Aktenzeichen B 4 K 18.898
KAG
BGS-WAS/ZV
Leitsatz
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2018 wird aufgehoben, soweit darin ein höherer Herstellungsbeitrag als 741,86 EUR festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 18% und der Beklagte 82%.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 10. August 2018 ist, soweit darin ein höherer Herstellungsbeitrag als 741,86 EUR festgesetzt worden ist, rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit der Bescheid im Übrigen rechtmäßig ist, war die Klage abzuweisen.
1. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist Art. 26 Abs. 1 KommZG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2a KAG.
Danach kann der Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabesatzung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 KAG gemäß Art. 5 Abs. 1 KAG zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung seiner öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Ändern sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich und erhöht sich dadurch der Vorteil, so entsteht damit gemäß Art. 5 Abs. 2a KAG ein zusätzlicher Beitrag.
Der Beklagte hat von der Ermächtigung des Art. 22 Abs. 2 KommZG durch den Erlass seiner Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS-WAS/ZV) vom 6. Oktober 2010 i. d. Fassung vom 29. September 2016 Gebrauch gemacht. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
§ 5 Abs. 9 BGS-WAS/ZV regelt den hier maßgeblichen Tatbestand der Nacherhebung. Danach entsteht ein zusätzlicher Beitrag mit der nachträglichen Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände, soweit sich dadurch der Vorteil erhöht. Eine (nachträgliche) Beitragspflicht entsteht für Außenbereichsgrundstücke i. S. d. Abs. 8 insbesondere, wenn sich die der Beitragsberechnung zugrunde gelegte Geschossfläche später vergrößert oder sonstige Veränderungen vorgenommen werden, die nach Abs. 8 für die Beitragsbemessung von Bedeutung sind.
Die Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags für das gleiche Grundstück ist grundsätzlich zulässig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Dieser schließt nicht aus, dass Beiträge für zusätzliche Vorteile, die das Grundstück aus der leitungsgebundenen Einrichtung zieht, nacherhoben werden können und müssen. Der Beitragstatbestand ist insoweit durch eine frühere Veranlagung grundsätzlich nicht verbraucht. Eine Nacherhebung für einen bisher nicht veranlagten Vorteil wird im Regelfall durch eine Veränderung am Grundstück als einen nur vom Grundstückseigentümer beeinflussbaren Faktor ausgelöst (Thimet, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, I. Abschnitt, Art. 5, A. III 17, 1).
2. Die Nacherhebung für das Grundstück Fl.-Nr. … mit Bescheid vom 10. August 2018 ist nur im Umfang eines Betrages von 741,86 EUR rechtmäßig. Bei der Berechnung des Herstellungsbeitrages konnte nur die Grundstücks- und Geschossfläche des Schafstalls einschließlich der zwischen der Außenschänke und dem Schafstall liegenden Fläche zu Grunde gelegt werden. Die übrigen nachveranlagten Flächen hätten bei sorgfältiger Ermittlung der örtlichen Gegebenheiten bereits bei der Erstveranlagung mit Bescheid vom 27. Oktober 1998 herangezogen werden können. Für diese Flächen ist Festsetzungsverjährung eingetreten.
2.1 Das im unbeplanten Außenbereich liegende Grundstück Fl.-Nr. … ist grundsätzlich nach § 2 BGS-WAS/ZV beitragspflichtig, denn es ist bebaut und an die Wasserversorgung der Beklagten angeschlossen.
Als Außenbereichsgrundstück im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB kann es nur im Umfang seiner tatsächlichen Bebauung und eines angemessenen Umgriffs als bebaubar angesehen und entsprechend zu einem Beitrag herangezogen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestimmt sich die heranziehbare Grundstücksfläche für ein bebautes Grundstück im Außenbereich nach dem angemessenen Umgriff zur vorhandenen Bebauung, wobei die erforderlichen Abstandsflächen sowie die befestigten Flächen einzubeziehen sind (BayVGH, Urteil vom 12.6.1997 – 23 B 94.336; vom 11.9.1997, GK 1998, Rn. 177; vom 15.12.2001, BayVBl 2002, 471; vom 16.8.2002 – 23 C 02.1640; vom 8.12.2005 – 23 ZB 05.163, BayVGH, Beschluss vom 13.11.2009-20 ZB 09.1786, vgl. Thimet, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, I. Abschnitt, Art. 5, A II 15, 8.1 mit weiteren Nachweisen). Bei der Festlegung der Umgriffsfläche steht der Gemeinde bzw. hier dem Zweckverband ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BayVGH vom 26.10.1994 Az. 23 B 93.2262, GK 1994, Rn. 95.), was jedoch nicht bedeutet, dass es sich dabei um eine echte Ermessensentscheidung mit eingeschränkter Überprüfungsmöglichkeit durch das Gericht handelt (§ 114 VwGO). Geschossflächen werden nur herangezogen, soweit die vorhandene Bebauung einen Bedarf nach Wasserversorgung auslöst oder tatsächlich an die Wasserversorgung angeschlossen ist. Dies ist in § 5 Abs. 8 BGS-WAS/ZV entsprechend geregelt.
2.2 Der Nacherhebung können nur Grundstücks- und Geschossflächen unterliegen, die nicht bereits Gegenstand der ersten Beitragserhebung waren. Das sind hier die im Beitragsbescheid vom 27. Oktober 1998 zugrunde gelegte beitragspflichtige Grundstücksfläche von 810 m² sowie eine Geschossfläche von 263,07 m², die sich aus den Flächen des Gaststättengebäudes und des dazugehörigen Nebengebäudes ergaben. Darüber hinaus ist die Nacherhebung ausgeschlossen für die Grundstücks- und Geschossflächen, die bereits bei der ersten Veranlagung mit Bescheid vom 27. Oktober 1998 zu berücksichtigen gewesen wären, also für die Flächen, für die die Beitragsschuld damals bereits entstanden war. Gemäß Art. 5 Abs. 2a KAG müssen sich die Umstände nachträglich – also nach der ersten Veranlagung mit Bescheid vom 27. Oktober 1998 – geändert haben. Soweit die tatsächliche Bebauung/Nutzung bereits bei der mit Bescheid vom 27. Oktober 1998 festgesetzten ersten Veranlagung auf dem Grundstück vorhanden war, liegt hinsichtlich der heranziehbaren Grundstückfläche, die sich bei bebauten Grundstücken im Außenbereich nach dem angemessenen Umgriff zur vorhandenen Bebauung bestimmt, und der Geschossfläche keine Änderung der maßgeblichen Umstände vor.
Die Gemeinde bzw. der Zweckverband hat bei der erstmaligen Veranlagung eines Grundstücks eine Ermittlungspflicht (vgl. Thimet, Teil VI Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, 1.2.1, Erläuterungen zu § 15). Es war somit vor Erlass des Herstellungsbeitragsbescheids vom 27. Oktober 1998 zu klären, welche Gebäude bzw. welche befestigten Flächen auf dem Grundstück Fl-Nr. … vorhanden und welche Grundstücks- und Geschossflächen der Berechnung zugrunde zu legen sind. Diese Ermittlungspflicht umfasst nicht spätere Veränderungen der Gebäude und des Grundstücks. Vielmehr gilt dann gemäß § 15 BGS-WAS/ZV die Anzeigepflicht des Beitrags- und Gebührenschuldners, der dem Zweckverband die für die Höhe der Abgabe maßgeblichen Veränderungen zu melden und über den Umfang dieser Veränderungen Auskunft zu erteilen hat.
Nach Ansicht der Kammer liegen die Voraussetzungen für eine Nacherhebung nicht mehr vor
– für die Parkplatzfläche mit überdachter Lagerhalle – 2.2.1
– für den Biergarten – 2.2.2
– für die Außenschänke – 2.2.3 und
– für den Anbau an das Nebengebäude – 2.2.4.
2.2.1 Ein Herstellungsbeitrag für die Grundstücksfläche des Parkplatzes mit Lagerhalle (1.207 m²) und die Zuwegefläche (237 m²) (vgl. Anlage B 10) kann nicht mehr erhoben werden.
Die vom Kläger seit 1994 auf dem Grundstück betriebene Gaststätte war bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts als „…“ ein beliebtes Ausflugslokal in der Nähe von … (vgl. vom Kläger vorgelegte Fotos von 1904 und 1912). Auch in den 70er und 80er Jahren wurde es von Familien und Studenten gern besucht. Seit dieser Zeit bestand auch der Parkplatz. Wie der ortskundige Zeuge …, früher Mitglied des Stadtrats von …, bei dem Augenschein am 14. Oktober 2020 erklärte, habe der Parkplatz der Gaststätte bereits früher bestanden, wobei er damals noch durch Baumreihen untergliedert war. Nach Aussage des Zeugen war der Parkplatz an der westlichen Grenze von einer Birkenreihe abgegrenzt, die bei dem Augenschein noch zu sehen war. Zwar seien nach Aussage des Zeugen im Laufe der Jahre mehrere Bäume auf dem Parkplatz entfernt worden, die Grundfläche sei jedoch unverändert geblieben. Dies wurde vom Geschäftsstellenleiter …, der für den Beklagten erschienen ist, bestätigt. Damit hätte der gewerblich für die Gaststätte genutzte Parkplatz schon bei der erstmaligen Beitragserhebung berücksichtigt werden müssen. Dass sich auf einer Teilfläche dieses Parkplatzes nun die überdachte Lagerhalle befindet, die vom Kläger im März 2016 errichtet wurde, rechtfertigt keine Beitragsnacherhebung. Da die Lagerhalle keinen Wasseranschlussbedarf hat, fällt kein Geschossflächenbeitrag an; die genutzte Grundstücksfläche selbst hat sich nicht verändert, so dass ein weiterer Grundstücksflächenbeitrag nicht entstanden ist.
Das gilt auch für die Zuwegefläche von 237 m² (Anlage B 10), die notwendigerweise auch schon früher als Zufahrt zu Parkplatz und Gaststätte vorhanden gewesen sein muss.
2.2.2 Für den Biergarten (421 m²) kann ein Grundstücksflächenbeitrag ebenfalls nicht mehr erhoben werden.
Auch hierzu hat der Zeuge beim Augenschein glaubhaft dargelegt, dass der Biergarten bereits früher – schon zuzeiten anderer Pächter – in dem gleichen Ausmaß wie derzeit bestanden habe. Bei früheren Pächtern sei nur die Möblierung anders gewesen. Damals hätten noch Bäume auf dem Areal existiert und als Sitzgelegenheiten habe es Eisenbänke gegeben. Dem Vorbringen des Beklagtenbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, die Angaben im notariellen Erbbaurechtsvertrag zwischen dem Kläger und der Hospitalstiftung … vom 2. August 2005 (Anlage B 4.1ff.), in dem der Biergarten nur mit einer Fläche von 300 m² enthalten ist, seien höher zu gewichten als die Aussage des Zeugen, folgt die Kammer nicht. In Ziffer 2 des Erbbaurechtsvertrages wird ausgeführt, dass die vertragsgegenständlichen Flächen nach der „derzeitigen Schätzung“ eine Gesamtgröße von ca. 6.000 m² haben. Wenn in der Anlage zum Vertrag die Grundstücksfläche für den Biergarten mit 300 m² angegeben ist, deutet dies ebenfalls auf eine Schätzung und keine in der Natur nachgemessene Fläche hin. Damit kann die Aussage des Zeugen zum unveränderten Umfang des Biergartens in früherer Zeit nicht entkräftet werden. Zudem zeigt ein Blick auf die vom Beklagten als „Biergarten“ gekennzeichnete Fläche (Anlage B 10), dass diese noch einen Teil der Zuwegung zur Gaststätte umfasst, die auch früher schon bestanden haben muss. Zieht man diese Fläche ab, dürften annähernd 300 m² übrigbleiben.
2.2.3 Ein Nacherhebung für die Grundstücks- und Geschossfläche der Außenschänke scheidet nach Ansicht der Kammer ebenfalls aus.
Zwar konnte der Zeuge zum Zeitpunkt der Errichtung der Außenschänke keine Aussage machen. Ein konkreter Nachweis, dass die Außenschänke bei der ersten Veranlagung mit Bescheid vom 27. Oktober 1998 bereits existierte, wie der Kläger angibt, oder erst später errichtet wurde, wie der Beklagte meint, liegt nicht vor. Die vom Kläger vorgelegten Screenshots von Kontobuchungen im April/Mai 1997, nach denen ein Boiler und ein Feuerlöscher bezahlt wurden, sind zwar ein Indiz aber kein Beleg dafür, dass diese Gegenstände für die Außenschänke angeschafft wurden. Ein gewichtigeres Indiz ist allerdings die gaststättenrechtliche Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 GastG des Landratsamtes … vom 21. November 1995, in der ein „Gartenausschank“ genehmigt wurde. Laut einer E-Mail des Landratsamtes vom 17. November 2020 war Gegenstand der vorherigen Erlaubnisse eine „Gartenlaube“; bei dem „Gartenausschank“ dürfte es sich somit um die Außenschänke handeln. Wenn der Kläger eine solche Genehmigung eingeholt hat, spricht vieles dafür, dass er alsbald – also wohl vor dem Bescheid vom 27. Oktober 1998 – Gebrauch von ihr gemacht hat und dass die Außenschänke bei der ersten Veranlagung bereits auf dem Grundstück vorhanden war.
Die Ansicht des Beklagten, dass die Darlegungslast dafür beim Kläger liege, der seiner Anzeigepflicht nach § 15 BGS-WAS/ZV nicht nachgekommen sei, teilt die Kammer nicht. Im Anfechtungsrechtsstreit trägt grundsätzlich die Behörde, hier also der Zweckverband, die Beweislast für die Tatsachen, die nach der zugrundeliegenden Norm Voraussetzung für die von dem Verwaltungsakt angeordnete belastende Rechtsfolge sind (Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung, 39. EL Juli 2020, § 108, Rn. 102). Aus der Behördenakte zur Erstveranlagung lässt sich nicht entnehmen, dass der Beklagte bei der Ermittlung der für die Beitragspflicht maßgeblichen örtlichen Gegebenheiten die nötige Sorgfalt aufgewendet hat. So ist nicht eindeutig ersichtlich, welche Gebäude und befestigten Flächen im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung des Grundstücks tatsächlich dort vorhanden waren. Auf der Kopie des Lageplans mit Maßstab 1:5000 sind das Gaststättengebäude und das Nebengebäude mit einem Umgriff eingezeichnet. Auf einem karierten Blatt ohne Datum, das nach dem Aufmaßblatt eingeheftet ist, sind mit Bleistift verschiedene, mit Maßen versehene Vierecke (bezeichnet als Wirtshaus mit OG-Wohnung; Bar – nach vorne offen; Elisenhütte) und ein Rundbau (ehem. WC) ohne Bezug zur tatsächlichen Lage auf dem Grundstück eingezeichnet. Ein weiteres Viereck ist weder als Gebäude bezeichnet noch mit Maßen versehen. Im Aufmaßblatt ohne Datum sind die Geschossflächen des Gaststättengebäudes, des Nebengebäudes (ohne Anbau), der Elisen-Hütte und des Rundbausehemaliges WC eingetragen. Der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung an, bei ihm sei niemand vom Beklagten wegen tatsächlicher Feststellungen vor Ort gewesen. Die Skizze müsse im Büro gemacht worden sein. Die Beklagtenseite kann hierzu nichts Substantiiertes erklären.
Wenn aber vor der Erstveranlagung keine Feststellungen vor Ort getroffen wurden, wofür die rudimentären Eintragungen auf der Bleistiftskizze sprechen, kann es zutreffen, dass die Außenschänke bereits existiert hat, wie der Kläger angibt, und worauf die weiteren Indizien hindeuten. In jedem Fall kann jedoch der Beklagte, dem die Darlegungslast für die Erstermittlung obliegt, nicht beweisen, dass die Außenschänke erst nach der ersten Veranlagung errichtet wurde. Weder das Aufmaßblatt zum Berechnungsbogen vom 26. März 1997 noch der Erbbaurechtsvertrag sind ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Außenschänke im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung mit Bescheid vom 27. Oktober 1998 noch nicht vorhanden war. Die Unklarheiten gehen zulasten des Beklagten. Eine Umkehr der Darlegungslast ist nicht gerechtfertigt.
2.2.4 Auch für den Anbau an das Nebengebäude kann kein weiterer Grundstückflächenbeitrag erhoben werden.
Beim Augenschein am 14. Oktober 2020 war für das Gericht erkennbar, dass der Anbau an das Nebengebäude kein einheitliches Erscheinungsbild hat. Der Zeuge hat glaubhaft die Aussage des Klägers bestätigt, dass der hintere Teil des Anbaus (mit waagrechten Brettern beplankt) bereits bei der Übernahme des Anwesens durch den Kläger im Jahr 1995 vorhanden war. Bestätigt wird dies durch die Bleistiftskizze zum Aufmaßblatt zur ersten Veranlagung, in der als Anhang an die „Bar“, wie dort das Nebengebäude bezeichnet wurde, dieser Teil des Anbaus eingezeichnet ist. Er wird also existiert haben, auch wenn er nicht in die Beitragsberechnung einbezogen wurde – wie im Übrigen auch kein Umgriff um das Nebengebäude einbezogen wurde. Hinsichtlich des zweiten Teils des Anbaus hat der Zeuge bei dem Augenschein am 14. Oktober 2020 erklärt, er könne den Zeitpunkt der Errichtung nicht genau nennen. Er meine aber, dass dies zeitnah nach der Übernahme durch den Kläger erfolgt sein müsse. Der Kläger erklärte in der mündlichen Verhandlung, er habe, kurz nachdem er 1995 die Pacht übernommen habe, Platzbedarf für Leergut gehabt und habe nach seiner Erinnerung relativ zeitnah diesen Anbau erweitert. Das dürfte bereits im Jahr 1995 gewesen sein. Beide Aussagen erscheinen nachvollziehbar. Der Beklagte bestreitet dies, trägt jedoch – wie oben ausgeführt – die Darlegungslast. Er kann den Nachweis, dass der vordere Teil des Anbaus nach dem 27. Oktober 1998 errichtet wurde, nicht erbringen. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten kann mit der Bleistiftskizze und dem Berechnungsbogen vom 26. März 1997 nicht eindeutig belegt werden, dass der vordere Teil des Anbaus zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorhanden war. Dies gilt auch für den Erbbaurechtsvertrag, der – wie oben ausgeführt – nur geschätzte Werte zugrunde gelegt hat.
2.2.5 Soweit der Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 6. November 2020 die Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags für zwei Holzlagerplätze auf dem Grundstück Fl.-Nr. … geltend macht, von denen er beim Augenschein Kenntnis erlangt hat, besteht kein Bedürfnis, diesen neuen Umstand in den vorliegenden Rechtsstreit einzubeziehen, zumal der Kläger auch hier eine nachträgliche Veränderung bestreitet. Es ist dem Beklagten unbenommen, ein weiteres Nacherhebungsverfahren zu betreiben und ggf. einen weiteren Herstellungsbeitrag durch einen neuen Bescheid festzusetzen.
2.2.6 Somit kann eine Nacherhebung lediglich für die Grundstücks- und Geschossfläche des Schafstalls und die Grundstücksfläche zwischen Schafstall und Außenschänke vorgenommen werden. Der Kläger ist gemäß § 4 BGS-WAS/ZV als Erbbauberechtigter auch Beitragsschuldner.
Der Schafstall ist unstreitig erst nach der ersten Veranlagung errichtet worden. Der Kläger hat mit dem Bau des Schafstalls, der an die Wasserversorgung angeschlossen ist, eine nachträgliche Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände herbeigeführt, womit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 BGS-WAS/ZV mit Abschluss der Maßnahme eine zusätzliche Beitragsschuld entsteht.
Der Beitragssatz für Geschossflächen beträgt gemäß § 6 Abs. 1 b) BGS-WAS/ZV 5,23 EUR/m², der Beitragssatz für Grundstücksflächen gemäß § 6 Abs. 1 a) BGS-WAS/ZV 1,31 EUR/m². Bei den Flächenangaben folgt das Gericht den Angaben des Beklagten in den Anlagen B 8 und 9.
Es ergibt sich folgende Berechnung:
Geschossfläche Schafstall: 25,11 m² x 5,23 EUR/m² = 131,34 EUR
Grundstücksfläche Schafstall/Umgriff 140 m² x 1,31 EUR/m² = 183,40 EUR
Fläche zwischen Schafstall und Außenschänke 289 m² x 1,31 EUR/m² = 378,59 EUR
insgesamt: 693,33 EUR
zzgl. 7% Mehrwertsteuer: 741,86 EUR
Die Festsetzung des Herstellungsbeitrages ist nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG § 169 AO wegen Festsetzungsverjährung ausgeschlossen. Da der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a Satz 2 KAG, § 15 BGS-WAS/ZV nicht nachgekommen ist, begann die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc) KAG, § 170 AO erst mit dem Ende des Kalenderjahres zu laufen, in dem der beim Beklagten zuständige Sachbearbeiter von dem Nacherhebungstatbestand erfahren hat. Dies war hier frühesten bei dem Ortstermin des Landratsamtes … vom 4. Januar 2018 der Fall. Da der Kläger dort angegeben hat, er habe den Schafstall vermutlich vor 15 Jahren, also ca. 2003 gebaut, ist auch die 25jährige Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) Spiegelstrich 1, 2. HS KAG noch nicht erreicht.
Der Herstellungsbeitrag ist somit in Höhe von 741,86 EUR rechtmäßig. Soweit in dem Bescheid vom 10. August 2018 ein höherer Betrag festgesetzt wurde, war der Klage stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und entspricht dem Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.