Baurecht

Nachbarklage, Sondereigentümer, Baugenehmigung für eine Außenbewirtschaftung, Immissionsschutzrechtliche Gesamtbetrachtung von Innen- und Außenbewirtung erforderlich, Gebot der Rücksichtnahme

Aktenzeichen  Au 5 K 21.41

Datum:
9.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 51972
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 4
BauNVO § 15

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2020 (Gz. *) wird aufgehoben.
II.Die Kosten des Verfahrens haben die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweiligen Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger ist klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO. Er kann sich als unmittelbar angrenzender Nachbar im baurechtlichen Sinn auf die Möglichkeit der Verletzung in drittschützenden Normen berufen. Als Sondereigentümer einer unmittelbar dem streitgegenständlichen Vorhaben gegenüberliegenden Wohnung kann der Kläger eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums geltend machen (VGH BW, U.v. 13.7.2017 – 5 S 2602/15 – juris Rn. 34; BayVGH, B.v. 24.11.2016 – 1 CS 16.2011 – juris Rn. 4).
Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO wurde eingehalten.
2. Die Klage ist auch begründet, weil der angefochtene Bescheid gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
Eine Baunachbarklage kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nur dann Erfolg haben, wenn die erteilte Genehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind und dieser dadurch in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 4 m.w.N.). Eine Verletzung von Nachbarrechten kann darüber hinaus wirksam geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, dem drittschützende Wirkung zukommen kann. Darüber hinaus muss die Baugenehmigung für einen Erfolg der Klage gegen eine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Vorschrift verstoßen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 a.a.O. Rn. 20). Vorliegend verstößt die angefochtene Baugenehmigung gegen das im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Beurteilung zu prüfende, nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BaunutzungsverordnungBauNVO).
a) Der Kläger hat seine nachbarlichen Abwehrrechte nicht verwirkt.
Im streitgegenständlichen Bescheid wird darauf abgestellt, dass die Nachbarn ihre materiellen Abwehrrechte verwirkt hätten, weil bereits im Jahr 2009 dem damaligen Pächter eine Erlaubnis nach § 2 GastG erteilt worden sei. Die Nachbarschaft habe die auf dieser Grundlage betriebene Nutzung der Gaststätte mit Außenbewirtung wissentlich geduldet und damit stillschweigend zugestimmt. Es kann offen bleiben, ob die auf Bauplanungsrecht beruhenden nachbarlichen Abwehrrechte auch verwirken können, wenn – wie hier – eine bauplanungsrechtliche Prüfung bislang nicht stattgefunden hat und nur eine gaststättenrechtliche Erlaubnis erteilt wurde. „Verwirken“ kann ein Schutzanspruch, der auf einer Schutznormverletzung beruht (BayVGH, U.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – juris Rn. 22). Im Fall einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis (hier: Erlaubnis nach § 2 GastG vom 2. März 2009) kommt als Schutznorm § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG in Betracht, der Drittschutz vermittelt (s. hierzu OVG NW, U.v. 9.12.1992 – 4 A 2033/90 – juris Rn. 46) und der dem Nachbarn Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen i.S. des § 3 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) bieten kann. Insoweit gleicht er in seinem Regelungsgehalt § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, soweit es um schädliche Umwelteinwirkungen geht. Allerdings spielt im gaststättenrechtlichen Verfahren beispielsweise die Frage des Gebietserhaltungsanspruchs, der im Bauplanungsrecht verankert ist, keine Rolle.
Vorliegend ist jedoch selbst für den Fall einer „Verwirkung“ davon auszugehen, dass die nachbarlichen Abwehrrechte jedenfalls wieder „aufgelebt“ sind, weil mit der streitgegenständlichen Genehmigung eine intensivere Beeinträchtigung der nachbarlichen Rechtsposition im Vergleich zur gaststättenrechtlichen Erlaubnis vom 2. März 2009 einhergeht. Dieser bestandskräftigen Erlaubnis lagen 50 Plätze im Wirtsgarten auf einer Fläche von 60 m² zugrunde. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 2020 wurden 66 Plätze auf 109 m² genehmigt. Damit wird die Zahl der Plätze um 32%, die Fläche für die Außenbewirtung um 81% erhöht. Angesichts der Lage der genehmigten Außenbewirtung in unmittelbarer Nähe von Wohnnutzung bedeutet eine derartige Steigerung eine deutliche qualitative Veränderung der nachbarlichen Situation, die eine Neubewertung erforderlich macht. Damit leben die nachbarlichen Abwehrrechte jedenfalls wieder auf (s. hierzu BayVGH, U.v. 31.7.2020 a.a.O. Rn. 39). Nur ergänzend wird angemerkt, dass auf die gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 1. August 2019, mit der 100 Plätze im Außenbereich genehmigt worden waren, in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden kann. Die Erlaubnis erfolgte ausdrücklich unter der Bedingung „vorbehaltlich einer noch zu erteilenden baurechtlichen Genehmigung“, welche jedoch nie erteilt wurde.
b) Der streitgegenständliche Bescheid ist hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG).
Aus der Betreffzeile, dem Tenor und der Begründung des angefochtenen Bescheids in Verbindung mit der in Bezug genommenen Betriebsbeschreibung vom 24. November 2020 ergibt sich eindeutig, dass mit dem Bescheid ausschließlich die Neugestaltung der Außenbewirtschaftung genehmigt wurde. Soweit in die Beurteilung der immissionsschutzrechtlichen Situation auch die teilweise Bewirtschaftung aus der Gaststätte heraus und insbesondere der Betrieb der Küche mit einbezogen wurden, war dies erforderlich, um die Auswirkungen der Außenbewirtung in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine „konkludente“ Legalisierung der Innenbewirtung, die zu einer Unbestimmtheit oder Widersprüchlichkeit des Bescheids führen könnte, sondern vielmehr um die Frage, ob die im Bescheid festgelegten Immissionsrichtwerte im tatsächlichen Betrieb unter Berücksichtigung eines Gaststättenbetriebs im Innern auch tatsächlich eingehalten werden können (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 24).
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger als Sondereigentümer sich überhaupt auf die Verletzung des allgemeinen Gebietserhaltungsanspruchs berufen kann (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 – juris Rn. 3; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 9a Rn. 99), denn das streitgegenständliche Vorhaben ist seiner Art nach bauplanungsrechtlich zulässig.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB), da das streitgegenständliche Grundstück – wie auch das Sondereigentum des Klägers – unstreitig im unbeplanten Innenbereich liegt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die nähere Eigenart der Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der BauNVO bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.
Die nähere Umgebung stellt sich vorliegend nach Auffassung des Gerichts als Allgemeines Wohngebiet (WA) i.S. des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO dar. Dies ergibt sich aus Folgendem:
aa) Als nähere Umgebung ist grundsätzlich der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder beeinflusst (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 33; B.v. 20.8.1998 – 4 B 79/98 – juris Rn. 7). Der räumliche Umkreis, innerhalb dessen die tatsächlich vorhandene, städtebauliche Situation zu bewerten ist, lässt sich nicht schematisch, etwa durch Angabe von bestimmten Entfernungen, beurteilen. Es ist daher die gesamte städtebauliche Situation zu würdigen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B. v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Grundsätzlich gelten als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegenden Straßenseiten (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2010 – 2 ZB 08.2775 – juris Rn. 4; B. v. 30.1.2013 – 2 ZB 12.198 – juris Rn. 5). Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der Art der baulichen Nutzung kann der maßgebliche prägende Umgebungsbereich jedoch auch weiter zu ziehen sein als etwa bei der eher kleinräumig ausgerichteten Beurteilung des Nutzungsmaßes oder der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – juris Rn. 65 m.w.N.). Auch die auf dem Vorhabengrundstück vorhandene Bebauung ist dabei zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 22.9.1967 – 4 C 109.65 – juris Rn. 18).
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ist vorliegend davon auszugehen, dass die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks als Allgemeines Wohngebiet i.S. des § 4 BauNVO anzusehen ist.
Es spricht zunächst nach Auffassung der Kammer einiges dafür, dass als „nähere Umgebung“ das Straßengeviert 3*straße, 2*straße, 1*Straße und 4*straße sowie die östlich entlang der 3*straße bestehende Wohnbebauung anzusehen ist. Zwar befinden sich im näheren Umfeld des Vorhabengrundstücks – mit Ausnahme der Schank- und Speisewirtschaft selbst – nach den Erkenntnissen des Augenscheinstermins – tatsächlich im Wesentlichen reiner Geschosswohnungsbau sowie Betriebsstätten freier Berufe i.S. des § 13 BauNVO. Der früher in der 4*straße 3 gelegene Betrieb für Sanierungsarbeiten ist dort nach den Erkenntnissen der Beklagten offensichtlich nicht mehr ansässig. Die gewerblichen Nutzungen entlang der 1*Straße, beispielsweise das Stadthotel und die Fahrschule, sind ihrer Art nach nur in einem Allgemeinen Wohngebiet zulässig. Die Nutzungen liegen nicht in einem eigenen Bebauungsplangebiet, sondern ebenfalls im unbeplanten Bereich. Sie befinden sich zwar an der Westseite des maßgeblichen Straßengevierts und damit am Weitesten vom Vorhabengrundstück entfernt. Dennoch legt es die nach außen wirkende Struktur und Nutzung des Gebiets nicht nahe, von einem klaren Strukturunterschied zwischen den Nutzungen entlang der 1*Straße und der Nutzung im östlich gelegenen Teil des Straßengevierts, insbesondere entlang der 3*straße zu sprechen. Eine klare Zäsur qualitativer oder quantitativer Art, die eine Differenzierung in der Festlegung des Gebietscharakters nahelegen würde, lässt sich am tatsächlich Vorhandenen nicht ablesen (s. hierzu BayVGH, U.v. 2.8.2017 – 2 B 17.544 – juris Rn. 16). Das oben bezeichnete Straßengeviert ist klar umrissen und wird als ein von vier Straßen begrenztes, typisches städtisches Quartier, wahrgenommen. In seiner Nutzung mag es einen Schwerpunkt gewerblicher Nutzung i.S. des § 4 BauNVO entlang der 1*Straße geben. Dennoch setzt sich das restliche Gebiet nicht in Form einer klaren Zäsur von diesen Nutzungen ab. Vielmehr ist auch die nach Osten bis zur 3*straße anschließende Wohnnutzung von vielerlei gewerblichen Nutzungen durchzogen, die allerdings, soweit sie nach außen in Erscheinung treten, wohl auch im Reinen Wohngebiet zulässig wären. Dennoch weist das Straßengeviert eine für städtische Bereiche oftmals typische Nutzungsstruktur auf, in der sich gewerbliche Nutzungen eher entlang eines größeren Straßenzugs finden und die Wohnnutzung, je weiter man in das Gebiet vordringt, umso dominierender wird. Dies zeichnet aber durchaus auch Allgemeine Wohngebiete aus. Eine „Durchmischung“ wie bei einem Mischgebiet ist hier nicht zu fordern. Bis zur Geschäftsverlagerung der Sanierungsfirma aus der 4*straße 3 – wohl im Laufe des Jahres 2021 – fand sich zudem mit dieser Firma auch in unmittelbarer Nähe des Vorhabengrundstücks ein Betrieb, der seiner Art nach nur in einem Allgemeinen Wohngebiet zulässig ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Betrieb zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids, der regelmäßig bei der Nachbarklage maßgeblich ist, noch bestanden hat, oder ob er im Hinblick auf den Gebietscharakter jedenfalls noch nachprägende Wirkung entfaltet, da auch die bestehende Gaststätte auf dem Vorhabengrundstück selbst berücksichtigt werden muss.
Die Gaststätte der Beigeladenen prägt die nähere Umgebung maßgeblich, ohne ein zu vernachlässigender Fremdkörper zu sein. Dabei ist unbeachtlich, ob für den Betrieb der Schank- und Speisewirtschaft eine baurechtliche Genehmigung vorliegt. Wesentlich ist, ob die Bebauung von den zuständigen Behörden in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich mit dem Vorhandensein der Gebäude abgefunden haben (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2021, § 34 Rn. 35). Dies gilt in gleicher Weise für die Nutzung eines Gebäudes (Söfker, a.a.O. Rn. 35a). Spätestens mit der Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis vom 2. März 2009 für die seit Jahrzehnten bestehende und der Beklagten bekannte Schank- und Speisewirtschaft (einschließlich einer Außenbewirtung) haben die zuständigen Behörden deutlich gemacht, dass sie sich mit dem Vorhandensein der Gaststätte abgefunden haben und ein möglicherweise bauaufsichtliches Einschreiten wegen einer fehlenden Baugenehmigung nicht in Betracht gezogen wird. Aus dem Verhalten der Beklagten ergibt sich gerade nicht, dass eine Beseitigung absehbar ist (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 31.66 – juris Rn. 22). Solange die zuständigen Behörden die vorhandene Bebauung oder die ausgeübte Nutzung trotz materieller Illegalität dulden oder wegen formeller Legalität zu dulden haben, nimmt diese bestehende Bebauung an der Qualifizierung der vorhandenen Situation teil. Denn § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB stellt maßgeblich auf die tatsächlich vorhandene städtebauliche Situation ab (BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – juris Rn. 14). Die Schank- und Speisewirtschaft auf dem Vorhabengrundstück stellt auch keinen zu vernachlässigenden Fremdkörper dar. Zu vernachlässigen ist solcher Baubestand, der nach seinem quantitativen Erscheinungsbild nicht geeignet ist, die nähere Umgebung zu beeinflussen oder qualitativ in auffälligem Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Ob eine solche bauliche Anlage als Fremdkörper außer Acht zu lassen ist, richtet sich schließlich danach, inwiefern der Charakter der Umgebung aufgrund der Andersartigkeit und Einzigartigkeit des Objekts nicht beeinflusst wird (BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – juris Rn. 12 ff.). Die bestehende Gaststätte prägt jedoch ihre nähere Umgebung durch die Art des Geschäftsbetriebs, ihre Größe und ihr Erscheinungsbild schon seit Jahrzehnten auch nach außen. Zusammen mit dem (vermutlich bis zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch vorhandenen) Gewerbebetrieb in der *straße 3 verlieh sie der näheren Umgebung den Charakter eines Allgemeinen Wohngebiets. Zudem bildet sie nach wie vor gemeinsam mit den Nutzungen entlang der *Straße gleichsam eine Klammer, die die daneben und dazwischen liegende Wohnbebauung umschließt und ihr letztlich die Prägung eines Allgemeinen Wohngebiets verleiht.
Die Gaststätte der Beigeladenen ist in diesem Allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig. Es handelt es sich dabei nach Auffassung der Kammer um eine der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach objektiven Merkmalen wie Art, Umfang, Lage, Größe, Ausstattung und Typik des Betriebs. Das Betriebskonzept hat dabei indizielle Bedeutung (BVerwG, U.v. 29. 10. 1998 – 4 C 9.97 – juris Rn. 11; VGH BW, U.v. 21.6.1994 – 5 S 2726/93 – juris Rn. 26). Sinn und Zweck der Voraussetzung ist der gebietstypische Schutz der Wohnruhe, indem bestimmte Versorgungsangebote auf die fußläufig erreichbare Nahversorgung beschränkt werden (BVerwG, B.v. 3.9.1998 – 4 B 85.98 – juris Rn. 5; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2021, § 4 BauNVO Rn. 36). Der Betrieb muss sich danach dem Allgemeinen Wohngebiet, in dem er liegt, funktional zuordnen lassen, was sich maßgeblich danach richtet, ob die Anlage objektiv geeignet ist, ihren Umsatz wenigstens zu einem mehr als nur unerheblichen Umfang aus dem Baugebiet zu beziehen (Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 4 Rn. 15). Ein Funktionszusammenhang zwischen der Versorgung und dem maßgeblichen Gebiet fehlt jedoch, wenn die Gaststätte auf einen Personenkreis ausgerichtet ist, der nahezu zwangsläufig An- und Abfahrtsverkehr mit den damit verbundenen gebietsinadäquaten Begleiterscheinungen verursacht (BVerwG, U.v. 20.3.2019 – 4 C 5.18 – juris Rn. 16). Nicht erforderlich ist jedoch, dass der Betrieb für die Gebietsversorgung „notwendig“ ist, so dass es unerheblich ist, ob es weitere vergleichbare Betriebe im Gebiet gibt (VGH BW, B.v. 19.10.1999 – 5 S 1824/99 – juris Rn. 5). Dies zugrunde gelegt, dient die Gaststätte des Beigeladenen (noch) der Gebietsversorgung i.S. des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO. Nach Auffassung der Kammer kann sie jedenfalls einen maßgeblichen Umsatzanteil aus dem umliegenden, dem Nahversorgungsbereich zuzurechnenden Gebiet generieren. Dabei ist ein Umsatzanteil von 60% ausreichend (OVG Berlin-Bbg, B.v. 21.12.2011 – OVG 10 S 29.10 – juris Rn. 15). Mit der angefochtenen Baugenehmigung wurden für die Außenbewirtung 66 Plätze im Wirtsgarten genehmigt. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Gaststätte in einem von massivem Geschosswohnungsbau geprägten Stadtviertel liegt. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl der Bewohner eher der „Mittelschicht“ angehört, die als Zielgruppe der Gaststätte angesichts des konkreten Angebots und der Ausgestaltung des Betriebs durchaus in Betracht kommt (so schließt sich östlich an die *straße das sog. „*viertel“ an). Allein das *viertel, in dem die Gaststätte liegt und das im Umgriff der fußläufigen Erreichbarkeit liegt, weist unstreitig ca. 3.400 Haushalte auf. Nach den Berechnungen des Klägerbevollmächtigten (Schriftsatz vom 22.3.2021, S. 21) erfordert ein wirtschaftlicher Betrieb der Außenbewirtung mit 66 Tischen unter der Annahme, dass jeder 4. Haushalt einmal im Monat die Gaststätte aufsucht, ein Gebiet mit 2.000 Haushalten. Dies entspricht jedoch ungefähr 60% der Haushalte aus dem *viertel. Realistischerweise muss die Kalkulation des Betreibers darauf abgestellt sein, dass sich bei gutem Wetter die überwiegende Zahl der Gäste im Außenbereich aufhält, während im Innenbereich wenig bis kaum Betrieb ist, umgekehrt bei schlechtem Wetter und in den Wintermonaten die Gäste nur innen bewirtet werden können. Für ein auf die Versorgung des Gebiets ausgerichtetes Konzept des Betreibers spricht zudem neben den Angaben in der Betriebsbeschreibung auch die Lage der Gaststätte. Diese liegt abseits viel befahrener Straßen, die Zu- und Durchfahrt für Pkw ist angesichts der engen Straßenverhältnisse erschwert, in unmittelbarer Nähe gibt es praktisch keine Parkmöglichkeiten. Spontanbesucher sind deshalb nicht zu erwarten, vielmehr spricht alles dafür, dass die Gaststätte überwiegend nur gezielt von Gästen im näheren Umfeld aufgesucht wird, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommen.
Nachdem das Vorhaben demnach nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in einem Allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig ist, liegt keine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs vor. Die Frage, ob der Kläger sich überhaupt darauf berufen könnte, kann deshalb dahingestellt bleiben.
dd) Der Kläger kann sich jedoch auf eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme berufen (§ 34 Abs. 2, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO).
Auch eine Schank- und Speisewirtschaft, die im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO der Versorgung eines allgemeinen Wohngebiets dient, kann gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen (BVerwG, B.v. 8.7.2020 – 4 B 44/19 – Orientierungssatz). Bei der Beurteilung, ob die genehmigte Außenbewirtung mit einer so starken Lästigkeit verbunden ist, dass sie unzumutbar im Rechtssinne ist, ist auf die jeweiligen besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen (BVerwG, B.v. 8.7.2020 a.a.O. Rn. 8; BVerwG, B.v. 3.8.2010 – 4 B 9/10 – juris Rn. 3; OVG NW, U.v. 6.9.2019 – 7 A 1174/17 – juris Rn. 35). Dabei kommt auch in einem Allgemeinen Wohngebiet den mit dem Wohnen verknüpften Lärmschutzerfordernissen besonderes Gewicht zu (OVG NW, U.v. 6.9.2019 a.a.O. Rn. 32). Bei der Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG in Form unzumutbarer Lärmimmissionen vorliegen, kann auf die TA-Lärm als Orientierungshilfe bzw. als antizipiertes Sachverständigengutachten zurückgegriffen werden, weil die TA-Lärm nach Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b TA-Lärm für Freischankflächen nicht unmittelbar gilt (vgl. BVerwG, B.v. 3.8.2010 – 4 B 9.10 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 6.9.2016 – 1 BV 15.2302 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – Rn. 31). Durch die Richtwerte für Schallpegel nach der TA-Lärm ist demnach nicht abschließend bestimmt, ob eine geltend gemachte Beeinträchtigung durch Geräusche die für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots maßgebliche Zumutbarkeitsschwelle überschreitet. Ob die Anlage in einer die Rechte des Nachbarn verletzenden Weise rücksichtslos ist, kann vielmehr nur aufgrund einer einzelfallbezogenen Bewertung aller ihrer Auswirkungen beurteilt werden (BVerwG, B.v. 22.9.1998 – 4 B 88.98 – juris Rn. 5). Entscheidend ist demnach eine einzelfallbezogene Betrachtung unter Berücksichtigung der Art und Lästigkeit der Schallereignisse, des hervorgerufenen Beurteilungspegels, der Dauer, Häufigkeit, Impuls-, Ton- und Informationshaltigkeit sowie des Zusammenwirkens dieser Faktoren, um feststellen zu können, ob die Außenbewirtung unabhängig von der Einhaltung der Immissionsrichtwerte zumutbar ist (BayVGH, B.v. 27.12.2017 a.a.O. Rn. 31; OVG NW, U.v. 6.9.2019 a.a.O. Rn. 35). Diese einzelfallbezogene Betrachtung führt vorliegend nach Auffassung der Kammer zu einer Unzumutbarkeit des Vorhabens gegenüber dem Kläger.
Nach Auffassung der Kammer ist trotz der Auflagen zum Immissionsschutz unter Ziffer II.1 – 5 des angefochtenen Bescheids nicht hinreichend sichergestellt, dass der maßgebliche Immissionsrichtwert von 55 dB(A) tagsüber (Nr. 6.1. Buchst. e TA-Lärm) im tatsächlichen Betrieb auch zuverlässig eingehalten werden kann. Angesichts der in enger räumlicher Nachbarschaft, innerhalb der Abstandsflächen liegenden umgebenden Wohnbebauung muss vorliegend eine „worst-case“-Betrachtung angestellt werden. Das von der Beigeladenen hierzu vorgelegte Schallschutzgutachten „*“ kommt an den nächstgelegenen Immissionsorten an der Wohnung des Klägers zu Beurteilungspegeln bis zu 54 dB(A). Dabei wurde auf einen flächenbezogenen Ansatz und nicht auf den personenbezogenen Ansatz abgestellt, weil hier der Gesamtschallleistungspegel mit 84 dB(A) über dem personenbezogenen Ansatz mit 83 dB(A) liege. Unter Zugrundelegung desselben flächenbezogenen Ansatzes kommt der von der Klägerseite beauftragte Gutachter in seinen Berechnungen für die Sonntage bei den Immissionsorten am Wohngebäude des Klägers (EG) zu Ansätzen bis zu 55,4 dB(A). Bereits dies deutet darauf hin, dass die Immissionsrichtwerte durch die Außenbewirtung nur unter günstigsten Umständen gerade noch eingehalten werden können. Im Gutachten „*“ wurde dabei beim personenbezogenen Ansatz mit nur 25% gleichzeitig sprechender Gäste in „normaler“ Sprechlautstärke und damit mit den geringstmöglichen Geräuschparametern gerechnet. Es ist jedoch fraglich, ob im Sinne einer „worst-case“-Betrachtung nicht, wie der Gutachter der Klägerseite vorträgt, von einem gleichzeitigen Sprechen von 50% der Gäste und möglicherweise in gehobener Sprechweise hätte ausgegangen werden müssen und die weiteren Berechnungen auf dieser Grundlage hätten erfolgen müssen. Unter der Annahme, dass 50% der Personen gleichzeitig in gehobener Lautstärke sprechen, ergäbe sich jedoch, wie in der mündlichen Verhandlung vom Gutachter der Klägerseite erläutert wurde, eine Erhöhung des Beurteilungspegels um 5 dB(A). Damit würden die Immissionsrichtwerte an den Immissionsorten an der Wohnung des Klägers teilweise überschritten. Die Annahme von 50% gleichzeitig sprechenden Gästen in gehobener Lautstärke erscheint nach Auffassung des Gerichts nicht unrealistisch. Hierfür spricht der besondere Charakter einer Außengastronomie, bei der dem Aspekt der Geselligkeit besondere Bedeutung zukommt, die wegen zusätzlicher Außengeräusche automatisch erhöhte Sprechlautstärke, im konkreten Fall der zusätzlich geräuschverursachende Kiesbelag der Bewirtungsfläche sowie die Anordnung von 6er-Tischen, die ein „Über-Kreuz-Sprechen“ befördert. Vor allem bei der im Internet beworbenen Durchführung von Hochzeiten, Kommunionen, Firmenfesten und ähnlichem im Freien spricht angesichts des geselligen Charakters einiges dafür, dass mindestens 50% der Gäste gleichzeitig in gehobener Lautstärke sprechen. Zudem kommt diesem verhaltensbezogenen Lärm im Hinblick auf die konkrete Lage der Gaststätte in unmittelbarer Nähe der Wohnnutzung eine besondere Lästigkeit zu. Gerade in der Außengastronomie hängt die Lärmbelastung wesentlich von dem Verhalten der Gaststättenbesucher ab und kann vom Gaststättenbetreiber – anders als gewerblicher Lärm im herkömmlichen Sinne – nicht verlässlich gesteuert werden (OVG NW, U.v. 13.11.2009 – 7 A 146/08 – juris Rn. 75). Vorliegend zieht sich die Außenbewirtungsfläche bis in den Zwischenhof zwischen der Gaststätte und dem Wohngebäude *straße 9. Es handelt sich um eine Häuserschlucht in einem sehr dicht und mehrgeschossig bebauten Wohngebiet. Der Abstand von der Wohnung des Klägers zur Grundstücksgrenze beträgt zwischen 1 und 2 m, der Abstand der Bewirtungsfläche zur Grundstücksgrenze beträgt zwischen 3,70 m und 6,95 m. Die zwischen Bewirtungsfläche und Grundstücksgrenze liegende Grünfläche ist nicht versperrt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Bereich von spielenden Kindern ebenso wie von rauchenden Gästen genutzt wird. Damit rückt die Außenbewirtung mit den damit verbundenen verhaltensbezogenen Geräuschen bis auf ca. 2 m an die Wohnung des Klägers heran. Der Kläger und seine Familie haben keine Möglichkeit, den Geräuschen des Biergartens auszuweichen. Wie sich am Grundriss der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des Klägers zeigt, liegen die Fensteröffnungen der Wohnküche sowie eines Kinderzimmers ausschließlich in Richtung Norden zum Wirtsgarten hin, wenn auch nicht unmittelbar gegenüber. Zum Hinterhof ausgerichtet ist lediglich ein Kinderzimmer. Das in der Nord-Ost-Ecke gelegene Wohnzimmer sowie das Schlafzimmer weisen zwar nur Fenster Richtung Osten zur *straße hin auf. Realistischerweise wird jedoch allein aufgrund der räumlichen Nähe die Geräuschkulisse des Wirtsgartens über diese Fenster ebenfalls wahrgenommen. Zudem ist in diesem Bereich mit einer Lärmbelastung durch ankommende und gehende Gäste auf Gehweg und Straße zu rechnen, gerade auch, wenn die Gartenzäune zum Abstellen von Fahrrädern genutzt werden. In der auf die Gaststätte hin ausgerichteten Wohnung des Klägers verbleibt demnach während der Öffnungszeiten der Außenbewirtung gerade in den Abendstunden und an Sonn- und Feiertagen kein weitgehend ungestörter Ruhebereich mehr, in dem ein Rückzug möglich wäre. Möglichkeiten zur Selbsthilfe gibt es nicht, auch bei geschlossenen Fenstern kann die Geräuschkulisse, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung geschildert hat, nicht ausgeschaltet werden. Damit sind der Kläger und seine Familie den Geräuschen der Außengastronomie und den Lautäußerungen der Gäste, die durch die Reflexionen zwischen den Gebäuden noch verstärkt werden, auf geringem Abstand ungeschützt ausgesetzt.
In dieser besonderen Situation hätte nach Auffassung der Kammer zwingend eine immissionsschutzrechtliche Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung eines möglichen Gaststättenbetriebs auch im Innern gleichzeitig mit der Außenbewirtung angestellt werden müssen (s. hierzu BayVGH, U.v. 21.10.2010 – 14 B 08.1267 – juris Rn. 28). Allein eine immissionsschutzfachliche Begutachtung der Außenbewirtung, ohne die Auswirkungen eines gleichzeitig möglichen Gaststättenbetriebs im Innern mit in den Blick zu nehmen, wird angesichts der kleinräumigen und beengten Lage und der großen Nähe zu den Wohnnutzungen den Belangen der Nachbarschaft nicht gerecht. Es mag sein, wie die Beklagte vorträgt, dass die allein im Zusammenhang mit der Außenbewirtung stehenden Geräusche, beispielsweise aus der Küche, von den Geräuschen der Außenbewirtung überlagert werden und wenige Gäste im Innern bei der Geräuschkulisse im Außenbereich nicht ins Gewicht fallen. Allerdings ist zu bedenken, dass neben einer Belegung des Außenbereichs zeitgleich auch eine Bewirtung in Innern der Gaststätte bis hin zu 70 Personen (vgl. hierzu die gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 12. November 2020) erfolgen darf. Dies schließt der angefochtene Bescheid nicht aus. Nach dem Internetauftritt der Gaststätte wird auch die Durchführung von Hochzeiten, Kommunionen, Firmenfesten und ähnlichen Veranstaltungen mit einem größeren Teilnehmerkreis beworben. Derartige Feste und Veranstaltungen werden üblicherweise in den Gasträumen, vorzugsweise im Frühjahr und Sommer an Wochenenden, an Sonn- und Feiertagen oder in den Abendstunden abgehalten. Gerade bei schönem Wetter ist realistischerweise davon auszugehen, dass der Außenbereich insbesondere im nicht-bestuhlten Teil in unmittelbarer Nähe des klägerischen Wohngebäudes, nicht zuletzt durch spielende Kinder, deren Aufsichtspersonen oder rauchende Gäste, mitbenutzt wird. Eine derartige Gesamtbetrachtung wurde vorliegend jedoch nicht angestellt. Der Bescheid enthält keine Auflagen, die die gleichzeitige Bewirtung im Innen- und Außenbereich, ggf. auch bei einer Vollbelegung aller ca. 136 Plätze in den Blick nehmen und sicherstellen, dass auch in derartigen Konstellationen die Immissionsrichtwerte an den maßgeblichen Immissionsorten an der Wohnung des Klägers hinreichend sicher eingehalten werden können. Dies gilt insbesondere für die Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen und in den Abendstunden (Nr. 6.5 TA-Lärm). Erfahrungsgemäß konzentriert sich die Belegung einer Außenbewirtung auf die Abendstunden und an Sonn- und Feiertagen auch auf die Mittagszeit. Die Bildung eines Mittelwerts, wie in der TA-Lärm vorgesehen, bildet die ungleiche Verteilung des Lärms, die erhöhte Intensität des Lärms gerade in Ruhezeiten und die damit verbundene besondere Belästigung der Nachbarn in der konkreten Lage der Gaststätte in unmittelbarer Nähe der Wohnnutzung nur unzureichend ab. Die Auflage Ziffer II.1 im angefochtenen Bescheid gibt zwar die Einhaltung des Richtwertes von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts vor. Eine Regelung des Lärmschutzes durch zielorientierte Festlegungen der Richtwerte ist jedoch nur zulässig, wenn gewährleistet ist, dass die festgesetzten Werte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können (BayVGH, B.v. 18.3.2021 – 1 CS 20.2788 – juris Rn. 19). Davon ist vorliegend angesichts der isolierten Betrachtung der Außenbewirtung nach Auffassung der Kammer, wie dargestellt, nicht hinreichend sicher auszugehen.
Vor diesem Hintergrund kommt es auf die weitere Frage, ob sich das Vorhaben gegenüber dem Kläger auch wegen der dadurch eröffneten Einblicksmöglichkeiten aus dem Wirtschaftsgarten in seine Wohnräume als rücksichtslos und unzumutbar erweist, nicht mehr entscheidend an.
Damit erweist sich die Klage als begründet, der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO.
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO, § 711 ZPO.


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