Baurecht

Nachbarklage, Gesicherte Erschließung, Drittschutz (hier verneint)

Aktenzeichen  M 9 K 20.4977

Datum:
26.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16944
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die den Beigeladenen zu 1 und 2 erteilte Baugenehmigung vom 25. September 2020 nicht in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gegenstand der Anfechtungsklage ist die Baugenehmigung vom 25. September 2020. Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind und diese Vorschriften auch im konkreten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die den Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. statt aller z. B. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
1. Die Klägerin ist nicht aufgrund einer ihrerseits vorgetragenen fehlenden gesicherten Erschließung des streitgegenständlichen Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.
Über die Frage, ob für das streitgegenständliche Vorhaben die Erschließung in bauplanungsrechtlicher Hinsicht gesichert ist, musste die erkennende Kammer nicht befinden. Denn den oben angeführten Maßstab zugrundegelegt war vorliegend allein zu prüfen, ob durch die streitgegenständliche Genehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Schutz des Nachbarn dienen, verletzt sind. Die ist vorliegend nicht der Fall. Eine ggf. fehlende Erschließung ist grundsätzlich nicht drittschützend, da sie nur dem öffentlichen Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dient (BayVGH B.v. 11.4.2011 – 2 ZB 09.3021; B.v. 27.7.2018 – 1 CS 18.1265). Eine Ausnahme hiervon ist nur dann gegeben, wenn eine wegen fehlender Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf das Duldenmüssen eines Notweg- oder Notleitungsrechts nach § 917 Abs. 1 BGB bewirkt (VG München, U.v. 23.11.2016 – M 9 K 15.4601 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 23.8.2010 – 2 ZB 10.1216 – juris Rn. 3). Denn in diesem Fall wäre er in seinen Rechten aus Art. 14 GG verletzt.
Eine unmittelbare Rechtsverschlechterung auf Seiten der Klägerin ist weder im Hinblick auf die straßenmäßige noch die leitungsmäßige Erschließung erkennbar. Denn die wassermäßige Erschließung des Vorhabengrundstücks erfolgt nicht über das Grundstück der Klägerin (FlNr. …). Das Vorhabengrundstück ist dem klägerischen Grundstück betreffend die trinkwassermäßige Erschließung aus R. … vorgelagert. Aus diesem Grund ist auch sinnvollerweise 1985 eine Grunddienstbarkeit (Wasserbezugs- und Wasserleitungsrecht, Urkunde Nr. 1689/1985U vom 1. Oktober 1985 – Bl. 53 ff. GA) für das Grundstück der Klägerin auf dem Vorhabengrundstück bestellt und eingetragen worden und nicht umgekehrt. Vor diesem Hintergrund ist somit ausgeschlossen, dass auf dem klägerischen Grundstück eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf das Dulden eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB bewirkt wird.
2. Eine Verletzung drittschützender Vorschriften ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit der Klägerin auf dem Vorhabengrundstück. Denn nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Vereinbarkeit eines Bauvorhabens mit einem beschränkt-dinglichen Recht, vorliegend der Grunddienstbarkeit der Klägerin, nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung, was sich aus Art. 68 Abs. 5 BayBO herleitet. Ein derartiges Recht begründet dementsprechend kein Abwehrrecht des Nachbarn gegen die Baugenehmigung (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris, Rn. 18; vgl. bspw. Auch BayVGH, B.v. 25.11.2013 – 2 CS 13.2267 – juris; B.v. 1.6.2016 – 15 CS 16.789 – juris und OVG NW, B.v. 10.8.2016 – 7 A 2584/15 juris). Private Rechte, wie die Grunddienstbarkeit der Klägerin auf dem Vorhabengrundstück, werden durch die Erteilung einer Baugenehmigung weder berührt noch sagt die Baugenehmigung hierüber etwas aus (BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris; VG München, B.v. 1.8.2016 – M 11 SN 16.2976 – juris; VG München B.v. 21.7.2017 – M 9 SN 17.1897 – juris). Die Klägerin kann deshalb aus der ihr zustehenden Grunddienstbarkeit keine Einwendungen gegen die Baugenehmigung ableiten. Inwieweit die Grunddienstbarkeit der Klägerin auf dem Vorhabengrundstück durch das streitgegenständliche Vorhaben und die damit zusammenhängenden Stellplätze und andere Vorhaben im Übrigen überhauptbetroffen sein soll erschließt sich dem Gericht ohnehin nicht. Unabhängig davon obliegt die Entscheidung über zivilrechtliche Fragestellung und etwaige, aus der Dienstbarkeit der Klägerin resultierende Abwehrrechte den Zivilgerichten.
3. Belange des Landschaftsschutzes entfalten keinen Drittschutz (vgl. dazu BayVGH B.v. 27.7.2010 – 15 CS 10.37 – BeckRS 2011, 46562 – beckonline). Unabhängig davon, dass die Klägerin allein die streitgegenständliche Baugenehmigung zum Gegenstand ihrer Klage gemacht hat wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch Verfahrensvorschriften (eventuell ohne Baugenehmigung errichtete Vorhaben auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1 und 2) „nur“ dem öffentlichen Interesse und nicht dem Schutz des Nachbarn (vgl. hierzu Robl in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 17. Edition, Stand: 01.01.2021, Rn. 21) dienen, die Klägerin sich mithin insofern nicht auf eine Verletzung ihrer Rechte berufen kann.
4. Dass und aus welchen Gründen die Erschließung bei dem beantragten Vorhaben der Klägerin als nicht gesichert angesehen wurde, ist für die streitgegenständliche Baugenehmigung, über die allein das Gericht vorliegend entscheiden kann, ohne Belang.
5. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt, sich mithin auch in kein Kostenrisiko begeben. Es entspricht somit nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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