Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung erfolglos – Wohnhaus für hilfsbedürftige Personen

Aktenzeichen  M 1 K 18.4869

Datum:
15.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35302
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BauGB § 34
BauNVO § 15

 

Leitsatz

1. Eine Baugenehmigung ist hinsichtlich der Art der geplanten Nutzung ausreichend bestimmt, wenn aus der Baugenehmigung in Verbindung mit den Antragsunterlagen ersichtlich ist, dass das geplante Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden soll. (Rn. 27) (red. LS Alexander Tauchert)
2. Die tatsächlichen späteren Bewohner des Vorhabens müssen bei Erteilung einer Baugenehmigung nicht klar bestimmbar sein. Es reicht für die Bestimmtheit, wenn für den Nachbarn ersichtlich ist, dass es sich bei der geplanten Nutzung um eine Nutzung zu Wohnzwecken handelt. Eine weitergehende Differenzierung nach der Art der Bewohner kann und muss weder bei Wohnbauvorhaben für private natürliche Personen noch bei Wohnprojekten privater juristischer Personen als Vorhabensträger vorgenommen werden. (Rn. 29) (red. LS Alexander Tauchert)
3. Die Baugenehmigung ist hinsichtlich des geplanten Umfangs der Nutzung ausreichend bestimmt, wenn sich aus der Baugenehmigung in Verbindung mit den Antragsunterlagen sowohl ergibt, wie viele Bewohner das Vorhaben maximal beherbergen soll, als auch die Anzahl und Lage der Stellplätze. (Rn. 30) (red. LS Alexander Tauchert)
4. Vom Rücksichtnahmegebot sind nur solche Einwirkungen erfasst, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage typischerweise auftreten. Sie müssen bodenrechtlich relevant sein, um als städtebaulicher Gesichtspunkt bei der Prüfung des Nachbarschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO Beachtung zu finden. Störungen, die allein durch ein Fehlverhalten einzelner Bewohner bzw. Besucher in einem benachbarten Anwesen verursacht werden, können dagegen nur mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts beseitigt werden. (Rn. 40) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 2) und 3) als Gesamtschuldner haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu je 1/2 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Nachbarklagen haben keinen Erfolg. Sie sind zwar zulässig, aber unbegründet.
a) Die Klagen sind zulässig. Insbesondere wurden die Klagen der Kläger zu 2) und 3) am 1. Oktober 2018 fristgerecht erhoben. Die Baugenehmigung vom 21. August 2018 wurde den Klägern zu 2) und 3) am 31. August 2018 per Postzustellungsurkunde bekannt gegeben, Art. 43 Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VwZVG. Die Klagefrist begann daher gem. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 Alt. 1 BGB am 1. September 2018 zu laufen und würde eigentlich am 30. September 2018 enden, § 57 Abs. 2 i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB. Da es sich bei dem 30. September 2018 jedoch um einen Sonntag handelte, verlängerte sich die Frist für die Klageerhebung gem. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO, § 193 BGB auf den folgenden Werktag, hier auf Montag, den 1. Oktober 2018. Die am 1. Oktober 2018 eingereichte Klage ist damit noch fristgerecht erhoben worden.
b) Die Klagen sind jedoch unbegründet.
aa) Hinsichtlich der Kläger zu 2) und 3) ist zunächst festzuhalten, dass sie keine Klage gegen den der Beigeladenen am 8. Juni 2017 von der Beklagten erteilten Vorbescheid erhoben haben. Der Vorbescheid, der den Klägern zu 2) und 3) am 20. Juni 2017 zugestellt wurde, ist ihnen gegenüber daher zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung bereits bestandskräftig gewesen. Mit der Bestandskraft des Vorbescheids trat in Bezug auf die entschiedene Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit Bindungswirkung ein. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens steht gegenüber den Klägern zu 2) und 3) somit bereits fest. Folge der Bindungswirkung ist, dass ihre gegen die Baugenehmigung gerichteten Klagen zwar nicht unzulässig, wohl aber sachlich unbegründet sind, soweit sie sich auf Feststellungen stützen, die ihnen gegenüber bereits durch den Vorbescheid bestandskräftig geworden sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.1989 – 4 C 14.85 – juris Rn. 15; Decker in Simon/Busse, BayBO, 134. EL August 2019, Art. 71 Rn. 115). Die Einwendungen der Kläger zu 2) und 3) in Bezug auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit können deren Klagen daher nicht zum Erfolg verhelfen.
bb) Hinsichtlich der Klägerin 1) ist die Bindungswirkung des Vorbescheids nicht eingetreten, da sie den Bescheid fristgerecht angefochten hat. Da nur ein bestandskräftiger Vorbescheid Bindungswirkung entfaltet (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, 134. EL August 2019, Art. 71 Rn. 98), steht gegenüber der Klägerin zu 1) die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit noch nicht fest.
cc) Unabhängig davon, inwieweit der Vorbescheid Wirkungen in Bezug auf die einzelnen Kläger entfaltet, sind die Klagen deshalb unbegründet, weil die Baugenehmigung vom 21. August 2018 die Kläger nicht in drittschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ein Nachbar kann sich als Dritter gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 2.9.2013 – 14 ZB 13.1193 – juris Rn. 11). Eine solche Verletzung der Kläger in drittschützenden Normen liegt hier jedoch nicht vor.
(1) Die Baugenehmigung vom 21. August 2018 ist hinreichend bestimmt und verletzt die Kläger nicht ihren Nachbarrechten.
Nach Art. 37 BayVwVfG muss eine Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein (BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – juris Rn. 18; B.v. 16.4.2015 – 9 ZB 12.205 – juris Rn. 7). Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine hinreichende Bestimmtheit eines Bescheids gegeben ist, sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 37 Rn. 6, 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. Lechner in: Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2016, Art. 68 Rn. 472). Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt werden können und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig aus-geschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 9 ZB 12.205 – juris Rn. 7; B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 7). Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen konkretisiert wird (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34).
Die erteilte Baugenehmigung ist vorliegend sowohl hinsichtlich der Art als auch des Umfangs der geplanten Nutzung hinreichend bestimmt. Die Kläger können aufgrund der Baugenehmigung erkennen in welchem Umfang sie durch das Vorhaben betroffen ist.
(a) Die Baugenehmigung ist hinsichtlich der Art der geplanten Nutzung ausreichend bestimmt. Aus der Baugenehmigung in Verbindung mit den Antragsunterlagen ist ersichtlich, dass das geplante Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden soll.
Wohnen setzt begrifflich voraus, dass der Betroffene die Möglichkeit hat, auf eine gewisse Dauer sein häusliches Leben selbst bestimmt zu gestalten und zumindest in seinem engen räumlichen Umfeld Anwesenheit und Einwirkung fremder Personen auszuschalten (vgl. vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 135. EL September 2019, § 3 BauNVO Rn. 36 ff.; Nolte in Simon/Busse, BayBO, 134. EL August 2019, Art. 46 Rn. 3). Nach dem der Baugenehmigung zugrundeliegenden Eingabeplan ist die Nutzung so ausgestaltet, dass jedem Bewohner ein eigener Individualraum zur Verfügung steht und die übrigen auf dem jeweiligen Stockwerk befindlichen Räume (Küche, Bad, WC) als Gemeinschaftsräume genutzt werden. Weiter sieht die Vorhabensbeschreibung, die Bestandteil der Baugenehmigung wurde, vor, dass die Betreuer nur ambulant therapeutisch tätig werden. Eine Einbindung der Betreuer in die Lebensführung der Bewohner ist nicht vorgesehen; diese soll vielmehr eigenständig durch die Bewohner erfolgen. Eine selbst bestimmte Gestaltung des häuslichen Lebens ist daher zu bejahen. Mit den Individualräumen stehen den Betroffenen auch Zimmer zur Verfügung, die ihnen die Möglichkeit geben, fremde Personen vom Betreten abzuhalten. Die Anforderungen an den Wohnbegriff sind somit erfüllt.
Soweit die Kläger vortragen, dass für sie als Nachbarn nicht erkennbar sei, welche hilfsbedürftigen Personen später in das Wohngebäude einziehen werden, ist folgen-des auszuführen: Die tatsächlichen späteren Bewohner des Vorhabens müssen bei Erteilung einer Baugenehmigung nicht klar bestimmbar sein. Es reicht für die Bestimmtheit, wenn für den Nachbarn ersichtlich ist, dass es sich bei der geplanten Nutzung um eine Nutzung zu Wohnzwecken handelt. Eine weitergehende Differenzierung nach der Art der Bewohner kann und muss weder bei Wohnbauvorhaben für private natürliche Personen noch bei Wohnprojekten privater juristischer Personen als Vorhabensträger vorgenommen werden. Bestätigt wird dies etwa durch die Regelungen in den §§ 2 ff. BauNVO. In den dortigen Vorschriften erfolgt – sofern der Schwerpunkt der Nutzung im Wohnen liegt – keine weitergehende Unterscheidung mehr. Das Vorhaben wird vielmehr unabhängig von der Art der Bewohner stets als Wohngebäude qualifiziert. Eine etwaige zusätzliche Konkretisierung wäre zudem auch nicht praktikabel und mit erheblicher Rechtsunsicherheit für den Bauherrn verbunden. Häufig steht in der Praxis bei Einreichung des Antrags auf einen Vorbescheid oder eine Baugenehmigung der künftige Nutzer noch nicht fest. Würde man dies aber aus nachbarrechtlichen Gründen für erforderlich halten, sähe sich der Bauherr in einer solchen Situation stets der Gefahr einer Nachbarklage und damit einer erheblichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Im Übrigen wäre der Einwand der Kläger auch nicht mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Danach können Beschränkungen des Eigentumsrechts nur durch Gesetz erfolgen. Im Baurecht gibt es jedoch keine Vorschrift, die das Feststehen der künftigen Nutzer bei Antragseinreichung voraussetzt. Von daher ist es hier ausreichend, dass aus der Vorhabensbeschreibung die Nutzung zu Wohnzwecken ersichtlich geworden ist. In diesem Zusammenhang ist jedoch zusätzlich anzumerken, dass die Vorhabensbeschreibung durchaus detailliert zum Kreis der künftigen Bewohner der Einrichtung Stellung nimmt. In der Vorhabensbeschreibung werden etwa die Zielgruppen der Einrichtung genannt und zusätzlich für die jeweilige Zielgruppe aufgelistet, welcher Personenkreis dazu zählt (vgl. S. 78 f. d.A.). Auch insoweit geht das Argument der Kläger fehl.
(b) Die Baugenehmigung ist hinsichtlich des geplanten Umfangs der Nutzung ausreichend bestimmt. Aus der Baugenehmigung in Verbindung mit den Antragsunterlagen ergibt sich sowohl, wie viele Bewohner das Vorhaben maximal beherbergen soll, als auch die Anzahl und Lage der Stellplätze. Nach den Antragsunterlagen soll das künftige Gebäude maximal drei Wohneinheiten aufweisen und von höchstens acht Personen bewohnt werden. Vorgesehen sind für das Vorhaben zwei Stellplätze, die nach den Planunterlagen an der nordwestlichen Grundstücksgrenze zur Klägerin zu 1) hin liegen sollen. Die Kläger können daher zweifelsfrei feststellen, ob und in welchem Umfang sie durch das Vorhaben betroffen sind.
(2) Der Gebietserhaltungsanspruch der Kläger ist durch Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht verletzt. Bei dem Vorhaben der Beigeladenen handelt es sich um ein Wohngebäude, welches sowohl in einem faktischen reinen als auch in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet zulässig ist.
Der Gebietserhaltungsanspruch schützt einen Nachbarn in einem durch Bebauungsplan festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet unabhängig von tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigungen gegen eine von der jeweils zulässigen Nutzungsart abweichende gebietswidrige Nutzung (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 26.10.2009 – 9 CS 09.2104 – juris Rn. 4; B.v. 10.8.2016 – 9 ZB 16.944 – juris Rn. 11). Der Abwehranspruch gegen die Zulassung „gebietsfremder“ Vorhaben wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 4).
Aufgrund der im Rahmen des Augenscheins getroffenen Feststellungen zu den einzelnen Nutzungen in der näheren Umgebung tendiert das Gericht dazu, nicht von einem faktischen reinen Wohngebiet, sondern von einem faktischen allgemeinen Wohngebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO auszugehen. Denn neben weit überwiegender Wohnnutzung befinden sich in einzelnen Anwesen auch gewerbliche Nutzungen, nämlich ein …studio und eine Praxis für „… …“ in dem Anwesen der R.-S.-Straße … sowie ein …studio im Anwesen M.-R.-Straße … Zur näheren Umgebung zählt nach Ansicht der Kammer die an der Kreuzung zur I. Straße beginnende Bebauung an der R.-S.-Straße bis zu deren östlichen Ende so-wie die Bebauung an der K. Straße bis zur Kreuzung mit der H. Straße im Norden und die Bebauung an der M.-R.-Straße bis zum Wendehammer vor der FlNr. …/20. In diesem Umgriff ist das Vorhabensgrundstück aus Sicht der Kammer noch wahrnehmbar und es besteht eine wechselseitige Prägung mit der übrigen Bebauung.
Ob es sich vorliegend um ein faktisches reines oder faktisches allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 oder § 4 BauNVO handelt, kann letztlich offen bleiben. Denn selbst wenn man zugunsten der Klageparteien unterstellt, dass es sich um ein faktisches reines Wohngebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO handelt, ergibt sich kein Abwehranspruch der Kläger. Das Vorhaben des Beigeladenen ist auch in einem (faktischen) reinen Wohngebiet zulässig, da es sich um ein in einem solchen Gebiet stets zulässiges Wohngebäude i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO handelt.
Voraussetzung für ein Wohngebäude i.S.d. BauNVO ist, dass das Gebäude dem dauernden Wohnen dient. Ein Wohnen wird dabei angenommen, wenn eine selbst bestimmte Gestaltung des häuslichen Lebens durch die Bewohner erfolgt. Hierzu wird auf die Ausführungen in Rn. 28 dieser Entscheidung verwiesen. Wohnen im bauplanungsrechtlichen Sinn ist darüber hinaus auf gewisse Dauer angelegt. Dafür, ob das Wohnen auf gewisse Dauer angelegt ist, kommt es aber nicht darauf an, ob der Aufenthalt von längerer oder kürzerer, von unbestimmter oder befristeter Dauer ist. Auch eine von vornherein vorübergehende, nicht auf unbestimmte Zeit angelegte Wohnnutzung in objektiv zum Wohnen geeigneten und bestimmten Aufenthaltsräumen ist zulässig. Das Kriterium der Dauerhaftigkeit ist nicht schematisch anzuwenden, sondern dient der Abgrenzung des Wohnens von anderen Nutzungsformen, wie etwa dem Übernachten in Hotels (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 135. EL September 2019, § 3 BauNVO Rn. 36 ff.). Das streitgegenständliche Vorhaben erfüllt die Anforderungen an ein Wohngebäude i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Es handelt sich vorliegend um eine geplante dauernde Nutzung. Laut dem Nutzungskonzept, welches Bestandteil der Baugenehmigung wurde, ist ein mittel- bis langfristiges Wohnen in der Einrichtung geplant (vgl. S. 78 d.A.). Da der Schwerpunkt des Vorhabens nach den zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Antragsunterlagen im Wohnen und nicht in der Betreuung der Bewohner liegt, ergibt sich die Zulässigkeit des Vorhabens bereits direkt aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO und nicht erst i.V.m. § 3 Abs. 4 BauNVO.
(3) Die Kläger sind nicht in ihrem Gebietsprägungserhaltungsanspruch verletzt, da das Vorhaben einen für ein (faktisches) reines oder allgemeines Wohngebiet zulässigen Nutzungsumfang aufweist.
Soweit die Kläger vortragen, das Vorhaben widerspreche der Eigenart des Baugebiets, berufen sie sich offenbar auf den sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch (vgl. hierzu VG München, U.v. 17.5.2016 – M 1 K 16.629 – juris Rn. 30). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Diese dem Nachbarschutz dienende Vorschrift findet als eine die §§ 2 bis 14 BauNVO ergänzende Regelung zur Art der baulichen Nutzung kraft Verweisung in § 34 Abs. 2 BauGB im unbeplanten Innenbereich Anwendung (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.1991 – 4 B 40.91 – juris Rn. 4; B.v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 – juris Rn. 4 m.w.N.) und vermittelt neben der Wahrung des Rücksichtnahmegebots auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – juris Rn. 20).
Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte für einen Widerspruch des Vorhabens zur Eigenart des faktischen reinen oder allgemeinen Wohngebiets. Zwar ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO davon auszugehen, dass im Einzelfall Quantität in Qualität umschlagen kann, also die Größe einer baulichen Anlage oder der Umfang ihrer Nutzung die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – NVwZ 1995, 899 – juris Rn. 17). Das ist hier aber nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Der von dem Beigeladenen beantragte und genehmigte Nutzungsumfang des streitgegenständlichen Vorhabens führt nicht zu einer Veränderung des Gebietscharakters. Das Vorhaben lässt im genehmigten Umfang keine gebietsunverträglichen Störungen erwarten. Nach der Vorhabenbeschreibung soll das Vorhaben maximal der Unterkunft von acht Bewohnern dienen. Die Anzahl der Bewohner entspricht damit in etwa der eines Mehrfamilien- oder Doppelhauses. Da sich in der Nachbarschaft eine Reihe derartiger Anwesen mit den entsprechenden Nutzungsausmaßen befindet, knüpft das Vorhaben letztlich an deren Dimensionierung an. Der Nutzungsumfang des Vorhabens entspricht also in etwa der der übrigen Nachbarschaft. Es liegt somit bereits keine Überschreitung des Nutzungsumfangs vor und erst Recht liegt keine Überschreitung vor, die eine Veränderung des Gebietscharakters nach sich ziehen würde. Auch was die Zweckbestimmung des Vorhabens, nämlich das Zurverfügungstellen von Wohnraum für hilfsbedürftige Personen, angeht, ergibt sich kein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets. Unabhängig davon, ob sie hierfür eine Gegenleistung entrichten, wohnen auch hilfsbedürftige Personen, wenn sie – wie hier – die Voraussetzungen dafür erfüllen. Es handelt sich nicht um eine andere Zweckbestimmung des Vorhabens.
(4) Es liegt kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vor.
Das Rücksichtnahmegebot zielt darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Gegenläufige Nutzungsinteressen sollen in rücksichtsvoller Weise zugeordnet und unter Beachtung des jeweils widerstreitenden Interesses ausgeübt werden (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit dem Gebot der Rücksichtnahme ist auf der Grundlage einer nachvollziehenden Abwägung der im konkreten Fall widerstreiten-den Interessen zu entscheiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es also wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – juris Rn. 20; U.v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 – juris Rn. 22). Vom Rücksichtnahmegebot sind nur solche Einwirkungen erfasst, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage typischerweise auftreten. Sie müssen bodenrechtlich relevant sein, um als städtebaulicher Gesichtspunkt bei der Prüfung des Nachbarschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO Beachtung zu finden. Störungen, die allein durch ein Fehlverhalten einzelner Bewohner bzw. Besucher in einem benachbarten Anwesen verursacht werden, können dagegen nur mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts beseitigt werden. Entsprechendes gilt für sonstige Belästigungen durch soziale Konflikte (vgl. BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 40; HessVGH, B.v. 3.3.2016 – 4 B 403.16 – juris Rn. 34; SächsOVG, B.v. 19.7.2016 – 1 B 49.16 – juris Rn. 7).
Dies zugrundgelegt stellt sich das Vorhaben des Beigeladenen nicht als rücksichtslos dar und überschreitet nicht die Grenze der Zumutbarkeit.
Eine Rücksichtslosigkeit ergibt sich nicht aus dem durch das Vorhaben ausgelösten An- und Abfahrtsverkehr. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass die Stellplatzverpflichtung nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO, wonach bei der Errichtung baulicher Anlagen auch Stellplätze für Kraftfahrzeuge in der erforderlichen Anzahl herzustellen sind, nicht nachbarschützend ist (vgl. BayVGH, U.v. 21.4.2004 – 20 B 02.2396 – juris Rn. 25, B.v. 23.1.2008 – 15 ZB 06.3019 – juris Rn. 12; Würfel in Simon/Busse, BayBO, 134. EL August 2019, Art. 47 Rn. 242). Die Anforderungen an die Anzahl der notwendigen Stellplätze dienen vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39). Im Einzelfall kann der Mangel an Stellplätzen aber gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn ohne die erforderlichen Stellplätze Beeinträchtigungen entstehen, die für den Nachbar bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39; VGH BW, B.v. 10.1.2008 – 3 S 2773.07 – juris Rn. 13; VG München, U.v. 1.12.2015 – M 1 K 15.4038 – juris Rn. 26). Dass bei dem Vorhaben diese Folgen zu erwarten wären, ist hier jedoch nicht anzunehmen. Der Beigeladene hat bereits in den eingereichten Antragsunterlagen zum Vorbescheid (Az. M 1 K 17. 3031) substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, warum im konkreten Fall ein Bedarf in Höhe von zwei Stellplätzen ausreichend und angemessen ist. In der Vorhabenbeschreibung zum Vorbescheid hat der Beigeladene den Stellplatzbedarf damit begründet, dass das Vorhaben in der Regel sozialbedürftige Personen aufnehmen soll und die künftigen Bewohner aufgrund ihrer schlechten finanziellen Lage typischerweise über keinen eigenen Pkw verfügen werden. Weiter wird dargelegt, dass von den derzeit von dem Beigeladenen betreuten psychisch kranken Klienten, sowie den übrigen, andere ambulante Hilfsangebote wahrnehmende Klienten keiner ein Auto besäße (vgl. S. 14 d.A. im Verfahren M 1 K 17.3031). Dass der Beigeladene unter Zugrundelegung dieser Aspekte von keinem Stellplatzbedarf für die Bewohner ausgeht, ist nicht zu beanstanden. Selbst wenn in Ausnahmefällen weiterer Stellplatzbedarf bestünde, würde sich dieser bei insgesamt acht Bewohnern des Anwesens in jedem Fall in einem zumutbaren Rahmen halten.
Auch im Hinblick auf Lärm- und Abgasimmissionen sind von dem Vorhaben keine unzumutbaren Einwirkungen auf die Kläger zu erwarten. Von einem ständigen An- und Abfahrtsverkehr durch Bewohner, Mitarbeiter, Therapeuten, Lieferanten und Besucher ist nicht auszugehen. Es ist vielmehr zu erwarten, dass der An- und Abfahrtsverkehr ein durchschnittliches Ausmaß aufweist und der Großteil des Verkehrsaufkommens durch die Betreuer ausgelöst wird. Der im Einrichtungskonzept vorgesehene Betreuungsschlüssel von 1:6 bis 1:12 zeigt außerdem, dass auch in Bezug auf die Betreuer von keinem durch sie verursachten erhöhten Verkehrsaufkommen auszugehen ist (vgl. S. 81 f. d.A.). Eine unzumutbare und rücksichtlose Beeinträchtigung der Kläger kann die Kammer deshalb nicht erkennen.
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ist auch sonst nicht ersichtlich. Den Klägern steht insbesondere kein Anspruch auf Bewahrung der sozialen Zusammensetzung des Wohnumfeldes zu (Milieuschutz). Das Bauplanungsrecht gewährt keinen „Milieuschutz“ (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – juris Rn. 72; BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – juris Rn. 20; HessVGH, B.v. 29.11.1989 – 4 TG 3185.89 – juris Rn. 15). Wie bereits oben dargestellt können nur bodenrechtlich relevante Einwirkungen als städtebaulicher Gesichtspunkt bei der Prüfung des Nachbarschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO Beachtung finden. Der „Milieuschutz“ ist jedoch kein berücksichtigungsfähiger bodenbezogener Belang.
Soweit die Klägerin zu 1) meint, durch die Bewohner des streitigen Anwesens trete eine Gefährdung für Leib und Leben von Anwohnern ein, ist das kein Gesichtspunkt, der im Rahmen des Bauplanungsrechts Berücksichtigung finden könnte. Hierbei handelt es sich vielmehr um einen Aspekt, der das Sicherheits- und Polizeirecht betrifft. Im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots ist hierfür kein Raum. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass in dem Vorhaben des Beigeladenen Personen aufgenommen werden sollen, die zu einer Gefahr für Leib und Leben von Anwohnern führen können. Die in der Vorhabenbeschreibung aufgezählten Personengruppen zeigen vielmehr, dass gewaltbereite oder sonst für die Nachbarschaft gefährliche Personen gerade nicht aufgenommen werden sollen.
(5) Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass sich das Vorhaben mit der Höherentwicklung von E + 1 + D nicht in die nähere Umgebung einfüge.
Die Frage der Gebäudehöhe, die zum Maß der baulichen Nutzung zählt, hat schon keine drittschützende Funktion. Nach den im Rahmen des Augenscheins getroffenen Feststellungen weisen zudem zahlreiche Gebäude in der näheren Umgebung ebenfalls eine Höhenentwicklung von E + 1 + D auf, wobei die Erdgeschosse wegen der Hochwasserlage der … oft noch zusätzlich mit einem Hochparterre ausgestaltet sind. Sogar das unmittelbar angrenzende Anwesen der Klägerin zu 1) weist eine Höhenentwicklung von E + 1 + D mit Hochparterre auf. Von daher fügt sich das Vorhaben bezüglich der Höhe in die nähere Umgebung ein.
(6) Die Kläger können sich nicht auf den Verstoß des Vorhabens gegen eine faktische rückwärtige Baugrenze berufen.
Entgegen der Ansicht der Kläger fehlt es bereits an einer faktischen rückwärtigen Baugrenze, gegen die der Beigeladene mit seinem Vorhaben verstoßen haben könnte. Für die Annahme einer faktischen Baugrenze braucht es wegen der einschränkenden Wirkung auf das Grundeigentum hinreichende Anhaltspunkte für eine städtebaulich verfestigte Situation. Die tatsächliche vorhandene Bebauung darf sich nicht als bloßes „Zufallsprodukt“ ohne eigenen städtebaulichen Aussagewert darstellen. Bei einer höchst unterschiedlichen Bebauung ohne gemeinsame vordere oder hintere Gebäudeflucht kann nicht von einer faktischen vorderen bzw. hinteren Baugrenze gesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 12; B.v. 9.9.2013 – 2 ZB 12.1544 – juris Rn. 8). Nach den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten kann hier nicht von einer faktischen rückwärtigen Baugrenze ausgegangen werden. Es fehlt sowohl westlich als auch östlich des Vorhabens an einer gemeinsamen hinteren Gebäudeflucht. Auf der westlichen Seite sind die Wohngebäude auf den Grundstücken FlNrn. …/3 und …/5, auf der östlichen Seite die Wohngebäude auf den Grundstücken FlNrn. …/8 und …/12 nach hinten abgerückt bzw. zum Teil sogar komplett im hinteren Grundstücksteil gelegen. Eine durchgehende Grünfläche im hinteren Teil der Grundstücke, wie sie für eine faktische hintere Baugrenze erforderlich wäre, ist daher vorliegend nicht gegeben.
Eine etwaige rückwärtige Baugrenze wäre hier zudem nicht drittschützend. Rückwärtige Baugrenzen sind nur ausnahmsweise nachbarschützend, zum Beispiel, wenn sie das Planungsziel verfolgen, den Bewohnern einen optimalen Licht- oder Sonneneinfall zu sichern oder wenn sie der Freihaltung einer durchgehenden Grünfläche zwischen Häuserreihen und damit der Auflockerung der Bebauung und der Wohndichte dienen (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 134. EL August 2019, Art. 66 Rn. 372). Dass die Beklagte hier derartige Planungsziele oder Überlegungen verfolgen würde, ist jedoch weder ersichtlich noch wurde von den Beteiligten dazu etwas vorgetragen. Die einzelnen Bauräume weisen kein erkennbares System in Bezug auf die Freihaltung von Durchblicken auf.
(7) Soweit die Kläger einwenden, das Vorhaben wäre das einzige Gebäude südlich der R.-S.-Straße, das um 90 Grad gedreht wäre und eine Firstrichtung von Norden nach Süden aufweisen würde, können sie daraus keine Verletzung ihrer Nachbarrechte herleiten. Denn die Firstrichtung ist nicht nachbarschützend (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.1991 – 2 CS 91.1620; B.v. 16.10.1995 – 15 CS 95.3105).
(8) Das Vorhaben verletzt die Kläger auch im Übrigen nicht in einem drittschützenden Recht aus § 34 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BauGB. Die Vorschrift dient vor allem der Abwehr städtebaulicher Missstände; nicht jedoch dazu eine nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bereits zulässige Bebauung im Interesse der Nachbarschaft weiter optimieren zu müssen, wenn – wie hier – die Anforderungen des Rücksichtnahmegebots gewahrt sind (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 34 Rn. 39). Im Übrigen wäre einer etwaigen Verschattung der Nachbargrundstücke über die drittschützende Vorschrift aus Art. 6 BayBO ausreichend Rechnung getragen. Diesbezüglich wurde jedoch von den Klägern weder etwas vorgetragen noch ist eine Verletzung der Abstandsflächen hier ersichtlich. Soweit die Bewohnerstruktur des streitigen Vorhabens gemeint sein soll, kann dies auch im Rahmen der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht ins Feld geführt werden, weil auch im Rahmen von § 34 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BauGB das Verhalten der Nutzer einer baulichen Anlage und der „Milieuschutz“ nicht maßgeblich sind. Auch diese Einwendung verhilft den Klagen daher nicht zum Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Mit der Stellung eines Antrags hat sich der Beigeladene dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Es entspricht daher billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten vom Kläger erstattet erhält, § 162 Abs. 3 VwGO.
3. Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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