Baurecht

Pflichten des mit der Planung und Bauüberwachung einer Glasdachkonstruktion beauftragten Architekten

Aktenzeichen  13 U 4374/15 Bau

Datum:
30.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BauR – 2018, 544
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HOAI § 15
BGB § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1, § 631 Abs. 1, § 633 Abs. 1, Abs. 2, § 634 Nr. 4

 

Leitsatz

1 Der Architekt, der mit der Planung einer Stahl-Glasdachkonstruktion für ein Gebäudedach beauftragt ist, welches eine Neigung von ca. 3 Prozent aufweist und einen Umfang von 240 qm hat, hat angesichts der Komplexität dieser Konstruktion einen Fachplaner hinzuzuziehen oder dies dem Auftraggeber zumindest zu empfehlen.  (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wünscht der Auftraggeber eine getrennte Ausschreibung der Stahlbaukonstruktion und des Glasdaches, hat der Architekt auf die zwingend notwendige Abstimmung zwischen Stahlbaukonstruktion und Glasdach hinzuweisen.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der mit der Planung beauftragte Architekt muss regelmäßig darauf hinweisen, dass es sich bei einer Glasdachkonstruktion um ein im Hinblick auf die Dichtigkeit ungeregeltes Bauteil handelt. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Bauabteilung einer Gemeinde mit 16.000 Einwohnern beschäftigt sich ausschließlich mit Bauordnungs- und Bauplanungsrecht. Über besondere Fachkunde auf dem Gebiet der Planung einer Glasdachkonstruktion verfügt die Gemeinde daher nicht.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 O 4670/10 2015-10-27 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten vom 30.11.2015 gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 27.10.2015, Az.: 2 O 4670/10, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer der Klägerin. Die Streithelfer der Beklagten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Schuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 154.471,68 € festgesetzt.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) bis 3) ist ohne Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Planungs-, Überwachungs- und Aufklärungsfehlern aus den §§ 631, 633, 634 Nr. 4, 636, 280 Abs. 1, 281 BGB zu.
1. Das Architektengewerk ist mangelhaft.
Das Erstgericht hat die Mängel zutreffend herausgearbeitet, die der Senat zur leichteren Verständlichkeit nochmals benennt. Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) Ar. hat die Mängel in seinem Gutachten vom 09.05.2007, das noch im vorangegangenen Beweissicherungsverfahren, Gz.: 3 OH 3176/05, erstattet worden ist, sowie in seinen weiteren Gutachten vom 26.01.2010 (Bl. 161 d.A.), vom 31.05.2010 (Bl. 181 d.A.), vom 21.12.2012 (Bl. 149 d.A.) und vom 04.04.2014 (Bl. 212 d.A.) im Einzelnen wie folgt festgestellt:
-Aufgrund der vorhandenen Ebenentoleranzen in der Stahlbaukonstruktion und den Höhenvorsprüngen durch die untergelegten Streifen kann an den inneren Verglasungsdichtungen kein durchlaufender linearer Anpressdruck erreicht werden.
-Die Sparren wurden mit äußerer Vorleistung und die Riegel mit Wetterfuge ausgeführt. Aufgrund der fehlenden mechanischen Klemmbefestigung ist der Anpressdruck im Bereich der Riegel besonders kritisch.
-Da zudem die Stoßpunkte der inneren Verglasungsdichtungen nicht ausreichend abgedichtet wurden, kann im Falzrand befindliches Wasser am Kreuzpunkt zwischen Pfosten und Riegel in den Innenraum gelangen.
-Da die innere Dichtebene an Kopfpunkten nicht an den Baukörper angeschlossen wurde, liegt ein „thermischer Kurzschluss“ vor, bei dem die Raumluft durch die Pfosten hindurch nach außen geleitet werden kann. Bei entsprechend niedrigen Außentemperaturen kommt es zu kontinuierlichem Kondensatausfall.
-Das im Falzrand befindliche Wasser wird bei der vorliegenden Konstruktion am Fußpunkt nicht entsprechend der anerkannten Regeln der Technik nach außen, sondern nach innen abgeleitet.
Aufgrund der nicht funktionstauglichen Verarbeitung und Ausführung der inneren Dichtebene und der geringen Neigung von ca. 3 Grad war es für den Sachverständigen eindeutig nachvollziehbar, dass es an mehreren Stellen zum Eindringen von Wasser in den Innenraum kommt. Der Sachverständige wies insbesondere wiederholt darauf hin, dass die tragende Stahlkonstruktion auf der Ebene, auf der die Glasscheiben aufgelegt wurden, kein gleichmäßiges Niveau aufweist und sich hiermit Niveauunterschiede bis zu 4 mm ergeben haben. Auch im Rahmen der Anhörung vor dem Senat am 26.04.2017 (Bl. 511/517 d.A.) hat der Sachverständige nochmals auf diesen wichtigen Aspekt hingewiesen.
Der Senat schließt sich den technischen Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) Ar. vollumfänglich an. Dieser geht nach wiederholter eingehender Untersuchung der gesamten Glasdachkonstruktion von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus. Seine Gutachten und ausführlichen mündlichen Ausführungen sind in sich stimmig und widerspruchsfrei. Der Sachverständige hat seine Analysen und technischen Ausführungen überzeugend und nachvollziehbar dargestellt.
Seine Gutachten wie auch seine mündlichen Ausführungen spiegeln die jahrzehntelange Erfahrung wider.
2. Die Beklagten zu 1) bis 3) haben die ihnen als mit den Leistungsphasen 1 bis 9 der HOAI übertragenen Aufgaben verletzt, die sowohl rechtlich als auch aufgrund der technischen Einschätzung des Sachverständigen Ar. als Mängel des Architektenwerkes zu qualifizieren sind. Es liegen sowohl Aufklärungs-, Planungs- als auch Überwachungsfehler vor.
a) Planungsfehler
Der Sachverständige Ar. führte im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat am 26.04.2017 (Bl. 511/517 d.A.) über seine Ausführungen in seinem 5. Ergänzungsgutachten vom 04.04.2014 (Bl. 212 d.A.) hinaus aus, dass es auch schon zur damaligen Zeit genügend Literaturhinweise und Veröffentlichungen gegeben hat, wonach einem Architekten die Problematik solcher Glasdächer hätte bekannt sein müssen. Der Sachverständige konnte weiter auch noch auf einen Katalog der Fa. St. aus dem Jahr 2002 hinweisen, worin eine Beschreibung enthalten war, aus der sich ergibt, dass eine breitere Gummifahne als technische Lösung bereits bekannt war. Die inneren Dichtungen hätten auch nach damaligem Stand breiter und mit besserem Falz eingesetzt werden können. Der Sachverständige revidierte auch insoweit seine zunächst geäußerte Auffassung, von der Firma St. sei damals eine adäquate Lösung noch nicht angeboten worden. Die Architekten hätten daher sehr wohl statt der ausgeschriebenen schmaleren Dichtungen breitere Dichtungen ausschreiben können. Wenn dem Architekten dieses Konstruktionsdetail allerdings nicht bekannt war und er deshalb auch nicht darauf hinweisen konnte, dann, so betonte der Sachverständige ein weiteres Mal, musste dem Architekten jedenfalls klar sein, dass bei einem flach geneigten Dach mit einem Umfang von 240 qm der Einsatz eines Sonderfachmannes erforderlich ist. Der Sachverständige betonte darüber hinaus für den Senat nachvollziehbar, dass eine direkt aufgelegte innere Verglasungsdichtung im Anschluss zum Grundprofil mit aufgesetztem Verglasungsdichtprofil schon grundsätzlich zum Scheitern verurteilt ist. Die St.-Aufsatzkonstruktion erfordert eine Stahlbaugrundkonstruktion mit null Toleranz. Die zulässigen Stahlbautoleranzen sind bereits im Planungsstadium nicht auf das ausgeführte System abgestimmt worden. Der Sachverständige hat wiederholt ausgeführt, die Ebenentoleranzen im Stahlbau hätten im Rahmen der Planung berücksichtigt werden müssen und entsprechend ausgeschrieben werden müssen. Es mag durchaus sein, dass es der Wunsch der Klagepartei war, Stahlbaukonstruktion und Glasdach getrennt auszuschreiben. Gleichwohl trifft die Architekten die Verantwortlichkeit, auf die zwingend notwendigen Abstimmungen zwischen Stahlbaukonstruktion und Glasdach hinzuweisen. Die Bedeutung der Ebenengleichheit wurde nicht herausgestrichen. Der Sachverständige betonte auch im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat am 26.04.2017, dass eine Zwischenebene zwingend erforderlich ist. Die streitgegenständliche Ausschreibung hat keinerlei Kontrollmaße enthalten. Null Toleranzen sind aus technischer Sicht jedoch hier nicht umsetzbar.
Angesichts der Komplexität der Stahl-Glasbaukonstruktion wäre die Einschaltung eines Fachplaners, welcher die Kompatibilität der Gewerke Stahlbau und aufzubringende St.-System kontrollieren kann, zwingend erforderlich gewesen. Dies hätten die Beklagten bereits im Planungsstadium erkennen und veranlassen müssen.
Aus rechtlicher Sicht fehlte es, wie bereits das Erstgericht herausgearbeitet hat, an einer die Toleranzen im Einzelnen berücksichtigenden und für die ausführenden Firmen erkennbaren Teilplanung sowie an der Hinzuziehung eines Fachplaners schon im Planungsstadium. Die Einschaltung eines Fachplaners hätten die Beklagten der Klägerin zumindest empfehlen müssen.
Die Klägerin hätte dann nach ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 02.06.2017 (Bl. 529/530 d.A.) der Beklagten mitgeteilt, einen Sonderfachmann für Dachkonstruktionen, so es denn einen gibt, zu beauftragen und diese Kosten den Beklagten von ihrer Honorarrechnung abzuziehen. Wie sich aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 21.06.2017 (Bl. 531/537 d.A.) ergibt, hätten sich die Beklagten allerdings auf eine Kürzung ihres Honorars nicht eingelassen.
Damit hätte es jedenfalls zwei hypothetische Entwicklungsmöglichkeiten gegeben: Entweder hätte die Klägerin einen ihr wohl von den Beklagten vorgeschlagenen Sonderfachmann beauftragt und hätte die weiteren Kosten in Höhe von 30.000,– € zusätzlich übernommen oder aber die Klägerin hätte sich gegen einen Sonderfachmann entschieden und dann aber auch ein Bürgerhaus ohne eine 240 qm große Glasdachfläche planen lassen. In beiden Fällen wäre es nicht zu den streitgegenständlichen Mängeln gekommen. Weitere hypothetische Entwicklungsmöglichkeiten haben die insoweit darlegungspflichtigen Beklagten nicht vorgetragen.
Von ihrer Planungsverantwortung sind die Beklagten, wie das Erstgericht bereits ausgeführt hat, auch dann nicht befreit, wenn man der Streithelferin Oberhauser eine gewisse Planungsverantwortung zuspricht. Diese bezieht sich, wie der Sachverständige mündlich ausgeführt hat, nur auf ihr Gewerk. Diese Planung wiederum freizugeben, wäre dann nach entsprechender Prüfung Aufgabe der Beklagten bzw. des einzuschaltenden Fachplaners gewesen.
Dass die Klägerin über eine eigene Bauabteilung verfügt, führt nicht zur Bejahung einer besonderen Fachkunde. Die Bauabteilung einer ca. 10.000 Einwohner zählenden Stadt beschäftigt sich mit Bauordnungs- und Bauplanungsrecht. Gerade deshalb beauftragt die Klagepartei ja Architekten mit der Planung des Bürgerhauses, weil sie selbst ihre Grenzen erkennt. Dass sich die Bauabteilung einer Gemeinde dieser Größenordnung ausschließlich mit Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht beschäftigt, ist der Berichterstatterin, die selbst in einer Umlandgemeinde mit 16.000 Einwohnern lebt, aus eigener Erfahrung bekannt.
Auch der Einsatz eines Projektsteuerers führt nicht zur Bejahung einer besonderen Fachkunde der Klägerin. Wie die Klagepartei in der Sitzung des Senats am 20.07.2016 ausgeführt hat, hatte der Projektsteuerer Aufgaben des Controllings sowie der Termineinhaltung wahrzunehmen. Sonstige Aufgaben hatte er nicht zu erfüllen. Im Übrigen würde eine mögliche besondere Fachkunde der Klägerin die Beklagten nicht von ihrer Planungsverantwortung entpflichten. Dass die Klägerin gerade im Hinblick auf das hier im Streit stehende Glasdach mit nur 3 Grad Neigung besondere Fachkunde besitzt, haben die Beklagten nicht belegt. Hierauf hat bereits das Erstgericht hingewiesen.
b) Überwachungsfehler
Die Beklagten zu 1) bis 3) treffen auch Überwachungsfehler.
Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in seinem Urteil vom 27.10.2015 auf Seiten 11–12 Bezug und macht sie sich zu eigen.
Lediglich ergänzend führt der Senat aus:
In den Bautagebüchern sind Überwachungsprotokolle enthalten. Nicht enthalten sind jedoch Messprotokolle der Stahlbauer. Dass wegen der Erforderlichkeit von null Toleranz diese Messprotokolle sofort die tatsächlich gegebenen Toleranzen aufgezeigt hätten, hat der Sachverständige Ar. bereits ausgeführt.
Dass eine entsprechend richtige Überwachung nicht stattgefunden hat, folgt – auch darin folgt der Senat dem Erstgericht – schon daraus, dass die Stahlbaugrundkonstruktion Unebenheiten aufweist, auf die dann das insoweit nicht kompatible St.-System aufgebracht worden ist, was die bauüberwachenden Architekten nicht verhindert haben.
Zwar weist die Streithelferin der Beklagten, die Mi. & Wi. Architekten GbR, in ihrem Schriftsatz vom 16.03.2016 (Bl. 466/470 d.A.) darauf hin, dass sie auf die Unstimmigkeiten zwischen den Glasgrößen und dem Stahlträgerabstand hingewiesen hat. Sie habe vor Abschluss der Arbeiten Gespräche zwischen den beklagten Architekten und den ausführenden Firmen initiiert. Dies unterstellt, führt der Umstand nur dazu, dass insoweit ein Verschulden der Streithelferin nicht vorliegt; allerdings müssen sich die Architekten dann als eigenes Verschulden anrechnen lassen, nicht auf die von der Streithelferin vorgetragene Abdichtungsproblematik reagiert zu haben.
Im vorliegenden Rechtsstreit kann die Frage nach eigenem bzw. zuzurechnendem Verhalten von Erfüllungsgehilfen noch dahinstehen, da es in jedem Fall bei der Haftung der Beklagten verbleibt. Die Frage, worauf die Streithelferin die Beklagten noch hingewiesen hat, wird erst im Rahmen des Innenausgleichs zu klären sein.
c) Aufklärungspflichtverletzungen
Aus Sicht des Senats hätten die Beklagten die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ein funktionsgerechtes Glasdach die Aufbringung eines ausgleichenden Aufsatzes durch ein Aluminiumprofil und entsprechende Unterfütterungen zwingend voraussetzt. Auch breitere Grundprofile könnten helfen, das Dach dicht zu bekommen. Den Architekten musste die Problematik solcher Glasdächer angesichts der Literaturhinweise und Veröffentlichungen bekannt sein. Die Beklagten hätten daher die Klägerin auf die zwingend notwendige Einschaltung eines Fachplaners mit geschätzt 30.000,– € hinweisen müssen sowie auf die Aufbringung eines eigenständigen zusätzlichen aufgesetzten 70 bis 80 mm breiten Aluminiumsystems statt der derzeitigen Direktmontage der Grundprofile. Weiter hätte die Beklagte im Rahmen des Planungsstadiums die Klägerin darüber aufklären müssen, dass es sich um ein besonderes, im Hinblick auf die Dichtigkeit ungeregeltes Bauteil handelt, welches nicht unerhebliche jährliche Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten mit sich bringt (Protokoll vom 29.11.2011, Bl. 109 ff. d.A.).
3. Kausalität
Die vorbeschriebenen Planungs-, Überwachungs- und Aufklärungsversäumnisse der Beklagten sind auch kausal für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden, namentlich insbesondere die Undichtigkeit des Daches. Diese ist durch die mangelhafte Erfüllung der Aufklärungspflichten sowie der Planungs- und Überwachungsaufgaben verursacht worden. Wäre die Klägerin auf das zwingende Erfordernis eines Fachplaners mit einem Kostenaufwand von 30.000,– € hingewiesen worden, wäre angesichts der bereits oben aufgezeigten Alternativen es nicht zur Verwirklichung des Bauvorhabens in der heutigen Art gekommen.
4. Verschulden
Den gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu erbringenden Entlastungsbeweis haben die Beklagten nicht erbracht. Soweit die Streithelferin Miesberger & Wiesbauer GbR auf ihre von ihnen initiierten Gespräche zur Abdichtungsproblematik hinweisen, ist dies eine Frage des Innenausgleichs.
5. Zwar kann der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Erfolgs mit Erfolg geltend machen (BGH, Urteil vom 19.01.2017 – VII ZR 301/13, BeckRS 2017, 101777). Allerdings kann der Besteller berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die Nacherfüllung des Vertrages verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Im konkreten Fall haben sich die Planungsfehler bereits in der Ausführung realisiert, so dass eine Nacherfüllung ohnehin nicht mehr möglich ist. Wie der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung vom 26.04.2017 (Protokoll Bl. 511/517 d.A.) ausgeführt hat, bedarf es einer Gesamtsanierung.
6. Schadenshöhe
Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 631, 633, 634 Nr. 4, 636, 280, 281 BGB zu.
Hierbei handelt es sich um den sogenannten kleinen Schadensersatzanspruch. Dieser beinhaltet die Erstattung der kausalen Mängelschäden.
Die Schwierigkeit besteht darin, den auszuurteilenden Mindestschaden festzustellen. Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) Ar. hat in seinem 4. Ergänzungsgutachten vom 21.12.2012 drei Sanierungsmöglichkeiten näher vorgestellt. Im Termin vom 26.04.2017 hat er die Problematik noch einmal vertieft dargelegt.
Der Senat ist unter Zugrundelegung der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen der Überzeugung, dass die Glasdachflächen nicht mehr wieder zu verwenden sind. Der Randverbund des Glases ist mittlerweile geschädigt, da es sich um eine Druckverglasung handelt, was bedeutet, dass die beiden Gläser durch die Pressleiste angezogen worden sind. Diese Pressleiste bewirkt, dass die beiden Gläser auf die innere Dichtleiste hin gepresst und abgedichtet werden. Bei einem Austausch nach etwa 14 bis 15 Jahren ab Bau müsste diese Pressung gelöst werden und es besteht der Verdacht, dass Feuchtigkeit bzw. Wasser im Falz den Randverbund des Isolierglases angegriffen haben.
Gegen eine teilweise Wiederverwendung spricht auch, dass aufgrund der DIN-Norm 18008 die Glasstärke nochmals durchgerechnet werden muss. Hier ist eine Änderung der Glasstärke möglich. Damit verbietet sich auch aus diesem Gesichtspunkt eine teilweise Wiederverwendung der Gläser.
Für die neuen Verglasungen ist daher ein Betrag von mindestens 43.200,– € anzusetzen, ausgehend von einem Quadratmeterpreis von 180,– € pro Quadratmeter.
Die Demontage der Verleistungen beläuft sich auf 720,– €. Hier werden 3,– € pro Quadratmeter zugrunde gelegt.
Für die Demontage der Verglasungen sind 4.800,– € mindestens anzusetzen.
Für den Autokran zur Demontage der Verglasungen fallen mindestens weitere 4.800,– € an.
Für Gerüst/Sicherungsmaßnahme/Einhausung setzt der Senat die vom Erstgericht angenommenen 4.800,– € netto als Mindestaufwand an.
Für die Nachbesserung der Stahlkonstruktion mit ungefähr 10,– € pro Quadratmeter sind mindestens 2.400,– € anzusetzen.
Für die Planung, Fertigung, Montage einer neuen speziell angepassten Pfostenriegelrahmenkonstruktion mit mindestens 400,– € pro Quadratmeter hat der Sachverständige in Tabelle B einen Betrag von mindestens 96.000,– € angesetzt. Nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2015 hat der Sachverständige angegeben, dass die zusätzlich einzubringende Ebene in die von ihm ermittelten Sowiesokosten (48.000,– € für die Verwendung eines eigenständigen, zusätzlich aufgesetzten 70 bis 80 mm breiten Aluminiumsystems, 200,– € pro Quadratmeter) in den Sowiesokosten eingepreist ist. Deshalb ist kein weiterer Abzug vorzunehmen.
Weiter fällt an der Autokran zur Montage der Verglasungen (mit mindestens 20,– € pro Quadratmeter insgesamt 4.800,– €).
Der Senat kommt daher auf einen Mindestschaden von 161.520,00 €. Hinzuzurechnen sind die Kosten der Planung und Überwachung der Sanierungsmaßnahme mit 15 % der Nettosanierungskosten, also von 24.228,00 €.
Hieraus ergibt sich ein Mindestschaden von 185.748,00 € netto.
Als weiteren Mindestschaden kann die Klägerin den Ersatz der Kosten für den notwendig werdenden Sonderfachmann beanspruchen. Hätten die Beklagten auf die zwingend notwendige Einschaltung eines Sonderfachmanns hingewiesen, hätte die Klagepartei entweder auf Kosten der Beklagten einen Sonderfachmann eingeschaltet oder aber von der vorgeschlagenen Konstruktion Abstand genommen. Die Kosten in Höhe von 30.000,– € sind damit zu erstatten. Es handelt sich nicht um Sowiesokosten, da aufgrund eines Aufklärungsdefizits entstanden.
Der Sachverständige hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat überzeugend und aufgrund seiner langen Berufserfahrung geprägt, ausgeführt, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage darüber getroffen werden kann, welche weiteren Maßnahmen über den im Rahmen der Mindestschadensberechnung dargelegten Maßnahmen erforderlich sein werden, um zu einer dichten Dachkonstruktion zu gelangen. Unter Zugrundelegung des funktionellen Mangelbegriffs und diesem vorausgehend des funktionellen Werkbegriffs haben die Beklagten eine dichte Dachkonstruktion geschuldet. Da es allerdings zu wenig Erfahrung mit derartigen 240 qm großen Dachflächen gibt, ergibt sich erst im Laufe der Sanierung, wo noch Venturidüsen, breitere Profile, Belüftungspilze oder ähnliches erforderlich sind. Der Sachverständige betonte mehrfach, dass sich das erst während der Sanierung ergibt und sich jeder Verantwortliche herantasten muss. Nach Überzeugung des Senats kann dies allerdings nicht die Beklagten entlasten, die der Klägerin eine architektonisch interessante Lösung vorgeschlagen und dann geplant haben, ohne auf diese zahlreichen Probleme hinzuweisen und ihre Pflichten zu erfüllen.
III.
Der zulässige Feststellungsantrag ist aus den oben genannten Erwägungen begründet.
IV.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 91, 101 ZPO.
V.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
VI.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um einen Einzelfall, bei dessen Beurteilung im Übrigen nicht von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung abgewichen wurde.
VII.
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO.


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