Baurecht

Popularklage gegen eine Veränderungssperre

Aktenzeichen  Vf. 15-VII-15

Datum:
21.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 12
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV BV Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 103 Abs. 1, Art. 118 Abs. 1
BauGB BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 Nr. 13, § 17
BauNVO BauNVO § 8

 

Leitsatz

1. Überprüfung einer gemeindlichen Satzung über eine Veränderungssperre anhand der Maßstäbe des Rechtsstaatsprinzips, des Gleichheitssatzes und des Eigentumsgrundrechts. (amtlicher Leitsatz)
2 Die Berücksichtigung der einzelnen Belange des § 1 Abs. 6 BauGB ist Sache des Planaufstellungsverfahrens. Für das Ziel des Satzungsgebers, im Plangebiet als zukünftigem Gewerbegebiet wohnähnliche Nutzungsformen und namentlich solche wie die der Wohnheimnutzung für Asylbegehrende zu unterbinden, fehlt nicht schlechterdings jeder sachliche Grund. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

I. Gegenstand der Popularklage ist die Frage, ob die Satzung des Marktes Wiesau über die Veränderungssperre im Bereich des aufzustellenden Bebauungsplans „Industriestraße Süd“ vom 4. November 2013 in der Fassung der Verlängerung vom 7. Januar 2016 gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstößt.
1. Der Gemeinderat des Marktes Wiesau beschloss in seiner öffentlichen Sitzung vom 22. Oktober 2013 die Aufstellung eines Bebauungsplans der Innenentwicklung gemäß § 13 a BauGB für das Gebiet „Industriestraße Süd“. Das Plangebiet befindet sich in einem bisher unbeplanten, nach der Beschlussvorlage derzeit überwiegend durch gewerbliche Nutzungen, jedoch mit sich abzeichnenden Umnutzungstendenzen geprägten Bereich östlich der Industriestraße; im Süden wird das Plangebiet von der Tonwerkstraße begrenzt. Der Geltungsbereich, für den eine Gewerbegebietsfläche gemäß § 8 BauNVO ausgewiesen werden soll, umfasst ca. 1,77 ha. Zum Plangebiet gehört das Grundstück Fl.Nr. 956/2 (Industriestraße 8), auf dem sich ein Gaststätten- und Beherbergungsbetrieb („Faltenbacher Hof“) mit 16 Betten in 10 Zimmern und einer Kegelbahn befindet. Eigentümerin ist die Antragstellerin, die den „Faltenbacher Hof“ als Asylbewerberheim zu vermieten beabsichtigte und mit einer inzwischen zurückgezogenen Bauvoranfrage zur Nutzungsänderung an den Markt herangetreten war.
2. Zur Sicherung der Planung im eingeleiteten Bebauungsplanverfahren „Industriestraße Süd“ wurde in der öffentlichen Sitzung des Marktgemeinderats am 31. Oktober 2013 eine Veränderungssperre mit den aus § 14 Abs. 1 bis 3 BauGB ersichtlichen Rechtswirkungen und Ausnahmen als Satzung beschlossen, am 4. November 2013 ausgefertigt und am 6. November 2013 öffentlich bekannt gemacht. Deren Geltungsbereich umfasst das Gebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans. Am 13. Oktober 2015 beschloss der Marktgemeinderat, die Geltungsdauer der Veränderungssperre nach § 17 Abs. 1 BauGB um ein Jahr zu verlängern. Diese Satzung wurde am 7. Januar 2016 ausgefertigt und am 8. Januar 2016 öffentlich bekannt gemacht; sie trat rückwirkend zum 6. November 2015 in Kraft.
II. Mit ihrer am 6. Oktober 2015 eingegangenen Popularklage begehrt die Antragstellerin festzustellen, dass die Veränderungssperre wegen Verstoßes gegen die Gewährleistung des Eigentumsrechts (Art. 103 Abs. 1 BV) und gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) nichtig ist. Zur Begründung führt sie aus:
1. Die Veränderungssperre greife unverhältnismäßig in ihr Grundrecht auf Eigentum ein.
a) Fraglich sei bereits, ob die Sperre überhaupt geeignet sei, das für sich genommen legitime Ziel der Sicherung der Bauleitplanung zu erreichen. Denn jedenfalls nach dem Wortlaut der textlichen Festsetzungen solle für das Grundstück der Antragstellerin gar keine Festsetzung getroffen werden, weshalb es auch nichts zu sichern gebe.
b) Jedenfalls sei die Veränderungssperre nicht erforderlich; denn die vom Markt Wiesau angesprochene städtebauliche Entwicklungstendenz sei aktuell nicht erkennbar. Die Antragstellerin habe die Bauvoranfrage zurückgenommen. Außerdem sei die Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 BauGB ein weniger einschneidender Eingriff. Mit Blick auf die Geltungsdauer der Veränderungssperre erscheine es auch nicht erforderlich, diese sozusagen auf Vorrat zu beschließen.
c) Zumindest sei die Sperre im Hinblick auf den hohen Wert, den die Bayerische Verfassung der Eigentumsgewährleistung zubillige, nicht angemessen. Gegen den Schutz des Art. 103 Abs. 1 BV könne sich nur eine rechtmäßige Bauleitplanung durchsetzen, die das Eigentümerinteresse angemessen gewichte, indem die abstrakt und konkret analysierten Schutz- und Zweckinteressen gegeneinander abgewogen würden. Dies sei hier aber nicht geschehen. Der Markt spreche in der Begründung des Entwurfs nur von „Plattitüden“. Er benenne nicht einmal, was er verhindern bzw. sichern wolle.
2. Das Willkürverbot sei in mehrfacher Hinsicht verletzt.
a) Es werde Etikettenschwindel betrieben. In der Gemeinde bestehe „nackte Angst“ vor einem Asylbewerberheim, weshalb nicht nur dieses selbst als Anlage für soziale Zwecke ausgeschlossen werde, sondern in geradezu überschießender Tendenz auch Anlagen für kirchliche, kulturelle und gesundheitliche Zwecke erfasst würden. Ein sachlicher Grund, der diese Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich.
b) Es handle sich um eine Verhinderungsplanung. Die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden (§ 1 Abs. 6 Nr. 13 BauGB) seien schon immer, nicht erst seit der gesetzlichen Novelle zum Baugesetzbuch, besonders zu berücksichtigen. Dieses Thema werde nicht einmal angesprochen. Letztlich gehe es dem Markt nur darum, ein ungewolltes Bauvorhaben zu verhindern, ohne wirkliche städtebauliche Zielvorstellungen zu entwickeln, geschweige denn zu steuern. Tatsächlich lasse sich dem Planentwurf keine positive Zielsetzung entnehmen.
III. 1. Der Bayerische Landtag hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
2. Die Bayerische Staatsregierung hat auf die Abgabe einer eigenen Äußerung verzichtet.
3. Der Markt Wiesau beantragt die Abweisung der Popularklage. Er hält sie jedenfalls für unbegründet.
a) Zwar schließe die abgelaufene Frist zur verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, die nur innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Satzung eingeleitet werden könne, die Popularklage nicht generell aus. Gleichwohl bleibe zu prüfen, inwieweit die Popularklage die unbeschränkte Geltendmachung verfassungsrechtlicher Positionen ermögliche. Auch bei einer solchen Klage habe eine Missbrauchskontrolle stattzufinden; denn sie dürfe nicht dazu missbraucht werden, die seitens der Antragstellerin nicht und nicht fristgerecht erfolgte Teilnahme am Planungsprozess auf diesem Weg „quasi über die Hintertür“ wieder zu eröffnen.
b) Jedenfalls schränke die Veränderungssperre die in der Bayerischen Verfassung gewährleisteten Grundrechte nicht verfassungswidrig ein.
aa) Die Planungen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans hätten sich von ihrem Beginn an auf das im vorgesehenen Geltungsbereich gelegene Grundstück der Antragstellerin erstreckt. Im Planungsprozess seien durchwegs Festsetzungen für das Grundstück vorgesehen gewesen. Derzeit laute die Festsetzung „GE“ (Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO). Das Aufstellungsverfahren dauere an.
Anders als der Entwurf des Bebauungsplans könne die Veränderungssperre förmliche Festsetzungen nicht treffen.
Die Bauleitplanung sei ebenso wie – zu deren Sicherung – die Veränderungssperre erforderlich. Ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans liege vor; es bestehe eine hinreichend konkretisierte und verdichtete Planungsabsicht. Das ergebe sich aus dem Begründungsentwurf in der Fassung vom 22. Oktober 2013. Der betroffene Bereich sei überwiegend durch gewerbliche Nutzung, aber auch durch teilweise ungenutzte Grundstücksflächen geprägt; er sei für gewerbliche Nutzung besonders wichtig. Im Gegensatz hierzu sei eine Fehlentwicklung dahin festzustellen, dass nicht betriebsbezogene Wohnnutzungen vorhanden seien und sich zu verfestigen drohten. Das sei städtebaulich unerwünscht und bedürfe einer Gegensteuerung. Die bestehende Beherbergungsnutzung auf dem Grundstück der Antragstellerin stelle ebenfalls einen derzeit nicht voll befriedigenden städtebaulichen Zustand dar, den es im Rahmen der Bauleitplanung zu überprüfen und abzuarbeiten gelte. Deswegen sei planerisch steuerndes Eingreifen erforderlich; darin liege auch das Sicherungsbedürfnis für die Veränderungssperre.
Bei städtebaulicher Ordnung und Planung hätten sich Ziele nicht nur und auch nicht primär am Bestand zu orientieren, sondern seien gerade Auslöser für planerisches Eingreifen. Es sei grundsätzlich legitim, den wegen seiner Verkehrsanbindung wichtigen Raum östlich der Bahnlinie für produzierendes Gewerbe zu sichern und gegenläufige Entwicklungen einzudämmen.
Während der bestehende Beherbergungsbetrieb der Antragstellerin als gerade noch im Einklang mit der typischen Funktion eines Gewerbegebiets stehend angesehen werden könne, seien auf Dauer angelegte Wohnnutzungsformen jedenfalls für die Zukunft nicht erwünscht und möglichst zu verhindern. Dabei sei für die Gewerbeentwicklung auch zu berücksichtigen, dass der Nachverdichtung und der Wiedernutzbarmachung von Flächen gegenüber weiterem externen Flächenverbrauch besondere Bedeutung zukomme. Die Unterbringung von Asylbegehrenden und Flüchtlingen sei innerhalb des Marktes nicht nur im „Faltenbacher Hof“ möglich. Aktuell bestünden vor Ort Unterbringungsmöglichkeiten für 55 Personen; der Landkreis sei in der Hilfe für Asylbegehrende sehr aktiv. Gleichwohl seien die Vorstellungen der Antragstellerin in den Planungsprozess einzustellen. Dass „nackte Angst“ vor einem Asylbewerberheim bestehe, sei eine Mutmaßung ins Blaue hinein und liege neben der Sache.
Auch ohne dass der Planungsprozess schon abgeschlossen sei, seien die wesentlichen Grundelemente und Zielvorstellungen des Marktes deutlich erkennbar. Das – von der Antragstellerin nicht genutzte – Beteiligungsverfahren solle die möglichst vollständige Ermittlung des Abwägungsmaterials sicherstellen. Die Sperre gewährleiste, dass während des Aufstellungsprozesses keine die Planung konterkarierende oder gefährdende Veränderung stattfinden könne. Dies sei nicht willkürlich, im Gegenteil werde ein gesetzlich vorgesehenes Instrument zur Sicherung eines Aufstellungsverfahrens für einen Bebauungsplan genutzt. Der vorhandene Planungs- und Steuerungswille widerspreche der Behauptung, es würden „Etikettenschwindel“ und tatsächlich nur eine Verhinderungsplanung betrieben.
IV. Die Zulässigkeit der Popularklage erscheint fraglich.
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen. Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts. Auch eine Veränderungssperre, die als gemeindliche Satzung (§ 16 Abs. 1 BauGB) beschlossen wird, kann – wie der Bebauungsplan selbst (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 9.3.2016 Vf. 17-VII-15 – juris Rn. 19) – Gegenstand einer Popularklage sein (VerfGH vom 27.7.1995 VerfGHE 48, 99/102).
2. Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin ist zu bejahen.
Die Popularklage dient dem Schutz der Grundrechte gegenüber Rechtsvorschriften, von denen noch rechtliche Wirkungen ausgehen können. Dies trifft für die gegenständliche Satzung zu. Sie ist am 6. November 2013 in Kraft getreten. Sie wäre zwar, weil die Bauleitplanung noch nicht rechtsverbindlich abgeschlossen ist, spätestens nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft getreten (§ 3 der Satzung sowie § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 5 BauGB). Wegen Verlängerung ihrer Geltungsdauer um ein Jahr ist jedoch von fort- und gegenwärtig noch andauernden Rechtswirkungen auszugehen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB), so dass die Sperre etwaigen Vorhaben in ihrem räumlichen Geltungsbereich weiterhin entgegensteht (§ 2 der Satzung i. V. m. § 14 Abs. 1 BauGB). Auch ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO über die Gültigkeit einer Veränderungssperre erledigt sich nicht nach zwei Jahren durch Zeitablauf, wenn die Gemeinde die Geltungsdauer der Sperre verlängert (BVerwG vom 19.2.2004 BVerwGE 120, 138/140).
3. Der Gesichtspunkt der Verwirkung steht der Popularklage nicht entgegen.
Deren Erhebung ist an keine Frist gebunden. Nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes kann aber die Antragsbefugnis für eine Popularklage durch Verwirkung erlöschen, wenn seit der Möglichkeit ihrer Erhebung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten (Umstandsmoment), die die späte Erhebung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. VerfGH vom 4.5.2012 VerfGHE 65, 73/80; vom 27.6.2012 VerfGHE 65, 125/130; vom 9.3.2016 – Vf. 17-VII-15 -juris Rn. 24). Dies ist anzunehmen, wenn ein Antragsteller unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des geltend gemachten Rechts unternommen zu werden pflegt (vgl. BVerfG vom 26.1.1972 BVerfGE 32, 305/308 f.; VerfGH vom 9.3.2016, a. a. O.).
Auch wenn es hier die Antragstellerin als Eigentümerin eines von der Veränderungssperre erfassten Grundstücks unterlassen hat, innerhalb der ihr eröffneten Jahresfrist ein verwaltungsgerichtliches Normenkontrollverfahren (§ 47 VwGO) gegen die beanstandete Satzung einzuleiten, steht dies der verfassungsrechtlichen Kontrolle im Popularklageverfahren nicht entgegen. Die Popularklage dient dem Schutz der Grundrechte als Institution (VerfGH vom 16.3.2016 – Vf. 10-VII-15 – juris Rn. 11 m. w. N.). Unter diesem Gesichtspunkt ist das Versäumnis der Antragstellerin, individuelle Rechtsbehelfe nicht ergriffen oder ausgeschöpft zu haben, bei fortdauernden rechtlichen Wirkungen der Norm nicht ohne Weiteres erheblich. Jedenfalls sind keine etwa aus dem Planungsprozess ableitbaren Umstände erkennbar, die das Zuwarten als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Der Markt Wiesau zeigt solche nicht auf. Sie ergeben sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin sich mit eigenen Nutzungsvorstellungen bisher nicht im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 BauGB) in das Planaufstellungsverfahren eingebracht hat.
4. Indessen gehört zu den Voraussetzungen einer Popularklage (vgl. Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG), dass die Antragstellerin substanziiert darlegen muss, inwiefern die angefochtene Rechtsvorschrift nach ihrer Meinung in Widerspruch zu einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung steht (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 13.8.2008 VerfGHE 61, 205/209 f.; VerfGHE 65, 73/81 f.).
Deshalb ist eine Popularklage unzulässig, wenn die geltend gemachte Verletzung einer Grundrechtsnorm nach Sachlage von vornherein nicht möglich ist, weil deren Schutzbereich durch die angefochtene Vorschrift nicht berührt wird. Den Rügeanforderungen genügt es auch nicht, wenn ein Antragsteller lediglich behauptet, dass die angefochtene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung gegen ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verstößt. Vielmehr muss der Verfassungsgerichtshof anhand von substanziiert bezeichneten Tatsachen und Vorgängen beurteilen können, ob der Schutzbereich der bezeichneten Grundrechtsnorm berührt ist (VerfGHE 61, 205/209 f.; 65, 73/81 ; VerfGH vom 21.3.2016 – Vf. 21-VII-15 -juris Rn. 25).
a) Beim als verletzt gerügten Eigentumsgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 BV ist zu bedenken, dass ihm die Bindungen aus Art. 103 Abs. 2 und Art. 158 Satz 1 BV immanent sind (vgl. VerfGH vom 28.7.1988 VerfGHE 41, 83/91). Eine verfassungswidrige Eigentumsbeschränkung liegt daher nicht vor, wenn der Normgeber in Ausübung seiner Befugnis, die Eigentumsordnung im Dienst des Gemeinwohls festzulegen, den Inhalt des Eigentums allgemeinverbindlich abgrenzt (VerfGHE 41, 83/91 f.; 48, 99/103 f.; VerfGH vom 16.2.2009 VerfGHE 62, 23/28). Deshalb muss hinreichend substanziiert dargelegt werden, dass die beanstandete Norm das Eigentumsrecht in seinem Wesensgehalt antastet und einem Eigentümer unzumutbare, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang stehende Beschränkungen auferlegt.
b) Soweit ein Antragsteller geltend machen will, dass eine kommunale Satzung im Bereich der Bauleitplanung gegen Art. 118 Abs. 1 BV verstößt, reicht es regelmäßig nicht aus, dass er die Sach- und Rechtslage aus seiner Sicht darstellt und bewertet. Er muss seine Rüge vielmehr in Bezug setzen zu den die Normierung tragenden Erwägungen der Gemeinde, wie sie etwa in Sitzungsunterlagen der kommunalen Beschlussgremien dokumentiert sind (vgl. VerfGHE 65, 73/87; VerfGH vom 9.3.2016 – Vf. 17-VII-15 – juris Rn. 27).
c) Ob die Darlegungen der Antragstellerin diesen Anforderungen noch gerecht werden, ist zweifelhaft.
aa) Zwar berührt die angegriffene Satzung das Grundrecht auf Eigentum insofern, als sie baulichen Vorhaben auf dem Grundstück der Antragstellerin derzeit entgegensteht. Hierzu gehören Änderungen wie etwa die Umnutzung ihres Hotels in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbegehrende (§ 29 Abs. 1 BauGB; vgl. VGH BW vom 7.1.1999 – 5 S 3075/98 – juris Rn. 4; VG München vom 29.4.2014 – M 1 K 13.5722 – juris Rn. 28 f.). Indessen ist eine Veränderungssperre schon nach ihrer Ermächtigungsgrundlage zeitlich begrenzt (§ 17 BauGB) und erlaubt Ausnahmen (§ 14 Abs. 2 und 3 BauGB). Erst bei einer Dauer von länger als vier Jahren sieht die gesetzliche Konzeption die Verpflichtung der Gemeinde zu einer materiellen Entschädigung vor (§ 18 BauGB), was aber nicht bereits den Schluss erlaubt, dass solche Sperren als Enteignung zu beurteilen wären (vgl. BVerfG vom 22.2.1999 NVwZ 1999, 979; Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 18 Rn. 8 f.). Eine mit dem gesetzlichen Inhalt (§ 14 Abs. 1 BauGB) und der gesetzlichen Dauer (§ 17 BauGB) ergangene Sperre wird allgemein als eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums und deshalb als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen (BVerwG vom 10.9.1976 BVerwGE 51, 121/136; BGH vom 14.12.1978 BGHZ 73, 161; Schrödter/Breuer, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 18 Rn. 1; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 14 Rn. 143 m. w. N.). Zudem sind die Anforderungen, die im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre an die Konkretisierung der zu sichernden Planung zu stellen sind, mit Rücksicht auf die gemeindliche Planungshoheit denkbar gering (vgl. BayVGH vom 30.9.2013 – 9 NE 13.1734 – juris Rn. 23).
Die Antragstellerin beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung, der Markt Wiesau täusche eine städtebauliche Entwicklungstendenz nur vor und begnüge sich zur Begründung von Planungsabsichten mit Schlagworten. Hingegen befasst sie sich nicht näher mit den aus den Sitzungsunterlagen des Marktgemeinderats ersichtlichen Erwägungen zur planungsrechtlichen Ausgangssituation und den Zielvorstellungen sowie mit dem Sicherungsbedürfnis als Anlass für eine Veränderungssperre, namentlich dem Umstand, durch ihre Bauvoranfrage dafür selbst einen Anstoß gegeben zu haben. Angesichts des relativ großen Spielraums, den eine Gemeinde bei der Beurteilung hat, ob eine Bauleitplanung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB; VerfGH vom 23.2.2010 VerfGHE 63, 17/23 f.; vom 9.3.2016 – Vf. 17-VII-15 – juris Rn. 35; vgl. aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung BVerwG vom 11.5.1999 BauR 1999, 1136 f.) und durch eine Veränderungssperre abgesichert werden muss, ergibt sich allein aus deren Erlass und der damit verbundenen Erhaltung des „status quo“ noch kein relevanter Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum, zumal die von der Antragstellerin vermisste Einstellung und Abwägung öffentlicher und privater Belange (vgl. § 1 Abs. 6 und 7 BauGB) erst dem Planaufstellungsverfahren selbst vorbehalten ist.
bb) Gleichermaßen gilt dies für die behauptete Verletzung des Art. 118 Abs. 1 BV. Denn auf Berücksichtigungsgebote und Abwägungsfehler (§ 1 Abs. 6 und 7 BauGB) kann der Vorwurf ersichtlich nicht gestützt werden, weil es für die Veränderungssperre allein auf ein städtebaulich begründetes Planungsvorhaben mit zu diesem Zeitpunkt „denkbar geringer“ Konkretisierung ankommt (vgl. oben zu aa). Der mit den Schlagworten „Etikettenschwindel“ und „Verhinderungsplanung“ begründete Vorwurf der Willkür lässt eine sachbezogene Auseinandersetzung mit der in den Sitzungsprotokollen des Marktgemeinderats festgehaltenen Begründung zum Beschlussvorschlag über die Veränderungssperre vermissen. Aus dieser Begründung ergibt sich, dass der Markt im Hinblick auf die Schaffung von Rahmenbedingungen für bestehende örtliche Betriebe und künftige Gewerbeansiedlungen, die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung im Sinn einer weitgehend dem Gewerbe vorbehaltenen Nutzung durch Festsetzung eines Gebiets nach § 8 BauNVO und die Erhaltung, auch Unterstützung bisher bestehender konfliktarmer Nutzungen wie des vorhandenen Beherbergungsbetriebs ein Sicherungsbedürfnis dahingehend gesehen hat, dass einer sich abzeichnenden Verfestigung oder Erweiterung betriebsunabhängiger Wohnnutzungen entgegengewirkt werden müsse.
5. Wird indessen von einer in zulässiger Weise erhobenen Popularklage ausgegangen, so überprüft der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Regelung anhand aller in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung, auch wenn diese – wie etwa das Rechtsstaatsgebot des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV – keine Grundrechte verbürgen (vgl. VerfGHE 65, 125/132; VerfGH vom 9.3.2016 Vf. 17-VII-15 – juris Rn. 29).
V. Die Popularklage ist jedenfalls unbegründet. Die angegriffene Veränderungssperre ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) ist nicht gegeben.
a) Prüfungsmaßstab im Popularklageverfahren sind allein die Vorschriften der Bayerischen Verfassung, nicht aber Normen des Bundesrechts. Ein möglicher Verstoß einer landesrechtlichen Norm, wie sie eine gemäß § 16 Abs. 1 BauGB als gemeindliche Satzung zu beschließende Veränderungssperre darstellt, gegen Bundesrecht kann zwar zu einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips führen. Unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 BV kann der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht umfassend prüfen, ob der Normgeber einer landesrechtlichen Regelung -also hier der kommunale Satzungsgeber – die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen einer bundesrechtlichen Ermächtigung in jeder Hinsicht zutreffend beurteilt und ermittelt und ob er andere bundesrechtliche Vorschriften in ihrer Bedeutung für den Inhalt seiner Regelung richtig eingeschätzt hat. Das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung erstreckt seine Schutzwirkung nicht in den Bereich des Bundesrechts mit der Folge, dass jeder formelle oder inhaltliche Verstoß gegen Bundesrecht zugleich als Verletzung der Bayerischen Verfassung anzusehen wäre. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV wäre erst dann betroffen, wenn der Markt Wiesau als landesrechtlicher Satzungsgeber offensichtlich den Bereich der Rechtsordnung des Bundes verlassen und Landesrecht eindeutig ohne Rechtsetzungsbefugnis geschaffen hätte. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip kann außerdem erst dann angenommen werden, wenn der Widerspruch der erlassenen Norm zum Bundesrecht nicht nur offensichtlich zutage tritt, sondern auch inhaltlich nach seinem Gewicht als schwerwiegender, krasser Eingriff in die Rechtsordnung zu werten ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 13.7.2009 VerfGHE 62, 156/159 f.; VerfGHE 65, 125/132 f.; vom 9.3.2016 – Vf. 17-VII-15 – juris Rn. 32).
b) Solche offensichtlichen und schwerwiegenden Verstöße gegen Bundesrecht weist die angefochtene Veränderungssperre nicht auf.
aa) Die Veränderungssperre verstößt nicht deshalb gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil das in ihrem räumlichen Geltungsbereich liegende Grundstück der Antragstellerin nicht von dem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan erfasst würde. Vielmehr erstreckt sich die geplante Festsetzung als Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) nach dem Aufstellungsbeschluss vom 22. Oktober 2013 auf das Grundstück Fl.Nr. 956/2. Soweit die textlichen Festsetzungen des zugleich gebilligten Planentwurfs (Teil B 4.1.1) das Grundstück der Antragstellerin nicht mit seiner (zutreffenden) Flurnummer bezeichnen, ist dies schon im Hinblick auf den noch in der Aufstellung befindlichen Bauleitplan kein Mangel, der die städtebaulichen Absichten des Marktes infrage stellen und der erlassenen Veränderungssperre die Grundlage entziehen könnte.
bb) Es ist auch nicht offensichtlich, dass der Veränderungssperre deshalb die Rechtsgrundlage fehlen würde, weil ein Mindestmaß an zu sichernder Planung nicht erkennbar wäre. Im Anfangsstadium der Planung muss sich nur ansatzweise ersehen lassen, was Inhalt des zukünftigen Bebauungsplans sein soll. Dazu genügt es, dass die Ziele und Zwecke der Planung sowie diejenigen Elemente, welche die Nutzung im Wesentlichen bestimmen, beim Erlass der Sperre erkennbar sind (BVerwG vom 15.8.2000 – 4 BN 35.00 – juris Rn. 3). Als bereits ausreichend erachtet die fachgerichtliche Rechtsprechung eine Aussage zur Art der baulichen Nutzung (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 14 Rn. 45), sei es nach Gebietstyp entsprechend der Baunutzungsverordnung (BVerwG vom 15.8.2000 – 4 BN 35.00 – juris Rn. 3), sei es nach gemäß § 9 Abs. 1 BauGB festsetzbaren Nutzungen (vgl. BVerwG vom 19.2.2004 NVwZ 2004, 984/985). Hier lag im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre bereits ein Beschluss über die Festsetzung als Gewerbegebiet vor. Zudem konkretisierte sich der Inhalt des zukünftigen Bebauungsplans durch einen ausgearbeiteten Planentwurf. Somit fehlen hinreichende Anhaltspunkte, dass der Markt den dargestellten Anforderungen nicht genügt hätte.
cc) Die Veränderungssperre verstößt nicht deshalb gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil sie offensichtlich der Sicherung einer reinen Negativplanung dienen und es deshalb an der Erforderlichkeit der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) fehlen würde.
In diesem Sinn nicht erforderlich sind nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist auszugehen, wenn eine planerische Festsetzung lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen, oder eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (vgl. BVerwG BauR 1999, 1136/1137; vom 15.3.2012 BauR 2012, 1067). Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Mit der Bauleitplanung können grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgt werden, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen. Als „Negativplanung“ unzulässig sind nur solche Festsetzungen, die nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern (BVerwG BauR 2012, 1067; BayVGH vom 9.10.2012 – 15 N 11.1857 – juris Rn. 23, 28).
Dafür sind hier keine Anhaltspunkte erkennbar. Nach den beigezogenen Planungsunterlagen verfolgt der Markt das Ziel, durch die Schaffung planerischer Rahmenbedingungen für bestehende örtliche Betriebe und künftige Gewerbeansiedlungen einen weiteren Verlust von Arbeitsplätzen sowie Abwanderungstendenzen zu verhindern. Dazu soll im Plangebiet einer Zunahme von Wohnnutzung und von Gewerbetrieben mit wohngeprägten Anlagen für soziale Zwecke im Hinblick auf das öffentliche Interesse am Erhalt des bereits bestehenden faktischen Gewerbegebiets entgegengetreten werden. Als ein weiteres Planungsziel ist festgehalten, den Beherbergungsbetrieb der Antragstellerin in seiner weit überwiegenden Pensionsnutzung zur Unterkunft von Geschäftsreisenden, Schülern, Monteuren und Arbeitern zu erhalten und zu unterstützen.
Dass mit diesen Zielsetzungen keine positiven Vorstellungen über den Inhalt des künftigen Bebauungsplans entwickelt wären, lässt sich nicht behaupten. Darauf, ob das Planungskonzept konkret auch in dieser Form umsetzbar ist, kommt es an dieser Stelle nicht an. Das von der Antragstellerin vorgelegte Schreiben des ersten Bürgermeisters vom 9. April 2014 an die Oberste Baubehörde, in dem die Aufstellung des Bebauungsplans „als Gewerbegebiet“ und die damit einhergehende Veränderungssperre als Maßnahme zum Schutz der vorhandenen gewerblich genutzten Flächen vor einem „Umkippen“ in überwiegende Wohnnutzung sowie zum Erhalt des bestehenden Beherbergungsbetriebs als gewerbliche Nutzung gerechtfertigt wird, lässt auch in seinem Bezug zur beabsichtigten Umwandlung des Hotels in ein Asylbewerberheim keinen Schluss auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Planung zu (vgl. BVerwG vom 18.12.1990 BayVBl 1991, 280/281).
dd) An der Erforderlichkeit der Planung und damit an der Geeignetheit einer Veränderungssperre als Sicherungsmittel würde es auch fehlen, wenn das mit dem Aufstellungsbeschluss beabsichtigte Planungsziel im Weg planerischer Festsetzung nicht erreicht werden könnte (BVerwG vom 15.8.2000 – 4 BN 35.00 – juris Rn. 4; vom 16.12.1988 BVerwGE 81, 111). Dass der derzeitige Planungsstand solches erkennen ließe, ist jedenfalls nicht offensichtlich.
Die beabsichtigte Festsetzung als Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) erlaubt, anders als Wohnungs- und wohnähnliche Nutzungen, namentlich auch solche Nutzungsformen wie die als Beherbergungsbetrieb (Hotel) oder als Schank- und Speisewirtschaft (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 8 BauNVO Rn. 24). Dass das ortsabgewandt östlich eines Bahnareals gelegene Plangebiet in seiner beschriebenen aktuellen Struktur mit überwiegend gewerblichen Nutzungen, einzelnen vorhandenen Wohnnutzungen und einem Beherbergungsbetrieb überhaupt nicht geeignet wäre, dort in absehbarer Zeit die formulierten Planungsziele umzusetzen, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Es kann zwar unterstellt werden, dass die vorhandene Bebauungsstruktur nicht unmittelbar auf die Einordnung als Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO schließen lässt (Stellungnahme der Baubehörde des Landratsamts Tirschenreuth vom 30. Januar 2015 als Träger öffentlicher Belange). Daraus ist aber nicht schon zu folgern, eine Entwicklung des Bereichs als Gewerbegebiet sei ausgeschlossen.
ee) Die Veränderungssperre verstößt auch nicht deswegen gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV, weil sie eine Planung absichert, mit der über die Gewerbegebietsfestsetzung hinaus Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke generell ausgeschlossen werden sollen, obwohl solche Anlagen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO im Gewerbegebiet ausnahmsweise zugelassen werden können. Die Befugnis des Marktes zu einer entsprechenden Festsetzung ergibt sich aus § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO. Im Planentwurf wird die beabsichtigte Festsetzung mit möglichen zukünftigen Konflikten begründet, weil sich wohnähnliche Unterbringungsformen – wie etwa nach der Äußerung eines Grundeigentümers eine Wohnnutzung mit Pflegekindern – in zunehmendem Umfang abzeichneten. Daher sei die Entwicklung von untereinander unverträglichen Nutzungen und darüber hinaus zu befürchten, dass ein „Umkippen“ der tatsächlichen und städtebaulich gewollten gewerblichen Nutzung hin zu überwiegend wohnähnlichen Nutzungsformen stattfinde. Dass nach Bundesrecht insoweit differenzierte Überlegungen zu einer etwaigen „Feingliederung“ anzustellen sind (vgl. § 1 Abs. 9 BauNVO; BayVGH vom 30.10.2014 – 1 N 13.2273 – juris Rn. 19 ff.), lässt nicht schon für die den Planungsprozess absichernde Veränderungssperre jeden sachlichen Grund entfallen. Sollte daher die Planung mit dem beabsichtigten Ausschluss von Anlagen für soziale Zwecke, zu denen Asylbewerberunterkünfte gehören, wegen des zugleich vorgesehenen Ausschlusses auch von Anlagen für kirchliche, kulturelle und gesundheitliche Zwecke über das eigentlich verfolgte Ziel „hinausschießen“ und damit in ihrer Abwägung fehlerhaft sein (vgl. BayVGH vom 30.10.2014 – 1 N 13.2273 – juris Rn. 20 m. w. N.), so erlaubt dies wegen des noch offenen Planungsprozesses nicht die Einschätzung, dass die erlassene Veränderungssperre krass und offensichtlich im Widerspruch zum bundesrechtlichen Planungsrecht steht.
ff) Mit dem einzelfallbezogenen Instrument der Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 BauGB musste sich der Markt Wiesau nicht begnügen. Die Gemeinde darf vielmehr nach Erforderlichkeitsgesichtspunkten entscheiden, ob die Zurückstellung einzelner Baugesuche zur Sicherung der Planung ausreicht oder ob sie eine weiterreichende Veränderungssperre erlässt (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 14 Rn. 16). Denn durch § 15 BauGB sollen nicht die Möglichkeiten einer effizienten Planungssicherung durch Erlass einer Veränderungssperre eingeschränkt werden (OVG SH vom 16.6.1982 NJW 1984, 1776/1777; Stock, a. a. O.). Selbst wenn eine Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 BauGB möglich wäre, steht die Erforderlichkeit der Veränderungssperre allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen infrage (Stock, a. a. O.).
Derartige Besonderheiten zeigt die Antragstellerin nicht auf. Sie liegen nach dem vom Verfassungsgerichtshof anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht schon darin begründet, dass für das Planungsgebiet nur die Antragstellerin eine inzwischen wieder zurückgenommene Bauvoranfrage gestellt hatte. Vielmehr hält die Beschlussvorlage fest, dass eine den Zielen des Marktes entgegenlaufende städtebauliche Entwicklungstendenz erkennbar sei. Wegen beabsichtigter Wohnnutzung und Nutzung von Gewerbetrieben mit wohngeprägten Anlagen für soziale Zwecke sei planerisches Eingreifen im Hinblick auf das öffentliche Interesse am Erhalt des bereits bestehenden faktischen Gewerbegebiets notwendig. Ohne entsprechende Sicherung durch die mit der Planaufstellung verbundene Veränderungssperre bestünde die Gefahr, dass im unbeplanten Gebiet Nutzungsänderungen genehmigt würden, die eine bauleitplanerische Steuerung der zulässigen Nutzungsarten und die Sicherung der bestehenden Nutzungen entsprechend den städtebaulichen Zielvorstellungen unmöglich werden ließen. Eines der Planungsziele sei es auch, den Beherbergungsbetrieb der Antragstellerin in seiner weit überwiegenden Pensionsnutzung zur Unterkunft von Geschäftsreisenden, Schülern, Monteuren und Arbeitern zu erhalten und zu unterstützen.
Ein derartiges Interesse an der Erhaltung des „status quo“ rechtfertigt aber als Sicherungsmittel das umfassendere Instrument der Veränderungssperre (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 14 Rn. 17), deren Erlass zudem nur von einer abstrakten Gefährdung der Planungsziele abhängt (Stock, a. a. O., § 14 Rn. 19). Namentlich sind Veränderungssperren nicht deshalb unzulässig, weil der kommunale Satzungsgeber auf eine Bauanfrage hin das Vorhaben verhindern will, also der Anstoß für das Einleitungsverfahren nicht von ihm, sondern von außen kommt (BVerwGE 120, 138/143 f.; BVerwG NVwZ 2004, 984/985; Stock, a. a. O., § 14 Rn. 64 f.).
2. Die Veränderungssperre verstößt nicht gegen Art. 118 Abs. 1 BV.
Der Gleichheitssatz verbietet Willkür. In seinem klassischen Gehalt verbietet er, gleiche Sachverhalte in willkürlicher Weise ungleich und ungleiche Sachverhalte in willkürlicher Weise gleich zu behandeln. Davon zu unterscheiden ist das allgemeine Willkürverbot, das der Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit auch dort dient, wo es nicht um die Beurteilung konkreter Vergleichspaare oder die ausnahmslose Einhaltung eines einheitlichen Regelungssystems geht. Willkürlich in diesem Sinn sind Normen, wenn die äußersten Grenzen des normgeberischen Ermessens überschritten sind, für die getroffene Regelung also jeder sachlich einleuchtende Grund fehlt (vgl. VerfGH vom 23.10.2008 VerfGHE 61, 248/257; vom 13.9.2012 VerfGHE 65, 152/160).
a) Unter dem Aspekt des allgemeinen Willkürverbots kann es auf sich beruhen, ob und in welcher Form die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 13 BauGB i. d. F. des Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014, BGBl I S. 1748) in die der Veränderungssperre zugrunde liegenden Überlegungen einfließen müssen. Die Berücksichtigung der einzelnen Belange ist Sache des weiteren Planaufstellungsverfahrens. Für das Ziel des Satzungsgebers, im Plangebiet als zukünftigem Gewerbegebiet wohnähnliche Nutzungsformen und namentlich solche wie die der Wohnheimnutzung für Asylbegehrende zu unterbinden, fehlt nicht schlechterdings jeder sachliche Grund. Der Markt hat in diesem Zusammenhang auch unwidersprochen dargelegt, dass seine örtliche Bauleitplanung durchaus Raum für entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten bietet.
b) In seiner Ausprägung als Verbot der Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist Art. 118 Abs. 1 BV nicht deshalb verletzt, weil die Veränderungssperre zur Sicherung einer Planung dient, die neben dem Ausschluss von Anlagen für soziale Zwecke gleichermaßen einen Ausschluss von Anlagen für kirchliche, kulturelle und gesundheitliche Zwecke (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) vorsieht. Hierzu wird auf die Ausführungen unter V. 1. b) ee) Bezug genommen.
3. Das Eigentumsrecht (Art. 103 Abs. 1 BV) ist nicht verletzt.
Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum ist in seinem rechtlichen Gehalt gekennzeichnet durch Privatnützigkeit und durch die grundsätzlich gegebene Verfügungsbefugnis des Eigentümers. Dem Eigentumsgrundrecht sind die Bindungen aus Art. 103 Abs. 2 und Art. 158 Satz 1 BV immanent. Eine verfassungswidrige Eigentumsbeschränkung liegt nicht vor, wenn der Normgeber im Interesse des Gemeinwohls den Inhalt des Eigentums allgemeinverbindlich abgrenzt. Er darf dabei allerdings das Eigentumsrecht in seinem Wesensgehalt nicht antasten und dem Eigentümer keine unzumutbaren, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang stehenden Beschränkungen auferlegen. Die Eigentumsgarantie ist nur bei schweren und unzumutbaren Beeinträchtigungen verletzt. Es kommt darauf an, ob der Betroffene an der funktionsgerechten Verwendung seines Eigentums gehindert wird, das heißt, ob die vorhandene Möglichkeit der Nutzung, wie sie nach den Gegebenheiten der örtlichen Lage und der Beschaffenheit des Grundstücks besteht, genommen oder wesentlich beeinträchtigt wird. Die Beurteilung, ob ein Rechtsvorgang eine verfassungswidrige Eigentumsbeschränkung darstellt, setzt einen Vergleich der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse vor dem Eingriff mit denen nach dem Eingriff voraus (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 20.11.2003 VerfGHE 56, 178/188 ff.; vom 22.4.2005 VerfGHE 58, 94/98; vom 29.1.2008 VerfGHE 61, 9/12).
Auch wenn Veränderungssperren nach § 14 BauGB allgemein als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums anzusehen sind (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 14 Rn. 143 m. w. N.; siehe oben unter IV. 4. c) aa), gebietet die Eigentumsgewährleistung ein Mindestmaß an (Ziel-)Konkretisierung der beabsichtigten Planung. Denn Art. 103 Abs. 1 BV lässt es nicht zu, dass die Entwicklung eines Grundstücks für einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum gestoppt wird, obgleich für den Betroffenen nicht zu erkennen ist, was mit der Sperre erreicht werden soll (BVerwG vom 20.10.1978 NJW 1979, 2577; NVwZ 2004, 984/985).
62 Hier ist die der angegriffenen Veränderungssperre zugrunde liegende Planung ausreichend konkretisiert; es ist auch nicht offensichtlich, dass eine Umsetzung unmöglich wäre; auf die Ausführungen unter V. 1. b) bb) bis ee) wird verwiesen. Namentlich sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die von der Antragstellerin für ihr Grundstück gewünschte Nutzungsänderung in der durch die umliegende Siedlungsstruktur geprägten Grundstückslage eine funktionsgerechte Verwendung des Eigentums bilden würde und die für eine Gewerbegebietsfestsetzung sprechenden Gemeinwohlbelange den Ausschluss der avisierten Nutzung nicht rechtfertigen könnten. Daher wird die Antragstellerin dadurch, dass sie auf ihrem derzeit als Beherbergungsbetrieb genutzten Grundstück in den von der Sperre vorgegebenen zeitlichen Schranken keine Unterkunft für Asylbegehrende betreiben darf, nicht schwer und unzumutbar in ihrem Eigentumsrecht beeinträchtigt.
VI. Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).


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