Baurecht

Nachbarklage gegen eine Befreiung von einem Bebaungsplan für die Errichtung eines Sichtschutzzaunes – hier: Streitwertbeschwerde

Aktenzeichen  9 C 19.1608

Datum:
4.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27495
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1, § 68 Abs. 1
RVG § 32 Abs. 2 S. 1
BayBO Art. 2 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde, derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013). (red. LS Alexander Tauchert)
2. Der in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 angegebene Rahmen erlaubt für den Regelfall eine praktikable Handhabung der Streitwertfestsetzung, vermeidet bei einer Nebenentscheidung nicht angemessenes, umständliches Differenzieren und macht das Prozessrisiko für die Beteiligten überschaubar. (Rn. 5) (red. LS Alexander Tauchert)
3. Geht es um eine Nachbarklage gegen eine isolierte Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans für die Errichtung eines Sichtschutzzaunes aus Fichtenholz, ist dies nicht ohne Weiteres mit einer Nr. 9.7.1 des Streitwertkataloges zugrundeliegenden Bebauung des Nachbargrundstücks vergleichbar; dort liegt die Bebauung mit einem Wohngebäude zu Grunde. (Rn. 6) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

W 4 K 17.648 2019-07-02 VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

Der Streitwert wird in Abänderung des in Nr. 3 des Vergleichs vom 2. Juli 2019 vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwertes für das Verfahren W 4 K 17.648 auf 3.000,– Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

1. Die von den Bevollmächtigten der Beigeladenen in eigenem Namen eingelegte Beschwerde, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG zulässig.
Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Streitwert vom Verwaltungsgericht unter Nr. 3 in den Vergleich vom 2. Juli 2019 mit aufgenommen wurde. Zwar hat das Verwaltungsgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss festzusetzen, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren – wie hier durch Vergleich – anderweitig erledigt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). Dies ist durch die Aufnahme des Streitwertes in den Vergleich zwar nicht in der gebotenen Form erfolgt. Dieser Regelung und der Feststellung des Vorsitzenden im Protokoll über den Augenschein vom 2. Juli 2019, dass das Verfahren damit beendet ist, lässt sich aber jedenfalls der Wille des Gerichts zur verfahrensabschließenden Streitwertfestsetzung entnehmen (vgl. Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGK, JVEG, 4. Auflage 2019, § 63 GKG Rn. 8).
2. Die Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das Verfahren zu niedrig festgesetzt.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde, derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013). In baurechtlichen Nachbarklagen, in denen es nicht zuerst um den Wert oder die Kosten eines Bauvorhabens, sondern um die Geltendmachung von Nachbarrechten geht (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2016 – 9 C 16.669 – juris Rn. 3), geht der Senat üblicherweise vom unteren Wert des in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 vorgeschlagenen Streitwertrahmens aus und setzt regelmäßig einen Streitwert in Höhe von 7.500 Euro fest (BayVGH, B.v. 1.8.2019 – 9 C 19.1331 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Der in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 angegebene Rahmen erlaubt für den Regelfall eine praktikable Handhabung der Streitwertfestsetzung, vermeidet bei einer Nebenentscheidung nicht angemessenes, umständliches Differenzieren und macht das Prozessrisiko für die Beteiligten überschaubar. Gleichwohl kann nach den Maßstäben des § 52 Abs. 1 GKG von den im Streitwertkatalog ausgewiesenen Beträgen abgewichen werden, wenn der Einzelfall dazu Anlass gibt (vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2012 – 9 C 11.2583 – juris Rn. 3; siehe auch: Amtliches Begleitschreiben zum Streitwertkatalog 2013, abgedruckt im BDVR-Rundschreiben, Beilage zu Heft 4/2013 sowie Nr. 3 der Vorbemerkungen).
Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs liegt die Bebauung des Nachbargrundstücks mit einem Wohngebäude zugrunde (vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2013 – 2 C 13.1483 – juris Rn. 3) und wird regelmäßig auch bei Nachbarklagen gegen sonstige Gebäude (vgl. Art. 2 Abs. 2 BayBO) angewandt (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.639 – juris Rn. 53 [Carport]; B.v. 14.7.2016 – 1 ZB 15.443 – juris Rn. 9 [Gartenhaus]; VGH BW, B.v. 9.4.2019 – 8 S 1527/17 – juris Rn. 81 [Nebenanlage]). Hier geht es dagegen um eine Nachbarklage gegen eine isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Wochenendgebiet Wintersbach“ der Beklagten für die Errichtung eines Sichtschutzzaunes aus Fichtenholz, der mit einer Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs zugrundeliegenden Bebauung des Nachbargrundstücks nicht ohne Weiteres vergleichbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2011 – 2 B 11.297 – juris Rn. 44). Dementsprechend sieht auch der Streitwertkatalog der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610 f.) bei Nachbarklagen zwar regelmäßig einen Betrag in Höhe von 7.500 Euro bis 20.000 Euro vor, jedoch ist für Abweichungen nach unten ein Betrag von mindestens 1.500 Euro vorgesehen. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und unter Berücksichtigung der Gesamtmaße der Zaunanlage (1,90 m Höhe x 20 m Breite) sowie der baulichen Ausführung ist der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert in Höhe von 500 Euro zu niedrig und erscheint ein Streitwert in Höhe von 3.000 Euro für die Nachbarklage gegen die Zaunanlage ermessensgerecht (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2010 – 14 B 09.2059 – juris Rn. 9). Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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