Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für die Errichtung eines Rinderstalles

Aktenzeichen  15 CS 19.2048

Datum:
4.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32448
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 88, § 146
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, § 212a Abs. 1
BImSchG § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Soweit ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen, zurückgegriffen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein gesetzgeberischer Wille, dass dem Vollzugsinteresse gegenüber den Interessen Dritter generell der Vorrang einzuräumen ist, lässt sich § 212a BauGB nicht entnehmen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Wohnen im Außenbereich ist mit einem immissionsschutzrechtlichen  geringeren Schutzanspruch verbunden; unter Prüfung der speziellen Randbedingungen kann dies unter Berücksichtigung einer gebotenen Zwischenwertbildung zu einer einzelfallbezogenen Zumutbarkeitsgrenze für hinzunehmende Geruchsimmissionen führen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 S 19.1557 2019-09-27 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die rechtsmittelführende Antragstellerin zu 1 (im Folgenden: Antragstellerin) wendet sich als Nachbarin gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Rinderstalles.
Mit Bescheid vom 20. März 2019 erteilte das Landratsamt C. dem Beigeladenen eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Neubau eines Milchvieh-Laufstalles mit Laufhof und geschlossener Güllegrube“ auf dem Baugrundstück (FlNr. … der Gemarkung G.), das südlich an das mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück der Antragstellerin (FlNr. …) angrenzt. Im Baugenehmigungsverfahren hatte sich der Umweltingenieur des Landratsamts (Sachgebiet Technischer Umweltschutz) dahingehend geäußert, dass aufgrund der Lage des Vorhabens in einem Dorfgebiet und der Entfernung des nächstgelegene Wohngebäudes vom geplanten Stallgebäude (ca. 35 m) sowie vom Rand der geschlossenen Güllegrube (ca. 70 m) erhebliche Belästigungen und somit schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu erwarten seien.
Am 23. April 2019 erhoben die Antragteller beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage mit dem Antrag, den Baugenehmigungsbescheid vom 20. März 2019 aufzuheben. Im Klageverfahren, das vom Verwaltungsgericht bislang nicht entschieden wurde, legte der Antragsgegner eine immissionsschutzrechtliche weitere Stellungnahme des Umweltingenieurs des Landratsamts (Sachgebiet Technischer Umweltschutz) vom 9. August 2019 vor. Hiernach könne der Immissionsbeitrag des bestehenden Rinderstalls des Beigeladenen (33 Milchkühe + 28 Nachzuchtrinder = 53,6 Großvieheinheiten = GV) aus fachtechnischer Sicht als vernachlässigbar eingestuft werden. Das Wohnhaus der Antragstellerin liege mehr als 90 m entfernt und somit nach den Abstandsregelungen des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ im unkritischen Bereich. Der bestehende Rinderstall müsse aufgrund der Entfernung nicht als erhebliche Vorbelastung berücksichtigt werden. Für das neue (immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige) Bauvorhaben wäre im Übrigen eine genaue Ermittlung der Vorbelastung nicht verhältnismäßig. Unter Zugrundelegung sowohl der Abstandsregelungen für Rinderhaltungen der Arbeitspapiere des Bayer. Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ als auch des vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten herausgegebenen „Gelben Hefts 52“ („Geruchsemissionen aus Rinderställen“) als Orientierungshilfen seien am Wohnhaus der Antragstellerin aufgrund des Neubauvorhabens mit einer Aufnahmekapazität von 45 Milchkühen (54 GV) keine unzumutbaren Belästigungen und somit keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu befürchten. Im Übrigen zeichneten sich Rinderhaltungsbetriebe im Allgemeinen durch geringe Geruchsschwellenentfernungen aus. Nach dem „Gelbes Heft 52“ lägen die Schwellenentfernung für schwach wahrnehmbaren Stallgeruch unabhängig von der Bestandsgröße bis zu einer Größenordnung von 400 GV bei konventionellen Ställen und bis zu 240 GV bei Rinderoffenställen in einer Größenordnung von 30 m. Vorliegend betrage der Abstand zwischen streitgegenständlichem Rinderstall und bestehendem Wohnhaus der Antragstellerin im Außenbereich hingegen mehr als 35 m. Aufgrund der Entfernung von 70 m zwischen der geplanten (neuen) geschlossenen Güllegrube und dem Wohnhaus der Antragstellerin sei ebenfalls kein immissionsschutzfachlicher Konflikt zu erwarten. Auch seien keine unzumutbaren Lärmbelästigungen ersichtlich.
Unter dem 10. September 2019 gab der Beigeladene gegenüber dem Landratsamt eine schriftliche, von ihm unterschriebene Erklärung ab, wonach maximal „60,95 GV im neuen Milchvieh-Laufstall gehalten“ werden, und zwar wie folgt: „45 Kühe und Rinder über 2 Jahre (45 Liegeplätze) entspricht 54 GV“, „5 Kühe und Rinder über 2 Jahre (im Bereich Abkalbebucht) entspricht 6 GV“ sowie „5 Kälber zur Zucht bis 6 Monate (im Bereich der Abkalbebucht) entspricht 0,95 GV“. Hierzu gab der Umweltschutzingenieur des Landratsamts an demselben Tag eine weitere Stellungnahme ab, wonach sich bei Zugrundelegung von 60,95 GV nach der Abstandsregelung für Rinderhaltungen des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ ein Abstand von 32 m ergebe, der zwischen einem Stall der geplanten Art und einem Wohnhaus im einem Dorfgebiet bzw. im Außenbereich mindestens einzuhalten sei, um das Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen durch Gerüche auszuschließen. Im vorliegenden Fall werde dieser Abstand eingehalten.
Unter dem 10. September 2019 erließ das Landratsamt einen Änderungsbescheid, mit dem Ziffer V. der Nebenbestimmungen der Baugenehmigung vom 20. März 2019 um eine neue Nr. 13 ergänzt wurde. Hierin wird nunmehr bestimmt, dass die vorgelegte Erklärung des Beigeladenen vom 10. September 2019 Bestandteil der Baugenehmigung ist und dass die dort angegebenen Zahlen zum Tierbestand beim Betrieb des Vorhabens nicht überschritten werden dürfen.
Mit Beschluss vom 27. September 2019 hat das Verwaltungsgericht Regenburg den von den Antragstellern gestellten (bzw. dahin ausgelegten) Antrag, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 20. März 2019 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2019 anzuordnen, abgelehnt. Dem Antragsteller zu 2 (Ehemann der Antragstellerin) fehle die Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO, weil er weder (Mit-) Eigentümer des benachbarten Wohngrundstücks noch Inhaber einer eigentumsähnlichen dinglichen Rechtsposition an diesem sei. Der zulässige Eilantrag der Antragstellerin (zu 1) sei wegen voraussichtlicher Erfolglosigkeit ihrer Anfechtungsklage unbegründet. Die angefochtene Baugenehmigung verstoße nicht gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Es sei unter Heranziehung der Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München / Weihenstephan im „Gelben Heft 52“ sowie der „Abstandsregelungen für Rinderhaltungen“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ als Orientierungshilfen keine unzumutbare Geruchsbelastung zu prognostizieren. Nach Auswertung der Luftaufnahmen aus dem BayernAtlas situiere die Wohnbebauung der Antragstellerin im bauplanungsrechtlichen Außenbereich. Die in der Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs vom 10. September 2019 getroffene Einschätzung zur Geruchsbelastung unter Zugrundelegung eines maximal genehmigten Tierbesatzes mit 60,95 GV sei plausibel. Der tatsächliche Abstand des Wohnhauses der Antragstellerin zum genehmigten Milchvieh-Laufstall betrage ausweislich der gestempelten Bauvorlagen 35 m, während nach den „Abstandsregelungen für Rinderhaltungen“ bei einem Stall mit der vorliegenden Kapazität schon ab einem Abstandswert von 32 m keine schädlichen Umwelteinwirkungen mehr zu erwarten seien. Es bestünden keine Bedenken, die Schutzwürdigkeit des Wohnhauses der Antragstellerin im Schutzniveau eines Dorfgebiets einzustufen. Im Außenbereich seien Wohnhäuser im Hinblick auf Gerüche sogar eher weniger schutzwürdig, weshalb sogar tendenziell geringere Abstände ausreichend sein könnten. Da der bisherige Stall auf dem Baugrundstück mit einem Tierbesatz von 53,6, GV im Abstand von ca. 90 m liege, handele es sich gem. Nr. 1. a) auf Seite 7 des Kap. 3.3.2 „Abstandsregelungen in der Landwirtschaft“ um eine zu vernachlässigende Vorbelastung, sodass auf eine weitere Prüfung verzichtet werden könne. Die vom Umweltschutzingenieur des Landratsamts getroffenen Annahmen würden auch gestützt durch das „Gelbe Heft 52“. Danach stelle Rinderhaltung grundsätzlich eine emissionsarme Tierhaltung dar, bei der die Geruchsschwellenentfernungen bei einem Bestand von bis zu 400 GV bei konventionellen Ställen und bis zu 240 GV bei Rinderoffenställen praktisch von der Bestandsgröße unabhängig seien. Die Schwellenentfernung für schwach wahrnehmbaren Stallgeruch in einem Dorfgebiet liege diesbezüglich bei etwa 30 m, zumal sich vorliegend der Auslauf des Stalls an der vom Grundstück der Antragstellerin abgewandten südwestlichen Seite befinde. Auch danach sei bei einem Abstand des geplanten Stalls zum Wohnhaus der Antragstellerin von ca. 35 m die Geruchssituation als unkritisch anzusehen. Dies gelte auch hinsichtlich der geschlossenen Güllegrube. Nach den Untersuchungsergebnissen des „Gelben Hefts 52“ liege die durchschnittliche Geruchsschwellenentfernung für die Klassifizierung „Güllegeruch schwach“ bei unter 10 m Entfernung. Bei einer Güllekapazität von ca. 409 m³ sei im Abstand von 70 m kein Güllegeruch wahrnehmbar. Die antragstellerseits erhobenen Einwendungen zur Bedenklichkeit der Geruchsbelastung am Maßstab der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) seien zu pauschal und zu unkonkret, um im summarischen Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO Zweifel an der Zumutbarkeit der Geruchsbelastung zu begründen. Zudem seien gem. Nr. 1 der Zusammenstellung des länderübergreifenden GIRL-Expertengremiums (mit Anwendungshinweisen Bayern) zu „Zweifelsfragen zur Geruchsimmissionsrichtlinie“ (Stand 09/2015) die Bewertungsmaßstäbe der Arbeitspapiere des Bayer. Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ in der Regel ausreichend, um eine Aussage zu schädlichen Umwelteinwirkungen durch erhebliche Geruchsbelästigungen zu treffen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt (ausschließlich) die Antragstellerin (zu 1) ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Sie trägt unter Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme „Immissionssituation um eine genehmigte Anlage zum Halten von Rindern am Standort G.“ des Dipl.-Ing. (FH) für Wald und Forstwirtschaft H. vom 14. Oktober 2019 vor, aufgrund der örtlichen Vorbelastung und der vorherrschenden Windrichtung sei ein Abstand von 35 m zwischen ihrem Wohnhaus und dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht sicher ausreichend, um unzumutbare Beeinträchtigungen auszuschließen. Nach der Stellungnahme des Sachverständigen H. führe das Vorhaben unter Beachtung der Windsituation und der konkreten Topografie zu einer erheblichen Zusatzbelastung. Jedenfalls zusammen mit weiter westlich und nördlich gelegenen zulässigen Tierhaltungsbetrieben, deren Nutzung zwar teilweise nicht mehr aktiv, rechtlich aber nicht erloschen sei, sei bei gebotener „worst-case“-Betrachtung eine Geruchsstundenhäufigkeit von 25,7% am Wohnhaus zu prognostizierenden, was selbst für eine Außenbereichslage unzumutbar sei. Nachdem sachverständig dargelegt worden sei, dass selbst das hohe, für etwaige Außenbereichslagen geltende 25%-Kriterium nicht sicher eingehalten werden könne, sei es nunmehr Sache des Antragsgegners, die Unbedenklichkeit der Genehmigung durch eine ausdifferenzierte Ausbreitungsberechnung plausibel darzulegen. Dies sei bislang nicht geschehen.
In der von der Antragstellerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme vom 14. Oktober 2019 heißt es, der Gutachter habe vorhandene Wetterdaten der Firma … GbR für den weniger als 3 km entfernten Nachbarort O. zugrunde gelegt, weil der Vorhabenstandort hinsichtlich der Orographie der von O. vergleichbar sei. Laut der Stärkewindrose für O. sei mit etwa 45% südlicher Winde zu rechnen. Laut den Vorgaben für Bayern sei die Rinderhaltung mit dem Gewichtungsfaktor 0,40 des Bewertungsschemas der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zu multiplizieren, was folgende Rechnung eröffne: 45% x 0,40 = 18%. Hiernach sei unter Vernachlässigung von Windstille und umlaufenden Winden mit 18% relativer Geruchsstundenhäufigkeit nach der GIRL als vorhabenbezogene Zusatzbelastung zu rechnen. Auf dem Luftbild vom P. zeigten sich weitere Stallungen, aufgrund derer Vorbelastungen anzusetzen seien. Während sich die Emissionsfahnen südlich gelegener Anlagen bzw. Anlagenteile mit der Fahne des Vorhabens überlagerten und deshalb nicht zu einer Erhöhung der Geruchsbelastung für die Antragstellerin führten, sei das für Tierhaltungen im Westen und Norden nicht anzunehmen. Unter der Prämisse, dass bei entsprechender Windrichtung auch immer Gerüche am Wohnhaus der Antragstellerin wahrzunehmen seien, ergäben sich nach den zugrunde gelegten Wetterdaten eine aufzuaddierende Vorbelastung aufgrund Westwind von 3,2% (8% x 0,40 für Ziegen und Schweine) sowie aufgrund Nordwind von 4,5% (6% x 0,75 für Schweine), sodass sich insgesamt eine Geruchsbelastung von 25,7% ergebe (18% + 3,2% + 4,5%). Hinzu komme noch ein unbekannter Anteil bei Windstille und umlaufenden Winden. Es bestehe daher die konkrete Gefahr, dass am Wohnhaus der Antragstellerin der Immissionsgrenzwert der GIRL für den Ausnahmefall des Außenbereichs von 0,25 (25%) nicht eingehalten werden könne. Eine genauere Aussage sei nur auf Basis einer ausdifferenzierten Ausbreitungsberechnung möglich.
Die Antragstellerin hat mit ihren Schriftsätzen vom 8. Oktober 2019 und vom 14. Oktober 2014 zunächst wörtlich beantragt,
„die rechtswidrige Bautätigkeit, wenigstens durch sog. Hängebeschluss, zunächst nicht weiter fortsetzen zu lassen“ bzw. „dass jedenfalls bis zur Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Klage zumindest ein Hängebeschluss erlassen wird“.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, die von der Antragstellerin vorgelegte sachverständige Stellungnahme könne die zutreffende Einschätzung des Erstgerichts nicht erschüttern. Die Eignung der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Orientierungshilfen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geruchsbelastung durch Tierhaltungsbetriebe der hier einschlägigen Größe sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs anerkannt. In einem beim Zweiten Senat des Verwaltungsgerichtshofs derzeit anhängigen Verfahren habe das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) in einer Stellungnahme vom 11. Januar 2019 (vgl. Bl. 59 f. der VGH-Akte) ein Gutachten desselben Sachverständigen geprüft und hierbei u.a. festgestellt, dass bezüglich der verwendeten Wetterdaten keine Übertragbarkeitsprüfung gemäß der VDI-Richtlinie 3783 Blatt 20 durchgeführt worden sei. Gleiches gelte für die hier vorgelegte Stellungnahme, die auf übernommenen Wetterdaten eines 3 km entfernten Standorts beruhe. Die Antragstellerin könne die Zumutbarkeit der Geruchsbelastung auch nicht mit den von ihrem Gutachter in Ansatz gebrachten Geruchsvorbelastungen erfolgreich in Zweifel ziehen [(vgl. hierzu im Einzelnen unten II. 2. b) ee) ]. Im Übrigen verweist der Antragsgegner auf eine im Beschwerdeverfahren vorgelegte weitere Stellungnahme des Umweltingenieurs des Landratsamts vom 30. Oktober 2019, in der nochmals aufgeführt wird, warum bei den hier vorliegenden Abständen das Vorhaben hinsichtlich der Geruchsbelastung zumutbar sei und warum für das konkrete Bauvorhaben auch keine Einzelfallprüfung als erforderlich angesehen werde.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Beschwerde zurückzuweisen
und bezieht sich zur Begründung ebenfalls auf die jüngste Stellungnahme des Umweltingenieurs vom 30. Oktober 2019. Die erforderlichen Abstände seien eingehalten. Eine konkrete Beeinträchtigung aufgrund einer Geruchsbelastung sei nicht zu erwarten. Zudem enthalte die von der Antragstellerin vorgelegte gutachterliche Stellungnahme keine abschließende Darstellung; eine ausdifferenzierte Ausbreitungsberechnung sei gerade nicht vorgelegt worden. Die Ausführungen des Gutachters seien pauschal und nicht ausreichend, um eine negative Beeinträchtigung festzustellen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zwar zulässig (vgl. im Folgenden 1.), hat aber in der Sache keinen Erfolg (s.u. 2.).
1. Ein hinreichend bestimmter, innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingegangener Beschwerdeantrag liegt vor, § 146 Abs. 4 Satz 1, Satz 3 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 21). Schon aus der Beschwerdebegründung vom 14. Oktober 2019 dürfte hinreichend hervorgehen, dass die Antragstellerin die erstinstanzliche Eilentscheidung in der Sache angreift, weil dort zu Unrecht von der Zumutbarkeit der Geruchsbelastung ausgegangen worden sei. Jedenfalls hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO im Schriftsatz vom 4. November 2019 klargestellt, dass mit der Beschwerde inhaltlich das Ziel aus der ersten Instanz weiterverfolgt werde; der Verwaltungsgerichtshof solle der Beschwerde unter entsprechender Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses stattgeben. Der Senat geht daher gem. § 122 Abs. 1 i.V. mit § 88 VwGO davon aus, dass die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde in der Sache beim Verwaltungsgerichtshof beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2019 die aufschiebende Wirkung ihrer anhängigen Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 20. März 2019 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2019 anzuordnen.
2. Die so zu verstehende Beschwerde ist unbegründet. Die von der Antragstellerin zu 1 dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
a) Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Nachbarn – wie hier die Antragstellerin – können sich als Dritte auch im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit auch auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt ist. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
b) Entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat die Erfolgsaussichten der anhängigen Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung nach Aktenlage als offen an. Bei der mithin vorzunehmenden allgemeinen Interessenabwägung müssen vorliegend die Interessen der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem Vollzugsinteresse des Beigeladenen hintanstehen. Dies führt ebenfalls zur Unbegründetheit des Eilantrags, sodass die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Ergebnis richtig ist.
aa) Nach der im (Beschwerde-) Eilverfahren gem. § 146 i.V. mit § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint es zwar grundsätzlich noch möglich, dass die Baugenehmigung vom 20. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 10. September 2019 rechtswidrig ist und Rechte der Antragstellerin als Nachbarin verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies erscheint aber trotz des Umstands, dass nach Aktenlage der Sachverhalt nicht völlig aufgeklärt ist, als eher unwahrscheinlich. Entscheidend für den Ausgang des Hauptsacheverfahrens (also für den Erfolg oder Misserfolg der von der Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Regensburg erhobenen Klage mit dem Ziel der Aufhebung der Genehmigungsbescheide) ist, ob die Nutzung des geplanten Stallgebäudes gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt, das vorliegend bei Zugrundelegung einer vom Verwaltungsgericht angenommenen (und von der Antragstellerin nicht substantiiert infrage gestellten) Außenbereichslage über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB Anwendung findet. Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290 = juris Rn. 21 m.w.N.). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 26; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.1890 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 5.4.2019 – 15 ZB 18.1525 – BeckRS 2019, 7160 Rn. 9). Soweit – wie vorliegend – ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 = juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 11; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.1890 – juris Rn. 11; B.v. 16.7.2019 – 15 ZB 17.2529 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 27.11.2019 – 15 CS 19.1906 – noch unveröffentlicht).
bb) Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche gibt es keine allgemein gültigen Regelungen ähnlich der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Im Rahmen seiner tatrichterlichen Bewertung kann das Gericht jedoch auf diverse Regelwerke als Orientierungshilfe zurückgreifen, die in der landwirtschaftlichen Praxis entwickelt wurden (hierzu und zum Folgenden vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 2 B 16.231 – juris Rn. 27 m.w.N.; B.v. 18.1.2019 – 15 CS 18.2235 – juris Rn. 9): So bilden nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München/Weihenstephan „Geruchsimmissionen aus Rinderställen“ vom März 1994 („Gelbes Heft 52“) und „Geruchsfahnenbegehung an Rinderställen“ vom Juni 1999 („Gelbes Heft 63“) brauchbare Orientierungshilfen, um die Schädlichkeit von Geruchsimmissionen gegenüber Wohnbebauung ermitteln zu können. Gleiches gilt für die „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ (Kap. 3.3.2 – Stand 03/2016) der Arbeitspapiere des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ (aktueller Stand der Fortschreibung: 9.3.2017; vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 18.4.2011 – 15 ZB 09.1763 – juris Rn. 13; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 14). Als drittes Regelwerk zur Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche sind die Regelungen der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29. Februar 2008 mit einer Ergänzung vom 10. September 2008, auch wenn diese in Bayern nicht als Verwaltungsvorschrift eingeführt worden sind, in der Rechtsprechung als zulässige Orientierungshilfe bzw. als antizipiertes Sachverständigengutachten für den Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung anerkannt (zu Letzterem vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 = juris Rn. 13; B.v. 9.8.2018 – 15 CS 18.1285 – juris Rn. 24; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.1890 – juris Rn. 12). Die GIRL, deren Immissionswerte mithin keine strikt einzuhaltenden, rechtssatzmäßig anzuwendenden Grenzwerte darstellen (Nr. 3.1 Abs. 5 i.V. mit Nr. 5 der GIRL; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 3.7.2019 – OVG 11 S 21.19 – juris Rn. 18 f.; OVG NRW, U.v. 21.9.2018 – 2 A 669/17 – BauR 2019, 473 = juris Rn. 77 ff.), sieht dabei zur Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchseinwirkung – differenziert nach Nutzungsgebieten und nach Gewichtungsfaktoren für verschiedene Tierarten – unterschiedliche Immissionswerte in relativen Häufigkeiten der Jahresgeruchsstunden (Nr. 3.1, Tabelle 1) für die höchstzulässige Geruchsimmission vor. Beurteilungen auf der Basis der GIRL vermitteln eine konservative Prognosesicherheit („worst-case-Szenario“, vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2018 a.a.O. und B.v. 21.8.2018 a.a.O. jeweils m.w.N.).
cc) Mit Erlass des Änderungsbescheids vom 10. September 2019, mit dem die nachträgliche Betriebsbeschreibung des Beigeladenen über die Haltung eines maximalen Tierbestands zum Gegenstand der Baugenehmigung erklärt wurde, erfolgte eine korrigierende Behebung der bis dahin auch in nachbarrechtlicher Hinsicht nicht unbedenklichen Unbestimmtheit des Ausgangsbescheids vom 20. März 2019 (vgl. BayVGH, B.v 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – NVwZ 2019, 1136 = juris Rn. 29 m.w.N.; speziell bei nicht hinreichend bestimmtem Tierbestand vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2016 – 15 B 16.1001 – juris Rn. 4 f.). Durch die nunmehr feststehende Maximalbesetzung des Stallgebäudes sind die Eingangsparameter für die Beurteilung der vorhabenbedingten Geruchsbelastung nunmehr hinreichend definiert. Hierauf aufbauend gehen der Antragsgegner und der Beigeladene zu Recht von anzusetzenden 60,95 Großvieheinheiten (GV) nach Maßgabe des Umrechnungsschlüssels in Kap. 2.2.1 (Stand 08/2013) der Arbeitspapiere des Bayer. Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ aus [(45 x 1,2 GV) + (5 x 1,2 GV) + (5 x 0,19 GV)]. Bei Heranziehung der Abstandsregelung für Rinderhaltungen gem. Kap. 3.3.2 dieses Arbeitspapiers liegt der tatsächliche Abstand von 35 m zwischen dem streitgegenständlichen Stallgebäude des Beigeladenen mit 60,95 GV und dem Wohnhaus der Antragstellerin im grün markierten Bereich der Tabelle „Bild 4: Abstand von Rinderhaltungsbetrieben zu Wohnhäusern im Dorfgebiet“. Es ist mithin ein Abstand gegeben, bei dem grundsätzlich keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten sind (vgl. roter Bereich des Abstandsmodells der Bilder 3 und 4 der Abstandsregelung) und bei dem auch grundsätzlich auf eine Einzelfallprüfung etwa durch Ausbreitungsberechnung (vgl. grauer Bereich des Abstandsmodells) verzichtet werden kann. Das Ergebnis wird – wie das Verwaltungsgericht korrekt ausgeführt hat – aufgrund eines Abstandes des Wohnhauses der Antragstellerin zum streitgegenständlichen Stall von mehr als 30 m durch das vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten herausgegebene „Gelbe Heft 52“ („Geruchsemissionen aus Rinderställen“, März 1994) gestützt (zu den zusammenfassenden Ergebnissen vgl. dort Seiten 47 ff.).
dd) Allerdings wird bereits in dem für Geruchsbelastungen einleitenden Kapitel 3.3.1 (Stand 19/2013) des Arbeitspapiers „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ darauf hingewiesen, dass Vorbelastungen und damit weitere Tierhaltungen im Einwirkungsbereich bei der Beurteilung der Geruchsbelastung zu berücksichtigen sind; diese können ggf. eine Einzelfallprüfung etwa auf Basis einer Geruchsausbreitungsberechnung erforderlich machen (vgl. auch Nr. 4.2 der GIRL; zur grundsätzlichen Relevanz der Gesamtbelastung vgl. auch BayVGH, B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.1890 – juris Rn. 13). Speziell für Rinderhaltungen werden auf Seiten 6 ff. des Kap. 3.3.2 (Stand 03/2016) Fallgruppen dargestellt, für die eine näher dargestellte vereinfachte Beurteilung von Vorbelastungen bereitgestellt wird. Der Senat kann im vorliegenden Eilverfahren aufgrund divergierender Angaben der Parteien nach Aktenlage nicht mit letzter Sicherheit einschätzen, ob erhebliche Vorbelastungen durch geruchsemittierende Tierhaltungen in der Nachbarschaft bestehen, die einer Beurteilung der Geruchsbelastung in Bezug auf das streitgegenständliche Vorhaben allein anhand der Abstandsflächenregelungen der Arbeitspapiere „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ bzw. des (älteren)“Gelben Hefts 52“ unter Verzicht auf eine einzelfallbezogene Ausbreitungsberechnung entgegenstehen. Es wird Aufgabe des Verfahrens in der Hauptsache (anhängiges Klageverfahren RO 7 K 19.734) sein, im Einzelnen zu ermitteln, welche Tierhaltungsbetriebe in der Nachbarschaft (ggf. nach Maßgabe existierender Baugenehmigungen) tatsächlich noch als vorbelastungsrelevant anzusehen sind [vgl. auch Nr. 2. der „Zweifelsfragen zur Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)“ – Zusammenstellung des länderübergreifenden GIRL-Expertengremiums (mit Anwendungshinweisen Bayern), Stand: 09/2015] und ob sich hieraus ggf. eine Vorbelastung ergibt, die eine entsprechende Einzelfallbegutachtung erforderlich macht. Für das vorliegende Eilverfahren sieht es der Senat unter Berücksichtigung dieser Unwägbarkeit daher derzeit als nicht völlig gesichert an, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 20. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 10. September 2019 hinsichtlich der Geruchsbelastung nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt und damit nicht Rechte der Antragstellerin verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
ee) Auch wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die vom streitgegenständlichen Vorhaben ausgehenden Geruchsbelastungen (ggf. im Zusammenwirken mit Vorbelastungen) auf dem Grundstück der Antragstellerin zumutbar oder rücksichtslos sein wird, ist der Beschwerde dennoch der Erfolg zu versagen.
Hierbei muss im Rahmen der vorzunehmenden allgemeinen Interessenabwägung zu Gunsten des Bauherrn zunächst berücksichtigt werden, dass die Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. auch OVG NRW, B.v. 22.3.2016 – 7 B 1083/15 – juris Rn. 12). Auch wenn § 212a Abs. 1 BauGB die Gewichte bei der Interessenabwägung zugunsten des Bauherrn verschiebt, bedeutet dies allerdings nicht, dass sich in den von § 212a Abs. 1 BauGB erfassten Fällen das Vollzugsinteresse des Bauherrn gegenüber dem Aufschubinteresse des Nachbarn regelmäßig durchsetzt. Die Vorschrift soll Investitionen und das Entstehen von Arbeitsplätzen fördern. Ein gesetzgeberischer Wille, dass dem Vollzugsinteresse gegenüber den Interessen Dritter generell der Vorrang einzuräumen ist, lässt sich § 212a BauGB hingegen nicht entnehmen. Die nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche Abwägung wird deshalb von § 212a Abs. 1 BauGB zwar in der Weise vorstrukturiert, dass dem Vollzugsinteresse ein erhebliches Gewicht beizumessen ist; die Abwägung wird aber nicht präjudiziert. Die Belange eines Dritten haben bei der Abwägung umso mehr Gewicht, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (zum Ganzen unter Rekurs auf die Gesetzesmaterialien vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2016 – 15 CS 16.1688 – juris Rn. 76 ff. m.w.N.; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 47).
Im vorliegenden Fall fällt die Interessenabwägung trotz gewisser verbleibender Sachverhaltsungewissheiten zugunsten des Beigeladenen bzw. des Antragsgegners und zu Lasten der Antragstellerin aus, weil jedenfalls auf Basis der konkreten Darlegungen des Antragsgegners, die antragstellerseits nicht substantiiert bestritten worden sind, keine Vorbelastungen anzusetzen wären, die die Anwendung der herangezogenen Abstandsregelungen ausschließen. Es spricht mithin – auch wenn dies nicht abschließend beurteilt werden kann – Einiges dafür, dass die Geruchsbelastung zumutbar sein und mithin nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen dürfte. Der Senat stellt insoweit auf die Angaben der Landesanwaltschaft Bayern im Schriftsatz vom 18. November 2019 ab, auf den die Antragstellerin nach dem Hinweis des Senats vom 20. November 2011, ab dem 26. November 2019 über die Beschwerde entscheiden zu wollen, nicht mehr repliziert hat. Nach diesen – im Beschwerdeverfahren unwidersprochenen gebliebenen – Ausführungen des Antragsgegners sei eine Vorbelastung von Norden tatsächlich nicht vorhanden. Auf dem Grundstück FlNr. … seien derzeit keine Stallungen feststellbar; der dortige Betrieb sei aufgegeben worden. Für das Grundstück FlNr. …, für das der Gutachter der Antragstellerin eine Vorbelastung aus westlicher Richtung aufgrund von Rinder- und Ziegenhaltung angesetzt habe, sei im Jahr 2010 eine Baugenehmigung für den Neubau einer Rinderstallung erteilt worden. Hierbei handele es sich jedoch um einen landwirtschaftlichen Kleinstbetrieb mit Platz für drei Kühe und ca. sieben Kälber. Ziegen würden dort nicht gehalten. Angesichts eines Abstands der Stallung von mehr als 130 m zum Wohnhaus der Antragstellerin und dort lediglich ca. zehn gehaltener Rinder sei die vom Gutachter in Ansatz gebrachte Vorbelastung nicht nachvollziehbar. Die im Süden vorhandenen Betriebe habe der von der Antragstellerseite beauftragte Gutachter zu Recht nicht als Vorbelastung angerechnet. Die von diesem angenommene Rinderhaltung auf der FlNr. … sei zudem seit dem Jahr 2011 aufgegeben. Die Betriebe auf den Grundstücken FlNrn. … und … hielten noch Rinder, der Abstand der Stallungen zum Wohnhaus der Kläger betrage jedoch ca. 250 m. Hinsichtlich der Vorbelastung durch den bestehenden Rinderstall des Beigeladenen mit 53,6 GV habe der Umweltingenieur des Landratsamt in seiner Stellungnahme vom 9. August 2019 darauf hingewiesen, dass dieser ca. 90 m vom Wohnhaus der Klägerin entfernt sei, sodass hiervon keine erheblichen Belästigungen ausgingen, die als Vorbelastung berücksichtigt werden müssten.
Auf Basis dieses Vortrags des Antragsgegners, dem die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nichts Substantielles mehr entgegengesetzt hat und wonach in der Nachbarschaft ausschließlich Rinderhaltungen existieren, die ihrerseits nach der Abstandstabelle „Bild 4: Abstand von Rinderhaltungsbetrieben zu Wohnhäusern im Dorfgebiet“ deutlich im unkritischen „grünen“ Bereich liegen, wäre unter Heranziehung der in den o.g. Arbeitspapieren auf Seite 7 des Kap. 3.3.2 „Abstandsregelungen für Rinder- und Pferdehaltungen“ beschriebenen Fallgruppen einer vereinfachten Beurteilung von Vorbelastungen [vgl. dort Nr. 1 a) und 2 a) ] davon auszugehen, dass trotz Existenz weiterer Tierhaltungen in der Umgebung eine unzumutbare Geruchsbelastung und folglich auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten der Antragstellerin nicht zu erwarten sind.
Der Senat weist im Rahmen der Interessenabwägung ergänzend noch auf Folgendes hin: Unabhängig davon, dass die Antragstellerin dem auf eine fachliche Stellungnahme des LfU vom 11. Januar 2019 gestützten Vorwurf der Landesanwaltschaft, der Gutachter habe Wetterdaten einer Nachbargemeinde nicht lege artis auf den vorliegenden Fall übertragen (zur Heranziehung der VDI-Richtlinie 3783 Blatt 20 in diesem Zusammenhang vgl. NdsOVG, B.v. 5.8.2019 – 12 ME 76/19 – juris Rn. 31), nicht substantiiert widersprochen hat, versteht sich die gutachterliche Stellungnahme vom 14. Oktober 2014 selbst nicht als vollaussagekräftige Geruchsbelastungsprognose, weil darin ausdrücklich darauf hingewiesen wird, Genaueres könne nur über eine ausdifferenzierte Ausbreitungsberechnung berechnet werden. Zieht man diese dennoch im vorliegenden Eilverfahren als Beurteilungsgrundlage heran, dürfte diese gleichwohl eine Unzumutbarkeit und damit einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht belegen können, wenn unter Zugrundelegung der Vortrags des Antragsgegners (s.o.) die vom Gutachter in Ansatz gebrachten Vorbelastungen abgezogen werden. Denn dann verbleibt auch nach der von der Antragstellerin vorgelegten Berechnung eine Geruchsstundehäufigkeit am Wohnhaus der Antragstellerin von 18%. Geht man mit der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht infrage gestellt hat, von der Außenbereichslage des Antragstellergrundstücks aus, spricht dann Vieles dafür, dass die Antragstellerin einen solchen Belastungswert auch nach dem Bewertungssystem der GIRL hinzunehmen hat. Denn insofern bestimmen die Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, Stand 29. Februar 2008), dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlichen geringeren Schutzanspruch verbunden ist und dass es vor diesem Hintergrund möglich ist, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls – wenngleich nicht pauschal (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2018 – 15 CS 18.1285 – juris Rn. 25, 35 ff. m.w.N.; OVG NRW, U.v. 21.9.2018 – 2 A 669/17 – BauR 2019, 473 = juris Rn. 88 ff.) – bei der Geruchsbeurteilung dort einen Wert bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen [vgl. auch Nr. 11.2 der „Zweifelsfragen zur Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)“ – Zusammenstellung des länderübergreifenden GIRL-Expertengremiums (mit Anwendungshinweisen Bayern), Stand: 09/2015]. Auch dies spricht – neben der Gewichtungsvorgabe des § 212a Abs. 1 BauGB (s.o.) – für ein Ergebnis der Interessenabwägung zugunsten des Beigeladenen bzw. des Antragsgegners und zulasten der Antragstellerin. So ist nach der Rechtsprechung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts unter Berücksichtigung einer am Ortsrand eines Dorfgebiets gebotenen „Zwischenwertbildung“, die bei einem grundsätzlich in Nr. 3.1 der GIRL für Dorfgebiete vorgesehenen Immissionswert von 0,15 (= 15% der Jahresstunden) zu einer einzelfallbezogenen Zumutbarkeitsgrenze bis zu 0,20 (= 20% der Jahresstunden) führen kann (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2014 – 15 CS 13.1910 – juris Rn. 20; B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 = juris Rn. 14; U.v. 10.5.2016 – 2 B 16.231 – juris Rn. 28), ein Geruchsbelastungswert von 20% der Jahresstunden für Wohngrundstücke im Außenbereich grundsätzlich ohne weiteres zumutbar (vgl. OVG NRW, U.v. 21.9.2018 a.a.O. juris Rn. 116).
3. Durch die Entscheidung über die Beschwerde hat sich der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung (sog. „Hängebeschluss“) erledigt (vgl. BayVGH, B.v. 28.12 2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 57).
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Antragstellerin trägt billigerweise auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, weil jener auch im Beschwerdeverfahren einen Sachantrag gestellt und sich damit auch einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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