Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Kindergarten

Aktenzeichen  AN 9 K 18.01969

Datum:
7.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 29398
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Handelt es sich bei dem genehmigten Bauvorhaben um einen Kindergarten und eine Kindertagesstätte, ist bei der Prüfung, ob eine Verletzung des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots vorliegt, zu berücksichtigen, dass der von den Kindern ausgehende Lärm nicht im Rahmen der technischen Regelwerke und eventueller Immissionsrichtwerte beurteilt werden kann, sondern als sozialadäquat hinzunehmen ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 6. September 2018 in der Form des Änderungsbescheids vom 28. Mai 2019. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist unbegründet, weil das mit Bescheid vom 6. September 2018 in der Form des Änderungsbescheids vom 28. Mai 2019 genehmigte Vorhaben keine nachbarschützenden, im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Rechtsvorschriften verletzt und damit keine subjektiven Rechte des Klägers verletzt werden.
Das hier genehmigte Vorhaben der Beigeladenen, ein zweigruppiger Kindergarten mit maximal 40 Kindern und einem Kinderhort mit maximal 12 Kindern ist nach der Art der Nutzung in dem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet – die hier maßgebliche Grundstücksfläche liegt außerhalb der festgesetzten Gemeinbedarfsfläche – nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1968 allgemein zulässig. Da sich das Baugrundstück und das Grundstück des Klägers, getrennt durch die … bzw. die …Straße, in zwei verschiedenen Baugebieten, nämlich einerseits einem reinen Wohngebiet und andererseits einem allgemeinen Wohngebiet befinden, kommt hier auch kein Gebietserhaltungsanspruch des Klägers in Betracht, zumal die Umsetzung des Vorhabens auch weder von der Größe noch von der Lage in dem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet problematisch erscheint, zumal auf den Grundstücken östlich davon umfangreiche Wohnbebauung vorhanden ist.
Soweit die angefochtene Baugenehmigung Befreiungen bzw. Abweichungen enthält, besitzen die maßgeblichen Vorschriften, von denen befreit bzw. abgewichen wird, nach Auffassung des Gerichts keine nachbarschützende Wirkung, so dass sich der Kläger insoweit nur auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen kann. Dies gilt hinsichtlich der Überschreitung der festgesetzten Baugrenzen durch das genehmigte Gebäude, da weder aus der Planung als solcher noch aus sonstigen Unterlagen ersichtlich wäre, dass der Satzungsgeber bei Erlass des Bebauungsplans … im Jahr 1969 diesen Festsetzungen nachbarschützende Wirkung verleihen wollte. Nur dann aber enthielten Festsetzungen wie hier zur überbaubaren Grundstücksfläche oder zum Maß der baulichen Nutzung Nachbarschutz. Entsprechendes gilt für die Befreiung von der Geschosszahl, zumal sich diese Befreiung nur auf einen Bereich bezieht, der östlich des festgesetzten zweigeschossigen Baufeldes liegt und somit den Kläger und sein Grundstück nicht unmittelbar betrifft. Dasselbe gilt für die Befreiung hinsichtlich der Festsetzungen zur Einfriedung im Bebauungsplan, auch insoweit ist eine Betroffenheit des Klägers weder ersichtlich noch eine nachbarschützende Wirkung der Festsetzung.
Soweit von der Stellplatzsatzung abgewichen wurde, so enthält die Regelung über die Anforderungen von Stellplätzen grundsätzlich keinen Nachbarschutz, zudem ist der Kläger hier auch nicht unmittelbar betroffen, da sowohl die Zufahrt zum Baugrundstück als auch die Stellplätze ebenso wie der Zugang zu Kindertagesstätte und Kindergarten im Norden, nördlich des Verschwenks der …Straße bzw. …Straße gelegen ist, während das Grundstück des Klägers das den südlichen Abschluss der Reihenhauszeile bietet, zur im Süden in Ost-West-Richtung verlaufenden …Straße hin ausgerichtet ist. Dass der Verzicht auf den Stellplatznachweis hier zu unzumutbaren Zuständen beim Anwesen des Klägers führen würde, hat dieser nicht substantiiert dargetan, im Übrigen ist durch das genehmigte Vorhaben im Hinblick auf die zu erwartenden Bring- und Abholzeiten durch die Eltern der dort untergebrachten Kinder nicht von einer Überschneidung mit dem sonstigen auf dem Baugrundstück entstehenden Stellplatzbedarf auszugehen.
Auch die Tatsache, dass die Beklagte sich nicht auf den ihr gegenüber bewilligten Bauverzicht durch die Beigeladene für die im Süden des Baugrundstücks belegene, von der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit betroffenen Fläche, die sich zum großen Teil mit der Fläche, auf der das Vorhaben errichtet werden soll, deckt, berufen hat, führt hier nicht zu einer Verletzung nachbarschützender Rechte des Klägers. Nach Auffassung des Gerichts ist hier nicht ersichtlich, dass der abgegebene Bauverzicht im Jahr 2013 einen nachbarschützenden Inhalt besitzt. Dies ergibt sich weder aus der der im Grundbuch eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeit noch sonst aus den Akten. Soweit der Kläger insofern auf die planungsrechtliche Stellungnahme im damaligen Baugenehmigungsverfahren vom 28. Mai 2013 bzw. auf den Aktenvermerk über eine Besprechung vom 25. September 2013 abstellt, so ergibt sich aus deren Inhalt wie aus dem weiteren Akteninhalt nicht, dass der von der Beklagten geforderte Bauverzicht allein oder auch zum Schutze der Nachbarn, insbesondere des Klägers, von der Beklagten gefordert wurde. Denn aus der planungsrechtlichen Stellungnahme wird deutlich, dass einerseits städtebauliche Gründe für diesen Verzicht sprachen, weil dort auch ausgeführt wird, dass die sehr engen Baugrenzen auf dem damaligen Baugrundstück durch die bauliche Entwicklung überholt seien. Aber auch hinsichtlich der festgesetzten Baugrenzen im nördlichen Grundstücksbereich, die tatsächlich durch die bis dahin getätigte Bebauung auf dem Baugrundstück weitgehend überholt erschienen, fehlt es an einer nachbarschützenden Wirkung. Denn auch insoweit lässt sich weder dem Bebauungsplan noch sonstigen Unterlagen eine Feststellung entnehmen, aus der sich ergeben würde, dass der Satzungsgeber im Jahr 1969 diesen Festsetzungen nachbarschützende Wirkung beimessen wollen. So erscheint es dem Gericht aus heutiger Sicht im Hinblick auf den gesamten Inhalt der damaligen Baugenehmigung einschließlich der zum Schutz der Nachbarn vorgenommenen Auflagen nicht als erforderlich, den südlichen Teil des Baugrundstücks im Rahmen des dort vorhandenen Baufensters auf die Bebauung zu verzichten, um möglichen Nachbarklagen gegen das mit dem Bescheid vom 7. Januar 2014 genehmigte Vorhaben die Erfolgsaussicht zu nehmen.
Nach Auffassung des Gerichts erweist sich das hier genehmigte Vorhaben auch nicht als rücksichtslos im Hinblick auf das Anwesen des Klägers. Dabei ist zu beachten, dass es sich um einen Kindergarten und eine Kindertagesstätte handelt, bei denen der von den Kindern ausgehende Lärm nicht im Rahmen der technischen Regelwerke und eventueller Immissionsrichtwerte beurteilt werden kann, sondern als sozialadäquat ebenfalls in dem hier zu erwartenden Umfang hinzunehmen ist. Hinsichtlich eines durch das Bauvorhaben auf dem Baugrundstück ausgelösten Verkehrs lassen sich eventuelle Auswirkungen, soweit diese überhaupt erfolgen sollten, auf das Grundstück des Klägers nicht oder nur in geringfügigem Umfang erkennen, da die Zufahrt und die Stellplätze für das Vorhaben auf dem nördlichen Teil des Baugrundstücks und durch die Reihenhauszeile abgeschirmt vom Anwesen des Klägers liegen. Was den vom Vorhaben möglicherweise ausgelösten zusätzlichen Verkehr auf öffentlichen Straßen angeht, hält das Gericht zum einen eine Trennung dieses Verkehrs vom sonstigen Anlieger- und Durchgangsverkehr im Hinblick auf Nr. 7.4 der TA-Lärm nicht für möglich, im Übrigen erscheint im Hinblick auf die Zahl der Kinder und der möglicherweise von diesen ausgelösten Fahrzeugbewegungen auch eine relevante Verschlechterung der Lärmsituation für das Anwesen des Klägers nicht als erwartbar.
Was die nach der Änderungsgenehmigung auf dem Dach des Kindergartengebäudes genehmigten Lüftungsanlagen betrifft, so hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid hinreichende Regelungen zum Schutz des Klägers vorgesehen, da für das Anwesen …Straße … als Immissionsort die um 6 dB(A) jeweils zur Tag- und Nachtzeit abgesenkten Werte für ein Reines Wohngebiet dort zugrunde gelegt wurden, was eine Überschreitung der dem Kläger auf seinem Grundstück zumutbaren Lärmbelastung praktisch ausschließt. Darüber hinaus hat die Beklagte auch versichert, das Anwesen des Klägers als weiteren Immissionsort in die Auflage des betreffenden Bescheides aufzunehmen und die Beigeladene dem zugestimmt.
Da somit eine Verletzung nachbarschützender Rechte des Klägers durch das genehmigte Vorhaben nicht gegeben ist, bleibt die Klage ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO; Kosten der Beigeladenen waren hier dem Kläger nicht aufzuerlegen, da diese keinen Antrag gestellt hat.
Der Streitwert wurde gemäß § 51 Abs. 1 GKG festgesetzt.


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