Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung, Innenhof, Gebot der Rücksichtnahme (Verletzung verneint), Abweichung

Aktenzeichen  M 8 K 20.3855

Datum:
28.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10551
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BayBO Art. 6
BayBO Art. 63

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist für die Beklagte ohne, für den Beigeladenen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vorläufig vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Baugenehmigung vom 21. Juli 2020 verletzt keine nachbarschützenden Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind und auf die sich die Klägerin berufen kann, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 59 BayBO.
1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22). Für den Erfolg eines Nachbarrechtsbehelfs genügt es daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren auch keine umfassende Rechtskontrolle statt, vielmehr hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln, verletzt werden. Die Baugenehmigung muss dabei gegen eine im Baugenehmigungsverfahren – hier das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO – zu prüfende Vorschrift verstoßen. Auf Bauordnungsrecht beruhende Nachbarrechte können durch eine Baugenehmigung nur dann verletzt werden, wenn diese bauordnungsrechtlichen Vorschriften im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
2. Das Vorhaben verstößt nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
2.1. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211, BayVBl 2013, 51 – juris Rn. 27 m.w.N.) ist angesichts der bereits vorherrschenden Durchmischung von Wohnen und Gewerbe mit überwiegendem Wohnanteil („Gemengelage“) in der maßgeblichen Umgebung (Geviert … straße, … straße, …-Ring und … straße) weder gerügt noch ersichtlich.
2.2. Das Vorhaben verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Eine erdrückende bzw. einmauernde Wirkung geht von ihm – auch bei Berücksichtigung der besonderen baulichen Situation auf dem Nachbargrundstück – ebenso wenig aus wie eine unzumutbare Verschattung oder nicht hinnehmbare Einsichtnahmemöglichkeiten.
2.2.1. Bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz ist insoweit, da sich die Genehmigungsfähigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB beurteilt, aus dieser Vorschrift herzuleiten. Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, BVerwG, U.v. 5.12. 2013 – 4 C 5.12, ZfBR 2014, 257, m.w.N.). Dies gilt auch hinsichtlich der Bauweise (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12, BVerwGE 148, 290 – juris Rn. 19f.). Darauf, ob sich das Bauvorhaben objektiv in die maßgebliche Umgebung einfügt, kommt es darüber hinaus nicht an.
2.2.2. Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17).
2.2.3. Dieses berücksichtigend wird der im Rahmen des Rücksichtnahmegebots notwendige Interessenausgleich zwischen hinzutretender und vorhandener Bebauung durch das Vorhaben gewahrt.
Zur Bestimmung dessen, was dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, ist insbesondere die nähere Umgebung als (städte-)baulicher Rahmen, in den das Vorhaben- und Nachbargrundstück eingebettet sind, sowie die jeweilige besondere bauliche Situation der betroffenen Grundstücke in den Blick zu nehmen (VG München, U.v. 14.6.2021 – M 8 K 19.2266 – juris Rn. 41; vgl. grundlegend zur Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung iSd § 34 Abs. 1 BauGB: BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9/77 – BVerwGE 55, 369 (380); B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.17 – ZfBR 2018, 479).
Die maßgebliche Umgebung – hier das Geviert … straße, … straße, …-Ring und … straße – ist, davon konnte sich die Kammer sowohl bei der Einnahme des Augenscheins als auch durch Betrachtung von allgemein zugänglichen Luftbildern im Internet („Google Maps“) und von den sich in den vorgelegten Behördenakten befindlichen Lageplänen überzeugen, geprägt von massiver, bis zu siebengeschossiger (etwa Fl.Nr. …*), geschlossener Blockrandbebauung und dichter Bebauung auch im rückwärtigen Bereich unter weitgehendem Verzicht auf die Bebauung auflockernde Freiflächen. Die maßgebliche Umgebung ist ferner geprägt durch Rückgebäude, die sowohl an den seitlichen, als auch an den rückwärtigen Grundstücksgrenzen errichtet wurden (etwa auf dem Nachbargrundstück, sowie beispielsweise den Fl.Nrn. …, … und …*). Die Bebauung im Blockinnern erreicht dabei Höhenentwicklungen von bis zu drei Geschossen plus ausgebautem Dachgeschoss (z.B. Nachbargrundstück).
Dass in der prägenden städtebaulichen Umgebung ein grenzständiges Vorhaben auch im rückwärtigen Bereich grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig ist, ist offensichtlich.
2.2.4. Das Gebot der Rücksichtnahme erfordert vorliegend auch kein Zurückweichen des Bauvorhabens von der gemeinsamen Grenze. Zwar kann die Möglichkeit, nach § 34 Abs. 1 BauGB ein grenzständiges Gebäude zu errichten, grundsätzlich dann nicht gegeben sein, wenn diese wegen der auf dem Nachbargrundstück bestehenden Bebauung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt (vgl. Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2021, Art. 6 Rn. 71), d.h. dann, wenn der Grenzanbau für den Nachbarn unzumutbar ist (BayVGH, U.v. 4.5.2017 – 2 B 16.2432 – juris Rn. 29 m.w.N.). Angesichts der verdichteten rückwärtigen Umgebungsbebauung – auch gerade auf dem Nachbargrundstück – wird das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot durch das Vorhaben jedoch nicht verletzt. Die geplante Bebauung nimmt vielmehr durch die Abstufung nach Westen und das Abrücken der Dachterrasse nach Norden Rücksicht auf die klägerischen Belange, insbesondere auf die gegebene Situation im zweiten Innenhof.
Die Klägerin hat die durch die Umgebungsbebauung vorgegebenen Veränderung hinzunehmen. Ihr ist eine besondere Schutzwürdigkeit gegenüber dem Vorhaben nicht zuzubilligen. Zwar ist ihr zuzugeben, dass der zweite Innenhof bereits jetzt beengt ist. Jedoch hat die Klägerin die Situation auf dem Nachbargrundstück durch massivste Ausnutzung des dort vorhandenen Baurechts, insbesondere durch Ausbau der ehemaligen Remise zu Wohnzwecken selbst herbeigeführt. Dies war im Rahmen der Abwägung, was ihr als Rücksichtnahmebegünstigter zuzumuten ist, mit zu berücksichtigen. Die beengte Situation fußt letztendlich auf den geringen Gebäudeabständen zwischen Rückgebäude und ehemaliger Remise und wird verstärkt durch die bereits im Süden vorhandene nördliche Außenwand des Rückgebäudes auf der Fl.Nr. … Die hier beklagte „Gefängnishofsituation“, welche durch Erhöhung der bereits vorhandenen Grenzwand im Norden entstehen soll, stellt sich im Ergebnis nicht viel anders dar, als die gegenwärtige Situation, in die sich die Klägerin bewusst und gewollt begeben hat.
Das Gebot der Rücksichtnahme besteht gegenseitig. Der Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, hat es grundsätzlich nicht in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen (vgl. BayVGH, U.v. 22.09.2011 – 2 B 11.761 – juris Rn. 29 u. 30). Die Klägerin hat auch bei Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Hinterhofsituation. Das Rücksichtnahmegebot dient nicht der Perpetuierung einer vorhandenen städtebaulichen Situation zugunsten eines und zulasten eines anderen Nachbarn.
Die Klägerin überdies hat keinen Anspruch darauf, die Belichtung und Belüftung ihrer Gebäude bzw. des hier inmitten stehenden Innenhofs über das Baugrundstück zu bewirken. Das Rücksichtnahmegebot gewährleistet weder eine bestimmte Dauer oder „Qualität“ der natürlichen Belichtung noch die unveränderte Beibehaltung einer insoweit zuvor gegebenen Situation (OVG Hamburg, B.v. 26.9.2007 – 2 Bs 188/07 – ZfBR 2008, 283). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn zudem nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Vielmehr ist eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 6).
2.2.5. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots insbesondere dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens aufgrund seiner Höhe bzw. seines Volumens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ würde (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 38; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 28; B.v. 10.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 27). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „erdrückenden“ bzw. „abriegelnden“ Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9; B.v. 10.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 27). Die genehmigte Anlage muss das Nachbargrundstück regelrecht abriegeln, d.h. dort ein gefühltes „Eingemauertsein“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorrufen (BayVGH, U.v. 11.4.2011 – 9 N 10.1373 – juris Rn. 56).
Dieses berücksichtigend ist hinsichtlich des Rückgebäudes jedoch schon aufgrund der Höhenverhältnisse und der Stellung der Gebäude zueinander eine einmauernde oder erdrückende Wirkung ausgeschlossen. Das Rückgebäude auf dem Nachbargrundstück hat eine Firsthöhe von ca. 15,15 m, das Vorhaben verfügt im dreigeschossigen Bereich dagegen nur über eine Firsthöhe von 14,80 m. Bei dem sich im Westen anschließenden zweigeschossige Bauteil erreicht die Oberkante des Flachdachs eine Höhe von 6,40 m, die um 1,50 m nach Norden abgerückte Terrassenumwehrung liegt bei 7,40 m Höhe. Für die Annahme einer „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes besteht jedoch grundsätzlich schon dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30). Dies gilt insbesondere dann, wenn beide Gebäude – wie hier – im dicht bebauten städtischen Bereich liegen (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2010 – 2 ZB 07.3200 – juris Rn. 3; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9).
2.2.6. Auch hinsichtlich des zweiten Innenhofs und der Remise ist das Gebot der Rücksichtnahme gewahrt. Der Innenhof verfügt über eine umbaute Fläche von ca. 85 m² (ermittelt über Geodaten Online, Bayernatlas). Im Osten wird er begrenzt durch die Gebäudeaußenwand des klägerischen Rückgebäudes mit einer Höhe von ca. 10,04 m, im Süden durch eine Grenzwand, welche etwa bis zur Mitte des zweiten Obergeschosses des Rückgebäudes reicht und damit eine Höhe von ca. 8,50 m haben dürfte, im Westen durch die Remise, die mit Dachgeschoss etwa eine Höhe von 7,00 m erreichen dürfte (vgl. die im Verfahren M 8 K 17.327 vorgelegte Verschattungsstudie). Auch bei Erhöhung der bereits vorhandenen ca. 3,0 m hohen Grenzmauer auf 6,40 m wird angesichts der Größe des Innenhofs und der Höhe der ihn umgebenden Mauern keine unzumutbare Enge geschaffen (vgl. zu diesen Parametern: VG München, U.v. 14.12.2009 – M 8 K 09.4974 – juris; BayVGH, U.v. 22.09.2011 – 2 B 11.761 – juris). Die eingeschossige Remise mit massiv ausgebautem Dach wirkt zudem wie ein zweigeschossiges Gebäude. Das Vorhaben nimmt die Remise in Geschossigkeit und Höhe auf, es überragt diese nicht. Die geplante Terrasse springt zugunsten der Klägerin sogar nach Norden von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zurück.
Eine unzumutbare Verschattung ist nicht erkennbar. Die ehemalige Remise erfährt ihre Belichtung, davon konnte sich das Gericht bei der Einnahme des Augenscheins und der Betrachtung von Luftaufnahmen („Google Maps“) überzeugen, weitestgehend von oben über die seitlich zwischen den Wohnungen liegenden Dachterrassen und großflächige Oberlichter im Dachbereich. Dies entspricht auch den Feststellungen der erkennenden Kammer im Verfahren M 8 K 17.327. Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn überdies nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Ein Verschattungseffekt als typische Folge der Bebauung ist insbesondere in innergemeindlichen bzw. innerstädtischen Lagen, bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze in der Regel nicht rücksichtslos und daher hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 24; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28 m.w.N.; OVG Bremen, B.v. 19.3.2015 – 1 B 19/15 – juris Rn. 19; SächsOVG, B.v. 4.8.2014 – 1 B 56/14 – juris Rn. 19). Dass diese Grenze vorliegend aufgrund einer besonderen Belastungswirkung im konkreten Fall überschritten sein könnte, ist nicht ersichtlich, zumal das Vorhaben im Norden liegt und die Belichtungssituation auch im zweiten Innenhof nicht beeinträchtigt.
2.2.7. Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn überdies nicht das Recht, vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. Sächs. OVG, B.v. 23.2.2010 – 1 B 581/09 – juris Rn. 5), denn gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2010 – 2 B 09.328 – juris Rn. 30) und daher hinzunehmen. Eine besondere Konfliktlage bzw. eine über das Zumutbare hinausgehende „drangvollen Nähe“ oder „Entwertung der typischen Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten eines benachbarten Grundstücks“, wie sie die Klägerin insbesondere aufgrund der geplanten Dachterrasse beklagt, ist angesichts der vorgegebenen Situation und der innerstädtischen Lage des Grundstücks nicht erkennbar. Zum einen sind die Bewohner des Innenhofs bereits gegenwärtig den Einblicken der unmittelbaren Nachbarn des jeweils gegenüberstehenden Gebäudes (ehemalige Remise und Rückgebäude) ausgesetzt, da sich deren Fenster, Balkonanlagen und Dachterrassen unmittelbar gegenüberliegen. Auch eine Einsichtnahmemöglichkeit „von oben“ hinsichtlich des Innenhofs und der ehemaligen Remise ist bereits vorhanden, sowohl aufgrund des eigenen Rückgebäudes als auch der Blockrandbebauung in der … straße. Überdies war zu berücksichtigen, dass vorliegend keine Wohnnutzung, sondern Büronutzung verwirklicht werden soll. Daher wird in den sensiblen Abendstunden und am Wochenende regelmäßig davon auszugehen sein, dass die Gefahr, Einblicken ausgesetzt zu sein erheblich reduziert ist.
2.2.8. Sofern die Klägerin auf eine – nicht substantiiert vorgetragene – Wertminderung des Nachbargrundstücks abstellt, kann sie sich darauf nicht mit Erfolg berufen. Wertminderungen als Folge der Nutzung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück bilden für sich genommen – also über das zum Gebot der Rücksichtnahme bereits Ausgeführt hinaus – keinen Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens (BayVGH, B.v. 17.6.2010 – 15 ZB 09.2132 – BeckRS 2010, 31452 Rn. 15 m.w.N.).
3. Das Vorhaben verstößt nicht gegen (zumindest auch) dem Nachbarschutz dienende Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, Art. 59 BayBO, insbesondere nicht gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Eine Rechtsverletzung durch die erteilte Abweichung ist nicht erkennbar, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO iVm Art. 6 BayBO.
3.1. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
Einen rechtlichen Grundsatz, wonach im Fall des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ein Anbau strikt oder annähernd profilgleich an die anschließende Wand des Nachbarhauses zu erfolgen hätte, kennt die Rechtsordnung aber nicht (Molodovsky/Famers/Waldmann in: Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: Oktober 2021, Art. 6 Rn. 59 m.w.N.). Vor der südlichen Außenwand des Vorhabens, die an der Grundstücksgrenze errichtet wird, ist dementsprechend keine Abstandsfläche erforderlich.
3.2. Abstandsflächen sind jedoch regelmäßig insoweit erforderlich, als nicht auf die Grenze gebaut wird (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2015 – 2 CS 15.1251 – juris Rn. 4). Daraus folgt, dass durch das Terrassengeländer grundsätzlich eine Abstandsfläche ausgelöst wird (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2015 – 2 CS 15.1251 – juris Rn. 4). Die nach Art. 63 Abs. 1 BayBO iVm Art. 6 BayBO erteilte Abweichung von den Abstandsflächen zulasten des Nachbargrundstücks ist jedoch nicht zu beanstanden.
3.2.1. Daher lässt die Kammer offen, ob aufgrund der veränderten Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt (letzte mündliche Verhandlung) keine Abweichung von den Vorgaben des Abstandsflächenrechts für das Vorhaben mehr erforderlich gewesen wäre.
Die Bayerische Bauordnung wurde insbesondere hinsichtlich des Abstandsflächenrechts zum 1. Februar 2021 geändert. Bei der Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn ist zwar grundsätzlich auf die Umstände zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen, d.h. Änderungen zu Lasten des Bauherrn werden nicht berücksichtigt, selbst wenn sie während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens eintreten. Hat sich dagegen die Sach- und Rechtslage zugunsten des Bauherrn geändert, ist materiell-rechtlich jedoch auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BayVGH, B.v. 18.1.2010 – 1 ZB 07.3187 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Nach dem seit 1. Februar 2021 anzuwendenden Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze die Seitenwände von Vorbauten und Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden, außer Betracht. Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO gilt dabei nur in Bezug auf die seitlichen Grundstücksgrenzen, an die das jeweilige Gebäude grenzständig angebaut ist (Schönfeld in: Spannowsky/Manssen, Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.2.2022, Art. 6 Rn. 195; Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2021, Art. 6 Rn. 432). Obwohl Hauptanwendungsfall der Vorschrift Dachgauben sein dürften (vgl. Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2021, Art. 6 Rn. 431), könnte auch die hier streitgegenständliche Dachterrassenumwehrung von dem Anwendungsbereich mitumfasst sein. Unter Dachaufbauten sind nämlich Gebäudeteile, Bauteile und sonstige (bauliche) Anlagen, die innerhalb der Dachfläche liegen, über die Dachfläche hinausragen und nicht Bestandteil des Dachs sind, etwa (aufgeständerte) Dachterrassen und deren Geländer zu fassen (vgl. Kraus/Harant in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2021, Art. 6 Rn. 243 ff.). Mangels Entscheidungserheblichkeit kann dies jedoch offenbleiben.
3.2.2. Grundsätzlich sind nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Sie müssen auf dem Grundstück selbst legen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Zweifelsfrei vermag das Terrassengeländer, falls für dieses eine Abstandsfläche erforderlich sein sollte (s.o.), bei einem Abstand von nur 1,50 m zur Grundstücksgrenze und einer Höhe von 7,40 m (vgl. die genehmigten Baupläne) diese Vorgaben nicht einzuhalten.
Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde jedoch Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, muss es im Einzelfall besondere Gründe geben, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck aber nur unvollkommen entsprochen wird (vgl. grundsätzlich zu den Voraussetzungen einer Abweichung: BayVGH, B.v. 17.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 16 ff; B.v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 23; B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris Rn. 3; U.v. 22.12.2011 – 2 B 11.2231 – juris Rn. 16; B.v. 20.11.2014 – 2 CS 14.2199 – juris Rn. 4; B.v. 2.12.2014 – 2 ZB 14.2077 – juris Rn. 3; B.v. 9.2.2015 – 15 ZB 12.1152 – juris Rn. 8 ff). Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ermöglicht also im Einzelfall eine Korrektur von materiell-rechtlichen Anforderungen, die die Bayerische Bauordnung an Vorhaben stellt (Dhom/Simon in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2021, Art. 63 RdNr. 14).
3.2.3. Es kann offenbleiben, ob die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO nach Einfügung von Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO noch eine atypische Situation voraussetzt (Bayer. Landtag Drucksache 17/21474, zu Nr. 5 (Art. 6); vgl. zu den Voraussetzungen einer Atypik auch: BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris, RdNr. 34 m.w.N.), denn eine solche liegt hier zweifelsohne vor.
Die Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit langer Zeit dicht bebauten großstädtischen Innenstadtquartier, in dem – wie hier – allenfalls wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstückgrenzen einhalten, vermittelt eine besondere Atypik, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber Nachbarn rechtfertigt (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris, Rn. 36). In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation überdies dann anzunehmen, wenn jede bauliche Veränderung entsprechend der vorgegebenen baulichen Situation geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 23; VG München, B.v. 12.9.2017 – M 8 SN 17.3732, bestätigt durch BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 2 CS 17.1969 – juris). Ferner wird die Dachterrasse vorliegend erst aufgrund des Abrückens von der gemeinsamen Grundstücksgrenze abstandsflächenpflichtig. Um auch in dicht bebauten innerstädtischen Bereichen zugunsten der betroffenen Nachbarn das Abrücken von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu ermöglichen, kann (sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind), grundsätzlich auf die Abweichung zurückgegriffen werden (vgl. VG München U.v. 21.9.2020 – M 8 K 18.4715 – juris Rn. 44).
3.2.4. Gemessen am Schutzzweck der Abstandsvorschriften werden die schützenswerten Belange der Klägerin (im Wesentlichen Belichtung, Besonnung und Belüftung) durch die Inaussichtstellung der Abweichung nicht unzumutbar beeinträchtigt.
Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B.v. 17.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 17). Art. 6 BayBO bezweckt im nachbarlichen Verhältnis die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung, nach umstrittener Ansicht auch den sozialen Wohnfrieden (BayVGH, U.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – juris Rn. 33). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 20, a.A. BayVGH, B.v. 19.7.2016 – 9 CS 15.336 – juris Rn. 21, der bereits überwiegende Belange für ausreichend erachtet).
In diesem Zusammenhang war zu berücksichtigen, dass die durch die Terrassenumwehrung ausgelösten Abstandsflächen vollumfänglich in der „fiktiven Abstandsfläche“ der grenzständigen Gebäudewand zu liegen kommen, da sie zwar um 1,5 m von der Außenwand nach Norden abrückt, jedoch nur 1,0 m hoch ist. Die Grenzwand ist aufgrund der gesetzgeberischen Wertung – Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO – ohne eigene Abstandsflächen zulässig. Durch das Terrassengeländer tritt zulasten der Klägerin keinerlei Verschlechterung im Vergleich zu der von ihr aufgrund des Vorrangs des Städtebaurechts ohnehin hinzunehmenden Situation ein, zumal das Geländer selbst filigran und weitestgehend lichtdurchlässig ausgestaltet wird. Überdies fallen die Abstandsflächen (ca. 30 m²) auch auf ungenutzte Dachflächen der ehemaligen Remise. Bedingt durch den schrägen Grenzverlauf ist nur etwa ein Viertel der Freifläche des klägerischen Innenhofs betroffen (vgl. den genehmigten Abstandsflächenplan). Unzumutbare Einbußen an Belichtung und Besonnung sind wegen der Situierung des Vorhabens im Norden überdies ohnehin nicht zu besorgen. Ferner halten die Bestandsgebäude auf dem Nachbargrundstück die Abstandsflächen gegenseitig nicht ein, was – neben der bestehenden Brandwand im Süden – die von der Klägerin beklagten Einbußen an Belichtung, Besonnung und Belüftung im Wesentlichen hervorruft. Eine spürbare Veränderung der bereits vorherrschenden Situation ist hinsichtlich der Schutzgüter des Abstandsflächenrechts mit dem Vorhaben nicht verbunden.
Bei Berücksichtigung der Gesamtsituation ist auch ein die Belange der Klägerin überwiegendes Bauherreninteresse gegeben. Hierzu zählt nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zwar auch die Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum (BayVGH, B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris Rn. 5). Allerdings bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass für die Gewährung von Abweichungen zugunsten anderer bauplanungsrechtliche Nutzungen kein Raum wäre. Vorliegend waren aufgrund der speziellen Umstände des Einzelfalls (s.o.) die Interessen des Bauherrn an der Verwirklichung des bauplanungsrechtlich gegebenen Baurechts höher zu gewichten als die hinzunehmenden, insbesondere aufgrund der Lage des Baugrundstücks im Norden nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Einbußen der Klägerin an Belichtung, Besonnung und Belüftung. Insbesondere war zu beachten, dass die Abstandsflächen ausschließlich deswegen ausgelöst werden, weil der Bauherr (freiwillig) zugunsten der Klagepartei mit der Dachterrasse von der Grenze abrückt. Der Nachbar hat kein Recht darauf, dass eine Norm um ihrer selbst willen eingehalten wird; seine Belange sind zutreffend gewürdigt, wenn er nicht tatsächlich beeinträchtigt wird (Molodovsky/Famers/Waldmann in: Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand Oktober 2021, Art. 63 Rn. 39).
3.2.5. Die Zulassung einer Abweichung ist eine Ermessensentscheidung. Wesentliche Voraussetzung dafür ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen (Molodovsky/Famers/Waldmann in: Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand Oktober 2021, Art. 63 Rn. 20). Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, ist sie in der Regel zuzulassen, es sei denn, besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH BayVGH v. 6.8.2013 -15 CS 13.1076 – juris Rn. 25; Dhom/Simon in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand September 2021, Art. 63 Rn. 39 m.w.N.).
Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Verwaltungsgericht bei Ermessensentscheidungen nur, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich im Rahmen der Prüfung der Abweichung mit der Situation auch der betroffenen Nachbarn in zwar knapper, aber sachgerechter Weise unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts auseinandergesetzt. Die nachbarlichen Belange wurden insbesondere angesichts der Lage der Grundstücke im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zutreffend ermittelt und gewürdigt. Die Beklagte hat in ihrer Ermessensentscheidung ferner eingestellt, dass sich die Planung des Bauherrn in die maßgebliche Umgebung einfügt.
Angesichts des Umstands, dass die Beklagte den Bauherren im Rahmen der Bauberatung dazu anhielt, die Dachterrasse zugunsten der Klagepartei von der gemeinsamen Grenze nach Norden hin abzurücken (Schreiben an den Bauherren vom 8. Oktober 2019) ist nicht nachvollziehbar, welche weiteren, dem Bauherrn zumutbare „Alternativplanungen“ die Beklagte nach Auffassung der Klägerin hätte ihren Ermessensentscheidungen zugrunde legen sollen. Ein Nachbar hat keinen Anspruch darauf, dass der Bauherr die die Nachbarschaft am wenigsten beeinträchtigende Bebauung wählt. Die Beklagte hat vielmehr in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Nachbarn durch die erteilte Abweichung nicht nachhaltig und gravierend in ihren schutzwürdigen Individualinteressen verletzt werden, zumal sich – wie die Beklagte zutreffend unter dem Punkt „Nachbarwürdigung“ ausgeführt – das neue Gebäude nördlich des Nachbargrundstücks befindet, sodass es im zugrundeliegenden Einzelfall zu keiner wesentlichen Veränderung der bisherigen Belichtungssituation kommt.
4. Die Verletzung weiterer, im vereinfachten bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfender drittschützender Normen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts ist weder dargetan noch ersichtlich.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser einen Sachantrag gestellt und sich dadurch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3 VwGO, § 154 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 ff. ZPO.


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