Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses mit Stellplätzen

Aktenzeichen  M 1 K 18.3846

Datum:
20.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11707
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BauNVO § 12 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 6

 

Leitsatz

1. Ein Nachbar kann sich nicht darauf berufen, dass sich ein Bauvorhaben nach dem Maß der Nutzung objektiv in die maßgebliche Umgebung nicht einfügt. Dem Maß der Nutzung ist in der Regel ausschließlich städtebauliche und keine individuelle Bedeutung beizumessen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung kommt bei nach Höhe, Breite und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet im Sinne einer Indizwirkung in aller Regel aber aus, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der einzelfallbezogenen Prüfung, ob die Nutzung von Stellplätzen und Garagen zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt, ist der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Grundsatzentscheidung Rechnung zu tragen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Baugenehmigungsbescheids vom 4. Juli 2018. Die Baugenehmigung verletzt keine nachbarschützenden Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 59 BayBO.
Ein Nachbar kann sich als Dritter gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
1. Der Kläger kann eine Verletzung des dem Schutz des Nachbarn dienenden Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO schon deswegen nicht mit Erfolg rügen, weil dieses vom hier einschlägigen Prüfungsumfang im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht umfasst ist. Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Prüfungsumfang des Bescheids vom 4. Juli 2018 ist Art. 59 BayBO in der Fassung vom 14. August 2007, der bis 31. August 2018 galt. Dieser sieht – anders als die aktuelle Fassung – eine Prüfung des Abstandsflächenrechts nicht vor.
2. Das Vorhaben verletzt den Kläger nicht in drittschützenden Rechtspositionen des Bauplanungsrechts nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO 2007 i.V.m. § 34 BauGB.
Die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen liegen im unbeplanten Innenbereich. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben dort zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich gemäß § 34 Abs. 2 BauGB die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art nach den Vorschriften der Baunutzungsverordnung. Unter Zuhilfenahme der Lagepläne und der im Internet abrufbaren Kartendienste ist davon auszugehen, dass die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks einem allgemeinen Wohngebiet entspricht. Dass die geplante Art der baulichen Nutzung – Wohnen – unzulässig wäre, ist nicht ernsthaft zweifelhaft und wird auch nicht gerügt.
Die geltend gemachten Einwände gegen die Dimensionierung (sogleich unter a)) und gegen die Lärmimmissionen (unter b)) greifen nicht durch, ebensowenig der Vortrag zum Niederschlagswasser (unter c)).
a) Ein Nachbar kann sich nicht darauf berufen, dass sich ein Bauvorhaben nach dem Maß der Nutzung objektiv in die maßgebliche Umgebung nicht einfügt. Dem Maß der Nutzung ist in der Regel ausschließlich städtebauliche und keine individuelle Bedeutung beizumessen (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 3 f.; BayVGH, B.v. 2.11.2020 – 1 CS 20.1955 – juris Rn. 3; B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 7). Mit dem Einbau von vier Wohnnutzungseinheiten wird auch nicht der Rahmen der in der Umgebung, etwa auf dem Grundstück FlNr. 856/4, ausgeübten Nutzung gesprengt, sondern hält diesen vielmehr ein.
Das Vorhaben verstößt mit seinen Ausmaßen auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot ist in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ebenso wie in § 34 Abs. 1 BauGB beim Einfügenserfordernis verankert (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 14) und hat drittschützenden Charakter. Es zielt darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17).
Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung kommt bei nach Höhe, Breite und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 32 ff.: zwölfgeschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück). Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet im Sinne einer Indizwirkung in aller Regel aber aus, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden. Denn in diesem Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber die diesbezüglichen nachbarlichen Belange und damit das diesbezügliche Konfliktpotenzial in einen vernünftigen und verträglichen Ausgleich gebracht hat (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 29 m.w.N.; demgegenüber ist der Umkehrschluss, wonach eine Missachtung der Abstandsflächenvorschriften regelmäßig auch zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots führe, nicht gerechtfertigt: BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes besteht grundsätzlich schon dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 14; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 29 m.w.N).
Eine erdrückende, abriegelnde oder einmauernde Wirkung zu Lasten des Klägers geht von dem Vorhaben nicht aus. Angesichts des Umstands, dass das auf dem Baugrundstück zu errichtende Haus nach den Bauvorlagen eine maximale Wandhöhe von 6,31 m und eine maximale Gesamthöhe von 8,31 m aufweist, kann von einer extremen Gebäudehöhe nicht gesprochen werden. Das Vorhaben überschreitet das klägerische Anwesen, das seinerseits eine Firsthöhe von 7,17 m hat, nicht erheblich; ferner wird der Höhenunterschied durch die von der Beklagten vorgetragenen, auf dem Klägergrundstück getätigten Aufschüttungen von 0,86 m weiter relativiert. Im Übrigen beträgt der Abstand zwischen der nordöstlichen Gebäudeecke des Vorhabens und der südlichen Grundstücksgrenze des Klägers 6,40 m, und das Wohnhaus des Klägers ist seinerseits in 8 m Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze gelegen. Bei den gegebenen Abständen kann auch unter Berücksichtigung der Breite des geplanten Gebäudes von knapp 27 m weder von einer erdrückenden bzw. abriegelnden Wirkung noch von einem „Einmauerungs-“ oder „Canyon-Effekt“ zu Lasten des Klägers gesprochen werden (Vergleichsfälle: BayVGH, B.v. 5.2.2015 – 2 CS 14.2456 – juris Rn. 33: keine erdrückende Wirkung eines ca. 160 m langen Baukörpers mit einer Höhe von 6,36 m bis 10,50 m und einem Abstand von 13 – 16 m zum Gebäude des Nachbarn; BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 9: keine erdrückende Wirkung eines 33,3 m langen Baukörpers mit einer maximalen Höhe von 11 m und einem Abstand von mindestens 15 m zur Baugrenze auf dem Nachbargrundstück; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.5.2011 – 15 ZB 11.286 – juris Rn. 13). Die gegebenen Entfernungen unter Berücksichtigung der Höhenentwicklung lassen auch nicht besorgen, dass das klägerische Grundstück eine unzumutbare Minderung seiner Belichtung hinnehmen müsste.
Es ist nicht ersichtlich, dass die bauliche Anlage der Beigeladenen dem benachbarten Wohnhaus des Klägers förmlich „die Luft nimmt“, weil es derartig übermächtig wäre, dass das Nachbargebäude des Klägers nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen würde. Ebensowenig ist ersichtlich, dass durch das Hinzukommen der Bebauung der Beigeladenen auf dem Klägergrundstück ein objektiv begründetes Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Hinterhof“- bzw. „Gefängnishofsituation“ hervorgerufen werden könnte. In der Gesamtschau sind bauliche Situationen, wie sie hier für den Kläger bei Umsetzung der angegriffenen Baugenehmigung entstehen, in innerstädtischen Lagen nicht ungewöhnlich.
b) Die Anordnung der Stellplätze mit ihrer Zufahrtssituation ist gegenüber dem Kläger nicht rücksichtslos.
Gemäß § 34 Abs. 2 i.V.m. § 12 Abs. 1, Abs. 2 BauNVO sind in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Sie sind nach dem Gebot der Rücksichtnahme unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Bei der einzelfallbezogenen Prüfung, ob ihre Nutzungen zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt, ist der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Grundsatzentscheidung Rechnung zu tragen. Nachbarn haben die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen; besondere örtliche Verhältnisse können aber zu dem Ergebnis führen, dass die Errichtung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden kann. Dabei können Garagen und Stellplätze in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern problematisch sein. Es kommt alleine auf die konkrete Situation an, in der sich Belästigungen auswirken können. Dabei sind die Zufahrt, die Stellplätze und/oder Garagen im Hinblick auf ihre Lage und Nähe zu den Nachbargrundstücken, die Art und die Empfindlichkeit der dort stattfindenden Nutzungen, etwaige Vorbelastungen sowie der Umfang der zu erwartenden Belästigungen von Bedeutung (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2000 – 4 C 3.00 – juris Rn. 19; B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/02 – juris Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 5.3.2021 – 1 CS 21.114 – juris Rn. 9). Regelwerke wie etwa die TA Lärm bieten in dieser Situation Anhaltspunkte, wenngleich sich insoweit keine rechtlichen Bindungen aus ihnen ergeben (BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/02 – juris Rn. 11).
Für das Wohnhaus mit vier Wohneinheiten, die zwischen 125,78 m² und 183,60 m² Fläche haben, hat die Beklagte unter Anwendung ihrer Stellplatz- und Garagensatzung vom 17. Dezember 2015, in Kraft getreten am 2. Januar 2016, einen Stellplatzbedarf von sechs Stellplätzen errechnet und entsprechend beauflagt. Der Bedarf ergibt sich aus § 3 Abs. 1 der Satzung i.V.m. Ziffer 1.2 der Anlage, der bei Mehrfamilienhäusern 1,5 Stellplätze je Wohnung über 80 m² vorsieht. Deren Anordnung auf der nördlichen Grundstücksseite ist, auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls wie der geneigten Zufahrt und der Terrassierung der Zuwegung, nicht rücksichtslos, sondern vom Kläger als sozialadäquat hinzunehmen.
Die Stellplätze des Vorhabens sind nicht ohne Vorbild in der Umgebung. Betrachtet man alleine die Stellplatzsituation auf dem dem Klägergrundstück unmittelbar benachbarten Grundstück FlNr. 856/4 mit einer Vielzahl an Garagen und offenen Stellplätzen, so bewegt sich das Vorhaben auch insoweit im Rahmen der Eigenart des Baugebiets.
Das klägerische Grundstück ist lediglich vier der insgesamt sechs Stellplätzen (Nummern 3 bis 6 auf dem Eingabeplan) ausgesetzt. Die Stellplätze Nrn. 1 und 2 im Nordwesten des Vorhabens befinden sich nicht auf der Höhe des klägerischen Grundstücks und werden überdies von einem auf dem Grundstück FlNr. 856/4 stehenden Gebäude abgeschirmt. Der streitige Zufahrtsverkehr zu diesen vier Stellplätzen erfolgt zwar vor dem Gartenbereich des klägerischen Grundstücks; aus den Fotos und den Lageplänen ist ersichtlich, dass sich auf der Südseite des klägerischen Wohnhauses außerdem ein überdachter Freisitz befindet. Eine Rücksichtslosigkeit ist gleichwohl nicht erkennbar, auch wenn der konkrete Bereich vom Kraftfahrzeugverkehr bisher verschont geblieben ist (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 16.7.2015 -1 B 15.194 – juris Rn. 17). Für die Annahme einer Vorbelastung des Bereichs und damit gegen einen Abwehranspruch spricht, dass an den Grünbereich bereits jetzt der als deutlich erheblicher einzustufende Parkverkehr des Grundstücks FlNr. 856/4 angrenzt, ferner der offene Carport des Klägers an der Südwestseite seines Wohnhauses auf der Höhe des klägerischen Gartenbereichs endet. Weiter befindet sich auf der Nordseite des Vorhabengrundstücks bereits eine Garage. Auch die bisher bestehende … dürfte – abgesehen von den betrieblichen Emissionen – Zufahrtsverkehr an der nordöstlichen Gebäudeecke und damit unmittelbar an den Grünbereich angrenzend verursacht haben. Ferner ist in die Abwägung einzustellen, dass es sich bei dem Vorhabengrundstück um ein Hinterliegergrundstück handelt; dies gilt im übrigen ebenso für das klägerische Grundstück. Um einen Eigentümer eines Hinterliegergrundstücks nicht von vornherein an der baulichen Nutzung zu hindern, ist es geboten, der Nachbarschaft bei der Bewältigung der meist schwierigeren Erschließungs- und Stellplatzsituation entsprechend mehr zuzumuten. Ferner hat die Beklagte in diesem Fall nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Errichtung einer Tiefgarage baulich nicht möglich ist. Ferner streiten für eine nicht unzumutbare Beeinträchtigung die nicht unerheblichen Entfernungen, nämlich die Zufahrt mit ca. 6,40 m Breite sowie die ca. 8 m Entfernung zum klägerischen Wohnhaus. Diese Situation spricht auch gegen die vorgetragene „Gassenwirkung“, also gegen das Zurückschlagen des Schalls in maßgeblichen Umfang. Die großzügige Breite der Zufahrt trägt Gewähr dafür, dass sich die Rangierbewegungen beim Ein- und Ausparken in einem überschaubaren Umfang halten und flüssig vonstatten gehen können. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Terrassierungen eine direkte Zufahrt zu den Stellplätzen verhindern, wobei die Annahme naheliegt, dass die Breite der Zufahrt eine entsprechend große Schleppkurve ermöglicht. Das Gericht hält in jedem Fall etwaig erforderliche Rangierbewegungen für hinnehmbar. Ebensowenig führt das Gefälle der Zufahrt zu einer unzumutbaren Belästigung, weil es sich um einen Geländeabfall von nur ca. 1,50 m auf einer Strecke von ca. 30 m und damit um ein Gefälle von lediglich 5% handelt. Ferner ist zugunsten des Vorhabens einzustellen, dass es sich nicht um die Zufahrt zu einer vielfrequentierten Tiefgarage etwa für ein größeres Wohngebiet handelt, sondern um die Zufahrt zu lediglich vier Stellplätzen, sodass mit nicht allzu häufigen Fahrzeugbewegungen zu rechnen ist. Einer schalltechnischen Untersuchung bedurfte es daher weder im Baugenehmigungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren.
d) Auch hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung verletzt die Baugenehmigung den Kläger nicht in seinen Rechten. Zwar ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein Vorhaben im Innenbereich nur dann zulässig, wenn auch die Erschließung gesichert ist. Hierzu gehört auch eine ordnungsgemäße Niederschlagswasserbeseitigung (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2006 – 1 CS 06.2717 – juris Rn. 20). Die Anforderungen an eine gesicherte Erschließung bestehen aber grundsätzlich nur im öffentlichen Interesse und dienen nicht auch dem Nachbarschutz. Etwas anderes kann – unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots – ausnahmsweise dann gelten, wenn durch die unzureichende Erschließung unmittelbar Nachbargrundstücke betroffen sind, etwa wenn das Niederschlagswasser auf das Grundstück des Nachbarn abgeleitet wird und es dadurch zu Überschwemmungen auf dem Nachbargrundstück kommt. Dass solche Umstände bei dem Grundstück des Klägers gegeben sind, wurde nicht geltend gemacht und ist wegen der auf dessen Grundstück getätigten Aufschüttungen nicht naheliegend.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dem Kläger auch die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 709 ff. ZPO.


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