Baurecht

Nachbarklage, Baugenehmigung für den Neubau eines Wohnhauses mit 22 Wohneinheiten und Tiefgarage (22 Stellplätze), Gebietserhaltungsanspruch, Rücksichtnahmegebot, Befreiung, Abstandsflächen

Aktenzeichen  M 8 K 20.77, M 8 K 20.2136

Datum:
14.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6006
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 34
BauGB § 31 Abs. 2
BayBO Art. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Verfahren M 8 K 20.77 und M 8 K 20.2136 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.  
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist für die Beklagte ohne, für die Beigeladene gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

I. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2022 entschieden werden, obwohl für die Klagepartei niemand erschienen ist. Der damalige Bevollmächtigte der Klägerin wurde ausweislich der Empfangsbekenntnisse in beiden Verfahren am 13. Januar 2022 rechtzeitig und ordnungsgemäß zum Termin geladen. Die Beteiligten wurden mit der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen, dass gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
II. Die beiden anhängigen Verfahren konnten gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden, da die beiden Streitgegenstände im Zusammenhang stehen (vgl. zu den Voraussetzungen des § 93 VwGO: Rennert, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 93 Rn. 2).
III. Die Klageanträge waren nach dem erkennbaren Begehren der Klägerin dahingehend auszulegen, dass der Bescheid vom 2. Dezember 2019 in der Fassung vom 6. April 2020 aufgehoben wird (§ 88 VwGO).
Die mit dem Änderungsantrag vom 6. März 2020 zur Genehmigung gestellten Korrekturen und Anpassungen führen nicht dazu, dass ein „aliud“ beantragt worden und der Änderungsantrag in der Sache als Neuantrag zu qualifizieren wäre. Vielmehr handelt es sich um eine Änderungsgenehmigung, die nur zusammen mit der Ausgangsgenehmigung zur Ausführung des Vorhabens berechtigt (vgl. hierzu: Greim-Diroll, in: Beck-OK Bauordnungsrecht Bayern, 20. Edition Stand 1.11.2021, Art. 68 Rn. 15; Rn. 101a; Weinmann, in: Beck-OK Bauordnungsrecht Bayern, 20. Edition Stand 1.11.2021, Art. 64 Rn. 40 m.w.N.; Decker, in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 74). Prüfungsmaßstab ist daher die Baugenehmigung vom 2. Dezember 2019 in der Fassung, die sie durch die Änderungsgenehmigung vom 6. April 2020 erhalten hat.
IV. Die zulässigen Klagen bleiben in der Sache ohne Erfolg. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 2. Dezember 2019 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 6. April 2020 verstößt nicht gegen im vorliegend einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m Art. 59 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) zu prüfende, (auch) die Klägerin schützende öffentlich-rechtliche Vorschriften (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Anfechtungsklagen (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) sind zulässig, insbesondere wurden sie fristgerecht erhoben (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Der Klägerin wurde eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung vom 2. Dezember 2019 am 6. Dezember 2019 zugestellt. Damit begann die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO am 7. Dezember 2019 zu laufen und endete, da der 6. Januar in Bayern ein gesetzlicher Feiertag ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage – FTG), mit Ablauf des 7. Januar 2020, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB, weshalb die am 7. Januar 2020 erhobene Klage fristgerecht ist.
Gleiches gilt für die Klage gegen die Änderungsgenehmigung vom 6. April 2020, die der Klägerin am 16. April 2020 zugestellt wurde. Die Klagefrist begann insoweit am 17. April 2020 zu laufen und endete, da der 16. Mai 2020 ein Samstag war, mit Ablauf des 18. Mai 2020. Die am 18. Mai 2020 bei Gericht eingegangene Klage wahrt mithin ebenfalls die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
2. Die Klagen sind jedoch unbegründet. Die Baugenehmigung vom 2. Dezember 2019 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 6. April 2020 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zudem zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, also die gerügte Rechtsverletzung Gegenstand des Prüfprogramms im einschlägigen Baugenehmigungsverfahren war (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 8.8.2016 – 9 ZB 14.2808 – juris Rn. 9; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 23). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).
a) Das Vorhaben, dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit sich im Hinblick auf das vorhandene, gemäß § 173 Bundesbaugesetz (BBauG) und § 233 Abs. 3 BauGB übergeleitete und fortgeltende Bauliniengefüge nach § 30 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB) und im Übrigen nach § 34 BauGB richtet, verletzt keine (auch) die Klägerin schützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO zu prüfen sind.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB.
aa) Zunächst kommt es für den Erfolg der Klage nicht darauf an, ob die der Beigeladenen erteilten Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB (objektiv) rechtmäßig erteilt wurden oder ob die Befreiungen vollständig sind.
Insoweit hängt der Umfang des Rechtsschutzes eines Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine, d.h. irgendeine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 3). Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, richtet sich der Nachbarschutz dagegen nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das aufgrund der gemäß § 31 Abs. 2 BauGB gebotenen „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet. Demnach werden Nachbarrechte nur verletzt, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris Rn. 5 f.; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 25 m.w.N.; B.v. 18.12.2017 – 9 CS 17.345 – juris Rn. 15).
Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche (Baulinien, Baugrenzen, Bebauungstiefen) sind grundsätzlich nach einhelliger Rechtsprechung nicht nachbarschützend (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52/95 – juris Rn. 3 f.; B.v.19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris Rn. 3; B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 27.1.1976 – 258 I 75 – juris Leitsatz 1; B.v. 12.7.2016 – 15 ZB 14.1108 – juris Rn. 11). Eine andere Beurteilung gilt nur, wenn im Bebauungsplan ein besonderer Anhalt zugunsten des (ausnahmsweise) auch nachbarschützenden Zwecks der Festsetzung gegeben ist (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2014 – 9 CS 14.84 – juris Rn. 17; B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.1171 – juris Rn. 15; B.v. 12.7.2016 – 15 ZB 14.1108 – juris Rn. 11; B.v. 8.11.2016 – 1 CS 16.1864 – juris Rn. 4; B.v. 18.12.2017 – 9 CS 17.345 – juris Rn. 16; Dirnberger in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 144. EL September 2021, Art. 66 Rn. 368). Ob Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Plangeberin ab (BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 14; B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24, m.w.N).
Die Festsetzung straßenseitiger Baulinien und rückwärtiger Baugrenzen erfolgt regelmäßig aus städtebaulichen Gründen, vornehmlich zur Gestaltung des Orts- und Straßenbildes und zur Gewährleistung einer bestimmten Anordnung der Baukörper zur Straße bzw. zum rückwärtigen Grundstücksbereich hin. Solchen Festsetzungen kommt daher ganz regelmäßig keine nachbarschützende Wirkung zu (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 26.3.2002 – 15 CS 02.423 – juris Rn 16; VGH BW, B. v. 1.10.1999 – 5 S 2014/99 – juris Rn. 5). Dieses berücksichtigend kommt der hier inmitten stehenden Baulinie ersichtlich keine nachbarschützende, sondern eine rein städtebauliche Funktion zu. Dafür, dass diese Festsetzung darüber hinaus auch dem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen sollte, ist nichts ersichtlich. Es kommt mithin auch nicht darauf an, ob die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von dem Bauliniengefüge gegeben sind. Insoweit kommt daher eine Rechtsverletzung der Klägerin in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nur unter dem Aspekt einer Verletzung des im Begriff der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ in § 31 Abs. 2 BauGB verankerten Rücksichtnahmegebots in Betracht, die hier aber ebenfalls zu verneinen ist (vgl. hierzu ee)).
bb) Eine Verletzung von Nachbarrechten hinsichtlich des Einfügensmerkmals der Art der baulichen Nutzung, namentlich eines etwaigen Gebietserhaltungsanspruchs, ist nicht ersichtlich.
Der Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn setzt voraus, dass das Grundstück in einem festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB) liegt, und ist im Ergebnis darauf gerichtet, Vorhaben zu verhindern, die nach Art der baulichen Nutzung weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – juris Rn. 13). Ist die maßgebliche Umgebung als Gemengelage nach § 34 Abs. 1 BauGB anzusehen, besteht schon kein Gebietserhaltungsanspruch.
Unabhängig von der konkreten Bestimmung der maßgeblichen Umgebung und ihrer Eigenart ist nach Aktenlage sowie den über Google Maps zugänglichen Luftbildern davon auszugehen, dass die dem Baugrundstück benachbarten Grundstücke – wie bislang auch das Baugrundstück selbst – zu Wohnzwecken genutzt werden, so dass eine Verletzung eines etwaigen Gebietserhaltunganspruchs (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 13) durch die streitgegenständliche Baugenehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung für ein ebenfalls Wohnzwecken dienendes Gebäude nicht ersichtlich ist. Das Vorhaben ist in den Bauanträgen vom 6. November 2019 und vom 6. März 2020 als „Wohnhaus“ bezeichnet; die einzelnen Wohneinheiten sind nach den Darstellungen in den Bauvorlagen selbständig nutzbar und jeweils mit eigener Küche und eigenem Bad ausgestattet. Die Anzahl der Wohneinheiten ist dabei nicht entscheidend. Die BauNVO regelt lediglich das Wohnen als Nutzungsart und differenziert nicht zwischen Wohnen in Einfamilien-, Doppel- oder Mehrfamilienhäusern (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 6; NdsOVG, B.v. 20.9.2017 – 1 ME 111/17 – juris Rn. 12; B.v. 28.5.2014 – 1 ME 47/14 – juris Rn. 9 ff.; B.v. 18.72014 – 1 LA 168/13 – juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 4.7.2014 – 7 B 363/14 – juris Rn. 3; B.v. 4.11.2015 – 7 B 74415 – juris Rn. 6). Die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude ist kein Merkmal, das die Art der baulichen Nutzung betrifft (BVerwG, B.v. 24.4.1989 – 4 B 72/89 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 6; B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – juris Rn. 16; NdsOVG, B.v. 28.5.2014 – 1 ME 47/14 – juris Rn. 10). Die Errichtung eines Mehrfamilienhauses kann mithin von einem Nachbarn nicht unter Berufung auf den Gebietserhaltungsanspruch mit dem Argument abgewehrt werden, dies passe nicht in das (reine oder allgemeine) Wohngebiet, in dem auch sein Grundstück liegt (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 6; VG München, U.v. 18.4.2016 – M 8 K 15.159 – juris Rn. 31).
cc) Die Klägerin hat im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens mit Schreiben vom 19. September 2019 eingewandt, die kleinteilige Wohnungsaufteilung (Häufung von Apartments) sei gebietsfremd, weil sie insgesamt das Verkehrsaufkommen der Bewohner des Gebiets überdurchschnittlich erhöhe, und die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen es habe, wenn die überwiegende Anzahl oder alle Wohngebäude des Gebiets zu kleinen Wohngebäuden umgeformt würden.
Soweit sie mit ihrem Vorbringen auf die Verletzung des „Gebietsprägungs(erhaltungs) anspruchs“ (vgl. dazu BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86/01 – juris; U.v. 16.3.1995 – 4 C 3/94 – juris Rn. 17) abzielen sollte, dass also „Quantität in Qualität“ umschlagen würde, ist zum einen bereits umstritten, ob ein solcher Gebietsprägungserhaltungsanspruch anzuerkennen ist (BayVGH, B.v. 9.10.2012 – 2 ZB 11.2653 – juris Rn. 9; B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris Rn. 13; B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – juris Rn. 16; B.v. 5.11.2019 – 9 CS 19.1767 – juris Rn. 15; B.v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.466 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10; B.v. 4.3.2021 – 15 ZB 20.3151 – juris Rn. 16). Zum anderen wäre ein solcher Anspruch vorliegend auch nicht verletzt. Hierfür müsste ein Umschlagen von Quantität in Qualität die Art der baulichen Nutzung derart erfassen oder berühren, dass bei typisierender Betrachtung im Ergebnis ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets angenommen werden müsste (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10; B.v. 4.3.2021 – 15 ZB 20.3151 – juris Rn. 16 m.w.N.; B.v. 5.11.2019 – 9 CS 1767 – juris Rn. 15; B.v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.466 – juris Rn. 8). Dies ist jedoch nur unter strengen Voraussetzungen der Fall (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10). Der Widerspruch der hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung muss sich bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen; dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung im Einklang steht, genügt dafür nicht (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10; Kremer, jurisPR-ÖffBauR 8/2019 Anm. 5; am Beispiel eines Asylbewerberheims vgl. auch OVG Rh-Pf, B.v. 08.12.2016 – 8 A 10680/16 – juris Rn. 11 f.). Vorliegend ist nicht ersichtlich, wie die zulässige Wohnnutzung aufgrund ihrer typischen Nutzungsweise bei einer typisierenden Betrachtungsweise störend wirken könnte. Zudem ist in der näheren Umgebung – unabhängig davon, wie weit man diese im vorliegenden Einzelfall zieht – jedenfalls auf dem Grundstück … Straße 94 Geschosswohnungsbau vorhanden.
dd) Die Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, beinhalten grundsätzlich keinen Drittschutz (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 11.3.1994 – 4 B 53/94 – juris Rn. 4; B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 3; B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris Rn. 3; U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 19f.; BayVGH, B.v. 29.9.2008 – 1 CS 08.2201 – juris Rn. 1; B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9; B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 3; B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 3; B.v. 30.9.2014 – 2 ZB 13.2276 – juris Rn. 4; B.v. 2.11.2020 – 1 CS 20.1955 – juris Rn. 3). Daher bedarf es keiner weitergehenden Prüfung, ob sich das Vorhaben insoweit in seine Umgebung einzufügen vermag. Ein möglicherweise fehlendes Einfügen in die nähere Umgebung hinsichtlich dieser Parameter kann die Klägerin nicht mit Erfolg rügen.
Insbesondere kann die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht rügen, ob und auf welche Referenzobjekte sich die Beigeladene hinsichtlich ihres Vorhabens berufen oder nicht berufen kann; auch eine Vergleichbarkeit oder Nichtvergleichbarkeit zum Anwesen „… straße 36a“ (vgl. Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 19. September 2019) oder zum Anwesen „… straße 26“ (vgl. E-Mail der Klägerin an die Beklagte vom 10. März 2020) ist ohne Belang. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob das Dachgeschoss als „Vollgeschoss“ ausgebildet wird oder nicht. Selbst wenn sich das Vorhaben objektiv nicht anhand der aus der maßgeblichen Umgebung abzuleitenden Parameter in die maßgebliche Umgebung einfügen würde, könnte dies die Klägerin insofern nicht beanstanden. Sie ist insoweit auf das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme zu verweisen, welches jedoch ebenfalls nicht zu Lasten der Klägerin verletzt ist (vgl. hierzu nachstehend ee)).
ee) Das Vorhaben verletzt zu Lasten der Klägerin auch nicht das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB, welche vorliegend zugunsten des Vorhabens erteilt wurden.
Das Gebot der Rücksichtnahme richtet sich vorliegend hinsichtlich der erteilten Befreiungen nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltenen Rücksichtnahmegebots, § 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Dahinstehen kann, ob sich das Gebot der Rücksichtnahme im Übrigen aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 – juris Rn. 22; U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93 – juris Rn. 17; U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – juris Rn. 20; U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich – umgekehrt – um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9 m.w.N.). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 22).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass auch aus dem Rücksichtnahmegebot kein Recht des Nachbarn abzuleiten ist, dass in seiner Nachbarschaft nur objektiv rechtmäßige Bauvorhaben entstehen (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 26). Das Rücksichtnahmegebot legt dem Bauherrn zudem auch keine Pflicht auf, generell die für den Nachbarn am wenigsten beeinträchtigende Alternative für seine Bauabsicht zu wählen (BVerwG, B.v. 26.6.1997 – 4 B 97/97 – juris Rn. 6).
(1) Der Umstand, dass mit dem Vorhaben ein Mehrfamilienhaus verwirklicht werden soll, vermag keine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens zu begründen. Die Zahl der Wohneinheiten in einem Wohngebiet stellt ohne eine planerische Festsetzung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB) kein im Rahmen des „Einfügens“ beachtliches Kriterium dar (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.1980 – IV C 98.77 – juris Rn. 18 f.; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 29.6.1993 – 1 B 11353/93 – juris Rn. 3 m.w.N.). Es besteht auch kein Anspruch, dass die streitgegenständlichen Grundstücke wie das eigene Grundstück genutzt oder bebaut werden (vgl. VG München, B.v. 31.07.2014 – M 8 SN 14.2877 – juris Rn. 65; VG Augsburg, U.v. 14.11.2012 – Au 4 K 11.1678 – juris Rn. 36).
(2) Auch die von den künftigen Bewohnern des Bauvorhabens verursachten Geräusche sind von der Klägerin als sozialadäquat hinzunehmen. Bei den diesbezüglichen Geräuschimmissionen handelt es sich in der vorliegenden bauplanungsrechtlichen Situation um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13/94 – juris Rn. 70, 72; BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 38; B.v. 5.1.22012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 7; B.v. 14.04.2014 – 15 ZB 13.205 – juris Rn. 6). (Lärm- und Geräusch-) Immissionen, die aus den Lebensäußerungen resultieren, die mit dem im Wohngebiet vorgesehenen Wohnen einhergehen, sind daher nicht geeignet, eine Rücksichtlosigkeit der Wohnnutzung zu begründen. Unzumutbare Lärmimmissionen sind auch mit Blick auf die Anordnung der Fahrradstellplätze im rückwärtigen Bereich des Baugrundstücks nicht zu erwarten. Auch die Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks der Klägerin wird dadurch nicht unzumutbar beeinträchtigt.
(3) Soweit die Klägerin rügt, dass die gewählte Apartmenthäufung weder familien- noch kinderfreundlich sei, so ist dies baurechtlich ohne Belang.
(4) Unzumutbare Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks gehen auch nicht mit der – zudem auf der nord-westlichen und damit von der Klägerin abgewandten Seite des Baugrundstücks gelegenen – Tiefgaragenzufahrt des Vorhabens einher. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach § 12 Abs. 2 BauNVO in Wohngebieten Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf zulässig sind. Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Bauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 -juris Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 23 m.w.N.). Die hier vorgesehenen Stellplätze, die vorliegend in einer Tiefgarage errichtet werden, entsprechen dem Stellplatzbedarf nach der Stellplatzsatzung der Beklagten (vgl. Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO i.V.m. § 2 Abs. 1 i.V.m. Nr. 1.1 der Anlage 1 der Satzung der Beklagten über die Ermittlung und den Nachweis von notwendigen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge vom 19. Dezember 2007, MüAbl. Sondernummer 1, S. 1), sodass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass rücksichtslose Immissionen zu erwarten sind. Ein Sonderfall, der eine Ausnahme von diesem Grundsatz erforderte, ist vorliegend nicht gegeben, zumal die Zufahrt zur Tiefgarage nach den genehmigten Bauvorlagen im nord-westlichen Bereich des Baugrundstücks – und damit vom klägerischen Grundstück abgewandt – gelegen ist.
(5) Auch durch die Anordnung der Lüftungsschächte für die Tiefgarage sind, auch angesichts deren Entfernung zur Grundstücksgrenze und zum klägerischen Hauptgebäude, keine für die Klägerin unzumutbaren Lärmimmissionen zu erwarten, zumal auch hier keine Betroffenheit des Wohnhauses der Klägerin, sondern lediglich des unbebauten rückwärtigen Bereichs auszumachen ist.
(6) Soweit die Klägerin die Anordnung des Kinderspielplatzes im rückwärtigen, nordöstlichen Bereich des Baugrundstücks rügt, so ist darauf hinzuweisen, dass die einem Wohngebäude zuzuordnenden Geräusche spielender Kinder regelmäßig als sozialadäquat hinzunehmen sind (vgl. auch Taft in: Busse/Kraus, Bayer. Bauordnung, 144. EL September 2021, Art. 7 Rn. 84 ff; BayVGH, B.v. 23.8.2011 – 2 CS 11.1218 – juris Rn. 12f. (zu einer Freispielfläche einer Kinderkrippe); BVerwG, U.v. 12.12.1991 – 4 C 5/88 – juris; VGH BW, B.v. 3.3.2008 – 8 S 2165/07 – juris Rn. 7).
(7) Darüber hinaus ist auch keine abriegelnde oder erdrückende Wirkung erkennbar.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „erdrückenden“ bzw. „abriegelnden“ Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 14; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30; B.v. 10.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 27). Eine solche Wirkung kommt daher vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21; B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 9; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12; B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 31; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 13; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 28; B.v. 10.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 27). Ein Vorhaben übt grundsätzlich dann „erdrückende“ bzw. „einmauernde“ Wirkung gegenüber dem Nachbarn aus, wenn es in Höhe und Volumen ein Übermaß besitzt und auch nicht annähernd den vorhandenen Gebäuden gleichartig (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 5 m.w.N.) ist. Für die Annahme einer „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes besteht insofern grundsätzlich schon dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – Rn. 5; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 14; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30). Dies gilt insbesondere dann, wenn beide Gebäude im dicht bebauten städtischen Bereich liegen (vgl. BayVGH, v. 20.4.2010 – 2 ZB 07.3200 – juris Rn. 3; B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; U.v. 7.10.2010 – 2 B 09.328 – juris Rn. 22; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9).
Gemessen hieran hat das streitgegenständliche Bauvorhaben keinen „einmauernden“ oder „abriegelnden“ Effekt zu Lasten der Klägerin. Bereits angesichts des Abstands zwischen dem geplanten Vorhaben und dem Anwesen der Klägerin und den Lagebeziehungen der beiden Gebäudekörper zueinander ist nicht ersichtlich, inwiefern die engen Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung eine gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßende „abriegelnde“ bzw. „erdrückende“ Wirkung anzunehmen ist, vorliegen könnten, v.a. wenn man die Fälle in Blick nimmt, in denen die Rechtsprechung das Vorliegen einer „erdrückenden“ bzw. „abriegelnden“ bejaht bzw. ebenfalls verneint hat (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 32 ff.: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalbgeschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück; BayVGH, B.v. 5.2.2015 – 2 CS 14.2456 – juris Rn. 33: keine erdrückende Wirkung eines ca. 160 m langen Baukörpers mit einer Höhe von 6,36 m bis 10,50 m und einem Abstand von 13 – 16 m zum Gebäude des Nachbarn; BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 9: keine erdrückende Wirkung eines 33,3 m langen Baukörpers mit einer maximalen Höhe von 11 m und einem Abstand von mindestens 15 m zur Baugrenze auf dem Nachbargrundstück). Hinzu kommt, dass das mit Bescheid vom 2. Dezember 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 6. April 2020 genehmigte Vorhaben die (nachbarschützenden) Vorgaben des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts zum Grundstück der Klägerin hin wahrt (vgl. hierzu noch nachfolgend unter b)). Die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften indiziert für das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmgebot in tatsächlicher Hinsicht, dass auch das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – juris Rn. 4; B.v. 15.6.2016 – 4 B 52.15 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2326 – juris Rn. 10; B.v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9 – juris Rn. 30; B.v. 8.3.2013 – NE 12.2637 – juris Rn. 21; B.v. 9.2.2015 – 1 CS 14.2763 – juris Rn. 3; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn.7; B.v. 8.5.2019 – 15 NE 19.551 u.a. – juris Rn. 31; B.v. 9.2.2015 – 1 CS 14.2763 – juris Rn. 3; B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2326 – juris Rn. 10). Eine Ausnahme hiervon ist weder von der Klägerin substantiiert vorgetragen noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage.
(8) Die Überschreitungen der straßenseitigen Baulinie, für die die Beklagten Befreiungen erteilt hat, liegen auf der vom Anwesen der Klägerin abgewandten Westseite des Vorhabens in Richtung … straße; insoweit ist eine Verletzung von Rechten der Klägerin nicht ansatzweise auszumachen.
b) Auch ein Verstoß gegen im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfende drittschützende Normen des Bauordnungsrechts ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Abstandsflächenrecht (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BayBO). Die Abstandsflächen werden in der erforderlichen Tiefe (Art. 6 Abs. 5 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 bis 3, Abs. 8 Nr. 2, 3 BayBO in der insoweit maßgeblichen Fassung vom 10. Juli 2018) zum Grundstück der Klägerin hin auf dem Baugrundstück selbst eingehalten (Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO in der insoweit maßgeblichen Fassung vom 10. Juli 2018). Die Wandhöhe nach Osten hin – die Dachfläche bleibt mit ihrer Neigung von 24 Grad unberücksichtigt (Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO in der Fassung vom 10. Juli 2018) – beträgt 9,50 m, im Bereich der abstandsflächenpflichtigen Dachgauben 11,14 m, die Entfernung zur Grundstücksgrenze der Klägerin beträgt zwischen 13,655 m (im Süden) und 14,91 m (im Norden; vgl. Erdgeschoss-Grundriss, vermaßt).
c) Falls grenznaher Bewuchs durch das Vorhaben oder die Bautätigkeiten auf dem Vorhabengrundstück zerstört werden sollte, so ist dies ebenfalls baurechtlich nicht relevant. Die Klägerin müsste die Kompensation ihr etwaig entstehender Schäden gegebenenfalls auf dem Zivilrechtsweg verfolgen.
V. Die Klagen waren daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese Sachanträge gestellt und sich dadurch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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