Baurecht

Normenkontrolle, Nichtüberbaubare Fläche am Ortsrand, Terrasse als Nebenanlage, Abgrenzung Innen- und Außenbereich, Ungleichbehandlung von Grundstücken

Aktenzeichen  1 N 20.1182

Datum:
17.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36652
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47
BauGB §§ 1 Abs. 7, 2 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bebauungsplan Nr. … Teil A „K* …“, bekanntgemacht am 27. November 2019, ist hinsichtlich des Teilbereichs 2 unwirksam.
II.Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg. Der am 19. November 2019 als Satzung beschlossene und am 27. November 2019 bekanntgemachte Bebauungsplan ist hinsichtlich des Teilbereichs 2 unwirksam.
1. Der Antragsteller ist als Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41; B.v. 20.9.2005 – 4 BN 46.05 – BauR 2006, 352). An seinen auf den Bereich des Grundstücks FlNr. … beschränkten Antrag ist der Senat allerdings nicht gebunden. Im Fall eines eingeschränkt gestellten Antrags hat das Normenkontrollgericht bei seiner Entscheidung über die beantragte Feststellung der Teilnichtigkeit eines Bebauungsplans über den gestellten Antrag hinauszugehen, wenn der antragsgemäß für nichtig zu erklärende Teil mit anderen, nicht angegriffenen Teilen des Bebauungsplans in einem untrennbaren Zusammenhang steht. Die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit von Planteilen ist nicht davon abhängig, dass der Antragsteller, der das Verfahren mit seinem zulässigen Antrag in Gang gesetzt hat, von allen Teilen des Plans selbst betroffen ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.1991 – 4 NB 3.91 – NVwZ 1992, 567 m.w.N.).
2. Der Bebauungsplan leidet an einem rechtlich erheblichen Abwägungsmangel. Zwar liegt der vom Antragsteller gerügte Ermittlungs- und Bewertungsfehler nicht vor (2.1). Die Ungleichbehandlung von genehmigten oder tatsächlich seit längerer Zeit bestehenden Terrassen im Plangebiet des Teilbereichs 2 verstößt aber gegen das Gleichbehandlungsgebot (2.2). Der Abwägungsmangel hat zur Folge, dass der Bebauungsplan hinsichtlich des Teilgebiets 2 unwirksam ist (2.3).
2.1. Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB). Denn die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraus (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 – 4 B 71.17 – ZfBR 2018, 601).
Die Antragsgegnerin hat das Baurecht auf den einzelnen Grundstücken zutreffend ermittelt. Insbesondere ist sie bei der Festlegung der nicht überbaubaren Fläche auf dem Grundstück des Antragstellers zu Recht davon ausgegangen, dass der ohne Genehmigung errichtete Balkon keinen Bestandsschutz genießt, da er sich nicht mehr innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Bereichs im Sinn von § 34 BauGB befindet.
Die Kriterien für die Abgrenzung des Bebauungszusammenhangs im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB zum Außenbereich (§ 35 BauGB) sind obergerichtlich geklärt. Danach ist ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt ein oder mehrere unbebaute Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. Maßgeblich ist dabei, ob diese besonderen topografischen oder geografischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln. Ebenso wie ein Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper zu enden braucht, verbietet sich umgekehrt die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird. Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein (vgl. BVerwG, B.v. 8.12.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67 m.w.N.). Maßgeblich ist grundsätzlich die tatsächlich vorhandene Bebauung. „Bebauung“ im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB ist indes nicht jede beliebige Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinn „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. BVerwG, B.v. 5.4.2017 – 4 B 46.16 – ZfBR 2017, 471; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275).
Nach den örtlichen Gegebenheiten, von denen sich der Senat beim Augenschein einen umfassenden Eindruck verschafft hat, endet der Bebauungszusammenhang auf dem Grundstück des Antragstellers an der nördlichen Außenfassade des Wohngebäudes. Als vorhandener Bestandteil des Hauptgebäudes kann der errichtete Balkon für den Bebauungszusammenhang nicht berücksichtigt werden, da er ohne Genehmigung errichtet wurde und das Landratsamt mit der Ablehnung des gestellten Tekturantrags (Bescheid vom 20. Oktober 2016) und der später erfolgten Beseitigungsanordnung auch zu erkennen gegeben hat, dass es sich mit dem Vorhandensein dieser baulichen Anlage nicht abgefunden hat (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2002 – 4 C 6.01 – BauR 2002, 1811; U.v. 23.11.1998 – 4 B 29.98 – NVwZ-RR 1999, 364). Soweit sich der Antragsteller darauf bezieht, dass sich der Balkon direkt oberhalb der genehmigten Terrasse befindet, ist die genehmigte Terrasse hier nicht Bestandteil des Hauptgebäudes, sondern Nebenanlage. Aus der Vorschrift des § 20 Abs. 4 BauNVO, nach der bei der Ermittlung der Geschoßfläche Nebenanlagen im Sinn des § 14 BauNVO, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt bleiben, kann nicht geschlossen werden, dass eine Terrassenanlage immer Bestandteil des Hauptgebäudes ist, denn diese Regelung für die Ermittlung der Geschoßfläche kann nur für überdachte Terrassen gelten (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Stand 1. Mai 2021, BauNVO, § 20 Rn. 45). Es ist nach Auffassung des Senats im Einzelfall zu prüfen, ob eine Terrasse Bestandteil des Hauptgebäudes oder Nebenanlage ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.6.2005 – 4 B 27.05 – BauR 2005, 1755; BayVGH, U.v. 7.9.2021 – 1 N 18.870 – juris Rn. 41). Für die Abgrenzung des Begriffs der Nebenanlage von dem der Hauptanlage können funktionelle und räumliche Gesichtspunkte herangezogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 4 C 9.16 – BauR 2018, 647; B.v. 13.6.2005 a.a.O.). Die Terrasse, die entlang der nördlichen Außenfassade des Wohngebäudes verläuft, schließt an den mit Steinplatten versehenen Weg, der im Westen des Wohngebäudes besteht, an. Die Steinplatten auf der Terrasse sind nach den Angaben des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung entweder wie beim westlichen Weg auf Kies (östlicher Teil) oder auf eine bestehende Betonplatte (mittlerer und westlicher Teil) gelegt. Nur im westlichen Teil der Terrasse ist die Betonplatte mit dem Hauptgebäude verbunden und verfügt zusätzlich über einen Unterbau mit weiteren Betonfundamenten. Diese Bauweise, die ersichtlich die Stabilität der Terrasse für den aufgeständerten Balkon gewährleisten soll (die tragenden Säulen des Balkons setzen sich im Boden mit ca. 2,80 m tiefen Betonfundamenten fort), entspricht jedoch nicht den genehmigten Plänen und war von der Antragsgegnerin bei Satzungsbeschluss nicht zu berücksichtigen. Die genehmigte Terrasse ist baulich selbständig, eine konstruktive Verbindung zu dem Hauptgebäude fehlt. Stellt man auf funktionelle Gesichtspunkte ab, so entsteht ein witterungsgeschützter Bereich nur durch den ungenehmigten aufgeständerten Balkon, der den westlichen Teil der Terrasse überdacht; die ursprünglich an dieser Stelle vorgesehene Veranda wurde nicht genehmigt. Der genehmigte ungeschützte Terrassenbereich im Norden des Wohnanwesens kann im Hinblick auf die Klimaverhältnisse im mitteleuropäischen Bereich aber nicht als „Außenwohnbereich“ angesehen werden; es handelt sich vielmehr um einen gepflasterten Teil des Gartenbereichs. Dies belegt auch die beim Augenschein festgestellte Nutzung der Terrasse. So war im östlichen Teil der Terrasse auch ein Blumenbeet angelegt, nur der vom nicht genehmigten Balkon überdachte Teil der Terrasse wurde wohnlich genutzt. Allein die Tatsache, dass die Terrasse (auch) von dem Wohn- bzw. Esszimmer betreten werden kann und soll, ändert daran nichts.
Soweit der Antragsteller auf die Rechtsprechung verweist, dass noch ein sich an das letzte Hauptgebäude anschließender kleinerer Bereich, der Nebenanlagen aufweist oder gärtnerisch genutzt wird, zum „Innenbereich“ gehören kann, führt dies vorliegend nicht dazu, dass der sich für § 34 BauGB erforderliche Bebauungszusammenhang über die Nordfassade des Wohngebäudes hinaus erstreckt. Die an das Wohngebäude anschließende Terrasse kann als ebenerdige Nebenanlage keinen Bebauungszusammenhang für eine Erweiterung des Wohngebäudes oder den Anbau des aufgeständerten Balkons begründen (vgl. BayVGH, U.v. 9.3.2005 – 1 N 03.1765 – juris Rn. 8). Ihr kommt nach dem Eindruck im Augenschein keine maßstabsbildende Kraft zu, weil sie sich dem Beobachter bei einer optischen Bewertung eher als unbebaut darstellt (vgl. zu befestigten Stell- und Lagerflächen im Anschluss an ein Gebäude BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012, 1631). Sie erscheint mit Ausnahme des Bereichs unter dem Balkon mehr als Wegfläche um das Haus, wie sie auch auf der Westseite des Wohngebäudes besteht. Den Abschluss der Bebauung bildet ersichtlich die Nordfassade des Wohngebäudes; dies hat insbesondere der Blick vom Ortsrand gezeigt. Auch topographische Besonderheiten können keinen Bebauungszusammenhang über die Außenfassade des Wohngebäudes hinaus begründen. So stellen die drei Stufen von der Terrasse zum Rasenbereich, die der genehmigten leichten Modellierung des Geländes geschuldet sind, keine Zäsur dar. Die vom Antragsteller angeführte größere Bebauungstiefe – als Maß für den Abstand, bis zu dem ein Grundstück von der vorderen Grundstücksgrenze aus bebaut werden kann – bei den nicht direkt benachbarten Grundstücken dürfte bei dem Grundstück FlNr. … bereits nicht vorliegen und spielt im Übrigen für die Abgrenzung des Innenbereichs zum Außenbereich keine Rolle. Die Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich muss nicht gradlinig verlaufen, sondern darf grundsätzlich auch vor- und zurückspringen (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.1990 – 4 B 103.90 – NVwZ 1990, 962).
Da es für einen Bewertungsfehler maßgeblich darauf ankommt, ob die Antragsgegnerin zu Recht einen Genehmigungsanspruch für den Balkon vor Satzungsbeschluss verneint hat, kommt es auf die in dem Abwägungsvorschlag aufgeführte Begründung für die Abgrenzung von Innenbereich und Außenbereich nicht an. Im Übrigen beziehen sich die Ausführungen, dass sich „bereits ein Teil des Hauptgebäudes im Außenbereich befindet“ erkennbar auf die Situation vor Genehmigung und Ausführung des neuen Gebäudes. Denn in dem vom Antragsteller zitierten Abwägungsvorschlag, den sich der Gemeinderat zu eigen gemacht hat, wird weiter ausgeführt, dass „selbstverständlich bei der Aufstellung des Bebauungsplans auf den genehmigten Gebäudebestand Rücksicht genommen wird“ und der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei einem Ortstermin zugestimmt, „dass der Außenbereich mit der Außenkante des letzten Gebäudes beginnt“. Auch aus der Anlage 1 zur Begründung des Bebauungsplans, der die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abgrenzung des Innenbereichs zum Außenbereich zu entnehmen ist, ergibt sich, dass die Abgrenzung entlang der nördlichen Hausfassade erfolgt ist.
Bezüglich der genehmigten Terrasse ist die Antragsgegnerin zutreffend von einem Bestandsschutz ausgegangen. Soweit gerügt wird, dass bei anderen Grundstücken eine Bebauungsmöglichkeit auch über den Bestandsschutz hinaus gewährt worden sei, ist diese keine Frage der Ermittlung von Tatsachen, sondern der Gewichtung der jeweiligen Eigentümerbelange im Rahmen der Abwägung. Den genehmigten Bestand hat die Antragsgegnerin auch bei den genannten Vergleichsobjekten ermittelt (vgl. Bl. 323 ff. und 645 ff. der Normaufstellungsakten).
2.2. Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573; B.v. 10.11.1998 – 4 BN 44.98 – NVwZ-RR 1999, 423). Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige, städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen. Diese städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen. Der Satzungsgeber muss ebenso wie der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss daher von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und privaten Belange beachtet werden (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – a.a.O.; B.v. 16.1.1996 – 4 NB 1.96 – ZfBR 1996, 223).
Die unterschiedliche Behandlung von Terrassenanlagen auf den Grundstücken im Teilbereich 2 widerspricht diesen Grundsätzen und führt zu einem rechtswidrigen Abwägungsergebnis. Das Abwägungsergebnis eines Bebauungsplans ist rechtlich zu beanstanden, wenn eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil andernfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Interessen und Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zu ihrer objektiven Gewichtigkeit außer Verhältnis steht und deshalb die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit überschritten sind (BVerwG, U.v. 1.9.2016 – 4 C 2.15 – NVwZ 2017, 720; U.v. 22.9.2010 – 4 CN 2.10 – BVerwGE 138, 12).
Nach ihrem Plankonzept hat die Antragsgegnerin bestehende Gebäude über den Bestandsschutz hinaus gesichert, indem sie sie von der nichtbebaubaren Fläche ausgenommen hat. Weiter hat sie Flächen für Gebäude, für die sie ein Baurecht nach § 34 BauGB angenommen hat, berücksichtigt; sie hat diese Flächen allerdings weiter vom Ortsrand weg situiert. Genehmigte Terrassen sollten hingegen kein Anlass sein, sie zum Ortsrand aus den Flächen, die von Bebauung freizuhalten sind, auszunehmen. Für größere Terrassen ist hier lediglich ein Bestandsschutz vorgesehen, nur kleinere Terrassen können entlang der Hausfassade neu errichtet werden. Letzteres hat die Antragsgegnerin aber in dem Teilbereich 2 nicht widerspruchsfrei umgesetzt. So hat sie zwar wie bei dem Antragsteller auch bei den Grundstücken FlNr. … … Terrasse bzw. Balkon nicht mit einer Aussparung versehen, bei dem Grundstück FlNr. … aber hiervor eine Ausnahme gemacht. Die bestehende, nach den vorgelegten Plänen nicht genehmigte Terrasse wurde hier von der von Bebauung freizuhaltenden Fläche ausgenommen. Soweit die Antragsgegnerin hierfür als sachlichen Differenzierungsgrund den genehmigten unterirdischen Technikraum für das bestehende Schwimmbad angegeben hat, ist diese Differenzierung, die die Errichtung oberirdischer baulicher Anlagen ermöglicht, nicht nachvollziehbar. Sie widerspricht auch der von der Antragsgegnerin für dieses Grundstück vorgenommenen Abgrenzung des Innenbereichs zum Außenbereich (vgl. Anlage 1 zur Begründung des Bebauungsplans). Diese gleichheitswidrige Umsetzung des Plankonzepts betrifft nicht nur den Abwägungsvorgang, sondern auch das Abwägungsergebnis, so dass es unschädlich ist, dass der Antragsteller den Abwägungsfehler nicht innerhalb der Jahresfrist (vgl. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB) gerügt hat.
Die Antragsgegnerin wird ggf. in einem ergänzenden Verfahren klären müssen, in welcher Weise sie bestehende Terrassenanlagen einheitlich behandeln will. Es ist entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht zwingend, die genehmigte Terrasse insgesamt aus der nichtüberbaubaren Fläche herauszunehmen. Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, dass das Interesse der Antragsgegnerin an der Erhaltung und Herstellung einer Ortsrandeingrünung nicht das erforderliche Gewicht habe, bestehendes Baurecht auf einer Tiefe von etwa 3,5 m und einer Länge von über 12 m, mithin also einer Fläche von über 40 m² auszuschließen, geht er bereits von unzutreffenden Maßen aus, denn die nichtüberbaubare Fläche schließt nicht unmittelbar an die nördliche Außenwand an. Insoweit hat der Antragsteller selbst in seinem Einwendungsschreiben vom 28. November 2018 folgendes vorgetragen: „im Nordosten des Gebäudes bezieht der Bebauungsplan die Terrasse in einer Tiefe von rund 1,20 m in den Umgriff des Plangebiets ein, im Nordosten (richtig: Nordwesten) die Terrasse und den Balkon in einer Tiefe von rund 30 cm“. Hinzu kommt, dass Terrassen mit einer Breite bis zu 5 m und einer Tiefe bis zu 1,5 m in der nichtüberbaubaren Fläche zulässig sind, so dass – ungeachtet, ob der Vortrag des Antragstellers zentimetergenau zutrifft – der überwiegende Teil der genehmigten Terrasse auch zukünftig nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässig ist. Das Interesse der Antragsgegnerin, am Ortsrand eine größere Fläche von baulichen Anlagen freizuhalten, ist auch so gewichtig, dass es das entgegenstehende Interesse des Antragstellers an einer (weiteren) Bebauung überwiegen kann. Wie die Ortseinsicht gezeigt hat, ist der Ortsrand bereits von weitem sichtbar, mit den Neubauten auf dem Grundstück des Antragstellers sowie den Grundstücken FlNr. … und … wurde ersichtlich Baurecht ausgereizt. Mit den angegriffenen Festsetzungen will die Antragsgegnerin verhindern, dass weitere bauliche Anlagen in den Außenbereich ausufern und einen harmonischen Übergang von Bebauung auf den Grundstücken und den folgenden Freiflächen erreichen. Einer Riegelbebauung mit einem ggf. schmalen Pflanzstreifen soll nachvollziehbar Einhalt geboten werden. Die vorgesehene Bepflanzung dient dem Erhalt und der Ergänzung der bestehenden Ortsrandeingrünung, die auf einzelnen Grundstücken sehr gut ausgeprägt ist und das Landschaftsbild mitprägt. Soweit der Antragsteller bei der Ortsbesichtigung eine Ungleichbehandlung der Grundstücke im Hinblick auf die von den Grundstückseigentümern vorgenommenen Bepflanzung gesehen hat, ist diese anhand der Festsetzungen des Bebauungsplans, auf die es maßgeblich ankommt, nicht erkennbar. Zudem dauert es auch bei der festgesetzten Größe von Neupflanzungen einige Zeit, bis diese die Größe bzw. Dichte der bestehenden Bäume und Sträucher erreichen.
2.3. Der Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans hinsichtlich des Teilbereichs 2. Der Bebauungsplan ist hinsichtlich der verschiedenen Teilbereiche teilbar, die gerügte Unbestimmtheit hinsichtlich der Abgrenzung der Teilbereiche liegt nicht vor.
Die Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen führt dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit eines Bebauungsplans, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und wenn außerdem hinzukommt, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2013 – 4 BN 22.13 – juris Rn. 3 m.w.N.). Nach diesem Grundsatz kann sich die Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans nicht auf das Grundstück des Antragstellers beschränken, da es städtebauliches Ziel der Antragsgegnerin ist, den Ortsrand im Geltungsbereich des Bebauungsplans insgesamt zu schützen. Eine Herausnahme einzelner Grundstücke verfehlt dieses Ziel. Davon geht im Übrigen auch der Antragsteller aus (vgl. S. 8 des Schriftsatzes vom 26.11.2020). Weiter betrifft der festgestellte Abwägungsfehler nicht nur das Grundstück des Antragstellers. Bei einem Mangel in einer nicht teilbaren Regelung hat das Gericht durch seine kassatorische Entscheidung dem Ortsgesetzgeber die Möglichkeit zu einer neuen planerischen Gesamtentscheidung zu eröffnen (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.1991 – 4 NB 3.91 – NVwZ 1992, 567).
Allerdings ist der Bebauungsplan hinsichtlich der Teilbereiche 1 und 2 teilbar. Ein Bebauungsplan, in dem die Gemeinde unterschiedliche Baugebiete bzw. Regelungsbereiche festgesetzt hat, ist an den Gebietsgrenzen teilbar, wenn das jeweilige Gebiet mit den hierfür geltenden Regelungen für sich betrachtet eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken kann und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan für nur eines der Baugebiete beschlossen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.2008 – 4 CN 1.07 – BVerwGE 131, 100). Das ist hier der Fall. Die Regelungsbereiche sind gebietsmäßig getrennt, es werden jeweils eigenständige städtebauliche Zielsetzungen verfolgt. Der Geltungsbereich des Teilbereichs 2 ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch eindeutig durch das entsprechende Planzeichen vom Geltungsbereich des Teilbereichs 1 abgegrenzt. Die Abgrenzung der Teilbereiche wird nach Ziff. 1.2 der textlichen Festsetzungen mit der „Knödellinie“ (Nr. 15.14 der Anlage zur PlanZV) vorgenommen. Bei der Umgrenzung des Grundstücks FlNr. … handelt es sich nach Ziff. 6.5 der textlichen Festsetzungen um eine Fläche mit Bindungen für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen (Nr. 13.2.2 der Anlage zur PlanZV). Es kommt nicht maßgeblich darauf an, an welcher Stelle bzw. welchem Grundstücksbereich (insgesamt dreimal) die Festsetzung „TB 2“ steht. Mit der Anbringung dieses Planzeichens jeweils an der westlichen, nördlichen und östlichen Seite des Teilbereichs 2 und der Abgrenzung mit der „Knödellinie“ zum südlich verlaufenden K* …weg wird hinreichend deutlich, dass der nördlich des K* …wegs liegende Planbereich dem Teilbereich 2 zugeordnet ist.
Ein Eingehen auf die weiteren Einwendungen des Antragstellers gegen den Bebauungsplan ist nicht mehr veranlasst.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat der Antragsgegner die Entscheidung in Nr. I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils in derselben Weise zu veröffentlichen wie den angegriffenen Bebauungsplan (§ 10 Abs. 3 BauGB).


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