Baurecht

Nutzungsänderung eines Schullandheims in eine Asylbewerberunterkunft

Aktenzeichen  2 ZB 14.1201

Datum:
21.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 44273
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
BauGB § 34, § 35, § 246 Abs. 9, Abs. 11, Abs. 13
BaunNVO § 3

 

Leitsatz

Die Umnutzung eines Schullandheims als Anlage für kulturelle Zwecke in eine Asylbewerberunterkunft als Anlage für soziale Zwecke ist  sowohl im Innenbereich gemäß § 246 Abs. 11 BauGB als auch im Außenbereich gemäß § 246 Abs. 9 BauGB oder nach § 246 Abs. 13 Satz 1 Nr. 2 genehmigungsfähig. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 K 13.574 2014-02-27 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung (§ 124, § 124 a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. wurden nicht hinreichend dargelegt.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 27. Februar 2014. Hierbei ist bei einer Verpflichtungsklage eine dem Bauherrn günstige Änderung der maßgeblichen Rechtslage auch noch im Zulassungsverfahren ohne die zeitliche Grenze der Antragsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO zu beachten. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu berücksichtigen, ob sich das angefochtene Urteil im Licht einer inzwischen eingetretenen Rechtsänderung aus anderen Gründen als richtig darstellt und zunächst bestehende ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit damit beseitigt sind (vgl. BVerwG, B. v. 15.12.2003 – 7 AV 2.03 – NVwZ 2004, 744; BayVGH, B. v. 22.11.2011 – 14 ZB 10.2681 – juris). Auf diesen Gesichtspunkt hat der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 10. Februar 2016 zutreffend hingewiesen. Nach neuer Rechtslage (§ 246 Abs. 8 bis 14 BauGB) stellt sich damit das Urteil des Erstgerichts im Ergebnis als richtig dar. Es hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, der Klägerin einen positiven bauplanungsrechtlichen Vorbescheid zu erteilen. Der Bebauungsplan der Beigeladenen „Reines Wohngebiet H. Straße-Süd ist unwirksam (vgl. BayVGH, U. v. 16.11.2015 – 2 N 14.281 – juris).
Unterstellt man entgegen der Auffassung des Erstgerichts zugunsten der Beigeladenen, dass es sich bei der bisherigen Nutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. … der Gemarkung R. durch ein Schullandheim um eine Anlage für kulturelle Zwecke handelte, während es sich bei der geplanten Nutzung für eine Asylbewerberunterkunft um eine Anlage für soziale Zwecke im Sinn der Baunutzungsverordnung (BauNVO) handeln würde, ist letztere gleichwohl planungsrechtlich zulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob sich das Vorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB oder im Außenbereich nach § 35 BauGB befindet.
Liegt das Vorhaben im Innenbereich, so ist es gemäß § 246 Abs. 11 BauGB genehmigungsfähig. Hiernach ist selbst in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO eine Asylbewerberunterkunft regelmäßig zuzulassen. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend eine Ausnahme von der Regel gelten müsste, sind weder dargetan noch ersichtlich.
Liegt das Vorhaben im Außenbereich, so ist es entweder gemäß § 246 Abs. 9 BauGB oder nach § 246 Abs. 13 Satz 1 Nr. 2 BauGB zuzulassen. Dann gilt die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB entsprechend. Dem Vorhaben darf nicht entgegengehalten werden, dass es Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widerspricht, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Dass andere öffentliche Belange im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigt sein könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtsfrage, ob es sich bei einem Schullandheim um eine Anlage für kulturelle Zwecke oder um eine Anlage für soziale Zwecke im Sinn der Baunutzungsverordnung handelt, ist vorliegend nicht mehr entscheidungserheblich. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.
3. Das angegriffene Urteil weicht auch nicht im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ab. Eine Divergenz scheidet bereits deshalb aus, weil sich das Urteil des Senats vom 13. September 2012 (Az. 2 B 12.109 – BayVBl 2013, 241) mit einer Asylbewerbererstaufnahmeeinrichtung im Sinn von § 44 AsylVfG (jetzt: § 44 AsylG) und nicht mit einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinn von § 53 AsylVfG (jetzt: § 53 AsylG) befasste. Dass vorliegend eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes im Sinn von § 44 AsylVfG (jetzt: § 44 AsylG) geplant wäre, ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Zudem wäre die behauptete Divergenz im Berufungsverfahren nicht mehr entscheidungserheblich. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.
4. Soweit das Verwaltungsgericht in Ziffer 1. des Tenors seines Urteils ausführt, wieso ein positiver Vorbescheid zu erteilen ist („weil …“), handelt es sich um ein bloßes Begründungselement, das offensichtlich nicht in den Tenor gehört und nicht an der Bindungswirkung nach § 121 VwGO teilnimmt. Die materielle Rechtskraft erfasst nur die Entscheidung über den Streitgegenstand gemäß der Urteilsformel, nicht dagegen sonstige Urteilselemente (vgl. BVerwG, U. v. 17.12.1963 – II C 20.63 – BVerwGE 17, 293/299; U. v. 21.9.1984 – 8 C 4.82 – BVerwGE 70, 159/161; U. v. 10.5.1994 – 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24/26). Diese sind allenfalls bei der Auslegung der Urteilsformel heranzuziehen, soweit Unklarheiten bestehen. Insoweit gilt vorliegend aber nunmehr die Auslegung durch den Senat gemäß den vorstehenden Gründen unter Ziffer 1.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.


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