Baurecht

Prüfung Rechtmäßigkeit der Nutzungsänderung in Sportwettbüro

Aktenzeichen  AN 9 K 19.00042

Datum:
8.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22208
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 6 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Die Annahme von Sportwetten und die zum Nutzungskonzept gehörende Möglichkeit, „in gesellschaftlicher Atmosphäre“ zu verweilen und die Sportereignisse live an Bildschirmen mitzuverfolgen, überschreiten die Variationsbreite eines typischen Ladengeschäfts. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die darauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung, insbesondere durch das unmittelbare Nebeneinander von Wettannahmestelle und Liveübertragung von Sportereignissen mit gastronomischen Angebot dazu animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Liveübertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung des Vorbescheides für das Vorhaben Nutzungsänderung in „Sportwettbüro und separates Bistro als Schankwirtschaft“ auf dem Anwesen H. Straße …, FlNr. …, Gemarkung …, zu. Sowohl der Hauptantrag in Gestalt der Verpflichtungsklage nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO als auch der Hilfsantrag des Klägers auf Neuverbescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO sind unbegründet.
Der Versagungsbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die im Wege des Vorbescheids abgefragte bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ist nicht gegeben, Art. 71 BayBO. Für die beantragte Nutzungsänderung im Erdgeschoss des streitgegenständlichen Anwesens in ein „Wettbüro und separates Bistro als Schankwirtschaft“ ist eine Baugenehmigung erforderlich (hierzu 1.). Die eingereichten Bauantragsunterlagen im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens sind inhaltlich nicht hinreichend bestimmt (hierzu 2.), darüber hinaus ist das beantragte Bauvorhaben planungsrechtlich nicht zulässig (hierzu 3.).
1. Die Baugenehmigungspflicht des beantragten Vorhabens ergibt sich aus Art. 55 Abs. 1, 57 Abs. 4 BayBO.
Die Voraussetzungen für eine Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 Abs. 4 BayBO liegen nicht vor. An eine Nutzung als „Wettbüro und separates Bistro als Schankwirtschaft“ sind andere öffentlich-rechtliche Anforderungen zu stellen als an eine Nutzung als Bistro-Cafe und Lounge, wie die ursprünglich geplante Nutzung durch den vorherigen Betreiber beantragt und mit Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2016 genehmigte wurde. Die Annahme von Sportwetten und die zum Nutzungskonzept gehörende Möglichkeit, „in gesellschaftlicher Atmosphäre“ zu verweilen und die Sportereignisse live an Bildschirmen mitzuverfolgen, überschreiten die Variationsbreite eines typischen Ladengeschäfts. Ein Wettbüro ist gerade geeignet, in Bezug auf die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Ziele der Bauleitplanung bodenrechtliche Spannungen auszulösen (vgl. VG Ansbach, U.v. – juris; VGH BW, B.v. 1.2.2007 – 8 S 2606/06 – juris Rn. 6). Überdies ergeben sich auch andere bauordnungsrechtlichen Anforderungen, vor allem im Hinblick auf die unterschiedliche Stellplatzanzahl für die Nutzung als Wettbüro.
Auch hinsichtlich des beantragten separaten Bistros auf nunmehr ca. 133 m² ist eine baurechtliche Genehmigung erforderlich. Die bereits durch die Beklagte erteilte Baugenehmigung für das Vorhaben „Nutzungsänderung von Laden und Büro zu Bistro-Cafe und Lounge“ im gesamten Erdgeschoss des streitgegenständlichen Anwesens zugunsten des früheren Betreibers mit Bescheid vom 25. Juli 2016 steht dem nicht entgegen.
Aufgrund der eingereichten Planunterlagen, insbesondere des nachgereichten Planes der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. Februar 2018 und der Betriebsbeschreibung für beide Einheiten, ist erkennbar, dass das Bistro-Cafe mit Lounge nicht in dem bisher genehmigten, insbesondere räumlichen Umfang genutzt werden soll, sondern durch Trennung der Nutzungseinheiten im Bereich der mittig angelegten Toilettenanlage der gesamte Loungebereich entfällt und zwei separate Einheiten entstehen sollen mit der Folge, dass die sanitären Anlagen durch den Wegfall des in den genehmigten Bauplänen eingezeichneten „WC Personal“ sowie auch die Stellplatzsituation für das aktuell beantragte Bistro bauordnungsrechtlich erneut überprüft werden muss, so dass sich auch hier neue bodenrechtliche Spannungen im Sinne des § 1 Abs. 5 BauGB ergeben.
2. Der Kläger hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Erteilung der mit Vorbescheid beantragten Nutzungsänderung in ein Sportwettbüro und eine Schankwirtschaft auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Die eingereichten Bauantragsunterlagen sind im für die Verpflichtungsklage entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht inhaltlich hinreichend bestimmt. Die zu entscheidende Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit des beantragten Vorhabens nach §§ 29 ff. BauGB kann anhand der eingereichten Bauantragsunterlagen sowie des Erdgeschoss-Grundrissplanes abschließend nicht getroffen werden. Weder der konkrete Umfang des geplanten Sportwettbüros noch der des separaten Bistros als Schankwirtschaft kann dem eingereichten Vorbescheidsantrag entnommen werden.
Nach Art. 71 BayBO kann vor Einreichung des Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Den Umfang der bauaufsichtlichen Prüfung und damit der Bindungswirkung des Vorbescheids bestimmt der Bauherr durch die Formulierung der einzelnen in der späteren Baugenehmigung zu entscheidenden Zulässigkeitsfragen, da über die vorweg entschiedenen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsfragen im Baugenehmigungsverfahren nicht mehr geprüft werden.
Dem Vorbescheidsantrag muss aufgrund dessen sowohl das Vorhaben, dessen Zulässigkeit geprüft werden soll, als auch der Umfang, in dem die Prüfung begehrt wird, entnommen werden können. Denn nur unter diesen Voraussetzungen kann mit der gebotenen Bestimmtheit über den Antrag entschieden werden. Diesen Anforderungen wird auch entsprochen, wenn sich die Vorbescheidsfragen durch Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB ermitteln lassen (vgl. BayVGH, B.v. 14.5.2007 – 1 ZB 06.225 – juris; OVG Münster, B.v. 20.2.2004 NVwZ-RR 2004, Seite 558). Der Inhalt des Bauantrages ergibt sich aus den eingereichten Bauantragsunterlagen inklusive der eingereichten Baupläne und der dazu gehörenden Betriebsbeschreibung.
Die Bejahung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit schließt auch die Feststellung ein, dass das – im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 15 Abs. Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu beachtende – Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt ist (vgl. BayVGH, U.v. 17.07.2009 – 1 B 06.518 – juris; B.v. 24.3.2005 – 26 B 03.1776 – juris; B.v. 18.9.2008 – 1 ZB 06. 2294 – juris; B.v. 14.5.2007 – 1 ZB 06.225 – juris). Das Rücksichtnahmegebot kann aber in der Regel nicht ohne Festlegung des Standorts geprüft werden.
Auch wenn mit dem eingereichten Vorbescheidsantrag – in Verbindung mit dem konkretisierenden Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. Februar 2018 – lediglich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens geprüft werden soll, müssen sich für diese Prüfung die erforderlichen Eckdaten mit der gebotenen Bestimmtheit den vorgelegten Bauunterlagen entnehmen lassen. Dies ist hier nicht der Fall.
Die eingereichten Antragsunterlagen sowie die ergänzenden Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. Februar 2018 sowie vom 26. Oktober 2018 genügen nicht, um die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens „Wettbüro und Bistro als separate Gewerbeeinheiten“ beurteilen zu können. Das Formular für den Antrag auf Erteilung des Vorbescheides ist lückenhaft und unvollständig ausgefüllt, dem beigefügten Erdgeschoss-Grundrissplan ist insbesondere nicht konkret zu entnehmen, wo die Grenze zwischen den beiden gewerblichen Nutzungseinheiten Wettbüro und Bistro verlaufen soll. Hieran ändert sich auch nichts durch die nachträgliche Schließung der Türe zwischen den beiden Nutzungseinheiten durch Eintrag der „roten Linie“, da diese mit den sonstigen Angaben in den Bauvorlagen nicht übereinstimmen kann:
In dem Grundrissplan ist nämlich mittels anhaftender gelber Merkzettel angegeben, dass das Wettbüro 99 m² und das Bistro 133 m² vorweisen sollen. Eine konkrete Abgrenzung der beiden Nutzungseinheiten ist weder nachvollziehbar und bestimmbar eingezeichnet worden, da lediglich der genehmigte Grundrissplan aus der von der Beklagten erteilten Genehmigung für die Nutzungsänderung von Laden und Büro in Bistro mit Lounge vom 25. Juli 2016 entnommen wurde. Insbesondere aber ist nicht nachvollziehbar, wo die 99 m² Fläche für das Wettbüro zu liegen kommen sollen, da selbst die Bruttomaße für den gesamten westlichen Teil des Erdgeschosses einschließlich des Eingangs und dem abgeteilten Treppenhaus nach der Vermassung im vorgelegten Plan maximal 7,22 m x 12 m = 86,64 m² ergeben, weshalb die zu berücksichtigende Nutzfläche deutlich geringer sein dürfte als die angegebenen 99 m².
Für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Wettbüros als Vergnügungsstätte sowie in Abgrenzung zu einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte ist demgegenüber erforderlich, dass sich der räumliche Umfang des entsprechenden Vorhabens eindeutig aus den eingereichten Planunterlagen ergibt. Insbesondere für die Beurteilung der beiden beantragten Nutzungen, zum einen als Sportwettbüro und zum anderen als Bistro, die zudem als separate Nutzungseinheiten beantragt wurden, ist zur Bestimmung der planungsrechtlichen Zulässigkeit eine bestimmbare räumliche Abgrenzung zwingend erforderlich. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Prüfung, inwieweit von einem räumlich und funktional einheitlichen Betrieb auszugehen ist.
Dann wenn eine feste Abgrenzung etwa auf Höhe der roten Linie erfolgen sollte – was aber nach den Flächenangaben nicht wie eingezeichnet erfolgen kann – wäre eine Zuordnung der Toiletten auf die jeweilige Nutzungseinheit erforderlich. Aufgrund der allgemein gehaltenen Darstellung im Grundrissplan des Erdgeschosses kann nicht beurteilt werden, ob es sich bei dem genannten Vorhaben um zwei vollständig getrennte Nutzungseinheiten handelt bzw. ob planungsrechtlich von einem funktionalen und räumlichen Zusammenhang der beiden Einheiten auszugehen ist, der letztlich zu dem Vorliegen einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte führt, die in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO nicht zulässig ist.
Selbst wenn man von einer Trennung der beiden Einheiten durch die Einzeichnung der roten Linie mit ergänzendem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23 Februar 2018 ausgeht, erschließt sich nicht mit hinreichender Bestimmtheit, an welcher Stelle die trennende Linie verläuft, da nach Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung allein die Zulässigkeit eines Wettbüros mit maximal 99 m² im Erdgeschoss abgefragt werden solle.
Mangels Vorliegen der für die planungsrechtliche Prüfung erforderlichen Eckdaten kann vorliegend gerade nicht von der gebotenen Bestimmtheit der vorgelegten Bauantragsunterlagen ausgegangen werden.
3. Darüber hinaus ergab sich auch aus dem Bauplanungsrecht kein Anspruch des Klägers auf Erteilung des beantragten Vorbescheides für die Nutzungsänderung in ein Wettbüro und Bistro. Das beantragte Vorbescheidsvorhaben in den beiden Nutzungseinheiten Sportwettbüro und Bistro ist nach den vorgelegten Unterlagen, soweit diese eine Beurteilung zulassen, aller Voraussicht nach als einheitliches Vorhaben anzusehen und stellt sich als kerngebietstypische Vergnügungsstätte dar (hierzu 3.1). Aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme wäre das Vorhaben in der als faktisches Mischgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO zu qualifizierenden näheren Umgebung seiner Art nach bauplanungsrechtlich weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig (hierzu 3.2).
3.1 Das Vorhaben des Klägers wäre bei der gebotenen objektiven Betrachtung im Hinblick auf seine städtebaulichen Auswirkungen in den beiden Nutzungseinheiten Wettbüro und Bistro als einheitliches Vorhaben anzusehen, das sich in einer Gesamtbewertung bauplanungsrechtlich als kerngebietstypische Vergnügungsstätte darstellt, auch wenn eine abschließende Beurteilung eines konkreten Vorhabens wegen der mangelhaften Bauvorlagen nicht möglich ist.
Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die darauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung, insbesondere durch das unmittelbare Nebeneinander von Wettannahmestelle und Liveübertragung von Sportereignissen mit gastronomischen Angebot dazu animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Liveübertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris; B.v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – juris, Rn. 14; B.v. 25.4.2013 – 15 ZB 13.274 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 6.10.2015 – 10 B 1.14 – juris, Rn. 42; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 14.4.2011 – 8 B 10278/11 – juris). Für ein Kerngebiet typisch ist eine solche Vergnügungsstätte dann, wenn sie als zentraler Dienstleistungsbetrieb auf dem Unterhaltungssektor einen größeren Einzugsbereich hat und für ein größeres allgemeineres Publikum erreichbar sein soll, wobei die Größe des Betriebes eine maßgebende Rolle spielt (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2016 – 9 ZB 14.1419 – juris; vorgehend VG Ansbach, U.v. 9.4.2014 – AN 9 K 13.01321 – juris, Rn. 33).
Nach diesen Vorgaben stellt das Wettbüro ungeachtet der Tatsache, dass sein genauer Umfang nicht eindeutig festgelegt ist, wohl eine Vergnügungsstätte dar. Gemäß der mit dem Vorbescheidsantrag vorgelegten Betriebsbeschreibung werden in dem Wettbüro Wettscheine angenommen und das Mitverfolgen der Wettereignisse steht im Mittelpunkt, da die aktuellen sportlichen Veranstaltungen auf großen Flachbildschirmen, die die aktuellen Sportereignisse live übertragen, mitverfolgt werden können. Die vorhandenen Sitzmöglichkeiten und das (beschränkte) gastronomische Angebot bietet Anreize zum Verweilen und stellen eine kommerzielle Unterhaltung dar, wie für eine Vergnügungsstätte typisch.
Ob ein Vorhaben, das sich zum einen durch eine gastronomische Nutzung mit Übertragung von Sportereignissen und zum anderen aus einer Wettannahmestelle mit weiteren Angeboten wie Tabakwaren und einer Theke, die zugleich Kaffeeausschank und Annahme von Wettscheinen dient, zusammensetzt, in seinen städtebaulichen Auswirkungen als räumlich funktionale Einheit zu bewerten ist, ist in einer Gesamtschau anhand objektiver Umstände zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann das unmittelbare Nebeneinanderliegen zweier Zugänge und eine Toilettenmitbenutzung als Anzeichen für einen räumlich und funktional einheitlichen Betrieb dienen. Im Rahmen einer Gesamtschau ist neben der räumlichen Situation jedoch vor allem auch zu berücksichtigen, ob sich die Nutzungen beider Vorhabensbestandteile „in geradezu idealer Weise ergänzen“ und die Nutzung nach außen hin einheitlich in Erscheinung tritt (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2016, a. a. O.). Dass beide Einheiten durch eine räumlich bzw. funktionale Verbindung durch eine jeweils größere Attraktivität voneinander profitieren, kann für die Annahme einer Betriebseinheit in städtebaulicher Hinsicht von Bedeutung sein (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.1992 – 4 B 103/92 – juris).
Die beantragten Nutzungseinheiten Wettbüro und Bistro stellen soweit die Bauvorlagen eine Beurteilung zulassen, wohl eine räumlich funktionale Einheit dar.
Für eine räumlich funktionale Einheit spricht im vorliegenden Verfahren das unmittelbare Nebeneinander der Räumlichkeiten, auch wenn diese unterschiedliche Eingänge aufweisen. Beide Einheiten sollen nach den den Bauvorlagen zugrundeliegenden Betriebsbeschreibungen weitgehend identische Öffnungszeiten aufweisen. Darüber hinaus verfügen entweder die Wettannahmestelle oder der Bistrobereich wohl nicht über eigene Toiletten, so dass davon auszugehen ist, dass Beschäftigte der Wettannahmestelle und/oder des Bistros dieselben Toiletten benutzen wie diejenige in der jeweils anderen Nutzungseinheit.
Maßgeblich erscheint der Kammer vor allem die ideale Ergänzung der Angebote beider Einheiten, die sich durch die Verbindung der Wettabgabe und des Verfolgens von Live-Sportereignissen in geselliger Atmosphäre im Sinne einer jeweils gesteigerten Attraktivität verbinden. Darüber hinaus treten durch den einheitlichen prägenden Treppenaufgang und das unmittelbare räumliche Nebeneinander der beiden Einheiten das Wettbüro und das Bistro nach außen hin als betriebliche Einheit in Erscheinung. Nach den objektiven Umständen bilden die beiden Betriebsteile, insbesondere unter Berücksichtigung der idealen Ergänzung der jeweiligen Angebote, des Erscheinungsbildes nach außen und der abgestimmten Öffnungszeiten eine Einheit, die in ihrer Gesamtbewertung der kommerziellen Unterhaltung dient und als Vergnügungsstätte zu qualifizieren ist, ungeachtet der genauen Lage einer eventuellen Trennwand.
Dieser Betrieb stellt sich folglich mit einer Gesamtfläche von ca. 233 m² als eine Vergnügungsstätte dar, die gemäß § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO wegen ihres Umfangs nur in Kerngebieten zulässig ist, da sie mit einer Grundfläche von mehr als 100 m² darauf angelegt ist, ein größeres und allgemeines Publikum aus einem weiteren Einzugsbereich anzusprechen. Das Angebot ist nicht lediglich auf einen begrenzten Stadtteil beschränkt (vgl. VG Ansbach, U.v. 09.04.2014 – AN 9 K 13.01321 – juris).
3.2 Eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte wäre in der als faktisches Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB, § 6 Abs. 1 BauNVO) zu qualifizierenden näheren Umgebung des Vorhabens ihrer Art nach bauplanungsrechtlich weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig.
Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben – soweit hier von Bedeutung – zulässig, wenn es sich nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund des § 9a BauGB erlassenen Verordnung (Baunutzungsverordnung – BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB).
3.2.1
Die nähere Umgebung des Vorhabens entspricht einem Mischgebiet im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO.
Als für das Vorhaben der Klägerin maßgebliche „nähere Umgebung“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der den Vorhabenstandort umgebende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die Grenzen sind dabei nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2010 – 9 B 10.363 – juris). Die Grenzen der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Damit sind die Grundstücke in der Umgebung insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG v. 25.5.1978, 4 C 9.77, Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34, Rn. 36).
Demnach ist im vorliegenden Fall die Bebauung in dem durch die H. Straße im Osten und die … im Süden zu begrenzen, annähernd viereckigen Gebiet, in dem auch das Baugrundstück gelegen ist, maßgeblich.
Die Bebauung und Nutzungen jenseits der H. Straße prägen nach Auffassung der Kammer, insbesondere auf Grund des Ergebnisses des Augenscheins, das Baugrundstück nicht in maßgeblicher Weise, da die H. Straße nach Auffassung der Kammer trennende Wirkung besitzt. Sie ist eine breit ausgebaute Hauptverkehrsstraße mit beidseitig zweispuriger Fahrbahn sowie Gehwegen. In der Mitte zwischen den Richtungsfahrbahnen befindet sich ein baulich abgesetzter Gleiskörper mit zwei Schienen der Straßenbahn. Das streitgegenständliche Gebäude wird zudem durch einen vorgelagerten Grünbereich und zwei große Bäume abgeschirmt. Es sind auch keine Fußgängerüberwege oder ähnliches in diesem Bereich vorhanden. Eine Fahrbahnquerung für Fußgänger, die von der anderen Straßenseite der H. Straße zum Vorhaben gelangen wollen, ist erst weiter südlich an der Kreuzung H. Straße/ … durch eine Ampelschaltung möglich.
Es besteht daher eine funktionelle Trennung durch die H. Straße, und durch die Fahrbahnbreite und den Ausbauzustand der H. Straße und optisch durch die kleine Grünfläche sowie mehrere hochstämmige Bäume. Die als Bezugsfall genannten Vergnügungsstätten in der H. Str. … und … befinden sich auf der gegenüberliegenden Fahrbahn der H. Straße und sind aufgrund der trennenden Wirkung der H. Straße nicht als Bezugsfälle heranzuziehen, ebensowenig die mehrfach von der Klägerseite benannte Tankstelle.
Die Gebäude im nördlichen Bereich des streitgegenständlichen Anwesens mit den FlNrn. … und …, auf denen sich nach der Augenscheinname mehrgeschossige Wohnhäuser befinden, sind angesichts der unmittelbaren Nähe zum Baugrundstück zur näheren Umgebung zu rechnen.
Angesichts der beim Augenschein festgestellten Nutzungen in dieser Bezugsumgebung kommt die Kammer zu der Überzeugung, dass es sich bei der hier maßgeblichen oben genannten Umgebung um das Baugrundstück um ein Mischgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO handelt, wobei das streitgegenständliche Anwesen nicht in einem überwiegend gewerblich geprägten Teil des Mischgebietes liegt. Eine für ein Mischgebiet erforderliche Gleichgewichtigkeit und Gleichwertigkeit von Wohnnutzung und Gewerbenutzung bzw. eine quantitative und qualitative Durchmischung mit Wohn- und Gewerbenutzung (Ernst/Zinkahn, § 6 BauNVO, Rn. 10b m.w.N.) ist vorhanden.
In der unmittelbaren Bezugsumgebung überwiegt die Wohnnutzung gegenüber der gewerblichen Nutzung. Demgegenüber sind die (auch) gewerblich genutzten Gebäude in deutlich geringerer Anzahl vorhanden, zudem findet sich Gewerbenutzung, soweit vorhanden, praktisch nur im Erdgeschoss, mit Ausnahme des rein gewerblich genutzten 7-geschossigen Gebäudes mit der FlNr. …, H. Straße … Südlich angrenzend in der H. Straße … sowie … befinden sich lediglich im Erdgeschoss gewerbliche Nutzungen, wie beispielsweise Laden etc., in den überwiegend vier Geschossen darüber findet reine Wohnnutzung statt. Im Eckgebäude … H. Straße ist ebenfalls lediglich im Erdgeschoss ein Bastel- bzw. Hochzeitsladen, in den drei Obergeschossen sowie dem ausgebauten Dachgeschoss befindet sich Wohnnutzung. Der nördliche Bereich des Baugrundstücks ist ebenfalls überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Im Anwesen H. Straße …, einem ehemaligen Tankstellengebäude, befindet sich ein kleines eingeschossiges Gebäude, das derzeit umgebaut wird und ungenutzt ist. Im nördlichen Grundstücksbereich des Anwesens H. Straße … ist ein dreigeschossiges Wohn- und Geschäftshaus, im Erdgeschoss befindet sich die Verwaltung einer Kindertagesstätte, die weiteren neun Apartments dienen der Wohnnutzung. Für eine Wohnung wurde nach Angaben der Beklagten die Umwandlung in ein Büro baurechtlich genehmigt. Die weiteren mit einzubeziehenden Grundstücke mit der FlNr. …, H. Straße … und …, stellen zwei aneinandergebaute neungeschossige Wohnblocks dar mit ausschließlicher Wohnnutzung.
3.2.2
In einem Mischgebiet sind Vergnügungsstätten zwar allgemein zulässig, wenn sie in Baugebietsteilen mit überwiegend gewerblicher Nutzung angesiedelt sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO); in den übrigen Baugebietsteilen können sie ausnahmsweise zugelassen werden (§ 6 Abs. 3 BauNVO). In beiden Fällen muss es sich allerdings um nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten handeln (vgl. VG Ansbach, U.v. 09.04.2014 – AN 9 K 13.01321 – juris).
Das ist hier, wie dargelegt, wohl nicht der Fall.
Nachdem damit die Anspruchsvoraussetzungen für den begehrten Vorbescheid nicht vorliegen, ist die Klage im Hauptsowie im Hilfsantrag erfolglos.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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