzuwerfen, weil sich auf der Südseite des Grundstücks des Antragstellers dessen Gartenbereich befindet. Der Antragsteller kann nicht zumutbar erwarten, dass der Beigeladene auf eine andere Nutzung des wertvolleren sonnigen südlichen Grundstücksbereichs verzichtet und die Tiefgaragenzufahrt dorthin verlegt, damit der Antragsteller möglichst ungestört seinen im südlichen Grundstücksteil liegenden Garten nutzen kann.
f) Ob das Vorhaben in Bezug auf die mit der Nutzung der Tiefgarage verbundenen Abgasimmissionen mit dem Gebot der Rücksichtnahme vereinbar ist, kann für das Eilverfahren offenbleiben. Insbesondere muss der Frage nicht nachgegangen werden, ob das Gebot der Rücksichtnahme deshalb verletzt ist, weil das Gittergaragentor als eine der beiden erforderlichen Lüftungsöffnungen genutzt werden soll und dieses einen Mindestabstand von 2,5 m zur Grundstücksgrenze nicht einhält. Selbst wenn dies unzulässig sein sollte, geht die Kammer jedenfalls davon aus, dass die erforderliche zweite Lüftungsöffnung nachträglich noch auf eine andere Weise so realisiert werden kann, dass der Abstand gewahrt wäre. Der Antragsteller ist daher insoweit auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, weil ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme insoweit ohne weiteres noch nachträglich korrigiert werden könnte. Wegen der einschneidenden Folgen, die ein Baustopp für den Beigeladenen mit sich brächte, wäre die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage insoweit nicht gerechtfertigt.
g) Das Gebot der Rücksichtnahme ist voraussichtlich auch nicht wegen der mit der Nutzung der Tiefgarage verbundenen Lärmimmissionen verletzt. Soweit der Antragsteller rügt, der Antragsgegner habe nur Auflagen zu Immissionen verfügt, die die gewerbliche Büronutzung beträfen, ist darauf zu verweisen, dass ein Grundstücksnachbar die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Belastungen durch Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs sowohl tagsüber als auch nachts grundsätzlich – vorbehaltlich besonderer Verhältnisse im Einzelfall – als sozialadäquat hinzunehmen hat. Das gilt auch für Stellplätze in Tiefgaragen, zumal diese im Vergleich zu oberirdischen Garagen den Vorteil haben, dass sie bestimmte, mit dem Parken und Abfahren verbundene Geräuschbelästigungen, wie z.B. Schlagen von Autotüren, Starten von Motoren, weitgehend abschirmen und damit schon grundsätzlich als rücksichtsvoller einzustufen sein dürften (BayVGH, B. v. 25.5.2021 – 15 ZB 20.2128 – juris Rn. 19).
Ob es im vorliegenden Fall zum Schutz der Nachbarschaft überhaupt erforderlich war, für die gewerbliche Büronutzung Lärmgrenzwerte festzusetzen, kann offenbleiben. Nach der verbindlichen, zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Betriebsbeschreibung ist eine Nutzung als Rechtsanwalts- oder Maklerbüro genehmigt, mit ausschließlich werktäglichen Öffnungszeiten zur Tagzeit von 7:00 bis 20:00 Uhr. Von den beiden Stellplätzen ist ein Stellplatz für Kunden und einer für Firmenangehörige vorgesehen. Nach vorläufiger Einschätzung ist hier selbst dann, wenn – wie voraussichtlich ohnehin nicht – vom Charakter eines reinen Wohngebiets auszugehen wäre, nicht erkennbar, weshalb diese Büronutzung am Anwesen des Antragstellers zu unzumutbaren Lärmimmissionen wegen des mit der Büronutzung in Zusammenhang stehenden zu erwartenden äußerst mäßigen Fahrverkehrs führen sollte.
h) Soweit der Antragsteller bemängelt, die Baugenehmigung sei widersprüchlich bzw. inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, weil sie einerseits vom Charakter eines Mischgebiets ausgehe, andererseits aber dann Immissionsrichtwerte festsetze, die für ein reines Wohngebiet gelten würden, ist das nicht richtig. In der entsprechenden Auflage des Bescheids wurden keine Immissionsrichtwerte festgesetzt, sondern Immissionsrichtwertanteile.
i) Die Baugenehmigung ist schließlich voraussichtlich auch nicht wegen der Denkmaleigenschaft des Wohnhauses des Antragstellers rechtswidrig. Eine solche Rechtswidrigkeit folgt weder aus den Bestimmungen des Denkmalschutzrechts noch aus dem Gebot der Rücksichtnahme.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG) bedarf der Erlaubnis, wer in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Diese Erlaubnis kann nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Da im vorliegenden Fall wegen des Erfordernisses einer Baugenehmigung die Erlaubnis entfällt (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG), sind die materiellrechtlichen Anforderungen des Denkmalschutzrechts inzident im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO).
Selbst wenn man im vorliegenden Fall die grundsätzliche Erlaubnispflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG bejaht, weil sich das Vorhaben auf das Erscheinungsbild des Denkmals auswirken kann, ist nach vorläufiger Einschätzung jedenfalls nicht anzunehmen, dass das Vorhaben im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung des Baudenkmals führen würde.
Das Gebäude des Antragstellers ist mit folgendem Wortlaut in die Denkmalliste eingetragen: „Villa, ehem. …, zweigeschossiger Satteldachbau mit Zwerchhaus und Veranda, Gliederungen im geometriesierenden Jugendstil, von Engelbert Schnell, 1910.“ Aus dieser Beschreibung ergibt sich nicht, dass das Denkmal durch das Vorhaben in einem der in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG genannten Aspekte beeinträchtigt würde. Das geplante Wohnhaus mag höher sein als das frühere Gebäude. Es hält sich dennoch hinsichtlich seiner Höhe, seiner Breite und seiner äußeren Gestalt mit dem geplanten Satteldach völlig im Rahmen des Üblichen. Es ist mit einem Abstand von knapp über 9 m zur maßgeblichen Grundstücksgrenze hin errichtet, sodass man annehmen kann, dass die Sichtbarkeit des Denkmals von der Straße durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt ist. Soweit der Antragsteller sich gegen die in den Plänen eingezeichnete Farbdarstellung wendet, ist erstens schon nicht anzunehmen, dass diese vom Regelungsumfang der Baugenehmigung überhaupt umfasst ist. Im Übrigen wäre diese auch noch nachträglich ohne weiteres zu korrigieren. Eine Beeinträchtigung des Denkmals geht trotz des Abstandsflächenverstoßes (siehe oben) voraussichtlich auch nicht von der Tiefgarageneinhausung aus. Insgesamt liegt hier deshalb wohl keine Situation vor, bei der die Behörde die Baugenehmigung im Ermessenswege aufgrund der Regelung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG versagen könnte. Dass die Baugenehmigung insoweit keine Ermessenserwägungen enthält, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Frage, ob und inwieweit der Antragsteller einen Verstoß gegen das Denkmalschutzrecht überhaupt rügen könnte, kommt es daher nicht an.
Aus der Denkmaleigenschaft des Gebäudes resultiert hier auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Da sich der Inhalt des Gebots der Rücksichtnahme maßgeblich an den Einzelfallumständen orientiert, kann dem Antragsteller im Ansatz zwar darin beigepflichtet werden, dass bei der Frage, ob das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, die Denkmaleigenschaft des Gebäudes des Antragstellers ein Belang ist, der die Frage dessen, was dem Antragsteller zugemutet werden kann, mitbestimmt. Wie oben ausgeführt, beeinträchtigt aber das Vorhaben das Wesen, das überlieferte Erscheinungsbild oder die künstlerische Wirkung des Baudenkmals voraussichtlich nicht. Es ist deshalb auch nicht anzunehmen, dass das Vorhaben die Schwelle dessen überschreitet, was dem Antragsteller als Nachbarn zugemutet werden kann.
j) Insgesamt ergibt deshalb die Interessenabwägung, dass die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich hinsichtlich der Tiefgarageneinhausung wegen des sich aus den Plänen ergebenden Abstandsflächenverstoßes anzuordnen ist. Die Interessen des Beigeladenen sind insoweit geringer zu gewichten als diejenigen des Antragstellers, weil die Durchführung des Bauvorhabens im Übrigen davon nicht betroffen ist und es dem Beigeladenen auch unbenommen ist, entweder die Tiefgarageneinhausung so umzuplanen, dass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO eingehalten sind, oder, falls der Abweichungsantrag genehmigt wird, insoweit eine Änderung des Eilbeschlusses nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu beantragen. Im Übrigen ergibt die Interessenabwägung, dass der Eilantrag abzulehnen ist, weil das Vorhaben Rechte des Antragstellers allenfalls wegen solcher Umstände verletzt, die unschwer nachträglich noch korrigiert werden können, die Baugenehmigung ansonsten aber – insbesondere in Bezug auf die Kubatur und den Nutzungsumfang des Vorhabens – voraussichtlich rechtmäßig ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs und entspricht der Hälfte des voraussichtlich im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts.
5. Infolge der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO hat sich der Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung erledigt.


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