Baurecht

Nachbarrechtsschutz gegen Baugenehmigung, Höhe einer Bebauung, Grundsatz der Maßgeblichkeit des Niveaus auf dem Baugrundstück

Aktenzeichen  AN 9 S 21.01658

Datum:
27.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35960
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Var. 3, 80 Abs. 2 5 S. 1 Var. 1
Art. 6 Abs. 7 S. 1 Nr. 1
Nr. 3, Abs. 7 S. 2 BayBO.

 

Leitsatz

Keine Längenbegrenzung für Stützmauern und geschlossene Einfriedungen an der Grundstücksgrenze.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flur-Nr. … – Gemarkung …, … in … Das Grundstück ist mit einem Reihenmittelhaus bebaut.
Unmittelbar westlich an das Grundstück der Antragstellerin grenzt das Vorhabengrundstück der Beigeladenen Flur-Nr. … – Gemarkung …, …, … Für die betroffenen Grundstücke gilt der einfache Bebauungsplan …, der keine Angaben zur Art der baulichen Nutzung macht. Beide Grundstücke sind wohngenutzt.
Die Beigeladene ist Bauherrin eines am 7. März 2017 bauaufsichtlich genehmigten Vorhabens zur Errichtung eines Dreifamilienhauses auf ihrem Grundstück. Das Dreifamilienhaus ist bereits vollständig errichtet.
Am 25. Oktober 2019 beantragte die Beigeladene eine Tektur zum Vorhaben der Errichtung eines Dreifamilienhauses; am 12. Februar 2020 reichte sie diesbezüglich neue Bauvorlagen ein. Mit dem Antrag wird zuletzt noch das Ziel verfolgt, einen Carport mit Abstellräumen sowie eine Stütz- und Gartenmauer zu erbauen.
Ausweislich der Planunterlagen sollen die Abstellräume auf dem südöstlichen Grundstückseck situiert sein. Es soll mit seiner gesamten Breite von 4,00 m direkt an das Nachbargrundstück … und mit der gesamten Länge von 5,62 m direkt an das Nachbargrundstück … der Antragstellerin grenzen. Die Abstellräume sollen mit einem Pultdach überdacht werden; gemessen ab der natürlichen Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze soll es am südlichen Ende 3,00 m hoch sein und in Richtung Norden auf eine Höhe von 2,5 m abfallen.
Plangemäß soll sich unmittelbar an die genannten Abstellräume eine grenzständig nach Norden verlaufende Gartenmauer von etwa 9,1 m Länge anschließen. Nach den genehmigten Planunterlagen soll diese eine Höhe von 1,95 m aufweisen.
Wiederum direkt anschließend soll eine bis zur nördlichen Grundstücksgrenze reichende Stützmauer von etwa 15 m Länge errichtet werden. Diese soll drei unterschiedlich hohe Abschnitte von 1,7, 1,6 und 1,5 m aufweisen, wobei sie vom höchsten Punkt in Richtung der nördlichen, der … zugewandten Grundstücksgrenze abfallen soll.
Mit Bescheid vom 3. August 2021 – der Antragstellerin zugestellt am 10. August 2021 – erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Änderungsgenehmigung.
Gegen den Bescheid erhob die Antragstellerin unter dem Datum vom 7. am 8. September 2021 Klage. Am selben Tag hat sie im Wege einstweiligen Rechtsschutzes sinngemäß beantragt,
Die aufschiebende Wirkung wird wiederhergestellt.
Zur Begründung führt sie zum einen aus, dass die in den Eingabeplänen dargestellten Höhenverhältnisse von den tatsächlichen abwichen. Die zu errichtenden Abstellräume würden rechtswidriger Weise etwa 3,5 und nicht nur 3 m hoch, wie die Pläne nahelegten – zu berücksichtigen sei, dass das Grundstück der Antragstellerin 0,4 bis 0,7 m tiefer liege als das der Beigeladenen. Die faktische Höhe betrage somit etwa 3,5 m. Zum anderen finde sich nach der genehmigten Planung an der gesamten Grenze zum Grundstück der Antragstellerin Grenzbebauung – nördlich beginnend mit einer Gartenmauer, an die sich die an der Grenze zum Nachbargrundstück Flur-Nr. … endenden genehmigten Abstellräume anschlössen. Daraus folge eine Verletzung der Längenbegrenzung von 15 m aus Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 07.09.2021 gegen den Bescheid der Bauordnungsbehörde der Stadt Nürnberg vom 03.08.2021 (* …*) wird abgelehnt.
Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt ihrer angegriffenen Verwaltungsentscheidung. Ergänzend führt sie aus, die Wandhöhe sei von der natürlichen Geländeoberfläche auf dem Bau- und nicht auf dem Nachbargrundstück zu ermitteln. Ferner verweist sie darauf, dass die Längenbegrenzung nach Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO nicht für Stützmauern und geschlossene Einfriedungen gelte; es seien nur die Abstellräume relevant, deren genehmigte Länge 5,62 m betrage. Im Übrigen regt sie an, die Antragstellerin möge dazu vortragen, falls das Baugrundstück vor Baubeginn des Dreifamilienhauses relativ zu ihrem eigenen niedriger gelegen haben sollte.
Die Antragstellerin repliziert insoweit, die Wandhöhe sei in den Eingabeplänen nicht von der natürlichen Geländeoberfläche, sondern von der natürlichen Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze aus ermittelt worden. Weiter meint sie, die Antragsgegnerin müsse die Verhältnisse der Höhenlage der unterschiedlichen Grundstücke vor Ort von Amts wegen ermitteln. Im Übrigen legt sie Lichtbilder vor: Diese sollen im Wesentlichen zeigen, dass das Baugrundstück uneben ist und dass das Niveau auf dem südlichen unbeteiligten Grundstück gegenüber dem Baugrundstück abfällt. Zuletzt zeige ein Bild nach Ansicht der Antragstellerin, dass die Niveaus an der südlichen Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstücks und der gemeinsamen Grenze der Grundstücke der Antragstellerin und dem unbeteiligten südlichen Nachbarn identisch seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Sie sind Grundlage für die gerichtliche Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Der von der Antragstellerin am 8. September 2021 begehrte Rechtsschutz nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Var. 3, 80 Abs. 2, 5 Satz 1 Var. 1 VwGO bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. a) Streitgegenstand des vorliegenden Antrags ist allein die unter Ziff. 1 des gegenständlichen Bescheides enthaltene Baugenehmigung. Die in der Hauptsache diesbezüglich am 8. September 2021 erhobene Klage hat im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO gemäß § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung.
b) Zwar beantragt die Antragstellerin die „Wiederherstellung“ der aufschiebenden Wirkung. Das ist nur für die Fälle behördlich angeordneten Entfallens der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft – nur dort kann es darum gehen, den gesetzlichen Regelfall wiederherzustellen, von dem die Behörde mit Verweis auf überwiegende Interessen abweicht. Der Antrag ist aber nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO so auszulegen, dass es der Antragstellerin darum geht, dass ihre Klage gegen den Bescheid vom 3. August 2021 wieder aufschiebende Wirkung entfaltet. Folglich ist von einem Antrag auf Anordnung dieser Wirkung auszugehen.
2. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage im Fall gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs anordnen. Dabei trifft es eine eigene originäre Ermessensentscheidung. Entscheidend ist, ob nach der sich zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage die für den Sofortvollzug oder die für die Aussetzung des Vollzugs sprechenden Interessen höher zu gewichten sind. Im Rahmen dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen: Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach Erfolg haben, wird regelmäßig die aufschiebende Wirkung anzuordnen sein – an der Vollziehung voraussichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte besteht kein besonderes öffentliches Interesse. Wird die Hauptsache hingegen voraussichtlich erfolglos bleiben, ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Eilantrages. Im Falle offener Erfolgsaussichten ist auf Basis einer allgemeinen Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen zu entscheiden (statt Vieler: BayVGH, B.v. 6.2.2019 -15 CS 18.2459 – juris Rn. 25). Nachdem die Antragstellerin sich hier als Nachbarin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung wendet, kann ihr Antrag wie die Hauptsacheklage nur Erfolg haben, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die im Baugenehmigungsverfahren prüfpflichtig und dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt ist.
Nach dem Vortrag der Beteiligten und dem Inhalt der vorgelegten Akten erweist sich die vorliegend angefochtene Baugenehmigung aller Voraussicht nach als rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin demnach nicht in ihren Rechten. Fehler der Baugenehmigung aus Ziff. 1 des Bescheides vom 3. August 2021 sind nicht erkennbar; insbesondere ist gegen die dortige Genehmigung der beantragten Abstellräume sowie der Stütz- und Gartenmauer nichts zu erinnern.
a) Verstöße des Vorhabens gegen das Abstandsflächenrecht sind nicht ersichtlich.
aa) Zwar kommt die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte eines Nachbarn insbesondere bei Verstößen gegen das Abstandsflächenrecht in Betracht. Denn die Vorschriften über die Abstandsflächen dienen in ihrer Gesamtheit auch dem Nachbarschutz (VGH München B.v. 30.11.2005 – 1 CS 05.2535, BeckRS 2005, 17740; B.v. 13.12.2004 – 20 CS 04.2915, BeckRS 2004, 33984; Busse/Kraus/Hahn/Kraus, 141. EL März 2021 Rn. 550, BayBO Art. 6 Rn. 550).
bb) Das von der Beigeladenen zur Genehmigung gestellte Vorhaben i.S.v. 55 Abs. 1 BayBO – kein Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO – musste auch auf die Wahrung des im einschlägigen Prüfprogramm (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO) enthaltenen Abstandsflächenrechts geprüft werden.
cc) Die Beigeladene muss mit den Vorhaben aus Ziff. 1 des Bescheides „Errichtung von Abstellräumen“ und „Errichtung einer 2,00 m hohen Stütz- und Gartenmauer“ aber keine Abstandsflächen einhalten.
Vorliegend greift eine Ausnahme von der Regel des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO, nach der bauliche Anlagen vor den Außenwänden von Gebäuden grundsätzlich Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freihalten müssen. Denn innerhalb der Abstandsflächen von Gebäuden sowie ohne eigene Abstandsflächen sind nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO unter anderem Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig (1). Ebenso innerhalb der Abstandsflächen von Gebäuden, ohne eigene Abstandsflächen sowie ohne Längenbegrenzung sind Stützmauern und geschlossene Einfriedungen zulässig, wobei diese außerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten eine maximale Höhe von 2 m aufweisen dürfen (2).
(1) Bei den an der südöstlichen Grundstücksgrenze beantragten Abstellräumen handelt es sich um eine nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 privilegierte Anlage.
Insbesondere sind sie keine Aufenthaltsräume, liegt ihre mittlere Wandhöhe bei maximal drei Metern (Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO) und ihre Gesamtlänge an der Grundstücksgrenze zur Flur-Nr. … der Antragstellerin überschreitet nicht neun Meter (Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO).
(a) Für die Berechnung der maximal zulässigen Wandhöhe aus Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO gelten die allgemeinen Grundsätze zur Berechnung der Wandhöhe aus Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO. Die Wandhöhe ist somit das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand.
Für die Geländeoberfläche als unterem Ausgangspunkt ist der gewachsene Boden auf dem Baugrundstück am Fußpunkt der der Grundstücksgrenze gegenüberliegenden Außenwand entscheidend. Ist ein Baugrundstück in sich uneben, kann es insofern unterschiedliche Bezugspunkte geben (Busse/Kraus/Hahn, 142. EL Mai 2021, BayBO Art. 6 Rn. 190, Rn. 533f).
Allein relevant ist somit der gewachsene Boden auf dem Baugrundstück am Fußpunkt der der Grundstücksgrenze gegenüberliegenden Außenwand. Dies gilt explizit im Fall von Höhenunterschieden zwischen Bau- und Nachbargrundstück (zum Ganzen: Busse/Kraus/Kraus, 142. EL Mai 2021, BayBO Art. 6 Rn. 168; BayVGH, B.v. 24.7.1980 – Nr. 2 CS 80 A.747 = BayVBl. 1980, S. 595f; B.v. 7.11.2017 – 1 ZB 15.1839 -, Rn. 5, juris). Es ist hinzunehmen, falls Bebauung auf einem Baugrundstück von einem tieferliegenden Nachbargrundstück aus betrachtet höher wirkt.
Ausnahmsweise sind Höhendifferenzen dann zu berücksichtigen, wenn die Geländeoberfläche ohne rechtfertigenden Grund verändert wurde und wenn das so entstandene neue Bodenniveau angesichts des vergangenen Zeitraums seit der Änderung noch nicht als natürliche Geländeoberfläche zu sehen ist (vgl. VGH München B.v. 7.11.2017 – 1 ZB 15.1839 -, juris = BeckRS 2017, 133170 (Ls.2., 3); ähnl. schon: B.v. 23.12.2013 – 15 CS 13.2479 -, Rn. 16f, juris).
Vorliegend stellte die Antragstellerin im Schriftsatz vom 21. September 2021 klar, dass sie nicht in Abrede stellt, dass sich unter Zugrundelegung des Ausgangspunkts „natürliche Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze“ eine maximale Höhe der Abstellräume von 3,0 m ergibt. Sie meint aber, Ausgangspunkt müsse „die natürliche Geländeoberfläche“ sein. Falls sie damit auf eine Berücksichtigung etwaiger Höhenunterschiede innerhalb des hiesigen Baugrundstücks ausgehend von der Grenze mit dem Grundstück der Antragstellerin … in Richtung Westen abstellt, so geht dies fehl. Entscheidend ist nach dem Vorstehenden allein der Boden auf dem Baugrundstück am Fußpunkt der der Grundstücksgrenze gegenüberliegenden Außenwand; da diese Außenwand hier direkt an die Grenze gebaut werden soll, ist hier folglich die von der Antragstellerin so bezeichnete „natürliche Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze“ entscheidend – deren maximale Höhe von 3,0 m sie zugesteht.
Nach dem Vorstehenden ist es rechtlich grundsätzlich unbeachtlich, wenn die Antragstellerin auf ihrer Ansicht nach bestehende Höhenunterschiede zwischen den beteiligten Grundstücken Flur-Nrn. … und … abstellt; es kann dahinstehen, ob das Nachbargrundstück wie in der Antragschrift dargelegt 0,4 – 0,7 m tiefer als das Baugrundstück liegt – so dass die Abstellräume vom Grundstück der Antragstellerin aus betrachtet 3,5 m hoch wirkten.
Ebenso irrelevant ist daher, dass – auch unter Einbeziehung des Vortrags der Antragstellerin und nach Betrachtung der eher wenig ergiebigen vorgelegten Fotografien – aktuell unterschiedliche Höhenlagen der Grundstücke …, … und … nicht erkennbar sind.
Für einen Fall beachtlicher Veränderungen der Geländeoberfläche hat die Antragstellerin nichts vorgetragen.
Mangels solchen plausiblen Vortrags war das Gericht im Übrigen auch nicht gehalten, insoweit von Amts wegen zu ermitteln. Denn zwar gilt im Verwaltungsgerichtsprozess der Untersuchungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Allerdings findet dieser seine Grenze in der Mitwirkung der Beteiligten, § 86 Abs. 1 Satz 1 HS 2 VwGO. Das Gericht ermittelt Sachverhalte nicht unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt und muss auch nicht jede denkbare und gegebenenfalls atypische Konstellationen in Erwägung ziehen. Indes wird es Behauptungen von Amts wegen nachgehen, wenn ein Beteiligter mit seinem Vortrag Sachverhaltsalternativen, die bis dahin außerhalb des Gesichtskreises des Gerichts lagen, als denkbar und möglich hervortreten lässt. Nicht veranlasst ist eine weitere gerichtliche Sachverhaltserforschung, wenn nicht einmal der interessierte Beteiligte substantiierte Angaben zu einem Sachverhalt macht (zum Ganzen: Schoch/Schneider/Dawin/Panzer, 41. EL Juli 2021, VwGO § 86 Rn. 72).
(b) Vorliegend beträgt die Gesamtlänge der privilegierten Anlage „Aufenthaltsräume“ 5,62 m. Insofern ist die Maximallänge von neun Metern aus Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO unterschritten.
(2) Auch die unter Ziff. 1 genehmigte Stütz- und Gartenmauer steht mit materiellem Baurecht im Einklang (a).
Auch sie ist eine privilegierte Anlage im Sinne von Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO, die keine Abstandsflächen auslöst.
(aa) Die Garten- und die Stützmauer unterschreitet die nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO zulässige Maximalhöhe von 2,00 m.
Die Höhenbeschränkung von 2,0 m ist hier anzuwenden. Anderes würde nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HS. 1 BayBO nur in Gewerbe- oder Industriegebieten gelten. Hinweise für ein (faktisches) Gewerbe- oder Industriegebiet sind vorliegend jedoch nach Aktenlage nicht ersichtlich.
Vorliegend ist die sich an die Seitenmauer der Abstellräume nördlich anschließende Garten- und Stützmauer an ihrer höchsten Stelle 1,95 m hoch.
Dabei ist zur Ermittlung der zulässigen Höhe im Sinne von Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO wie ausgeführt allein auf die Geländeoberfläche des Baugrundstücks abzustellen. Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise andere Betrachtung bestehen wie dargelegt nicht. Auf etwaige Unterschiede der Höhenlage innerhalb eines Grundstücks oder zwischen den Grundstücken im Baugebiet kommt es nicht an.
(bb) Im Übrigen gilt für die in Rede stehende Stütz- und Gartenmauer keinerlei gesetzliche Längenvorgabe. Insbesondere greift die von der Antragstellerin vorgebrachte Maximallänge von 15 m aus Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO nur für Anlagen nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nrn. 1 und 2, mithin nicht für Stützmauern und geschlossene Einfriedungen nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3. b) Schließlich steht der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht das Rücksichtnahmegebot entgegen.
Das allgemeine Rücksichtnahmegebot wird §§ 34 BauGB, 15 Abs. 1 BauNVO entnommen. Nachbarrechte werden im Lichte des Rücksichtnahmegebots aber nur verletzt, wenn das Bauvorhaben zu unzumutbaren Auswirkungen für die Nachbargrundstücke führt (vgl. nur BayVGH B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – BeckRS 2010, 45289). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris; BayVGH B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris; BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 4 m.w.N).
Dabei ist zu beachten, dass mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme ein objektiver Maßstab anzulegen ist: Die Unzumutbarkeit richtet sich in persönlicher Hinsicht weder nach besonders empfindsamen, nervösen Personen, noch nach robusten, etwa lärmunempfindlichen Naturen; maßgeblich sind die auf Immissionen durchschnittlich reagierenden Menschen (BVerwG Urt. v. 7.10.1983 – 7 C 44.81, BVerwGE 68, 62 [67] = NJW 1984, 989 [990] = DVBl. 1984, 227 (229); auch nach OVG Münster Urt. v. 18.11.2002 – 7 A 2127/00, NVwZ 2003, 756 = ZfBR 2003, 275 = BauR 2003, 517, kommen als rechtlich relevante Parameter der Zumutbarkeitsbewertung von Lärmimmissionen nur objektive Umstände in Betracht, die persönlichen Verhältnisse einzelner Betroffener wie etwa besondere Empfindlichkeiten oder der Gesundheitszustand spielen hingegen keine Rolle (König/Roeser/Stock/Roeser, 4. Aufl. 2019, BauNVO § 15 Rn. 32). Daraus folgt zugleich, dass die besondere Empfindlichkeit eines Nachbarn nicht zu einem Heraufsetzen der Zumutbarkeitsschwelle führen kann. Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist nicht „personenbezogen“, so dass besondere individuelle Empfindlichkeiten oder der Gesundheitszustand von Einzelpersonen bei der Bewertung von Immissionen keine Rolle spielen (BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314 = juris Rn. 29 m.w.N.; BayVGH, B.v. 2.3.2015 – 9 ZB 12.1377 – juris Rn. 20; B.v. 28.8.2015 – 9 ZB 13.1876 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 15 CE 18.2652 – juris Rn. 40).
Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass das streitige Vorhaben zu unzumutbaren Zuständen führt. Vielmehr sind Situationen, wie sie hier bei Umsetzung der angegriffenen Genehmigung entstehen, geradezu typisch für innerstädtische Lagen.
Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung kommt bei nach Höhe, Breite und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl. 1981, 928 ff. = juris Rn. 32 ff.: zwölfgeschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl. 1986, 1271 f. = juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.5.2011 – 15 ZB 11.286 – juris Rn 13; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – BauR 2014, 810 f. = juris Rn. 14; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 13; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 5; VGH BW, B.v. 16.2.2016 – 3 S 2167/15 – juris Rn. 38; Sächs.OVG, B.v. 4.8.2014 – 1 B 56/14 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 16.6.2015 – 1 A 556/14 – juris Rn. 16; B.v. 25.7.2016 – 1 B 91/16 – juris Rn. 13 ff.; ein Rechtsprechungsüberblick findet sich bei Troidl, BauR 2008, 1829 ff.).
Ein solcher Fall erdrückender, abriegelnder oder einmauernder Wirkung ist vorliegend nach der gebotenen summarischen Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht ersichtlich: Die Antragstellerin sieht sich an ihrer westlichen Grundstücksgrenze vielmehr privilegierter Grenzbebauung i.S.d. Art. 6 Abs. 7 BayBO gegenüber.
Anhaltspunkte dafür, dass hier entgegen dem Privilegierungswillen des Gesetzgebers anderes gelten sollte, sind nicht erkennbar. Gewisse Beschränkungen durch eine privilegierte Grenzbebauung mit Blick auf Belichtung und Belüftung hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen – letztlich ist etwa eine Gartenmauer sozialadäquat und dient im Übrigen beiden Nachbarn, was etwa unerwünschte Einblicke von außen anbelangt. Außerdem beeinflusst die vorliegende aus Abstellräumen, Garten- und Stützmauern bestehende Grenzbebauung die Belichtung des Grundstücks der Antragstellerin angesichts ihrer maximalen Höhe von 3 m und der überwiegenden Höhe von unter 2 m zeitlich und räumlich nur begrenzt. Zuletzt ist es planungsrechtlich nicht geschützt, falls es um eine „freie Aussicht“ beziehungsweise eine Aufrechterhaltung der Blickbeziehung nach Westen gehen sollte. Der Fortbestand einer ungeschmälerten Aussicht ist grundsätzlich nur eine Chance, die das Gebot der Rücksichtnahme niemals schützt (dazu: BayVGH, B.v. 14.6.2013 – 15 ZB 13.612 – NVwZ 2013, 1238 ff. = juris Rn. 11 m.w.N; BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 -, Rn. 27 – 32, juris). 4.
Mangels Verletzung des Abstandsflächenrechts oder sonstiger erkennbarer drittschützender Normen fehlt es an der nötigen Verletzung der Antragstellerin in subjektiv-öffentlichen Rechten.
Folglich wird die erhobene zulässige Anfechtungsklage nach aktueller Einschätzung ohne Erfolg bleiben. In der Konsequenz war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid abzulehnen.
5. Für den Antrag aus Ziff. 3 der Klage- und Antragsschrift ist kein Raum: Die gewünschte Notwendigerklärung im Sinne von § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO bezieht sich auf die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren. Vorverfahren meint dabei nicht das dem Erlass eines Verwaltungsaktes regelmäßig vorausgehende Verwaltungsverfahren, sondern das Widerspruchsverfahren nach §§ 68ff (statt Vieler: Schoch/Schneider/Olbertz, 41. EL Juli 2021, VwGO § 162 Rn. 60). In Bayern gibt es in Bausachen nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 iVm. Art. 15 Abs. 1 und 2 BayAGVwGO aber kein Vorverfahren in diesem Sinn.
6. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 in Verbindung mit Ziffer 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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