Baurecht

Nachbarklage gegen Verlängerung eines Vorbescheids für Einfamilienhaus

Aktenzeichen  M 9 K 19.5605

Datum:
2.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12276
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 1
BGB § 917 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine fehlende Erschließung ist grundsätzlich nicht drittschützend. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann gegeben, wenn die wegen einer fehlenden Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf das Duldenmüssen eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB befürchten lässt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beigeladenen zu 1). Die Beigeladene zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckungen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sachlage geklärt und die Rechtslage einfach ist, § 84 Abs. 1 VwGO. Die Beteiligten wurden angehört; das Einverständnis der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die Verlängerung des Vorbescheids mit Bescheid des Beklagten vom 21. Oktober 2019 verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dem entsprechend findet im vorliegenden Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Kläger als Nachbarn ein Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. z.B. BayVGH B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017). Diese Grundsätze gelten auch für die Verlängerung eines Vorbescheids.
Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger als Eigentümer des Grundstücks FlNr. 2847 Klage erhoben hat. In Bezug auf die ebenfalls in seinem Eigentum stehende FlNr. 2773 fehlt es augenscheinlich bereits an einer möglichen Rechtsverletzung, da das Grundstück nicht an das Vorhabensgrundstück FlNr. 2846 angrenzt. Es erschließt sich nicht, inwiefern auch nur theoretisch ein Notwegerecht entstehen könnte, da die Grundstücke durch den Geh- und Radweg FlNr. 2776 und das Grundstück FlNr. 2775 getrennt sind.
Die mit dieser Einschränkung zulässige Klage ist unbegründet, da der verfahrensgegenständliche Vorbescheid keine Rechte des Klägers schützende Vorschriften verletzt. Ein Notwegerecht steht nicht im Raum, da das Vorhabensgrundstück des beigelanden Bauherrn, FlNr. 2846, wegemäßig erschlossen ist.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss bei einem Vorhaben innerhalb einer im Zusammenhang bebauten Ortschaft die Erschließung gesichert sein. Eine fehlende Erschließung ist grundsätzlich nicht drittschützend, da sie nur dem öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dient. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann gegeben, wenn die wegen einer fehlenden Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf das Dulden müssen eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB befürchten lässt. In einem solchen Fall wäre der Nachbar in seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 GG beeinträchtigt (VG München U.v. 23.11.2016 – M 9 K 15.4601 und BayVGH B.v. 23.8.2010 – 2 ZB 10.1216). Im vorliegenden Fall ist zur Erschließung des Vorhabensgrundstücks eine Benutzung des klägerischen Grundstücks nicht notwendig. Das klägerische Grundstück liegt südlich und westlich des Vorhabengrundstücks. Der Wohnweg FlNr. 2843/4 grenzt auf einer Länge von ca. 10 m im Westen an das Vorhabensgrundstück. Der Wohnweg mündet in einen weiter nördlich verlaufenden öffentlichen Weg, über den nach den in den Akten befindlichen Plänen (z.B. Bl. 71 Behördenakte) mehrere Grundstücke erschlossen werden. Der gesamte Vortrag des Klägers in umfangreichen Schreiben über die unzureichende Widmung und Sicherung dieser Wege durch Grundbucheintrag kann nicht zu einer Rechtverschlechterung für sein Grundstück führen, da diese Wege im Osten und Norden liegen und nicht an seine Grundstücke grenzen. Die Verletzung von fremden Nachbarrechten der dortigen Anlieger kann der Kläger nicht geltend machen.
Die Verletzung sonstiger nachbarschützender Regelungen ist nicht erkennbar und wurde vom Kläger nicht vorgetragen.
Da vorliegend ausgeschlossen ist, dass der Kläger in eigenen Rechten durch die Verlängerung des Vorbescheids verletzt wird, bestand keine rechtliche Veranlassung, seinen umfangreichen Beweisanträgen nachzugehen. Da kein Enteignungsverfahren durchgeführt wurde, erschließt sich nicht, warum Enteignungsakten beigezogen werden sollten. Da das Vorhabensgrundstück an der vom Kläger abgewandten Seite über einen Wohnweg an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen wird, bedarf es keiner Beiziehung der Widmungsunterlagen. Die Wirksamkeit der Widmung betrifft keine eigenen Rechte des Klägers im Hinblick auf die Gefahr eines Notwegerechts. Es ist realistischerweise nicht schlüssig, dass eine unzureichende rechtliche Erschließung bei ausreichender faktischer Erschließung im Westen dazu führen könnte, ein Notwegerecht auf einem Geh- und Fußweg unter Inanspruchnahme von Teilen des klägerischen Grundstücks im Osten zu begründen. Die früheren Entscheidungen des Gerichts aus dem Jahre 1992/1993 sind bekannt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Der Bevollmächtigte des Beigeladenen zu 1) hat einen Antrag gestellt, so dass es im Hinblick auf das Kostenrisiko der Billigkeit entspricht, seine außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt und trägt daher ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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