Baurecht

Nachbarverträglichkeit einer Asylbewerberunterkunft im allgemeinen Wohngebiet

Aktenzeichen  AN 9 S 16.01579

Datum:
29.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 68
BauNVO BauNVO § 4
BauGB BauGB § 34 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die von einer baulichen Anlage ausgehenden Störungen und Belastungen sind nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind. Anderweitige Belästigungen sind nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Insbesondere ist das Baurecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern besorgt werden. Bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handelt es sich um typische, grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, auch wenn sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten der Asylbewerber gegebenenfalls von denen der Ortsansässigen abheben mögen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Asylbewerberunterkünfte sind aufgrund ihrer zumindest wohnähnlichen Nutzung im Wohngebiet nachbarverträglich. Das allgemeine Bauplanungsrecht gewährleistet keinen „Milieuschutz“. Es ist daher kein im baurechtlichen Sinne schützenswerter Belang, bei einer Nutzung, die typischerweise Wohngeräusche verursacht, nach verschiedenen Personengruppen und deren sozialtypischen Verhaltensweisen zu differenzieren. Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und dem Wohnverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen sind baurechtlich ohne Relevanz. (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch die Anzahl der Wohnungen ist kein Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Ein Nachbar kann sich somit nicht auf die Unzumutbarkeit einer erhöhten Belegungsdichte bei einer Nutzung als Asylbewerberunterkunft, die zu einer „Wohnnutzung in massierter Form“ führe, berufen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Gaststätte in eine Asylbewerberunterkunft.
Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümerin des Wohngebäudes in der … in …, und Miteigentümerin des gemeinschaftlichen Grundstücks FlNr. … der Gemarkung …. Das Wohnhaus der Antragstellerin befindet sich in einer denkmalgeschützten ehemaligen Scheune, die als Wirtschaftsgebäude Bestandteil des ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden streitgegenständlichen Gasthausgebäudes war. Für das denkmalgeschützte Scheunengebäude wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2012 unter Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen zum Vorhabengrundstück die Baugenehmigung zur Umnutzung in ein Mehrfamilienhaus genehmigt.
Das Vorhabengrundstück … … in …, FlNr. … der Gemarkung … ist mit einem zweigeschossigen Gebäude mit Satteldach bebaut, das bis vor einigen Jahren als Gaststätte genutzt wurde. Für das Vorhabengrundstück liegt zuletzt eine bauaufsichtliche Genehmigung mit Bescheid vom 5. August 1999 zur Errichtung einer Freischankfläche vor.
Sowohl das Vorhabengrundstück als auch das Grundstück der Antragstellerin liegen innerhalb des Bebauungszusammenhangs und nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans. Die umgebende bauliche Nutzung ist im Wesentlichen durch Wohnnutzung geprägt. Für das bislang unbebaute Grundstück FlNr. … der Gemarkung … liegt nach Angaben der Antragsgegnerin eine Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Doppelhaushälften mit Wohnnutzung vor.
Am 19. Januar 2016 beantragte die Beigeladene die Baugenehmigung für die Nutzungsänderung des Erdgeschosses und des Obergeschosses der Gaststätte zur Asylbewerberunterkunft mit 43 Betten befristet auf fünf Jahre. Die Bauvorlagen sehen für das Erdgeschoss vier Wohn-/Schlafräume, eine Küche/Aufenthaltsraum, einen Raum für Sozialstation sowie Sanitärräume vor. Nach den Bauvorlagen sollen im Obergeschoss zehn Wohn-/Schlafräume sowie zwei weitere Sanitärräume eingerichtet werden. Das Dachgeschoss ist von der Nutzungsänderung nicht betroffen. Nach der den Bauvorlagen zugrundeliegenden Betriebsbeschreibung sollen in den Wohneinheiten bis zu 43 Asylsuchende untergebracht werden. Es handele sich um eine dezentrale Unterbringung, mithin nicht um eine Sammelunterkunft oder Erstaufnahmeeinrichtung. Die bestehenden Einheiten sollten als abgeschlossene Einheiten erhalten bleiben, um eine getrennte Unterbringung nach Geschlechtern oder Herkunft zu ermöglichen. Die untergebrachten Personen sollen sich selbst verpflegen. Den Bewohnern würden Waschmaschinen zum Waschen ihrer Wäsche bereitgestellt. Nach der Konzeption sollten die Bewohner autark und selbstständig in ihren Wohneinheiten leben, es werde kein Heim mit den typischen Merkmalen eines Heims (Portier, Kantine) betrieben. Das Objekt werde durch einen Hausmeister bzw. Hausmeisterservice betreut. Für die soziale Betreuung der Bewohner werde ein Sozialbüro eingerichtet; die Betreuung erfolge über das Rote Kreuz.
Bestandteil der Bauvorlagen ist weiter ein Lageplan zum Stellplatznachweis, wonach an der Westfassade des Gebäudes zwei Pkw-Stellplätze errichtet werden sollen und an der Südseite ein Fahrradabstellplatz errichtet werden soll.
Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens verweigerte die Denkmalschutzbehörde der Antragsgegnerin mit Stellungnahme vom 23. Februar 2016 die denkmalschutzrechtliche Zustimmung nach Art. 6 DSchG. In der Stellungnahme wurde ausgeführt, es handele sich bei dem zweigeschossigen Gebäude um ein historisches Gasthaus mit Kern aus dem 16. Jahrhundert von hoher orts- und stadtgeschichtlicher Bedeutung. Das Anwesen sei nicht nur als Gasthaus, sondern über Jahrhunderte Post- und Relaisstation der Thurn- und Taxischen Reichspost gewesen. Nach Art. 5 DSchG sei ein Baudenkmal entsprechend der ursprünglichen Zweckbestimmung oder in einem ihr ähnlichen Zweck zu nutzen. Die historische Gaststättennutzung sei ohne Not aufgekündigt worden, somit der angestammte Zweck unnötig aufgegeben worden. Eine Umnutzung zu Wohnzwecken sei grundsätzlich möglich, da die oberen Geschosse, die ursprünglich einen Veranstaltungssaal darstellten, bereits in der neueren Vergangenheit zu Wohnzwecken genutzt worden seien. Bei einer denkmalverträglichen Wohnnutzung sei jedoch von einer „üblichen“ Nutzerzahl auszugehen. Dies bedeute für die beiden im Obergeschoss vorhandenen Wohnungen jeweils eine Familie und im Erdgeschoss im Gastraumbereich eine Familie wie je zwei Personen in den beiden anderen Bereichen hinter der Küche und neben der Sozialstation. Somit sei von einer denkmalverträglichen Gesamtzahl von etwa 20 Personen im Gebäude auszugehen. Eine höhere Anzahl würde zu einer erheblichen Abnutzung und Beeinträchtigung der Substanz des Baudenkmals führen, was sowohl das innere Raumklima als auch die historische Konstruktion betreffe. Dies gelte auch wenn die Nutzung nur für fünf Jahre ausgelegt sei. Hinzu komme, dass das Gebäude in keinster Weise den Anforderungen auch hinsichtlich der Fluchtwegssituation so einer hohen Personenzahl gerecht werde. Die Raumabschlüsse zum Treppenhaus sowie die Treppe selbst erfüllten in keinster Weise die Bestimmungen des vorbeugenden Brandschutzes. Eine Nachrüstung würde jedoch erhebliche Eingriffe in die historische Bausubstanz sowie den Verlust historischer Bauteile, wie Türstöcke und teilweise Türblätter, bedeuten. Im Übrigen seien bereits Ausbauarbeiten ohne die erforderliche denkmalrechtliche Erlaubnis durchgeführt worden. Hierzu gehörten das Verlegen neuer nicht denkmalgerechter Kunststoffbodenbeläge auf den historischen Fußbodenkonstruktionen, Anstricharbeiten ohne Abstimmung des Farbmaterials sowie Verlegen neuer haustechnischer Leitungen durch Wände und Decken hindurch, ohne durch eine vorher durchgeführte Befunduntersuchung geklärt zu haben, inwieweit durch die Leitungsverlegung historische Putze, Fachwerkskonstruktionen oder Farbschichten beeinträchtigt oder gar zerstört würden. Nach Art. 6 DSchG sei die hohe Personenzahl wegen erheblicher Beeinträchtigung des Baudenkmals strikt abzulehnen. Eine Reduzierung auf 20 Personen sei zumutbar. Ein Baudenkmal sei nicht für eine Gewinnmaximierung vorgesehen.
Wegen bereits erfolgter, zum Teil nicht denkmalverträglicher Umbau- und Renovierungsarbeiten beschränkte sich die Denkmalschutzbehörde der Antragsgegnerin im weiteren Verlauf des Verfahrens mit Stellungnahme vom 28. Juni 2016 darauf, die erforderliche denkmalrechtliche Zustimmung unter Auflagen und Bedingungen zu erteilen. Zur Begründung führte die Denkmalschutzbehörde mit Stellungnahme vom 28. Juni 2016 aus, dem Vorhaben werde unter der Bedingung zugestimmt, dass die Nutzung wie beantragt auf fünf Jahre befristet werde. Einer Verlängerung könne aus denkmalfachlichen Gründen keinesfalls zugestimmt werden, da die Substanz des Baudenkmals mit einer dauerhaften Belegungszahl von 43 Personen deutlich übernutzt und überbeansprucht werde. Diese Übernutzung des für diese Anzahl zu kleinen Gebäudes führe zu einem Verschleiß und damit zu einem drohenden Verlust des Baudenkmals. Weitere denkmalfachliche Auflagen bzw. Bedingungen wurden seitens der Denkmalschutzbehörde formuliert.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2016 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung zur Nutzungsänderung von Gaststätte und Wohnung zu Asylbewerberunterkunft (43 Betten), befristet auf fünf Jahre bis zum 31. Juli 2021. Der Baugenehmigung wurden Auflagen Ziffer 1) bis 20) beigefügt. Unter Ziffer 14) bis 19) wurden denkmalfachliche Nebenbestimmungen festgelegt. Ziffer 20) sieht vor, dass für das Vorhaben keine zusätzlichen Kfz-Stellplätze und Abstellplätze für Fahrräder als Mehrbedarf in Ansatz gebracht worden seien. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, unter Einhaltung der Auflagen widerspreche das Vorhaben nicht öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen seien (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Durch diese Genehmigung entfalle die denkmalrechtliche Erlaubnis nach Art. 6 DSchG für das Vorhaben. Einer Verlängerung der auf fünf Jahre befristeten Nutzung könne aus denkmalfachlichen Gründen nicht zugestimmt werden, da die Substanz des Baudenkmals mit einer dauerhaften Belegungszahl von 43 Personen deutlich übernutzt und überbeansprucht sei. Die Notwendigkeit der Erstellung und Prüfung bzw. Bescheinigung bautechnischer Nachweise sei von der Gebäudeklasse abhängig; das Vorhaben werde in die Gebäudeklasse 4 eingestuft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 11. Juli 2016 verwiesen.
Mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 12. August 2016 hat die Antragstellerin am 12. August 2016 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2016 Klage erhoben und Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass aufgrund der viel zu geringen Größe des Gebäudes eine Nutzung des Gebäudes als Asylbewerberunterkunft mit einer Belegungszahl von 43 Personen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme verletze. Bei einem dermaßen hohen Menschenaufkommen auf engem Raum in der Nachbarschaft, in der kleinere Familien in Reihenhäusern wohnten, sei mit einem höheren Lärmaufkommen zu rechnen, so dass auch hierdurch das Gebot der Rücksichtnahme verletzt werde. Zudem füge sich das Gebäude mit der genehmigten Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein. Die nähere Umgebung stelle sich als ein reines Wohngebiet dar, wo ausschließlich oder zumindest überwiegend Wohngebäude vorherrschten. Asylbewerberwohnheime stellten jedoch keine Wohngebäude im Sinne des § 3 BauNVO dar. Eine Gemeinschaftsunterkunft ohne Privatsphäre entspreche nicht dem Bild eines Wohngebäudes. Aufgrund der Zwangsunterbringung von Asylbewerbern nach § 53 AsylG und der damit verbundenen Fremdbestimmung des Wohnortes und auch der nur vorübergehenden Nutzung durch die jeweiligen Asylbewerber könne von einem „Wohnen“ im Sinne der BauNVO nicht mehr gesprochen werden. Eine Ausnahme werde in der Baugenehmigung nicht erteilt. Es bestehe außerdem die Gefahr einer Vorbildwirkung; auch ein geplantes Zweifamilienhaus auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … solle in ein Asylbewerberwohnheim mit 38 Betten umgebaut werden. Das mithin bevorstehende Menschenmassenaufkommen von über 80 Personen sei in keinster Weise mit der sonstigen Wohnnutzung in der Umgebung vereinbar. Hinzu komme, dass in den Auflagen zu der Baugenehmigung keine weiteren Kfz-Stellplätze und Stellplätze für Fahrräder in Ansatz gebracht worden seien. Es liege daher ein Verstoß gegen die Stellplatzpflicht gemäß Art. 47 BayBO vor, der nach Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO ebenfalls zu beachten sei. Die vorhandenen zwei Kfz-Stellplätze sowie ein Stellplatz für Fahrräder reichten für eine Belegungszahl von 43 Personen in keinster Weise aus. Selbst wenn man davon ausgehe, dass Asylbewerber noch über keine Kfz-Kraftfahrzeuge verfügten, so sei bereits eine Vielzahl von Asylbewerbern im Besitz von Fahrrädern, so dass die Baugenehmigung dem Stellplatzerfordernis nicht in ausreichendem Maße gerecht werde. Darüber hinaus verstoße die erteilte Baugenehmigung gegen das Denkmalschutzgesetz. Mit der Genehmigung von Wohnraum für 43 Personen, die zu einer ganz massiven Überbelegung führe, könne die Erhaltung des Baudenkmals in seiner Substanz auf Dauer nicht gewährleistet werden. Aufgrund dieser Personenzahl sei die Gefahr der Abnutzung und des Verschleißes auch bei einer Nutzung über einen geringeren Zeitraum als fünf Jahre besonders hoch. Aufgrund des beengten Wohnraums bestünde besonders große Gefahr der Beschädigung sowohl der historischen Türen, der Treppen sowie der historischen Putze. Weiterhin verstoße die Baugenehmigung gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin für Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber. Hiernach müsse pro Person Wohnraum von 7 m2 zur Verfügung gestellt werden. Bei einer genehmigten Personenzahl von 43 könne dieser Anforderung nicht entsprochen werden. Weiter sei zu berücksichtigen, dass mehrere Waschräume und Küchen zur Verfügung stehen müssten, daneben ein Hausaufgabenzimmer und ein Aufenthaltsraum sowie ein Betreuungsraum. Auch dies zeige, dass das genehmigte Gebäude gegen allerlei Vorschriften verstoße, so dass die Baugenehmigung damit materiell rechtswidrig sei. Damit könne sich der Bauherr nicht auf sein Interesse an dem Vollzug der Nutzungsänderungsgenehmigung berufen.
Mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 23. September 2016 wird weiter vorgetragen, die denkmalfachlichen Auflagen reichten nicht aus, eine Abnutzung des Denkmals aufgrund der Überbelegung zu verhindern. Es sei zu beachten, dass die Bauherrin bereits geschützte Bausubstanz durch ungenehmigte Renovierungsarbeiten zerstört habe. Es könne nicht sein, dass hierüber hinweggesehen werde und der Bauherrin unter Verstoß gegen Vorschriften „entgegengekommen“ werde. Es könne auch nicht sein, dass zur Vereinfachung der Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften zulasten von Anwohnern und der Allgemeinheit von gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen abgewichen werde. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb eine Begrenzung der Bewohnerzahl aus denkmalschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sein solle. Eine Übernutzung und Überstrapazierung von geschützter Bausubstanz führe zu deren Zerstörung. Bereits dem Vorbesitzer sei eine Genehmigung aus denkmalschutzrechtlichen Gründen versagt worden. Im Fall einer städtischen Asylbewerberunterbringung solle der Denkmalschutz ohne nachvollziehbaren Grund plötzlich nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die denkmalschützenden Vorschriften seien nachbar- und drittschützend. Der Denkmalschutz gebe den Nachbarn im Sinn des Baurechts die Gewissheit, dass die Erhaltung des Gebietscharakters gewährleistet werde und dass die Nutzung des Gebäudes in einer Weise erfolge, die im Sinne des Denkmalschutzes zulässig sei, was vorliegend nicht gegeben sei. Nachdem die Gaststätte nicht mehr betrieben werde, sei nunmehr nicht mehr von einem allgemeinen Wohngebiet, sondern von einem reinen Wohngebiet auszugehen. Die streitgegenständliche Asylbewerberunterkunft vertrage sich nicht mit der Wohnnutzung von Familien in der näheren Umgebung. Da auch ein sich in unmittelbarer Nähe der Unterkunft befindliches Zweifamilienhaus in eine Asylbewerberunterkunft für 38 Personen umgebaut werden solle, sorge dies für Spannungen sowohl auf räumlicher als auch auf sozialer Ebene. Auf engem Raum bestehe Gewaltpotenzial. Der ohnehin bestehende Mangel an Kindergärten und Hortplätzen werde ins Unermessliche getrieben. Hinzu komme, dass die städtische Satzung bei der Hort- und Kindergartenplatzvergabe aufgrund der dort angeführten Kriterien faktisch ausländische Bürger vorrangig behandele. Des Weiteren würden durch ein derartiges Massenaufkommen von Personen auch stärkere Immissionen produziert, ein höheres Lärmaufkommen in einem sonst ruhigen Gebiet sei die Folge. Es sei jedoch gerade Aufgabe der Baubehörden derartige Spannungen zu vermeiden. Nicht unerwähnt bleiben solle die Angstsituation der Anwohner, die von Terroranschlägen geprägt sei. Diese seien in den meisten Fällen auf Asylsuchende zurückzuführen gewesen. Die Provokation solcher Angstzustände durch das Platzieren einer Vielzahl von Flüchtlingen inmitten eines Wohngebietes führe auf der anderen Seite auch zu Anfeindungen und der Bildung rechtsextremer Gruppen. Dass die Situation in … zu eskalieren drohe, zeige auch die maßlos überfüllte „Asyl-Info-Veranstaltung“ am … 2016 in der Aula der örtlichen Grundschule. Das Eskalationspotenzial sei besonders hoch. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sei sowohl in der ersten als auch in der zweiten Alternative erfüllt. Damit sei die Nutzungsänderung in keinster Weise mit nachbarlichen Belangen vereinbar und demnach auch nicht nach § 34 Abs. 3a BauGB zulässig. Die Nutzung als Asylbewerberunterkunft sei geeignet, ein der Zweckbestimmung des Baugebiets zuwiderlaufendes Störpotenzial zu entfalten. Darüber hinaus erfülle das Vorhaben nicht die brandschutzrechtlichen Bestimmungen. Aus der Bauakte werde deutlich, dass das Vorhaben aufgrund mehrerer Unstimmigkeiten habe nicht genehmigt werden können. Plötzlich sei jedoch aus „heiterem Himmel“ der Denkmalschutz und der Brandschutz nicht mehr von Belang gewesen, ohne dass dies in der Bauakte habe nachvollzogen werden können. Probleme im Brand- und Denkmalschutz bestünden weiterhin und seien auch nicht ausgeräumt worden. Der Brandschutz betreffe auch die baurechtlich relevanten Nachbarn. Sei der Brandschutz eines Gebäudes nicht gesichert, bestehe eine erhöhte Gefahr der Ausbreitung des Brandes auf die umliegenden Häuser. Die Brandschutzvorschriften (Art. 15, 31 BayBO) stellten drittschützende Vorschriften dar, auf deren Verletzung sich die Nachbarn im Wege der Drittklage berufen könnten. Die Suspensivinteressen der Antragstellerin überwiegten daher das Vollzugsinteresse der Beigeladenen.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Stadt … vom 11. Juli 2016 über die Genehmigung einer Nutzungsänderung des Anwesens … in … anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, das Vorhabengrundstück liege innerhalb des Bebauungszusammenhangs, die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO. Neben Wohnnutzungen seien in den Anwesen …und 20 Gartenbaubetriebe angesiedelt, die dem Nutzungsspektrum eines reinen Wohngebiets nach § 3 BauNVO widersprechen würden und nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet nur ausnahmsweise zulässig seien. Es könne offenbleiben, ob die genehmigte Nutzung als Wohnnutzung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 oder als Anlage für soziale Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO einzustufen sei, da beide Nutzungsformen in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig seien. Das Gebot der Rücksichtnahme werde gewahrt. Die von einer baulichen Anlage ausgehenden Störungen und Belastungen seien nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung aufträten und von bodenrechtlicher Relevanz seien. Anderweitige, befürchtete Belästigungen seien nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Insbesondere sei das Baurecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die bei einer Unterbringung von Asylbewerbern besorgt würden. Belästigungen oder Störungen könnten nicht mit den Mitteln des Baurechts, sondern müssten im jeweiligen Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden (mit Verweis auf BayVGH, B.v. 31.3.2015 – 9 CE 14.2854 – juris, Rn. 19). Die Richtlinien zur Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber würden anders wie die Antragstellerin meinte, beachtet. Besonders auch die Anforderung, dass pro Person 7 m2 Wohnfläche zur Verfügung gestellt werden müsste. Aufgrund der unterschiedlichen Raumzuschnitte werde die Wohnfläche oftmals in ihrer Gesamtheit bemessen. Anzumerken bleibe, dass es sich dabei um Richtwerte handele, von denen nach oben oder unten abgewichen werden könne. Auch vermittelten diese Richtlinien keinen Nachbarschutz.
Richtig sei, dass die Untere Denkmalschutzbehörde bei der Antragsgegnerin im Genehmigungsverfahren zunächst die Auffassung vertreten habe, dass durch die hohe Anzahl von Bewohnern eine erhebliche Abnutzung und Beeinträchtigung der Substanz des Baudenkmals zu befürchten sei. Tatsache sei jedoch auch, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung fast alle Umbau- und Renovierungsarbeiten ohne die erforderlichen Genehmigungen und denkmalfachlichen Erlaubnis abgeschlossen gewesen seien. Fast alle Oberflächen im Inneren seien entweder neu oder bereits im Bestand verkleidet worden, die historische Konstruktion mit Ausnahme des nicht ausgebauten Daches sei nicht mehr einsehbar gewesen. Im Hinblick auf die weitestgehend abgeschlossenen denkmalrelevanten Umbau- und Renovierungsarbeiten habe sich die Antragsgegnerin deshalb darauf beschränken müssen, durch Auflagen (Nr. 14 bis 18 des Bescheides) die noch vorhandenen historischen Ausstattungsstücke zu sichern. Anzumerken sei, dass eine Missachtung von denkmalschutzrechtlichen Anforderungen durch den Bauherrn einem angrenzenden Nachbarn keinen Klageanspruch vermittle.
Der Stellplatzbedarf sei korrekt ermittelt worden. Dies gelte sowohl für die Pkw-Abstellplätze als auch für die Fahrradabstellplätze. Im Übrigen sei ebenfalls nicht ersichtlich, warum eine Nichtbeachtung der Stellplatzpflicht nach Art. 47 BayBO die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen solle. Eine Nutzung des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … in unmittelbarer Nachbarschaft als Asylbewerberwohnheim sei der Antragsgegnerin nicht bekannt. Auf dem Nachbargrundstück zum Vorhabengrundstück (ehemaliger Gasthof …) seien zwei Doppelhaushälften als Wohnhäuser genehmigt worden.
Mit Schriftsatz vom 29. September 2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass für das streitgegenständliche Bauvorhaben eine Bescheinigung zur Inbetriebnahme des Prüfsachverständigen vorliege, wonach Bedenken gegen eine Inbetriebnahme aus brandschutztechnischer Sicht nicht bestünden.
Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 trägt der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin weiter vor, dass die Störungen und Belästigungen und Belastungen durch die Nutzung einer baulichen Anlage entstünden. Daher habe die Baubehörde zu überprüfen, ob die beantragte Nutzung sich in der Art in die nähere Umgebung einfüge, dass sie sich mit den weiteren Nutzungen aus der Umgebung vertrage. Zwar sei eine Wohnnutzung im allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO zulässig. Die Antragsgegnerin habe jedoch im Rahmen des Gebotes der Rücksichtnahme nach § 15 Abs. 1 BauNVO intensiv zu prüfen, ob die beantragte Nutzung nicht ausnahmsweise unzulässig sei, da sie in Spannung mit den Nutzungen in der näheren Umgebung stehe. Dies sei hier der Fall. Ein Wohnhaus, in dem 43 Personen auf engstem Raum lebten, verursache eine ganz andere Lautstärke, die den üblichen Wohnlärm von kleineren Familien wie sie in der Umgebung lebten, ums Vielfache übersteige. Solche Belästigungen und Störungen seien durch eine ordnungsgemäße baurechtliche Planung zu verhindern. Im Rahmen der Abwägung des Rücksichtnahmegebotes sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der genehmigten Asylbewerberunterkunft nicht um eine durchschnittliche Wohnnutzung, sondern um eine Wohnnutzung handele, die durch eine übermäßige Masse an Menschen auf engstem Raum geprägt sei. Es werde hier nicht das menschenunwürdige Zusammenleben vieler Menschen auf engstem Raum gerügt, sondern vielmehr die baurechtlich bedingten Auswirkungen der genehmigten Nutzung auf die Nachbarschaft, insbesondere im Hinblick auf Immissionen. Nach § 1 Abs. 5 BauGB seien im Rahmen der Bauleitplanung auch die sozialen Anforderungen zu berücksichtigen. Die Baubehörde habe daher zu prüfen, ob die Belästigungen und Störungen auch in sozialer Hinsicht auf die nähere Umgebung Auswirkungen haben könne. Denkmalunverträgliche Umbau- und Renovierungsarbeiten ohne die erforderliche Erlaubnis müssten eher zu Sanktionen führen, als dass der Beigeladenen die Baugenehmigung erteilt werde, die vor der Durchführung der illegalen Renovierungsarbeiten gar nicht möglich gewesen wäre. Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei offenbar ohne vorherige Abklärung des Brandschutzes erteilt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Akten, auch im Hauptsacheverfahren (AN 9 K 16.01582) sowie die beigezogenen Verfahrensakten verwiesen.
II.
Der nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag der Antragstellerin ist nicht begründet. Die Kammer sieht nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung, die umso eingehender sein muss, als die angegriffene Maßnahme Unabänderliches bewirkt (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581), im Rahmen der von ihr eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung keine Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessensabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung also als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen. Hat dagegen die Anfechtungsklage von Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden und zulasten der Antragsteller ausfallenden Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein Überwiegen des Interesses des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris, Rn. 18). Bei offenen Erfolgsaussichten verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Nach der im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung verletzt der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2016 die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, so dass ihr voraussichtlich kein Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Die Antragsgegnerin ist bei der Erteilung der Baugenehmigung vom Vorliegen eines Sonderbaus nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 11 BayBO ausgegangen. Die streitgegenständliche Asylbewerberunterkunft stellt sich als Einrichtung zur Unterbringung von Personen dar, da eine organisatorische Zusammenfassung sächlicher und personeller Mittel unter der Verantwortung eines Trägers vorliegt (vgl. Simon/Busse/Dirnberger, BayBO Kom., Art. 2 Rn. 455). Bei einem Sonderbau ergibt sich der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde aus Art. 60 BayBO.
Die Antragstellerin kann die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dritte könne sich gegen eine Baugenehmigung mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, weil dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5/87 – BVerwGE 89, 69; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris m. w. N.).
Nach summarischer Überprüfung wird die Klage der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die angefochtene Baugenehmigung keine nachbarschützenden Rechte der Antragstellerin verletzt. Das Bauvorhaben erweist sich als planungsrechtlich zulässig (vgl. nachfolgend 1.). Die Antragstellerin wird durch das Vorhaben nicht im bauplanungsrechtlichen Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verletzt (vgl. nachfolgend 2.). Auf eine Verletzung von denkmalschutzrechtlichen Vorschriften kann sich die Antragstellerin nicht berufen (vgl. nachfolgend 3.). Eine Verletzung bauordnungsrechtlicher Vorschriften ist nicht ersichtlich (vgl. nachfolgend 4.). Auf eine Verletzung der Stellplatzverpflichtung nach Art. 47 BayBO kann sich die Antragstellerin mangels nachbarschützender Funktion dieser Norm nicht berufen. Die Einhaltung nachbarschützender brandschutztechnischer Vorschriften ist durch Vorlage einer Bescheinigung des Prüfsachverständigen nachgewiesen (Art. 62 Abs. 3 Satz 3 BayBO).
1. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauplanungsrechts ist im Hinblick auf die Antragstellerin nicht erkennbar (Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Ein einzelner Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 WEG) kann baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nach § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht. Insoweit erscheint bereits zweifelhaft, ob die geltend gemachte Verletzung des Gebietsbewahrungsanspruchs nicht das gesamte Grundstück und damit die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche betrifft (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 2 CS 13.873 – BeckRS 2013, 54525). Ob eine Verletzung des Gebietsbewahrungsanspruches darüber hinaus das Sondereigentum der Antragstellerin beeinträchtigen würde, kann vorliegend dahinstehen, da jedenfalls durch die Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens keine gebietswidrige, von der zulässigen Nutzungsart abweichende Nutzung hinzutritt.
Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung im unbeplanten Innenbereich einem Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 2, §§ 2 ff. BauNVO, so hat der mit seinem Grundstück im selben Baugebiet gelegene Nachbar einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1996 – 4 B 51/96 – NVwZ-RR 1997, 463). Gemäß § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem jeweiligen Baugebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässig wäre. Bei der Bestimmung der „näheren Umgebung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB ist darauf abzustellen, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die Umgebung und andererseits die Umgebung auf das Baugrundstück prägend auswirken kann. Als nähere Umgebung ist der das Baugrundstück umgebende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann, und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst.
Dahinstehen kann vorliegend, ob sich die nähere Umgebung nach der Art der baulichen Nutzung als allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO darstellt, oder ob sie als reines Wohngebiet nach § 3 BauNVO zu werten ist. Im Hinblick auf das Bestehen von Gartenbaubetrieben in der näheren Umgebung und auch unter Berücksichtigung der gegebenenfalls nachwirkenden Prägung des Vorhabengrundstücks als Gaststätte wird nach Auffassung der Kammer die Art der baulichen Nutzung der maßgeblichen Umgebungsbebauung wohl eher einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO entsprechen. Eine Nutzung zur Unterbringung von Asylbewerbern ist, selbst wenn sie nicht als Wohnnutzung eingestuft werden sollte, in einem allgemeinen Wohngebiet als Anlage für soziale Zwecke gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO regelmäßig zulässig (vgl. BVerwG, B.v. 4.6.1997 – 4 C 2/96 – NVwZ 1998, 173). Eine Asylbewerberunterkunft ist somit im allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich mit der umgebenden Wohnbebauung verträglich. Selbst bei Annahme eines faktischen reinen Wohngebietes würde sich die streitgegenständliche Nutzung ihrer Art nach als ausnahmsweise zulässig nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO darstellen. Nach § 34 Abs. 2 Hs. 2 Var. 1 BauGB ist auf die nach der Baunutzungsverordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben § 31 Abs. 1 BauGB entsprechend anzuwenden. Unter Berücksichtigung der entsprechend der Betriebsbeschreibung weitgehend autarken Wohnnutzung der Bewohner der Asylbewerberunterkunft wäre vorliegend bei Annahme eines faktischen reinen Wohngebietes das Ermessen der Bauordnungsbehörde hinsichtlich der Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB auf Null reduziert.
Die streitgegenständliche Nutzung als Asylbewerberunterkunft erweist sich somit mit der umgebenden Wohnbebauung als verträglich.
Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung sind demgegenüber grundsätzlich nicht nachbarschützend. Abgesehen davon entspricht die Belegung einer Asylbewerberunterkunft mit 43 Personen im Hinblick auf die Belegungsdichte im Wesentlichen einem Mehrfamilienhaus, selbst die Wohngemeinschaftsanlage mit 10 Wohneinheiten, in der die Antragstellerin wohnt, wird bei einer Nutzung durch Familien eine ähnliche „Nutzungsdichte“ aufweisen.
Die Antragstellerin kann sich somit nicht auf eine Verletzung eines Gebietsbewahrungsanspruchs berufen.
2. Das streitgegenständliche Vorhaben verletzt voraussichtlich auch nicht das im Einfügensgebot in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Das Gebot der Rücksichtnahme beinhaltet die Verpflichtung, auf die Belange Dritter Rücksicht zu nehmen, die in besonders qualifizierter und zugleich individualisierter Weise von dem jeweiligen Vorhaben betroffen sind. Eine erfolgreiche Berufung des Grundstücknachbarn auf das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme setzt voraus, dass das Bauvorhaben bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Gewicht der mit ihm verfolgten Interessen auf der einen und der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit der Belange der Nachbarn auf der anderen Seite für diesen die Schwelle der Zumutbarkeit überschreitet.
Gemessen an diesen Maßstäben ist vorliegend nicht erkennbar, dass das Vorhaben der Beigeladenen für die Antragstellerin zu unzumutbaren Auswirkungen führt. Bei der Bewertung von Gefahren und Beeinträchtigungen nachbarlicher Interessen können nur solche Störungen berücksichtigt werden, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung des Vorhabens auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind (städtebauliche Gesichtspunkte). Anderen Gefahren kann im jeweiligen Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2015 – 9 CE 15.1318 – juris, Rn. 19; B.v. 31.3.2015 – 9 CE 14.2854 – juris, Rn. 19). Bei möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär bestimmte Personen als Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden (vgl. BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris). Soweit auf soziale Konflikte zwischen bzw. mit den Asylbewerbern verwiesen wird, ist der erforderliche Grundstücksbezug nicht ersichtlich. Die von einer baulichen Anlage ausgehenden Störungen und Belastungen sind nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind. Anderweitige Belästigungen sind nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Insbesondere ist das Baurecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern besorgt werden. Bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handelt es sich um typische, grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, auch wenn sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten der Asylbewerber gegebenenfalls von denen der Ortsansässigen abheben mögen (vgl. BayVGH, U.v. 13.9.2012, a. a. O.; B.v. 27.2.2015 – 15 ZB 13.2384 – juris). Asylbewerberunterkünfte sind aufgrund ihrer zumindest wohnähnlichen Nutzung im Wohngebiet nachbarverträglich. Das allgemeine Bauplanungsrecht gewährleistet keinen „Milieuschutz“ (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13/94 – juris; BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – juris, Rn. 19). Es ist daher kein im baurechtlichen Sinne schützenswerter Belang, bei einer Nutzung, die typischerweise Wohngeräusche verursacht, nach verschiedenen Personengruppen und deren sozialtypischen Verhaltensweisen zu differenzieren. Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und dem Wohnverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen sind baurechtlich ohne Relevanz.
Die Anzahl der Wohnungen ist kein Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Ein Nachbar kann sich somit nicht auf die Unzumutbarkeit einer erhöhten Belegungsdichte bei einer Nutzung als Asylbewerberunterkunft, die zu einer „Wohnnutzung in massierter Form“ führe, berufen (vgl. VG Ansbach, U.v. 6.2.2014 – AN 9 K 13.02098 – juris, Rn. 71).
Unter Berücksichtigung, dass eine Belegung mit 43 Bewohnern eine kleine Asylbewerberunterkunft darstellt, die in etwa einem Mehrfamilienhaus entspricht, kann sich die Antragstellerin demnach nicht mit Erfolg auf die mit der genehmigten Belegungsdichte einhergehende Unzumutbarkeit einer „Wohnnutzung in massierter Form“ berufen. Dies insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass auch die Wohngemeinschaftsanlage, in der die Antragssteller wohnen, keine besonders aufgelockerten Wohnverhältnisse aufweist. Eine benachbarte wohnähnliche Nutzung mit bis zu 43 Bewohnern einer Asylbewerberunterkunft erweist sich gegenüber den Bewohnern einer Wohnungseigentumsanlage mit zehn Wohneinheiten nicht als unzumutbar.
Hinsichtlich der geltend gemachten Wohngeräusche können die Bewertungsmaßstäbe der TA-Lärm nicht herangezogen werden, da es sich vorliegend um verhaltensbedingten Lärm handelt, und nicht um Geräusche, die durch technische Anlagen hervorgerufen werden (vgl. Nr. 1h der TA-Lärm). Bei den von den Bewohnern einer Asylbewerberunterkunft verursachten Wohngeräuschen handelt es sich um als sozialadäquat hinzunehmende Wohnimmissionen. Wohnimmissionen, die von einer Asylbewerberunterkunft ausgehen, sind in der Regel auch in solchen Wohngebieten hinzunehmen, die durch eine homogene Wohnbevölkerung geprägt sind (vgl. VG Würzburg, B.v. 14.3.2016 – W 4 S 16.179 – juris, Rn. 33). Dies muss umso mehr gelten, als mit der bisher bestandskräftig genehmigten Nutzung als Gaststätte ebenso Geräuschimmissionen verbunden waren.
Die genehmigte Nutzungsänderung in eine Asylbewerberunterkunft mit 43 Betten erweist sich daher gegenüber der Antragstellerin nicht als unzumutbar und rücksichtslos.
3. Die Antragstellerin kann sich darüber hinaus nicht auf eine Beeinträchtigung der Substanz oder der Denkmalwürdigkeit hinsichtlich des denkmalgeschützten, von der Beigeladenen genutzten Gebäudes berufen. Die denkmalschutzrechtlichen gesetzlichen Anforderungen bestehen allein im öffentlichen Interesse und vermitteln einem Dritten allenfalls insoweit Drittschutz, als sein eigenes Denkmal durch eine Veränderung in der Umgebung eine Beeinträchtigung erfährt. Selbst ein allgemeiner Drittschutz zugunsten eines Denkmaleigentümers lässt sich jedoch dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz nicht entnehmen (vgl. BayVGH, U.v. 21.1.2013 – 2 BV 11.1631 – juris, Rn. 22). Art. 6 BayDSchG kann Drittschutz nur insoweit vermitteln, als der Eigentümer eines Baudenkmals durch die Errichtung eines Vorhabens in der Nähe seines eigenen Denkmals in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 3/08 – BVerwGE 133, 347; BayVGH, B.v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris, Rn. 4). Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sich die Errichtung des Vorhabens auf den Bestand oder das Erscheinungsbild eines Baudenkmals erheblich auswirkt.
Vorliegend ist nicht erkennbar, inwieweit die mit der angefochtenen Baugenehmigung genehmigte Nutzungsänderung zu einer Asylbewerberunterkunft, die in der Ausführung lediglich Baumaßnahmen im Inneren des Denkmals umfasst, das Baudenkmal der Antragstellerin beeinträchtigt werden könnte. Auf einen nicht denkmalfachgerechten Innenausbau des Vorhabengebäudes kann sich darüber hinaus die Antragstellerin nicht berufen, zudem nicht als einzelne Miteigentümerin der benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaftsanlage.
4. Eine Verletzung nachbarschützender bauordnungsrechtlicher Bestimmungen zulasten der Antragstellerin liegt voraussichtlich nicht vor.
Eine Verletzung der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen zum Brandschutz ist nach Vorlage des Brandschutznachweises durch den Prüfsachverständigen gemäß Art. 62 Abs. 3 Satz 3 BayBO nicht ersichtlich.
Die bauordnungsrechtlich geregelte Stellplatzverpflichtung nach Art. 47 BayBO dient ausschließlich dem Zweck, die öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Kraftfahrzeugverkehr zu entlasten und stellt sich daher als nicht nachbarschützend dar (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2007 – 14 CS 07.670 – juris). Dass das Bauvorhaben wegen mangelnder Stellplätze gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen könnte, ist unter Berücksichtigung dessen, dass die Bewohner der Asylbewerberunterkunft regelmäßig nicht über ein Kraftfahrzeug verfügen, nicht anzunehmen. Selbst wenn eine zu geringe Zahl von notwendigen Stellplätzen nachgewiesen wäre, würden die Nachbarn auch dann nicht in ihren Rechten verletzt, wenn Besucher der baulichen Anlage ihre Fahrzeuge in den benachbarten Wohnstraßen abstellen würden (vgl. OVG NRW, B.v. 21.7.1994 – 11 B 1511/94 – juris).
Ob das Vorhaben der Nutzungsänderung eine abstandsflächenrechtliche Neubeurteilung nach Art. 6 BayBO erfordert hätte, wofür angesichts der veränderten Nutzung im Erdgeschoss einiges spricht, kann letztlich dahinstehen, da sich die Antragstellerin wegen eigener Nichteinhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen hierauf nach Treu und Glauben nicht berufen könnte. Ein Nachbar kann sich nach Treu und Glauben, § 242 BGB, gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu- gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (BayVGH, U.v. 4.2.2011 – 1 BV 08.131 – juris). Vorliegend halten sowohl das Gebäude des geplanten Vorhabens als auch die Wohnanlage der Antragstellerin einen im Wesentlichen gleichen Grenzabstand ein.
Da die Klage der Antragstellerin mithin voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, überwiegt somit das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Baugenehmigung.
Der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Eventuelle Kosten der Beigeladenen waren hiervon wegen §§ 154 Abs. 3 Halbsatz 1, 162 Abs. 3 VwGO auszunehmen, da sie mangels Antragstellung kein Risiko eigener Kostentragungspflicht übernommen hat.
Die Bemessung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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