Baurecht

Privilegierung von landwirtschaftlichen Altenteilerhäusern im Außenbereich

Aktenzeichen  1 ZB 15.913

Datum:
4.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 128023
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Die grundsätzliche Privilegierung von Altenteilerhäusern im Außenbereich erfüllt nur dann die Anforderungen des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ein Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 14.5071 2015-02-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt mit seinem Hauptantrag die Erteilung eines Vorbescheids zur Errichtung eines zweiten Austragshauses. Für das bereits vorhandene Austragshaus besteht zugunsten des Beklagten eine beschränkt persönliche Grunddienstbarkeit. In dem der Einräumung der Grunddienstbarkeit zugrunde liegenden notariellen Vertrag ist die Tante des Klägers für sich und ihre Rechtsnachfolger die Verpflichtung eingegangen, das Austragshaus ausschließlich für dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende Zwecke zu nutzen. Mit seinem Hilfsantrag verfolgt der Kläger die Verpflichtung des Beklagten, aus der Grunddienstbarkeit zu vollstrecken, um die Nutzung des bestehenden Austragshauses für eine Altenteilergeneration durchzusetzen. Im vollumfänglich klageabweisenden Urteil des Verwaltungsgerichts wird zum Hauptantrag ausgeführt, dass das im Außenbereich befindliche Vorhaben nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB „diene“. Zum einen sei bereits ein dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers zuzuordnendes Austragshaus vorhanden. Zum anderen bestünde auch ohne dessen Berücksichtigung bereits ausreichend Wohnraum auf der Hofstelle für den Kläger als Betriebsinhaber sowie zwei Altenteilergenerationen. Zuletzt sei angesichts der Altersstruktur der Familie des Klägers eine dauerhafte Betriebszuordnung des Vorhabens nicht gesichert. Im Hinblick auf den Hilfsantrag hat das Verwaltungsgericht bereits das Vorliegen einer Anspruchsgrundlage verneint. Eine solche ergebe sich weder unmittelbar aus dem notariellen Vertrag noch infolge einer Schutzwirkung zugunsten Dritter.
Der Antrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen oder nicht hinreichend dargelegt wurden (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
1.1 Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe das Vorhaben unzutreffend nach den Maßstäben des § 35 BauGB beurteilt, obwohl es im Innenbereich (§ 34 BauGB) liege. Die Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB setzt das Vorhandensein eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils voraus. Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist, inwieweit die aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang noch angehört (vgl. BVerwG; U.v. 6.11.1968 – 4 C 22.66 – BVerwGE 31, 20; U.v. 19.9.1986 – 4 C 15.84 – BVerwGE 75, 34; U.v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 – ZfBR 1992, 94; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275; B.v. 5.4.2017 – 4 B 46.16 – ZfBR 2017, 471).
Gemessen an diesen Maßstäben ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das Vorhaben im Außenbereich liegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob nördlich der Gemeinde Straße überhaupt noch ein Bebauungszusammenhang vorhanden ist und es sich bei dem Grundstück Fl.Nr. … um eine Baulücke handelt, wofür nach Aktenlage wenig spricht. Zumindest nimmt das Vorhaben des Klägers, das sich wie eine Bebauung in zweiter Reihe darstellen würde, nicht mehr an einem Bebauungszusammenhang teil. Die vereinzelt auf der Höhe des streitgegenständlichen Grundstücks vorhandene Bebauung kann keinen Bebauungszusammenhang herstellen. Auf der Höhe des streitgegenständlichen Vorhabens befindet sich in westlicher Richtung im Anschluss an ein unbebautes Grundstück nur noch ein kleineres Gebäude. Im Übrigen schließen sich östlich an das streitgegenständliche Grundstück in einiger Entfernung lediglich ein Stallgebäude und eine Biogasanlage an, die dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers angehören. Auf die Frage, inwieweit landwirtschaftlich genutzte Gebäude einen Bebauungszusammenhang vermitteln können (verneinend für Ställe und Scheunen, BVerwG, B.v. 2.8.2001 – 4 B 26.01 – ZfBR 2002, 69), kommt es daher vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Auch ist für die Beurteilung des Bebauungszusammenhangs ausschließlich die vorhandene Bebauung maßgeblich (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2007 – 4 B 7.07 – ZfBR 2007, 480; B.v. 5.4.2017 – 4 B 46.16 – ZfBR 2017, 471). Daher ist der klägerische Einwand unerheblich, dass infolge eines Bauantrags des Klägers zur Errichtung einer Halle auf dem östlich angrenzenden Grundstück die dortige Bebauung noch näher an das klägerische Vorhaben heranrücke. Ebensowenig kommt der Situierung des Ortsschildes für die Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich eine entscheidungserhebliche Bedeutung zu (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2002 – 26 B 98.2647 – juris Rn. 10; B.v. 10.9.2009 – 14 ZB 09.425 – juris Rn. 6).
Darüber hinaus bemängelt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Privilegierung den Bedarf für ein Austragshaus der mitarbeitenden Eltern in unmittelbarer Nähe zum betrieblichen Schwerpunkt, der Biogasanlage, nicht berücksichtigt. Insoweit verkennt der Kläger, dass die grundsätzliche Privilegierung von Altenteilerhäusern im Außenbereich nur dann die Anforderungen des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erfüllt, wenn ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ein Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (BVerwG, U.v. 3.11.1972 – IV C 9.70 – BVerwGE 41,138). Das Vorhaben ist für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers in diesem Sinn nicht erforderlich. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass bereits mit, aber auch ohne Berücksichtigung des bestehenden Austragshauses ausreichender Wohnraum vorhanden ist. Auf die persönlichen Verhältnisse kommt es gerade nicht an (vgl. BVerwG, B. v. 20.6.1994 – 4 B 120.94 – ZfBR 1994, 298). Daher ist die Einlassung des Klägers, das Gericht habe außer Acht gelassen, dass er nicht über das Eigentum seiner Eltern und seines Großvaters verfügen könne, nicht zu berücksichtigen. In Anbetracht der geringen Entfernung zwischen Hofstelle und Biogasanlage ist auch keine andere Beurteilung geboten.
Aus den vorstehenden Erwägungen der mangelnden Erforderlichkeit des Vorhabens dringt auch das klägerische Vorbringen zur dauerhaften Betriebszuordnung nicht durch, dass er nach Erfüllung seiner Austragsverpflichtungen gegenüber seinen Eltern das Vorhaben selber als Betriebsleiterwohnung verwenden möchte.
Ferner trägt der Kläger vor (wenn auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Divergenzrüge), der Beklagte könne ihm nicht den „genehmigungsrechtlichen Bestand einer Privilegierung“ nach § 242 BGB aufgrund seines eigenen widersprüchlichen Verhaltens, die Nutzung als Austragshaus nicht durchzusetzen, entgegenhalten. Das vom Kläger herangezogene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (2 B 10.269) vermag schon die Rechtsauffassung des Klägers nicht stützen. Im Gegenteil, in der zitierten Entscheidung hat das Gericht dem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs, der ein zweites Betriebsleiterwohnhaus errichten wollte, die Berufung auf die fehlende Nutzungsmöglichkeit eines bereits bestehenden Betriebsleiterwohnhauses nach § 242 BGB verweigert. Im Übrigen ist auch ohne Berücksichtigung des Austragshauses ausreichender Wohnraum auf der Hofstelle vorhanden.
1.2 Ebensowenig vermögen die Ausführungen im Zulassungsantrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Hinblick auf den Hilfsantrag wecken.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers dient die Einräumung der Grunddienstbarkeit zugunsten des Beklagten, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der öffentlich-rechtlichen Sicherung der Zuordnung des Austragshauses zum landwirtschaftlichen Betrieb. Erst durch die Einräumung der Grunddienstbarkeit werden die Voraussetzungen für den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erfüllt, der dem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs das Recht auf ein Vorhaben im ansonsten freizuhaltenden Außenbereich einräumt (vgl. BVerwG, U.v. 5.2.1971 – IV C 1.68 – BayVBl 1972, 76). Eine darüber hinausgehende Schutzwirkung oder sogar Anspruchsgrundlage, wie vom Kläger behauptet, kann der Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht entnommen werden. Auch hat das Verwaltungsgericht zu Recht eine Auslegung des notariellen Vertrages dahingehend verneint, dass eine Schutzwirkung zugunsten des jeweiligen Betriebsinhabers zur Durchsetzung der bestimmungsgemäßen Nutzung gegenüber dem Beklagten besteht.
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Zulassungsantrag sieht die besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache im Wesentlichen in den Fragen, die auch zu dem Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel behandelt wurden. Die Streitsache wirft jedoch – wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt – keine über das normale Maß hinausgehenden Schwierigkeiten auf.
3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt. Die Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt die Formulierung einer für die Entscheidung erheblichen, in der Rechtsprechung noch ungeklärten konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage voraus, der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 30.3.2005 – 1 B 11.05 – NVwZ 2005, 709; B.v. 9.6.1999 – 11 B 47.98 – NVwZ 1999, 1231). Diesen Darlegungsanforderungen genügen die Ausführungen des Klägers im Zulassungsantrag nicht. Es fehlt bereits an einer eindeutig formulierten Frage.
4. Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen einer Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenüber gestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 262.97 – NJW 1997, 3328). Der Kläger behauptet zwar eine Abweichung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.11.2011 (2 B 10.269), zeigt aber keinen abweichenden tragenden Rechtssatz auf, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 45 Abs. 1 Satz 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nummer 1.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben