Baurecht

Obliegenheit des Klägers zur Substantiierung seiner Klage innerhalb der Zehn-Wochen-Frist des § 6 Satz 1 UmwRG, Anforderung an den geringen Aufwand der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung im Sinne von § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO

Aktenzeichen  M 2 K 20.2234

Datum:
26.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35291
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UmwRG §§ 1, 6
VwGO § 87b Abs. 3 S. 3
BayStrWG Art. 9, 36

 

Leitsatz

1. Die im Wesentlichen wörtliche Wiedergabe von im Planfeststellungsverfahren geltend gemachten Einwendungen in der Klagebegründung ohne jede Auseinandersetzung mit dem streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss und dessen Entscheidungsgründen genügt nicht den Substantiierungspflichten des § 6 Satz 1 UmwRG.
2. Der Kläger muss sich innerhalb der Zehn-Wochen-Frist des § 6 Satz 1 UmwRG gegenüber dem Gericht mit konkreten tatsächlichen Aspekten und ihrer Behandlung durch die streitgegenständliche Zulassungsentscheidung befassen und in seinem Vortrag erkennen lassen, worauf zumindest wesentliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses gründen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierauf übereinstimmend verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist in weitem Umfang mit ihren vorgetragenen Tatsachen und abgegebenen Erklärungen nach § 6 UmwRG präkludiert, so dass eine Verletzung materieller Rechtsvorschriften mit den Folgen nach § 7 Abs. 5, 6 UmwRG nicht in Betracht kommt (Rn. 19 ff.). Soweit sich dem Vortrag nicht präkludierte tatsächliche und rechtliche Ausführungen entnehmen lassen, bestehen keine materiell-rechtlichen Bedenken gegen den Planfeststellungsbeschluss (Rn. 35 ff.).
1. Gemäß § 6 Sätze 1 und 2 UmwRG hat eine Person oder eine Vereinigung innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben; Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind vorbehaltlich der Regelung in § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO nur zuzulassen, wenn die Verspätung entschuldigt ist. Die Frist kann nach § 6 Satz 4 UmwRG (nur) dann auf Antrag verlängert werden, wenn die Person oder die Vereinigung in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.
Ein Verstoß gegen die durch § 6 UmwRG der Klägerin auferlegte Obliegenheit führt zur Unbegründetheit und nicht zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 20; OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 137). Das Gericht ist gehindert, verspätetes Vorbringen zuzulassen. Auf die Frage, ob eine Zulassung verspäteten Vorbringens das Verfahren konkret verzögern würde, kommt es nicht an.
2. Vorliegend ist § 6 UmwRG wegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG zu beachten. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ist hiernach auf Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte (Rn. 22) anzuwenden, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union (Rn. 25 f.) zugelassen werden (Rn. 23). Dass vorliegend die Rechtsbehelfsführerin eine natürliche Person und keine anerkannte Vereinigung ist, ist für die Anwendbarkeit des Gesetzes nicht von Bedeutung; § 6 Satz 1 UmwRG stellt auf „eine Person (…) im Sinne des § 4 Absatz 3 Satz 1“ und damit auf jede natürliche Person ab (vgl. VG Hannover, U.v. 12.1.2021 – 4 A 1902/20 – juris Rn. 52).
a) Ein Planfeststellungsbeschluss ist als verbindliche Regelung eines Einzelfalls ein Verwaltungsakt mit dinglichen Wirkungen (vgl. statt vieler Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 74 Rn. 19 m.w.N.).
b) Der vorliegende Planfeststellungsbeschluss ist eine Entscheidung zur Zulassung eines Vorhabens. Für den Vorhabensbegriff des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist nach dem Willen des Gesetzgebers die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 4 UVPG – jedoch ohne die dort enthaltene Bezugnahme auf die Anlage 1 zum UVPG – maßgeblich (vgl. BT-Drs. 18/9526, S. 36; s.a. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 86. EL, April 2018, § 1 Rn. 103). Der durch den Plan festgestellte Kreisverkehr stellt ein Vorhaben nach § 2 Abs. 4 Nr. 1 a, b) UVPG dar. Es handelt sich um ein Neuvorhaben, das zugleich die Errichtung und den Betrieb einer technischen Anlage – eine Kreisverkehrsanlage weist ein Mindestmaß an maschineller Konstruktion auf und ist deshalb als technisch anzusehen -, jedenfalls aber eine sonstige Anlage darstellt (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 86. EL, April 2018, § 1 Rn. 104 ff.). Da aufgrund des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses der Beigeladene als Vorhabenträger das Vorhaben realisieren darf, wird das Vorhaben auch zugelassen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG a.E. (zum Zulassungsbegriff vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 86. EL, April 2018, § 1 Rn. 111 u. 35).
c) Das planfestgestellte Vorhaben wird auch nicht von einer anderen Nummer des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG erfasst, insbesondere liegt kein Fall der Nummer 1 vor. Zwar ist der Planfeststellungsbeschluss eine Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG, die das konkrete Vorhaben auch zulässt, jedoch „kann“ für das Vorhaben eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Buchst. a) oder landesrechtlichen Vorschriften (Buchst. b) nicht bestehen. Eine solche Prüfung „kann“ bestehen, wenn entweder eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder – unabhängig vom Ergebnis – eine Vorprüfung nach § 7 UVPG durchzuführen ist (vgl. VG Ansbach, U.v. 8.2.2021 – AN 9 K 19.01265 – juris Rn. 51; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 86. EL, April 2018, § 1 Rn. 39; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 1 UmwRG Rn. 10; es kommt insoweit aber nicht zusätzlich auf die Bejahung von § 1 UVPG an, a.A. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 1 UmwRG Rn. 10). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Weder ist das Vorhaben in Spalte 1 der Anlage 1 zum UVPG aufgelistet – dann bestünde eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 6 – noch ergibt sich aus landesrechtlichen Vorschriften eine solche Pflicht; insbesondere die Voraussetzungen des Art. 37 BayStrWG liegen nicht vor (vgl. die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss, S. 15 f.). Eine Pflicht zur Vorprüfung besteht ebenfalls nicht; das Vorhaben ist auch nicht als Vorhaben in Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG enthalten – dann bestünde nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 UVGP eine Pflicht zur allgemeinen oder standortbezogenen Vorprüfung.
d) Schließlich wird das Vorhaben „unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften“ zugelassen. Umweltbezogene Rechtsvorschriften sind nach § 1 Abs. 4 UmwRG Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes (Nr. 1) oder Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Umweltinformationsgesetzes (Nr. 2) beziehen. Umweltbestandteile sind hiernach u.a. Luft, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume, die Artenvielfalt sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen. Faktoren sind u.a. Stoffe, die sich auf die Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken. „Unter Anwendung“ solcher Bestimmungen wird ein Vorhaben durch Verwaltungsakt zugelassen, wenn diese von der zuständigen Behörde zu prüfen waren, unabhängig davon, ob sie tatsächlich geprüft wurden (vgl. VG München, U.v. 17.5.2021 – M 8 K 19.6030 – juris Rn. 31; Seiber, NVwZ 2018, 97/98).
Zum Prüfprogramm des vorliegenden Planfeststellungsbeschlusses gehört das Naturschutzrecht (vgl. allg. Kupfer in Schoch/Schneider, VwVfG, Grundwerk Juli 2020, Vorb. § 72 Rn. 156 ff.). Sein Gegenstand ist die Erhaltung, Pflege und Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt, einschließlich ihrer natürlichen Lebensgrundlagen. Das Naturschutzrecht enthält daher Bestimmungen, die sich im vorstehenden Sinne zum Schutz von Menschen und Umwelt auf natürliche Lebensräume und Artenvielfalt beziehen. Schon deshalb ist der vorliegende Planfeststellungsbeschluss (auch) unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften ergangen (vgl. S. 30 ff. des Planfeststellungsbeschlusses).
3. Der Vortrag der Klägerin genügt den Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG nicht.
a) Nach § 6 Satz 1 UmwRG sind innerhalb der Frist von zehn Wochen seit der Klageerhebung die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Welchen Umfang, insbesondere Tiefgang die Begründung haben muss, um eine „Angabe“ in diesem Sinne zu sein, lässt sich dem bloßen Wortlaut des § 6 Satz 1 UmwRG nicht entnehmen, ergibt sich aber bei teleologischer Betrachtung der Norm. Der Zweck des § 6 UmwRG besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten wird. Innerhalb der Begründungsfrist hat der Kläger grundsätzlich den Prozessstoff festzulegen. Damit soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und eindeutig feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird. Das schließt späteren lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – juris Rn. 14; OVG NW, U.v. 5.2.2021 – 11 D 13/18.AK – juris Rn. 83). Bei der Spezifizierung der gebotenen Anforderungen an den klägerischen Vortrag ist zu beachten, dass die Ordnungsfunktion der Vorschrift nur verlangt, frühzeitig den Beteiligten die „Angriffsrichtungen“ gegen den Streitgegenstand zu verdeutlichen, nicht aber schon den „Angriff“ in jeder Hinsicht auszuführen. Ferner ist zu beachten, dass einerseits rechtliche Ausführungen von der Präklusionsvorschrift nicht erfasst werden (unklar insoweit BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 17, der im Zusammenhang mit § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO von „tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten“ spricht), andererseits diese vielfach einen Anknüpfungspunkt im Tatsächlichen haben, so dass sie insoweit auch bereits in der fristgemäßen Klagebegründung „angelegt“ sein müssen (insoweit kommt dem Bagatellvorbehalt des § 6 Satz 3 UmwRG eine Rolle zu, siehe hierzu Rn. 35 ff.).
b) Aus dem skizzierten Zweck des § 6 UmwRG ergibt sich, dass die Vorschrift den Kläger nicht nur dazu verpflichtet, überhaupt die Klage zu begründen – mithin kann eine Klageerhebung allein unter Vorlage des angefochtenen Beschlusses ohne Begründung von vorherein nicht genügen (vgl. BayVGH, GB v. 12.4.2021 – 8 A 19.40009 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 14; VG Ansbach, U.v. 8.2.2021 – AN 9 K 19.01265 – juris Rn. 52) -, sondern auch dazu, die maßgeblichen Tatsachen mit einem Mindestmaß an Schlüssigkeit und Substanz vorzutragen. Der Vortrag muss geeignet sein, dem Gericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten einen hinreichenden Eindruck von dem jeweiligen Tatsachenkomplex zu verschaffen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 13; OVG NW, U.v. 5.2.2021 – 11 D 13/18.AK – juris Rn. 83; OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 142). Ferner sind, das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, Beweismittel für einen späteren förmlichen Beweisantrag innerhalb der Klagebegründungsfrist anzugeben (vgl. a. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – juris Rn. 14; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 86. EL, April 2018, § 6 Rn. 63)
Demnach fehlt es an einem ausreichenden Mindestmaß an Schlüssigkeit und Substanz, wenn in der fristgemäßen Klagebegründung aus Sicht des Klägers relevante Tatsachenkomplexe ausschließlich aufgelistet werden und deren nähere Einordnung einer späteren Vertiefung der Klage oder gar erst der mündlichen Verhandlung vorbehalten bleiben soll. Die beschriebene Ordnungsfunktion der Norm liefe leer, wäre es nicht erforderlich, dass der Kläger die von ihm als relevant erachteten Tatsachen in Beziehung zum konkreten Planfeststellungsbeschluss setzt. Dieser bildet im Übrigen den Streitgegenstand und muss schon deshalb Bezugspunkt einer Klageschrift sein (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 4 A 16/16 – juris Rn. 36 zum vergleichbaren § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG). Die bloße Wiederholung des Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren kann daher nicht den Substantiierungserfordernissen des § 6 Satz 1 UmwRG genügen (vgl. BayVGH, GB v. 12.4.2021 – 8 A 19.40009 – juris Rn. 17; OVG Saarl, B.v. 5.7.2021 – 2 A 123/20 – Rn. 19; OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 142; vgl. auch VG Hannover, U.v. 12.1.2021 – 4 A 1902/20 – juris Rn. 52 mit Zweifeln, ob allein die Vorlage der Widerspruchsbegründung als Anlage zur Klageschrift genügt).
Vielmehr muss der Kläger fristgerecht gegenüber dem Gericht und den Beteiligten eine schriftsätzliche Auseinandersetzung dergestalt leisten, dass er sich mit konkreten tatsächlichen Aspekten und ihrer Behandlung durch die streitgegenständliche Zulassungsentscheidung des Beklagten zumindest in groben Zügen auseinandersetzt. Dass dabei im Regelfall ganz überwiegend Inhalt des Vortrags aus dem Verwaltungsverfahren relevant sein wird, ändert nichts daran, dass dessen Zuordnung zu den Ausführungen und Bewertungen des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses und seiner Begründung geboten ist. Die erforderliche Auseinandersetzung muss erkennen lassen, worauf zumindest wesentliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses gründen, mithin aus welchen Gründen die Argumentation und Abwägung der Planfeststellungsbehörde für unzutreffend gehalten wird. Die schlichte Behauptung, die Tatsachen seien anders als vom Beklagten angenommen, ist zu wenig. Umgekehrt ist eine schlüssige Gegenargumentation oder eine Auseinandersetzung mit jeder einzelnen Erwägung des Planfeststellungsbeschlusses ebenso wenig erforderlich wie eine umfassende Antizipation des Vortrags der übrigen Beteiligten (vgl. zutreffend Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 86. EL, April 2018, § 6 Rn. 65). Im Einzelnen wird das konkrete Anforderungsprofil an die Substantiierung auch vom Gehalt der angefochtenen Zulassungsentscheidung gesteuert. Vor diesem Hintergrund sind daher schlichte Behauptungen, die Planfeststellungsbehörde hätte den Antrag des Vorhabenträgers ablehnen müssen, jedenfalls dann nicht ausreichend, wenn und soweit sich der Planfeststellungsbeschluss und seine Begründung mit dem klägerischen Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren befasst.
c) Diesen Anforderungen genügt der klägerische Vortrag nicht. Bis zum maßgeblichen Zeitpunkt – hier bis zum Ablauf des 31. Juli 2020 (§ 57 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB) – wurden lediglich der Schriftsatz, mit dem die Klage (ohne weitere Begründung) erhoben wurde, und der anwaltlich gefertigte Begründungsschriftsatz vom 8. Juli 2020 bei Gericht eingereicht. Der Schriftsatz der Klägerin vom 8. Juli 2020 übernimmt die (weil von mehreren Einwendungsführern verwendeten) ersichtlich vorgefertigten Einwendungen der damals unvertretenen Klägerin in Gliederung und Formulierung unverändert. Lediglich das Personalpronomen „ich“ wurde durch die Worte „die Klägerin“ ersetzt. In diesen Ausführungen finden sich allgemeine Empörungsphrasen („widerspricht allen rechtsstaatlichen Grundsätzen“; „ein massiver mit nichts zu rechtfertigender Eingriff in das Schutzgut der Arten und Lebensräume“), denen jeweils der Bezug zum konkreten Verfahren fehlt. Auch soweit die Einwände etwas spezifischer formuliert sind, bleiben sie abstrakt und oberflächlich. Das ist für das Verwaltungsverfahren nicht unüblich und auch (zumindest jenseits von Präklusionsfragen) unschädlich, weil der Behörde insoweit gleichwohl Ansatzpunkte für Ermittlungen und Bewertungen vermittelt werden und ihr Prüfungsmaßstab und Entscheidungsgegenstand geformt werden (vgl. zur Funktion der Anhörung Weiß in Schoch/Schneider, VwVfG, Grundwerk Juli 2020, § 73 Rn. 206 ff., 225 ff.).
Für das konkrete gerichtliche Verfahren sind diese Ausführungen indes ungeeignet. Die von den Bevollmächtigten unverändert aus dem Verwaltungsverfahren übernommenen Einwände können naturgemäß keinen konkreten Bezug zum später bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss aufweisen, was an den vorhandenen Verweisen auf die Planunterlagen statt auf den Planfeststellungsbeschluss plastisch wird. Folgerichtig fehlt es auch an jedweder inhaltlichen Befassung mit der behördlichen Zulassungsentscheidung, die die Klägerin angreift. Weder eine Prüfung noch eine auch nur kursorische Durchdringung des Beschlusses sind erkennbar. Daran ändern auch die den Schriftsatz abschließenden beiden Sätze (unter der Überschrift „ II. Angefochtener Planfeststellungsbeschluss“) nichts. Abgesehen davon, dass zwei kurze Sätze kaum einmal eine wesentliche Substantiierungsleistung erbringen können werden, sind sie semantisch unzutreffend. Auf den in Bezug genommenen beiden Seiten des Planfeststellungsbeschlusses werden die eigentumsrechtlichen Einwände der Klägerin (nur um diese geht es an dieser Stelle des Beschlusses) nicht pauschal zurückgewiesen, sondern diese werden aufgegriffen und u.a. damit zurückgewiesen, dass eine Inanspruchnahme des Grundstücks im Umfang von 50 m2 das bestehende Nutzungsrecht nur geringfügig beeinträchtigt.
An der fehlenden Substantiierung des klägerischen Vortrags kann auch der im Eilverfahren M 2 S 20.4209 vorgelegte Schriftsatz der Klägerin (als dortige Beigeladene) vom 14. Dezember 2020 nichts ändern. Ungeachtet der Antwort auf die Frage, ob die Präklusionswirkung des § 6 UmwRG auch eintreten kann, wenn innerhalb der Frist ein Schriftsatz nur für ein Eilverfahren, nicht aber für das Hauptsacheverfahren eingereicht wird (vgl. OVG Saarl., B.v. 5.7.2021 – 2 A 123/20 – juris Rn. 20; OVG NW, U.v. 5.2.2021 – 11 D 13/18.AK – juris Rn. 85), kann vorliegend jedenfalls ein Schriftsatz, der in einem vom hiesigen Beigeladenen angestrengten Eilverfahren von der hiesigen Klägerin (als dortige Beigeladene) eingereicht wird, nicht die bereits eingetretene Präklusionswirkung beseitigen; andernfalls hinge der Fortbestand der Präklusion vom Prozessverhalten anderer Beteiligter ab und würde insoweit auch der Beklagte ohne seine Mitwirkung belastet, der jedoch durch die Präklusionswirkung (auch) geschützt wird. Eine nähere Würdigung dieses Schriftsatzes unter dem Gesichtspunkt der Substantiierung ist daher entbehrlich.
4. Die Präklusionswirkung ist in weitem Umfang nicht wegen des Vorbehalts des § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO ausgeschlossen (Rn. 36 ff.). Soweit dies punktuell der Fall ist, ergibt die gebotene Überprüfung der Belange der Klägerin keine Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses (unten Rn. 39 ff.).
a) Eine Ausnahme von der Präklusionswirkung nach § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO greift ein, wenn es dem Gericht mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln. Es handelt sich um einen Bagatellvorbehalt, der eine im Einzelfall unverhältnismäßige Präklusion ausschließen soll und daher eng auszulegen ist. Für die Feststellung des geringen Aufwands hinsichtlich der Ermittlung maßgeblicher Tatsachen (das ist mit dem weder in § 6 UmwRG noch in § 87b VwGO sonst genannten Wort „Sachverhalt“ gemeint) ist maßgeblich der finanzielle, aber auch der zeitliche Aufwand (vgl. Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: EL 38, Januar 2020, § 87b Rn. 65; Baudewin/Großkurth NVwZ 2018, 1674/1677); letzteres ist insbesondere bei § 6 UmwRG relevant, weil die Vorschrift inzwischen (zur Vorgängernorm vgl. insoweit BayVGH, B.v. 22.5.2020 – 22 ZB 18.856 – juris Rn. 69 f.) anders als § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO gerade auf eine tatsächliche Verzögerungswirkung verspäteten Vorbringens als Präklusionsvoraussetzung verzichtet (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 5.2.2021 – 11 D 13/18.AK – juris Rn. 81).
Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass die Behördenakten generell Grundlage der Urteilsfindung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind und deshalb die Ermittlung des Sachverhalts durch Aktenstudium nicht von vornherein als Aufwand für das Gericht verstanden werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2020 – 22 ZB 18.856 – juris Rn. 73; VG Halle, B.v. 26.8.2020 – 8 B 147/20 – juris Rn. 61; weitergehend wohl vgl. OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 150; Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: EL 38, Januar 2020, § 87b Rn. 65), kann jedenfalls die Auswertung und Durchdringung von in den Akten befindlichen Gutachten oder Stellungnahmen – etwa zur Notwendigkeit einer Trassenführung, zur Beachtung technischer Vorgaben, der naturschutzfachlichen Verträglichkeit des Vorhabens oder die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung – nach Schlüssigkeit oder methodischen Fehlern nicht ohne Substantiierungsleistung der Klägerin ergehen. Denn zur „ungefragten Fehlersuche“ ist das Gericht auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 UmwRG nicht verpflichtet (vgl. BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 2 B 57/17 – juris Rn. 17).
b) Im vorliegenden Fall greift der Bagatellvorbehalt des § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO daher nur insoweit ein, als die Klägerin die Inanspruchnahme „ihres“ Grundstücks im Umfang von 50 m2 für unverhältnismäßig hält. Das Gericht kann dem Planfeststellungsbeschluss, den es schon wegen seiner Auswirkung auf die klägerischen Substantiierungspflichten (vgl. Rn. 31 a.E.) trotz des erkennbar oberflächlichen Vortrags zur Kenntnis nehmen muss (insoweit dürfte im Sinne von BayVGH, B.v. 22.5.2020 – 22 ZB 18.856 – juris Rn. 73 schon kein Aufwand vorliegen), ohne weiteres entnehmen, dass das klägerische Grundstück im Umfang von 50 m2 in Anspruch genommen wird. Obwohl der Schriftsatz der anwaltlich vertretenen Klägerin noch nicht einmal die Flurnummer des Grundstücks vorträgt, lässt sich diese ebenfalls den Behördenakten entnehmen und ist mit dieser Angabe das Gericht in der Lage, einen Grundbuchauszug elektronisch einzuholen und hieraus die Größe des Grundstücks (rund 3.200 m2) und – auch das fehlte im klägerischen Vortrag – das Rechtsverhältnis der Klägerin zum betroffenen Grundstück zu ermitteln (für die Klägerin ist ein Nießbrauchrecht sowie ein Wohnungs- und Mitbenützungsrecht gemäß § 1093 BGB eingetragen; vgl. a. den Notarvertrag vom 11.7.2013, Bl. 58 ff. BA). Insgesamt lässt sich dieser über das Aktenstudium auch hinausreichende Rechercheaufwand noch als gering bewerten (vgl. zu einer kurzen Internetrecherche OVG Lüneburg, U.v. 15.11.2018 – 1 KN 29/17 – juris Rn. 31; VG Stade, U.v. 27.3.2019 – 1 A 3271/16 – juris Rn. 95).
5. Aus Basis dieser (wenigen) nicht präkludierten Tatsachen lässt sich nur die Planrechtfertigung und das Planungsermessen (rudimentär) prüfen. Eine sonstige Prüfung ist auch vor dem Hintergrund des Vollüberprüfungsanspruchs eines Betroffenen, der sich auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen kann (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 9 A 15/16 – juris Rn. 4), vorliegend nicht veranlasst. Andernfalls würde die Präklusionswirkung des § 6 UmwRG weitreichend entwertet. Mit ihr ist es ebenso wie mit der fehlenden Verpflichtung, sich auf ungefragte Fehlersuche zu begeben, unvereinbar, auf Basis des Akteninhalts eine volle Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses vorzunehmen, nur weil einige wenige Tatsachen nicht präkludiert sind.
a) Die Planrechtfertigung unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (vgl. Lieber in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 74 Rn. 12), verlangt aber nur, dass für das „beabsichtigte Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also erforderlich ist. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern wenn es vernünftigerweise geboten ist“ (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 – 4 A 1075/04 – juris Rn. 182). Das vorliegend planfestgestellte Verkehrsprojekt dient den Zielen und Belangen, die in Art. 9 Abs. 1 BayStrWG – Straßenbau und -unterhaltung für das gewöhnliche Verkehrsbedürfnis und nach den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – zum Ausdruck kommen (vgl. S. 17 ff. des Planfeststellungsbeschlusses). Das Vorhaben steht daher mit den Zielen des Bayerischen Straßen- und Wegerechts, aus dem sich die Notwendigkeit der Planfeststellung ergibt (Art. 36 BayStrWG), in Einklang. Ferner sind die mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen auch grundsätzlich geeignet, entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden. Denn durch das Projekt werden nicht unerhebliche Verkehrsrisiken beseitigt und eine Verkehrsbeschleunigung erreicht. Die bauliche Lage vor Ort lässt eine andere Alternative, insbesondere die Gebotenheit einer anderen Trassierung, die ohne oder mit (noch) geringerer Beeinträchtigung der Eigentumsbelange der Klägerin verbunden ist, nicht erkennen.
b) Eine Prüfung des Planungsermessens lässt sich nicht abstrakt durchführen, sondern setzt Tatsachen als Anknüpfungsmerkmale voraus. Soweit vorliegend vorgetragene bzw. mit geringem Aufwand erkennbare Tatsachen nicht zurückzuweisen waren, können sie in die Ermessens- bzw. Abwägungsprüfung eingestellt werden. Allerdings kann die Überprüfung vorliegend nur rudimentär ausfallen, weil nahezu sämtliche Belange präkludiert und vom Gericht nicht zu berücksichtigen sind. Es kann insoweit nur überprüft werden, ob sich durch die Inanspruchnahme der Eigentumsposition der Klägerin in eklatanter Weise ein Planungsfehler aufdrängt.
Dies ist nicht der Fall. Es handelt sich gemessen an der Gesamtgröße des Grundstücks von rund 3.200 m2 um eine untergeordnete Fläche, die in Anspruch genommen wird. Die vorgetragene Nutzungsform, nämlich vorrangig eine Gartennutzung (die Wohnnutzung des dortigen Gebäudes ist nicht ersichtlich betroffen), erscheint angesichts der Verkehrsbedeutung des Vorhabens nur unwesentlich eingeschränkt. Zur konkreten bisherigen Gestaltung der Gartennutzung und damit über die konkrete Beeinträchtigung hat die Klägerin nichts vorgetragen – Vortrag hierzu wäre inzwischen auch präkludiert -, so dass das Gericht nur eine typisierte Betrachtung vornehmen kann. Vor diesem Hintergrund erscheint die Inanspruchnahme des Grundstücks (nach durchgeführter Enteignung) der Klägerin zumutbar und können somit im Rahmen der Planung ihre Eigentumsbelange überwunden werden. Betroffen ist das Grundstück im nördlichen Teil, der zwar derzeit nutzbar zu sein scheint, aber durch die direkte Lage an der St.- Hellip-Straße weniger Attraktivität aufweist als die weiter südlich und westlich liegenden Teile des Grundstücks. Die gärtnerische Nutzung bleibt damit an anderen Stellen möglich; die Gesamtfläche reduziert sich nur um rund 1,5%. Dies lässt die Beeinträchtigung der Rechte der Klägerin als sehr gering erscheinen. Ein Abwägungsfehler lässt sich daher nicht erkennen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Klägerin trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind ihr aufzuerlegen, weil dieser wegen Stellung eines Sachantrags im Schriftsatz vom 8. Juli 2020 ein Kostenrisiko auf sich genommen hat (vgl. zur ständigen Rechtsprechung BayVGH, U.v. 20.3.2019 – 8 BV 17.862 – juris Rn. 54; BayVGH, B.v. 20.7.2018 – 8 C 18.614 – juris Rn. 3).
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.


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Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
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