Baurecht

Normenkontrolle, Bebauungsplan, Fehler in Abwägungsergebnis (bejaht), Minimierungsgebot, Teilunwirksamkeit (verneint).

Aktenzeichen  9 N 20.1752

Datum:
5.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18972
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 7, Abs. 7
BauGB § 1a Abs. 3
BauGB § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der am 14. Juni 2022 bekanntgemachte Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan „Am S. W.“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.  

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
I. Die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Antragsänderung, anstelle des Bebauungsplans in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Juli 2019 nunmehr den Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan „Am S. W.“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juni 2022 für unwirksam zu erklären, ist ohne Weiteres sachdienlich im Sinn von § 91 Abs. 1 VwGO und daher zulässig (vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2021 – 15 N 20.398 – juris Rn. 14 f.). Die Antragsgegnerin hatte vorliegend während des bereits anhängigen Normenkontrollverfahrens zwecks Korrektur eines DIN-Norm bezogenen Bekanntmachungsfehlers, der zur Unwirksamkeit geführt hat (fehlender Hinweis in der Bekanntmachung auf die Einsehbarkeit der DIN 4109, vgl. dazu BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 CN 5.18 – BVerwGE 169, 29 = juris Rn. 37 f.; BayVGH, U.v. 20.11.2020 – 15 N 20.220 – juris Rn. 11), ein ergänzendes Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) durchgeführt und den Plan erneut bekannt gemacht. Die Antragsänderung dient der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs zwischen den Parteien im laufenden Verfahren.
II. Der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist zulässig. Er wurde innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt, weil sie Eigentümerin im Plangebiet liegender Grundstücke ist und sich gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die ihre Grundstücke unmittelbar betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5 m.w.N.).
III. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der am 14. Juni 2022 erneut rückwirkend bekanntgemachte Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan „Am S. W.“ der Antragsgegnerin weist (in gleicher Weise wie der am 31. Juli 2019 bekannt gemachte, inhaltsgleiche Bebauungsplan) materielle Mängel auf, die zu seiner Gesamtunwirksamkeit führen.
1. Der Bebauungsplan leidet an beachtlichen Mängeln im Abwägungsergebnis (§ 1 Abs. 7, § 1a Abs. 3 BauGB), die nicht nach § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich werden können und auch nicht durch eine Planänderung geheilt wurden. Erhebliche Beeinträchtigungen des Biotops 2…4…3 (im Bereich westlich der künftigen F. … straße) sind durch keine hinreichend gewichtigen städtebaulichen Gründe gerechtfertigt und die planerischen Aussagen insofern nicht auf eine möglichst schonende Behandlung von Natur und Landschaft ausgerichtet. Die Antragsgegnerin hat dadurch einen Ausgleich vorgenommen, der zur objektiven Bedeutung der Belange des Umwelt- und Naturschutzes außer Verhältnis steht.
a) Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, U.v. 4.8.2017 – 9 N 15.378 – juris Rn. 53). Dabei differenziert das Gesetz in Bezug auf die Fehlerfolgenregelungen zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 215 Rn. 25).
aa) Ein Fehler im Abwägungsergebnis, der nicht nach § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich werden kann, selbst wenn er nicht binnen Jahresfrist gerügt wird, liegt vor, wenn eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil andernfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Interessen und Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zu ihrer objektiven Gewichtigkeit außer Verhältnis steht, und deshalb die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit überschritten sind (BVerwG, U.v. 22.9.2010 – 4 CN 2.10 – BVerwGE 138, 12, Rn. 22 f.; U.v. 1.9.2016 – 4 C 2.15 – juris Rn. 16). Dies ist in Fällen der Abwägungsdisproportionalität gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – juris Rn. 61), wenn ein Vorhaben mit Opfern erkauft werden muss, die außer Verhältnis zu dem mit ihm erstrebten Planungserfolg stehen, nicht aber bereits dann, wenn bei einer – vertretbaren – anderen Gewichtung der Belange, die für, und derjenigen, die gegen das Vorhaben sprechen, das Ergebnis auch anders hätte ausfallen können (BayVGH, U.v. 10.12.2020 – 1 N 16.682 u.a. – juris Rn. 41; vgl. auch BVerwG, U.v. 5.12.1986 – 4 C 13.85 – juris LS 14). Ebenso wenig genügt es für einen Abwägungsergebnismangel, dass eine Gemeinde im Bebauungsplan (nur) objektiv etwas Anderes festgesetzt hat, als sie festsetzen wollte oder dass die Abwägung vollständig ausgefallen ist (BVerwG, U.v. 22.9.2010 – 4 CN 2.10 – BVerwGE 138, 12, Rn. 22).
bb) Nach § 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB, der gemäß § 18 Abs. 1 BNatSchG die Eingriffsregelung der §§ 13 ff. BNatSchG in die Bauleitplanung überführt, sind in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB die Vermeidung und der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft zu berücksichtigen (BayVGH, U.v. 5.10.2021 – 15 N 21.1470 – juris Rn. 44). Den Belangen des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, vor allem den Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie der Landschaft und der biologischen Vielfalt gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a BauGB wird eine gegenüber anderen Belangen herausgehobene Bedeutung beigemessen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.1997 – 4 NB 27.96 – BVerwGE 104, 68 = juris Rn. 17). Deren Gewicht zeigt sich nicht zuletzt in der verfassungsrechtlichen Wertung, die Art. 20a GG zugrunde liegt (BVerwG, B.v. 31.1.1997 – 4 NB 27.96 – a.a.O. Rn. 24). Im Rahmen der Abwägung ist zu entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Zurückstellung dieser Belange sich überhaupt durch hinreichend gewichtige städtebauliche Gründe rechtfertigen lässt. Dabei sind im Interesse des Vermeidungsgebots die planerischen Aussagen auf eine möglichst schonende Behandlung von Natur und Landschaft auszurichten (BVerwG, B.v. 19.9.2014 – 7 B 6.14 – NVwZ-RR 2015, 15 = juris Rn. 15; B.v. 26.11.2020 – 4 BN 19.20 – juris Rn. 6). Abwägend zu berücksichtigen ist dabei auch, dass Beeinträchtigungen (entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG) grundsätzlich vermeidbar sind, wenn zumutbare Alternativen bestehen, die es erlauben, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen (Brinktrine, in Brügelmann, BauGB, Stand Januar 2022, § 1a Rn. 133 m.w.N.; Gellermann in Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 1a Rn. 61; Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Aufl. 2010, Rn. 582 f.; vgl. auch BVerwG, B.v. 19.9.2014 – 7 B 6.14 – a.a.O.). Dabei zielt dieses Minimierungsgebot auf die Vermeidung der mit dem Eingriff verbundenen nachteiligen Folgen ab, weshalb nicht nur schlichtes Unterlassen bestimmter Maßnahmen in Betracht kommt, sondern auch die Durchführung zusätzlicher Maßnahmen zur Schadensvermeidung geboten sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.2014 – 7 B 6.14 – a.a.O.). Die Vermeidung von Verstößen gegen die artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG, die der Plangeber bereits im Hinblick auf eine mögliche Vollzugsunfähigkeit des Bebauungsplanes aus rechtlichen Gründen (§ 1 Abs. 3 BauGB) zu berücksichtigen hat, kann hierbei ebenfalls von Bedeutung sein (OVG Bln-Bbg, U.v. 30.4.2015 – OVG 2 A 8.13 – juris Rn. 33; vgl. auch BVerwG, U.v. 14.7.2011 – 9 A 12.10 – juris Rn. 107 f., 121 f.).
b) Nach diesen Maßstäben liegt ein Mangel im Abwägungsergebnis vor, weil die Antragsgegnerin die betroffenen Belange nicht abwägungsfehlerfrei zum Ausgleich gebracht hat und die Folgen für die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege außer Verhältnis zu dem erstrebten Planungserfolg stehen. Dieser hätte aufgrund zumutbarer Alternativen – ohne erhebliche Änderung der Planungsziele – mit weitaus geringeren Beeinträchtigungen erreicht werden können.
aa) Dies gilt zunächst für die Festsetzung eines in Ost-West-Richtung neu anzulegenden Fußweges aus versickerungsfähigem Belag durch das Biotop 2…4…3 im Bereich westlich der geplanten F. … straße. Die dadurch verursachten Eingriffe, nicht zuletzt in ein Zauneidechsenhabitat, stehen nicht im Verhältnis zu der Schaffung einer dauerhaften Fußwegverbindung, die nicht nur aus nachträglicher Sicht der Antragsgegnerin, sondern vor allem auch aus objektiver Sicht zum Zeitpunkt der Beschlussfassung verzichtbar erscheint.
Den Belangen des Umwelt- und Naturschutzes kommt nicht nur generell, sondern auch bezogen auf das ohnehin recht schmale Biotop 2…4…3 aus objektiver Sicht ein hohes Gewicht zu. Hiervon ist die Antragsgegnerin, ausweislich der Planbegründung und der Kartierung „Grünordnungsplan, Karte 2 – Bewertung“, auf die dort Bezug genommen wird, ebenfalls ausgegangen. Hinzu kommt, dass aufgrund der ergänzenden speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung der … Naturschutzplanung … vom März 2019 feststeht, dass im Bereich des Biotops, in dem der Weg festgesetzt wurde, bei der Erfassung Ende Juni 2016 eine adulte Zauneidechse gefunden wurde, so dass von einem Habitat auszugehen ist. Der von der Antragsgegnerin beigezogene Biologe hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass der Wegebau einen Eingriff in ein Zauneidechsenhabitat bedeutet, ungeachtet des Umstands, dass keine sehr gute Lebensraumqualität bestehe (vgl. auch saP vom März 2019, S. 10). Bei der Zauneidechse (Lacerta agilis) handelt es sich um eine Reptilienart die gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG i.V.m. Anhang IV a) FFH-RL (92/43/EWG) besonders geschützt sowie streng geschützt ist und daher den Verboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG unterfällt. Dem entsprechend sieht der von der Antragsgegnerin beigezogene Biologe vor allem das Tötungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) als grundsätzliches Problem an. Der Verlust und die Beschädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) kann nach der ergänzenden speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung vom März 2019 aber ebenfalls nicht ausgeschlossen werden (vgl. dort S. 10). Dies erscheint auch nachvollziehbar, nachdem bei Zauneidechsen aus fachlicher Sicht der gesamte besiedelte Habitatkomplex als Fortpflanzungsstätte angesehen werden muss (Runge et al., Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturmaßnehmen [2010], S. A 170, abrufbar unter https://simon-widdig.de/downloads/FuE_CEF_Endbericht.pdf; Schneeweiß et al., Zauneidechsen im Vorhabengebiet – was ist bei Eingriffen zu tun? [2014], S. 9, abrufbar unter https://lfu.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/lfu_bb_nl_2014_1_zauneidechse.pdf, letzter Abruf jeweils 8.7.2022). Ungeachtet der suboptimalen Habitatbedingungen geht die von der Antragsgegnerin vorgelegte naturschutzrechtliche Stellungnahme vom 21. April 2022 (Gerichtsakte S. 198 ff.) unter Berufung auf einen Leitfaden von Hochrechnungsfaktoren für adulte Tiere in der Größenordnung zwischen eins zu sechs und eins zu zwanzig aus. Bestätigt wird das Vorhandensein eines Zauneidechsenhabitats im Bereich des Biotops im Übrigen durch die Umsiedlungsberichte vom 25. Juni und 26. Oktober 2020, aus denen sich ergibt, dass östlich des ersten Fundortes – auf der künftigen Fläche der F. … straße – insgesamt 4 adulte Tiere und 9 Jungtiere (Zeitraum vom 6.4. bis 16.5.2020) sowie 5 subadulte Zauneidechsen, 12 Jungtiere und 10 Schlüpflinge (Zeitraum vom 1.7. bis 15.9.2020) aufgefunden wurden. Laut gutachterlicher Stellungnahme der … Naturschutzplanung … vom 21. April 2022 (Gerichtsakte S. 198 ff.) müssten dementsprechend bei Anlage des Fußweges Zauneidechsen abgefangen werden. Die Abfangflächen seien mit Reptilienschutzzäunen abzugrenzen und es sei erforderlich, dass eine Einwanderung ins Baufeld nachfolgend in der Aktivitätsperiode der Tiere durch geeignete Maßnahmen vermieden werde. Zudem bedarf es ausreichender Ersatzflächen. Es ist daher nach Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass hier – ungeachtet der im Rahmen der Erforderlichkeit zu prüfenden Regelungen des § 44 BNatSchG (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – juris Rn. 31 f.) – den betroffenen Umweltbelangen im Rahmen der Abwägung aus objektiver Sicht nicht nur im Hinblick auf den Schutz von Natur und Landschaft im Allgemeinen, sondern vor allem auch auf den Artenschutz bezogen auf die Zauneidechse im Besonderen ein erhebliches Gewicht beizumessen ist.
Nach dem Vorbringen der Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung erscheinen der Wegebau und die damit verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft allerdings ohne erhebliche Abstriche an den Zielsetzungen der Planung verzichtbar. Dabei handelt es sich nicht um ein Abrücken von bedeutsamen Planungszielen im Rahmen von Vergleichsverhandlungen. Vielmehr wurden in der mündlichen Verhandlung (im Rahmen der Erörterung des Minimierungsgebots) hinreichend gewichtige Belange, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) für die Errichtung des Weges an dieser Stelle gesprochen haben könnten, nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine Fußwegverbindung, der lediglich ein gewisser Abkürzungscharakter beigemessen werden kann. Nach Überzeugung des Gerichts kommt dem Wegebau – angesichts der geplanten Gehwege an den im Norden und Süden parallel verlaufenden Straßen (G. … straße, Am B. ….) sowie der Gesamtumstände (Lage des Wegestücks, Länge von lediglich 130 m, Verlauf innerhalb des Wohngebiets, mutmaßliche Verkehrsbedeutung) – kein wesentliches Gewicht zu, anders als etwa der Errichtung des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Fußwegs an der östlichen Grenze des Baugebiets. Daran ändert auch das in der Begründung aufgeführte Interesse, vorhandene Fußpfade zu erhalten, nichts. Ob es deshalb schon an der Erforderlichkeit der Festsetzung an sich fehlt (§ 1 Abs. 3 BauGB), die für jede Einzelfestsetzung zu verlangen ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310 = juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 13.12.2021 – 15 N 20.1649 – juris Rn. 26), kann dabei dahinstehen. Im Rahmen der vertretbaren Gewichtung der Belange stehen die Eingriffsfolgen durch den Wegebau im Allgemeinen sowie die artenschutzrechtlichen Auswirkungen im Besonderen aus objektiver Sicht jedenfalls außer Verhältnis zu den genannten, weitaus geringerwertigen Belangen. Die Rücksichtnahme auf die ökologischen Faktoren des Naturhaushalts und das im Rahmen der Abwägung einzubeziehende Vermeidungsgebot gebieten hier vielmehr einen Verzicht auf den Wegebau mitten durch das Biotop 2…4…3.
Hinreichende Maßnahmen zur Vermeidung von Eingriffsfolgen (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.2014 – 7 B 6.14 – NVwZ-RR 2015, 15 = juris Rn. 15) sind im Übrigen weder festgesetzt worden noch werden sie anderweitig gewährleistet. In den textlichen Festsetzungen finden sich zum Biotop 2…4…3 in Nr. 1.9.2 nur Regelungen zu Fledermäusen und zu Vögeln sowie eine Bestimmung zum optimalen Zeitpunkt für den Eingriff in „potentielle Habitate der Zauneidechse“. Lediglich für den Wegfall des Zauneidechsenhabitats auf FlNr. … (vgl. dazu die textlichen Festsetzungen unter Nr. 1.9.2 zu CEF-Maßnahmen für die Zauneidechse in Ausgleichsfläche A3) werden angrenzend neue Habitate geschaffen und erforderliche Schutzmaßnahmen festgesetzt, die auch der Vermeidung von Eingriffsfolgen dienen können.
Der abwägungsfehlerhafte Ausgleich der Belange wird auch durch die ergänzende spezielle artenschutzrechtliche Prüfung vom März 2019 nicht ausgeräumt. Wenn dort in Bezug auf die Auffindung einer Zauneidechse im Bereich des künftigen Weges durch das Biotop 2…4…3 ausgeführt wird (S. 13), dass die Fläche des „östlichen Fundes“ (gemeint ist der Biotopbereich) erhalten bleibe, wird bereits verkannt, dass durch den Wegebau in das Habitat eingegriffen wird. Soweit von einer Verlängerung des Grünstreifens nach Westen die Rede ist, haben die Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass in diesem Bereich lediglich eine öffentliche Grünfläche, teilweise mit Zweckbindung Spielplatz, festgesetzt wurde und gerade keine Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft. Hinzu kommt, dass sich die Ausführungen im Wesentlichen damit befassen, dass die Überlebensfähigkeit der Population gewährleistet sei, nicht dagegen mit den hier aufgeworfenen Fragen des Vermeidungsgebots im Rahmen der planerischen Abwägung. Der von der Antragsgegnerin beigezogene Biologe hat schließlich auch in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage keine näheren Angaben zu Maßnahmen gemacht, die die mit dem Eingriff verbundenen nachteiligen Folgen vermeiden könnten.
bb) Abwägungsfehlerhaft ist auch die Abgrenzung der Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft sowie zur Erhaltung des Komplexes aus Streuobstbeständen, Gebüschen und Hecken (zeichnerische Festsetzung 9.1 und 9.1.2) im Bereich des Biotops 2…4…3 westlich der geplanten F. … straße und die Festsetzung eines Allgemeinen Wohngebiets (WA-4/1, WA-4/2) auf dem unmittelbar südlich angrenzenden Grundstück FlNr. …0/1. Die Antragsgegnerin hat nicht nur objektiv etwas Anderes festgesetzt, als sie ausweislich der Begründung festsetzen wollte, worin ein Abwägungsvorgangsfehler liegt (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2010 – 4 CN 2.10 – BVerwGE 138, 12, Rn. 22), sondern den Ausgleich der betroffenen Belange in einer Weise vorgenommen, die zu ihrer objektiven Gewichtung außer Verhältnis steht.
Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die schützenswerten Flächen aus Streuobstbeständen, Gebüschen und Hecken des Biotops 2…4…3 nicht – entsprechend den zeichnerischen Festsetzungen im Bebauungsplan – an der südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. …1/2 enden, sondern sich auch auf einen mehrere Meter breiten und etwa 130 m langen Streifen des Grundstücks FlNr. …0/1 erstrecken. Die Antragstellerin hat einen in ihrem Auftrag gefertigten Plan eines Vermessungsbüros vom 24. Januar 2022 vorgelegt, aus dem sich die entsprechende Ausdehnung in der Größenordnung von drei Metern ergibt und dies auch durch einzelne Fotos, z.T. unter Zuhilfenahme von Vermessungsstäben, plausibel geltend gemacht. Diese Darstellung deckt sich im Grunde mit der amtlichen Biotopkartierung sowie mit dem „Grünordnungsplan Karte 2 Bewertung“, der im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erstellt wurde, auf den in der Begründung verwiesen wird (vgl. etwa S. 24) und der Gegenstand der Bekanntmachung war (vgl. Anlage A8 zum Schriftsatz vom 14.6.2022). Dort ist der sich an das Grundstück FlNr. …1/2 im Süden unmittelbar anschließende, etwa drei Meter breite Streifen, wie die übrige Biotopfläche auch, als Gebiet mit hoher Bedeutung auf der Grundlage einer Bewertung nach dem bayerischen Leitfaden zur Eingriffsregelung ausgewiesen. Dem Vermessungsplan vom 24. Januar 2022 hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen. Vielmehr hat der von ihr beigezogene Landschaftsarchitekt – in Übereinstimmung mit seiner mit Schriftsatz vom 14. Juni 2022 vorgelegten Stellungnahme – auf Nachfrage eingeräumt, dass auf diesem sog. „3 m-Streifen“ Hecken und Gebüsche entstanden sind, die er als wertvoll und geschützt beurteilt, weshalb von einem „Hecken- und Gebüschbiotop“ gesprochen werden könne. Dies deckt sich im Übrigen mit den Angaben der Beteiligten im Rahmen der gescheiterten Vergleichsverhandlungen und vor allem dem abgestimmten Vergleichsentwurf (Gerichtsakte S. 50). Dem entsprechend haben die Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ihre Bereitschaft erklärt, einen drei Meter breiten, bereits vom Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung vermessenen Streifen dem Biotopgrundstück und daher der Sache nach dem Biotopbereich zuzuschlagen, was nach ihren Auskünften bereits Grundlage des anhängigen Umlegungsverfahrens war.
Dem Schutz der gesamten Biotopflächen einschließlich des Streifens auf FlNr. …0/1 kommt nach Überzeugung des Senats, entsprechend der herausgehobenen Bedeutung der Belange des Umwelt- und Naturschutzes (vgl. oben a) bb)), bei objektiver Beurteilung ein erhebliches Gewicht zu. Dies ergibt sich aus den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung sowie aus der Bewertung im Bebauungsplanverfahren als Gebiet mit hoher Bedeutung nach dem bayerischen Leitfaden zur Eingriffsregelung (vgl. „Grünordnungsplan Karte 2 Bewertung“, auf den auch in der Begründung, S. 24 verwiesen wird). Dem entsprechend war es auch erklärter Wille der Antragsgegnerin, die Fläche des Biotops 2…4…3, abgesehen von unvermeidlichen Eingriffen (d.h. vor allem für den Durchstich für die F. … straße), zu erhalten. Dies wird etwa aus dem Abwägungsbeschluss des Gemeinderats zu den Einwendungen der Antragstellerin vom 6. Juni 2019 deutlich (Auszug aus der Sitzungsniederschrift, S. 21), aus der zusammenfassenden Erklärung (Stand 19.7.2019, S. 13) sowie aus der Begründung (S. 19, 24). Soweit der von der Antragsgegnerin beigezogene Landschaftsarchitekt in der mündlichen Verhandlung argumentiert hat, der Umfang des schützenswerten Biotops sei auf die für eine Streuobstwiese typischen Gewächse zu begrenzen, wie sie in der amtlichen Biotopbeschreibung bezeichnet werden („extensiv genutzter Streuobstbestand auf einer selten gemähten Fettwiese“), überzeugt dies nicht. Zum einen spricht er den Gebüschen und Hecken selbst Biotopcharakter zu, auch wenn diese nicht zum Streuobstbestand an sich zählen sollten. Zum anderen wurde das Biotop mit Streuobstbeständen, Gebüschen und Hecken im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens nachvollziehbar als Einheit betrachtet. Der Bebauungsplan differenziert ausdrücklich zwischen Flächen für Maßnahmen „zur Erhaltung der Streuobstwiese inkl. sonstiger Einzelgehölze“ (zeichnerische Festsetzung Nr. 9.1.1) einerseits und solchen „zur Erhaltung des Komplexes aus Streuobstbeständen, Gebüschen und Hecken“ (zeichnerische Festsetzung Nr. 9.1.2) andererseits. Letztere Festsetzung wird für Biotop 2…4…3 getroffen. Zudem lautet die textliche Festsetzung 1.9.1, dass die „zusammenhängenden Gebüsche und Heckenbestände im Biotop 2…4…3 … ebenso geschützt“ werden, wie die zu erhaltenden „Obstbäume und sonstigen heimischen Laubbäume“. Dem entsprechend wird auch in der Begründung für den hier maßgeblichen Bereich nicht zwischen (Obst-)Bäumen einerseits sowie Gebüschen und Hecken andererseits differenziert (vgl. Begründung S. 19). Die „Biotopflächen Streuobst und Hecken Biotope 2…4.1…4, 2…4…3, 2…4….2, 2…4…1, 8…0…8, strukturreiches Gebüsch nordöstlich von Biotop 2…4…4“ werden vielmehr ohne nähere Differenzierung als Gebiete hoher Bedeutung bezeichnet (Begründung S. 24), was sich mit den Aussagen im „Grünordnungsplan Karte 2 Bewertung“ deckt. Gründe die dafür sprechen könnten, den maßgeblichen Streifen auf FlNr. …0/1 zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht als Gebiet hoher Bedeutung anzusehen, hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung im Übrigen nicht dargelegt.
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Abwägung das Minimierungsgebot zwar insofern zugrundegelegt, als sie wesentliche Teile des Biotops 2…4…3 als Grünfläche berücksichtigt hat. Die Festsetzung eines Allgemeinen Wohngebiets auf dem sich auf dem Grundstück FlNr. …0/1 befindlichen Biotopstreifen stellt aber einen Mangel im Abwägungsergebnis dar, weil die widerstreitenden Belange in einer Weise zum Ausgleich gebracht wurden, die zu ihrer objektiven Bedeutung außer Verhältnis steht. Es fehlt an überwiegenden städtebaulichen Belangen für eine Nutzung zu Zwecken des Wohnungsbaus. Zwar kommt der Schaffung von Wohnraum und dem Geschosswohnungsbau grundsätzlich ein hohes Gewicht zu. Hier lassen sich jedoch die Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft auch unter Berücksichtigung des von der Antragsgegnerin konkret verfolgten Planungsziels, im Bereich der Grundstücke FlNr. …0/1, …7/1 und …6/3 ein Allgemeines Wohngebiet mit Geschosswohnungsbau (mit drei bzw. vier Vollgeschossen und OK Gebäude von +11,00 m bzw. +14,00 m, vgl. Textliche Festsetzungen Nr. 1.3.2 und 1.3.3) zu ermöglichen, ohne erhebliche Abstriche von dieser Zielsetzung vermeiden. Dies belegen die Ausführungen in der mit Schriftsatz vom 14. Juni 2022 vorgelegten Stellungnahme des Landschaftsarchitekten. Dort wird ausgeführt, dass angesichts der Baulinie im Süden und der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4, wonach lediglich 4/10 der Fläche bebaut werden dürfen (§ 19 BauNVO), in den hinteren, d.h. den nördlichen Bereichen dem Biotop baulich gut ausgewichen werden könne. Darauf haben die Vertreter der Antragsgegnerin auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Dies deckt sich im Übrigen mit der Bereitschaft, einen entsprechenden, drei Meter breiten Streifen im Umlegungsverfahren dem Biotop zuzuschlagen und dies zur Grundlage des Umlegungsverfahrens zu machen. Daraus folgt allerdings, dass die Erweiterung des Biotops um wenige Meter nach Süden und eine entsprechend verschobene Baugrenze eine die planerischen Ziele nur unwesentlich beeinträchtigende und daher aus objektiver Sicht zumutbare Alternative unmittelbar vor Ort darstellt. Hinreichend gewichtige Belange, die dem entgegenstehen würden, wurden in der mündlichen Verhandlung (auch im Rahmen der Erörterung des Minimierungsgebots) nicht dargelegt und sind insbesondere den Aufstellungsakten nicht zu entnehmen.
Ein Abwägungsergebnisfehler scheidet auch nicht deshalb aus, weil durch ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren eine Konfliktlösung gewährleistet wäre (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 215 Rn. 25). Vielmehr ist bereits im Planungsstadium absehbar, dass sich die aufgeworfenen Interessenkonflikte auf dieser Ebene nicht sachgerecht lösen lassen werden (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2014 – 4 CN 5.13 – juris Rn. 25 m.w.N.). Aus der Festsetzung eines Allgemeinen Wohngebiets für Geschosswohnungsbau auf dem künftigen Baugrundstück FlNr. …0/1 ergeben sich erheblich Nutzungskonflikte zwischen dem Interesse an einer möglichst umfassenden Ausnutzung der Bauflächen (vgl. zu Nebenanlagen die textliche Festsetzung Nr. 1.5) sowie den Belangen des Natur- und Biotopschutzes. Entlang der Nordgrenze befindet sich der mehrere Meter breite Streifen mit einem „Hecken- und Gebüschbiotop“, der als „Gebiet hoher Bedeutung“ einzustufen ist. Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin schließt dabei nicht einmal aus, dass ein hinreichender Heckenrückschnitt aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig sein könnte, was zur Folge hätte, dass dann kein Zaun auf der nördlichen Grundstücksgrenze errichtet werden dürfte. Hinzu kommt, dass die Kronen von im Biotop befindlichen und durch die Festsetzungen im Bebauungsplan geschützten Bäumen mehrere Meter in das Allgemeine Wohngebiet ragen, bei Zugrundelegung des von der Antragstellerin vorgelegten Vermessungsplans vom 24. Januar 2022 teilweise sogar in die festgesetzten Baugrenzen. Die Ausdehnung des Wurzelwerks dürfte im Übrigen noch weiter reichen, was Konflikte mit der in Nr. 1.3.3 der textlichen Festsetzung zugelassenen Tiefgarage nach sich ziehen würde. Vor diesem Hintergrund erscheinen die zu erwartenden Konflikte (Heranrücken von Gebäuden oder Nebenanlagen an die Grundstücksgrenze, Errichtung von Tiefgaragen, Zulässigkeit von Rückschnitten an Bäumen, Hecken und Gebüschen) durch die von der Antragsgegnerin im Bebauungsplan festgesetzte Verpflichtung zu einer Freiflächengestaltungsplanung im jeweiligen Bauantrag (Nr. 1.8.5) nicht sachgerecht bewältigbar. Diese textliche Festsetzung hat nur den „vorhandene[n] Baumbestand auf den nördlich angrenzenden Grundstücken“ (d.h. auf FlNr. …1/2 sowie den nördlich gelegenen Flächen) zum Gegenstand, einschließlich des über die Grundstücksgrenze hinausragenden Kronen- und Wurzelbereichs. Ob die Festsetzung für diesen ausreichend wäre, erscheint angesichts des erheblichen Konfliktpotentials schon mehr als zweifelhaft. Vor allem werden aber Hecken und Gebüsche ebenso wenig erfasst, wie der Biotopstreifen auf dem Grundstück FlNr. …0/1 an sich. Damit werden die insofern auftretenden Konflikte nicht bewältigt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich Bäume, Hecken und Gebüsche sowohl ober- als auch unterirdisch künftig tendenziell weiter ausbreiten dürften und dass regelmäßige Pflegemaßnahmen von den südlich des Biotops gelegenen Grundstücken aus vorgenommen werden müssen, was ebenfalls dauerhaftes Konfliktpotential birgt. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin dem anhängigen Umlegungsverfahren eine Verbreiterung des Biotopgrundstücks nach Süden zugrunde gelegt hat, die im Schriftsatz vom 2. November 2021 als „weitere Puffer“ zwischen dem Biotop und den zukünftigen privaten Baugrundstücken bezeichnet wurde (Gerichtsakte S. 101/103). Der Umstand, dass eine solche Pufferfläche von der Antragsgegnerin erwogen und für erstrebenswert gehalten wurde, spricht ebenfalls dafür, dass eine Konfliktlösung im Baugenehmigungsverfahren nicht ausreichend gewährleistet wäre. Im Übrigen könnte angesichts der dahinterstehenden Überlegung, das künftig in ihrem Eigentum stehende Biotopgrundstück nach Süden dauerhaft zu verbreitern, letztlich die Funktionslosigkeit der Festsetzung als Allgemeines Wohngebiet in diesem Streifen eintreten (vgl. dazu BVerwG, U.v. 29.4.1977 – IV C 39.75 – BVerwGE 54, 5 = juris Rn. 35).
2. Der Fehler führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
a) Planungsfehler, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 139 BGB dann nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn zum einen die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und zum anderen die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung ohne den unwirksamen Teil beschlossen hätte (BVerwG, U.v. 19.9.2002 – 4 CN 1.02 – BVerwGE 117, 58 = juris Rn. 12; U.v. 11.9.2014 – 4 CN 3.14 – NVwZ 2015, 301 = juris Rn. 26, jew. m.w.N.; U.v. 14.9.2017 – 4 CN 6.16 – juris Rn. 29; VGH BW, U.v. 7.4.2022 – 8 S 847/21 – juris Rn. 96). Umgekehrt ist eine Gesamtnichtigkeit dann festzustellen, wenn eine einzelne nichtige Festsetzung mit dem gesamten Bebauungsplan in einem untrennbaren Zusammenhang steht (BVerwG, U.v. 19.9.2002 – 4 CN 1.02 – a.a.O.). Die Teilunwirksamkeit stellt dabei eine von besonderen Umständen abhängende Ausnahme dar (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2013 – 4 BN 22.13 – juris Rn. 3).
b) Nach diesen Maßstäben ist für die Annahme einer bloßen Teilnichtigkeit kein Raum. Die Antragsgegnerin hätte nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel keine Satzung eingeschränkten Inhalts beschlossen. Der Mangel erfasst wegen des unmittelbaren Zusammenhangs nicht nur die nördliche Grenze des Allgemeinen Wohngebiets, das im Anschluss an die Biotopfläche 2…4…3 als WA-4/1 und WA-4/2 festgesetzt wurde, sondern die gesamten Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung sowie zur Bauweise und den Baugrenzen auf den entsprechenden Flächen. Die Bereiche WA-4/2 im Osten und daran unmittelbar anschließend WA-4/1 im Westen werden bei Auslegung des Bebauungsplans durch die nach Nr. 11.2 der zeichnerischen Festsetzungen gezogene Linie voneinander abgegrenzt. Die Fläche WA-4/1 erstreckt sich noch weiter westlich, entlang der sich an das Biotop anschließenden öffentlichen Grünfläche. Selbst wenn eine Teilbarkeit, etwa an der Grenze der bisherigen Grundstücke FlNr. …0/1 und …7/1 und des dort verlaufenden Weges bejaht würde, wäre von der Unwirksamkeit etwa ein Drittel des insgesamt geplanten Geschosswohnungsbaus und damit 6 der geschätzten 18 Gebäude sowie rund 73 der 220 Wohneinheiten erfasst. Darin wäre quantitativ ein erheblicher Eingriff in die planerische Konzeption zu sehen, der über 15% der kalkulierten Gesamtzahl von 470 Wohnungen erfassen würde (vgl. Begründung S. 10). Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der städtebaulichen Rahmenplanung aus dem Jahr 2013 von einer in sich schlüssigen Gesamtkonzeption ausgegangen ist, die etwa auch bei Ermittlung des Ausgleichsflächenbedarfs zugrunde gelegt wurde. Laut Begründung (a.a.O.) sieht dieses Konzept eine Gliederung in Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser sowie Geschosswohnungsbau vor. Die Geschosswohnungen schließen sich dabei an Gebiete mit mehrgeschossigen Bestandsgebäuden (u.a. ein Hochhaus) an, was aus den von der Antragstellerin vorgelegten (Luft-)Bildern ersichtlich wird. Es spricht nach Würdigung dieser Umstände nichts dafür, dass die Antragsgegnerin dieses seit mehreren Jahren verfolgte, stimmige und nachvollziehbare Gesamtkonzept in einem aus örtlicher und inhaltlicher Sicht zentralen Bestandteil aufgegeben hätte. Die Vertreter der Antragsgegnerin haben in der mündlichen Verhandlung die nachvollziehbaren Hinweise des Bevollmächtigten der Antragstellerin auf die elementare Bedeutung des gesamten Geschosswohnungsbaus als Ganzes sowie der Überplanung der betroffenen Grundstücke südlich des Biotops 2…4…3 nicht entkräftet. Soweit der Anteil von einem Drittel der Geschosswohnungsbauflächen als weniger bedeutsam eingeschätzt wurde, überzeugt dies nicht und findet auch keinen Niederschlag in den Unterlagen zum Planungsverfahren.
c) Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin bei Kenntnis der Mängel den südlich an das Biotop 2…4…3 angrenzenden Streifen als Fläche für Maßnahmen zur Erhaltung des Komplexes aus Streuobstbeständen, Gebüschen und Hecken festgesetzt hätte. Bei der Beschlussfassung am 6. Juni 2019 ist ihr Gemeinderat davon ausgegangen, dass der vorhandene Heckenbestand im Bebauungsplan nachgetragen wird (Auszug aus der Niederschrift der Sitzung vom 6.6.2019, S. 21 f.). Der Widerspruch zwischen der südlichen Grenze des Biotops 2…4…3 in den zeichnerischen Festsetzungen und der tatsächlichen Ausdehnung, wie sie sich etwa aus dem „Grünordnungsplan Karte 2 Bewertung“ ergibt (vgl. oben), war den Beteiligten offensichtlich nicht bewusst. Angesichts der mehrfach erklärten Zielsetzung, die Biotope – mit wenigen Ausnahmen (etwa dort, wo eine Durchschneidung durch Straßen unumgänglich ist, vgl. Begründung S. 19) – weitgehend zu erhalten, kann von einem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen mutmaßlichen Willen ausgegangen werden. Laut dem Umweltbericht als Teil der Begründung stellt der weitgehende Erhalt der „im Geltungsbereich befindlichen Streuobstbestände, Hecken und Gebüsche“ und deren Integrierung in innerörtliche Grünzüge sogar einen wesentlichen Inhalt und eines der wichtigsten Ziele des Bauleitplans dar (Begründung S. 31). Ein Indiz kann nicht zuletzt auch darin gesehen werden, dass die Antragsgegnerin die Verbreiterung des Biotopgrundstücks um einen entsprechenden Streifen nach Süden zur Grundlage des anhängigen Umlegungsverfahrens gemacht hat. Dies spricht ebenfalls dafür, dass der Erhalt als wesentliches Ziel angesehen werden konnte und dass sich die Antragsgegnerin – bei Kenntnis der Abwägungsfehler – auch im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses mutmaßlich für den Biotopschutz und damit für eine entsprechende Anpassung des Gesamtplanes entschieden hätte. Ein Erlass ohne Festsetzungen für die betroffenen Grundstücke, insbesondere für FlNr. …0/1, entspräche dagegen nicht dem im Planungsverfahren zum Ausdruck gebrachten Willen der Gemeinde.
3. Auf die sonstigen, gegen die Gültigkeit des Bebauungsplans erhobenen Einwendungen kommt es nicht an. Der Senat weist allerdings ergänzend darauf hin, dass gegen dessen Erforderlichkeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Ein Bebauungsplan ist zwar nicht erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB, wenn für das geschaffene, in der Tendenz überdimensionierte Baurecht kein hinreichender Bedarf besteht und die Planung deshalb nicht auf Verwirklichung in angemessener Zeit angelegt ist (BayVGH, U.v. 25.10.2005 – 25 N 04.642 – juris Rn. 18, 21 f., in Anlehnung an BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 46.91 – BVerwGE 92, 8/14 ff. = juris). Allerdings erscheint angesichts der Gesamtumstände, vor allem der verkehrsgünstigen Lage des Baugebiets im Großraum W. …, des dargelegten Pendlersaldos sowie der Nachfrage nach Baugrundstücken zum Beschlusszeitpunk die Prognose nachvollziehbar, dass selbst die relativ großzügig dimensionierte Planung in angemessener Zeit umgesetzt werden kann. Angesichts des Angebotscharakters der Planung muss das an sich stimmige städtebauliche Konzept hier nicht noch zusätzlich durch weitere empirische Untersuchungen im Sinne einer Bedarfsanalyse hinterlegt werden (vgl. OVG NW, B.v. 14.7.2014 – 2 B 581/14.NE – juris Rn. 67 f. m.w.N.). Soweit die Antragsgegnerin die Planung weiterverfolgen sollte, wird sie allerdings die naturschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG im Rahmen des § 1 Abs. 3 BauGB sowie die natur- und artenschutzrechtlichen Belange im Rahmen der Abwägung anhand der zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse erneut zu bewerten haben. Bei einer neuerlichen Begutachtung wäre dann auch der aktuelle Wortlaut des § 44 BNatSchG zugrunde zu legen und dessen Neuregelung durch das Gesetz vom 15. September 2017 (BGBl I S. 3434) zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.


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