Baurecht

Rechtmäßige Baugenehmigung – Keine Verletzung nachbarschützender Vorschriften

Aktenzeichen  M 8 SN 16.731

Datum:
28.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80a Abs. 3 S. 2, Abs. 5
BauGB BauGB § 34 Abs. 1
BayBo Art. 6

 

Leitsatz

1 Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und eine Verletzung von Nachbarrechten durch die erteilte Baugenehmigung kommt nicht in Betracht. Eine (ausschließlich) auf die Verletzung nachbarschützender bauordnungsrechtlicher Vorschriften gestützte Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung würde „ins Leere gehen“. Rechtsschutz ist insofern mit einem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots kommt in Betracht, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u.a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrer in der Hauptsache erhobenen Klage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Doppelhauses und eines freistehenden Gebäudes mit Carports.
Das Grundstück der Antragsteller … Straße 55, Fl.-Nr. …, Gemeinde …, grenzt im Norden unmittelbar an das Vorhabengrundstück der Beigeladenen …straße 64, Fl.-Nr. …, Gemarkung … an. Das Antragstellergrundstück ist mit einem eingeschossigen freistehenden Gebäude bebaut, das als eine Gastwirtschaft genutzt wird. Auf der nördlichen Grundstücksgrenze befindet sich ein grenzständiges, ebenfalls eingeschossiges Gebäude, das zu Wohnzwecken genutzt wird. Unmittelbar an das Grenzgebäude der Antragsteller ist ein eingeschossiges Gebäude der Beigeladenen mit einem ca. 24 m langen und ca. 4 m breiten Anbau angebaut.
Mit Bauantrag vom 9. Juli 2015 beantragten die Beigeladenen nach Plan-Nr. … die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Doppelhauses und eines freistehenden Hauses mit Carports auf dem Grundstück …straße 64, Fl.-Nr. …, Gemarkung ….
Geplant ist der Abriss des gesamten Baubestandes auf dem Vorhabengrundstück und Errichtung eines zweigeschossigen freistehenden Wohngebäudes im östlichen Grundstücksbereich sowie eines ebenfalls zweigeschossigen Doppelhauses auf der westlichen Grundstückshälfte.
Nach den Planunterlagen verfügt das freistehende Wohnhaus über ein um 45° geneigtes Satteldach und hat eine Breite von 9,25 m (vermasst) und eine Länge von 7,885 m (vermasst). Auf der südwestlichen Gebäudeseite ist ein erdgeschossiger Erker mit den Abmessungen 1,5 m x 4 m vorgesehen. Die Traufhöhe liegt bei 5,85 m und die Firsthöhe bei 10,4 m. Der Abstand zu der südlichen Grundstücksgrenze beträgt 6 m.
Das 6 m westlich liegende, gleich hohe Doppelhaus ist 9,25 m breit sowie 14 m lang und verfügt ebenfalls über ein um 45° geneigtes Satteldach. Beide Haushälften sind spiegelbildlich ausgebildet und verfügen auf der Südseite über einen erdgeschossigen Erker mit einer Gesamtlänge von 8 m. Der Abstand zur südlichen Grundstücksgrenze entspricht dem des freistehenden östlichen Gebäudes.
Die geplanten Carports sollen in der nördlichen Grundstücksecke sowie zwischen den Baukörpern situiert werden. Die Grundstückszufahrt erfolgt auf der Nordseite des Vorhabengrundstücks.
Mit Bescheid vom 5. August 2015 genehmigte die Antragsgegnerin das beantragte Vorhaben im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Der Baugenehmigungsbescheid enthält zahlreiche Befreiungen wegen Überschreitung der straßenseitigen Baugrenze. Im Übrigen wurden keine Befreiungen oder Abweichungen beantragt bzw. erteilt.
Der Bescheid vom 5. August 2015 wurde den Antragstellern mit Postzustellungsurkunde jeweils am 27. Januar 2016 zugestellt.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2016, beim Gericht am selben Tag per Telefax eingegangen, erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. August 2015 (M 8 K 16.733). Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag stellte er einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO.
Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2016 beantragte der neue Bevollmächtigte der Antragsteller,
Die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. August 2015 anzuordnen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Antragsteller aus, dass die geschützten Belange der Antragsteller nachbarschaftlich beeinträchtigt würden. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück befinde sich ein Wohngebäude, welches zu einem nicht unerheblichen Teil auch auf dem Grundstück der Antragsteller stehe. Dieses Wohngebäude sei eigentumsrechtlich getrennt und den jeweiligen Grundstücken zugeordnet. Es sei jedoch – da es sich um ein altes Wohngebäude handele – nur mit einer Trennmauer versehen, wie es im Jahr 1939 im Wohnungsbau üblich gewesen sei.
Die Beigeladenen beabsichtigten derzeit den Abbruch des grenzständigen Gebäudes. Da das Haus als monolithischer Baukörper mit Bestandsschutz, der grenzüberschreitend sei, bei einem Abbruch den Bestandsschutz definitiv verlieren würde, würde ein Abbruch die Substanz des gesamten Gebäudes gefährden und somit die geschützten Belange der Antragsteller nachbarschaftlich erheblich verletzen. Es sei mit erheblichen Sachschäden der Antragsteller zu rechnen, die irreparabel seien. Es bestehe sogar akute und unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Antragsteller, die ihr Grenzgebäude als Wohngebäude nutzten. Zudem wohnten in dem Gebäudeteil diverse Personen, die dort ihren Lebensmittelpunkt hätten.
Es sei offensichtlich, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung aus Sicht der Antragsteller gegen die geltende Bayerische Bauordnung verstoße. Die Antragsgegnerin qualifiziere das gesamte Gebäude als Wohngebäude. Dies entspreche den historischen Daten, die den Antragstellern (Baujahr 1939) vorliegen würden. Somit müssten die entsprechenden Abstandsflächen erneut geprüft werden. Die hierzu notwendigen Daten und Unterlagen hätten der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Bauantragstellung nicht vorgelegen, da die Grundstücksgrenze der Antragsteller zudem auch die Grenze der Stadt … gegenüber der Gemeinde … darstelle. Aus diesem Grund seien ganz offenbar auch notwendige Detailkenntnisse des nachbarschaftlichen Antragstellergrundstücks der Antragsgegnerin nicht bekannt gewesen.
Mit Schriftsatz vom 1. März 2016 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,
Der Antrag wird kostenpflichtig abgewiesen.
Zur Begründung ihres Antrages führten sie aus, dass keine Genehmigung zur Nutzung des an das Grundstück der Beigeladenen angrenzenden Nebengebäudes der Antragsteller als Wohnraum vorliege. Ursprünglich sei das Gebäude zur Benutzung als Kegelbahn genehmigt worden. Es sei aus rechtlicher Sicht nicht zulässig, dass sich in dem Nachbargebäude der Antragsteller Menschen aufhielten und dort sogar ihren Lebensmittelpunkt hätten.
Die zulässigen Abstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO seien durch das Vorhaben der Beigeladenen eingehalten worden. Aus der Genehmigungsplanung sei erkennbar, dass die Dachneigung des Neubauprojekts 45° betrage und die Außenwand der Gebäude zum Antragstellergrundstück 5,85 m hoch sei. Der Abstand zur Grundstücksgrenze der Antragsteller betrage 6 m.
Soweit die Antragsteller eine Gefahr für Leib und Leben der auf dem Antragstellergrundstück wohnenden Personen befürchteten, müsse dem widersprochen werden. Es fehle schon am Anordnungsgrund. Die Planung für die auf dem Grundstück der Beigeladenen durchzuführenden Abbrucharbeiten sehe vor, mit Rücksicht auf das ungeklärte Schicksal der die Grundstücke trennenden Mauer den Gebäudeabbruch so auszuführen, dass die Mauer bis zu einer gerichtlichen Entscheidung sicher stehen bleibe und Schäden an dem Nebengebäude der Antragsteller nicht verursacht würden. Dabei würden auf dem Grundstück der Beigeladenen auch ausreichend bemessene Mauerreste der von der betreffenden Grenzmauer abgehenden Mauern des abzubrechenden Bestandgebäudes verbleiben, um die Aussteifung der Grenzmauer zur Abstützung des Gebäudes der Antragsteller sicherzustellen. Soweit erforderlich, verblieben auch stützende Stahlträger und Teile des Kellers im Boden. Bedenken hinsichtlich der Standfestigkeit seien damit unbegründet.
Im Übrigen hätten sich die Beigeladenen mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 zu dieser Vorgehensweise und insbesondere zum Erhalt einer standsicheren Grenzmauer auch gegenüber den Antragstellern verpflichtet. Der Gebäudeabbruch sei bereits in dem beabsichtigen Maße erfolgt. Zu Beeinträchtigungen auf Seiten der Antragsteller sei es dabei nicht gekommen. Sowohl die betreffende Grenzmauer, als auch das Nebengebäude der Antragsteller stünden in unbeeinträchtigter Weise ebenso stabil, wie vor dem Abbruch des Gebäudes der Beigeladenen. Die neuen zu errichtenden Gebäude hätten auf die Standfestigkeit der Mauer keinen Einfluss, da sie in 6 m Entfernung von der Grundstücksgrenze errichtet würden.
Es seien für die Antragsteller keine unzumutbaren Folgen erkennbar. Der Bestand auf dem Grundstück der Antragsteller sei mangels Genehmigung für die Wohnnutzung nicht schutzwürdig. Zudem seien die Antragsteller hinsichtlich der Standfestigkeit ihres eigenen Nebengebäudes grundsätzlich sicherungspflichtig, auch wenn die Beigeladenen entgegenkommender Weise durch die oben beschriebenen Maßnahmen faktisch bis auf weiteres die Stabilität der Mauer sichergestellt hätten.
Mit Schriftsatz vom 23. März 2016 erwiderte die Antragsgegnerin und stellte den Antrag.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die beantragte Baugenehmigung sei im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilen gewesen. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren prüfe die Bauaufsichtsbehörde lediglich die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem Bauplanungsrecht, mit örtlichen Bauvorschriften sowie beantragten Abweichungen. Art. 10 BayBO, der Vorgaben zur Standsicherheit von baulichen Anlagen enthalte und im Satz 3 insbesondere auch Vorgaben im Hinblick auf die Standsicherheit der Nachbarbebauung, nehme am Programm des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nicht teil und sei daher auch nicht in der Feststellungswirkung der erteilten Baugenehmigung enthalten.
Schon aus diesem Grund sei eine Verletzung von Rechten der Antragsteller durch die erteilte Baugenehmigung im Hinblick auf die Standsicherheit nicht gegeben. Insbesondere sei die Antragsgegnerin als Bauaufsichtsbehörde auch nicht befugt, eigenmächtig den Prüfumfang des Genehmigungsverfahrens zu erweitern. Selbst wenn man vor dem Hintergrund des Art. 10 Satz 3 BayBO in Betracht ziehen würde, dass auch die Baugenehmigung (etwa im Rahmen des Gebotes der Rücksichtnahme) geeignet wäre, die Rechte des Nachbarn zu verletzen, wenn die Standsicherheit der Nachbarbebauung bei Ausführung der Baumaßnahme fraglich wäre, wären jedoch nur solche Gefährdungen der Standsicherheit zu berücksichtigen, die sich aus der Beschaffenheit des Vorhabengrundstücks oder der genehmigten Bebauung an sich ergeben würden, nicht jedoch solche Gefährdungen, die nur aus der Ausführung der Baumaßnahme als technischer Vorgang resultierten.
Der Einwand der Antragsteller, dass die Grenzgebäude nur über eine gemeinsame Kommunwand verfügten, beträfe jedoch lediglich einen Aspekt der technischen Bauausführung, zu der die erteilte Baugenehmigung gerade keine Feststellungen treffe. Grundstücksbezogene Besonderheiten, die ausnahmsweise die Anordnungen von Nebenbestimmungen zur Wahrung der Standsicherheit auch der Nachbarbebauung in der Baugenehmigung nahe legen würden, seien hier nicht ersichtlich.
Auch die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit Art. 6 BayBO sei nicht in der Feststellungswirkung der Baugenehmigung enthalten.
Sonstige Gründe, die eine Verletzung von Rechten der Antragsteller begründen könnten, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei das Bauvorhaben nicht rücksichtslos im Rechtssinne, da es hierfür erkennbar an einer einmauernden oder erdrückenden Wirkung der geplanten Bebauung im Hinblick auf die südliche Nachbarbebauung fehle.
Mit Schriftsatz vom 15. April 2016 replizierte der Bevollmächtigte der Antragsteller und führte im Wesentlichen aus, dass für die Frage des passiven Bestandsschutzes aus Sicht der Antragsteller keine Rolle spiele, ob es sich vorliegend um ein Wohngebäude oder ein anderes Gebäude gehe. Unabhängig davon sei das strittige Gebäude seit 1942 ordnungsgemäß genehmigt. Ob eine genehmigte Nutzung des Gebäudes als Wohngebäude vorliege oder nicht, sei irrelevant, weil das Gebäude formell und materiell im Zeitpunkt seiner Errichtung rechtmäßig gebaut worden sei und seit mehr als 70 Jahren ununterbrochen genutzt werde. Somit verletze der angegriffene Bescheid die Rechte der Antragsteller am Erhalt des Gebäudes, dessen Statik erheblich gefährdet sei.
Das relevante Gebäude werde seit 1988 als Wohnraum genutzt. Zudem gehe es aus der Sicht der Antragsteller laut der Baugenehmigung vom 1939 um ein grenzüberschreitendes Wohngebäude, das mit einer „24er-Mauer“ als Wohntrennwand erstellt worden sei. Beim Abbruch des Gebäudeteils auf der Seite der …straße entstünden auch neue Abstandsflächen und somit neue baurechtliche Umstände, die in der erteilten Baugenehmigung aufgrund der fehlenden Informationen nicht ordentlich berücksichtigt worden seien. Die Ausführungen der Beigeladenen hinsichtlich der Nutzung des Gebäudes seien aufgrund des vorhandenen Bestandsschutzes abwegig. Das weitere Argument bezüglich der Frage des Brandschutzes gehe ins Leere. Auch wenn das Gebäude als Lagerraum genutzt worden wäre, hätte ein ordnungsgemäßer Brandschutz bestehen müssen, da ansonsten keine Genehmigung des ursprünglichen Bauvorhabens möglich wäre. Zudem obliege der Brandschutz der Partei, die das Bauwerk verändere bzw. abreiße.
Weiter vertiefte der Bevollmächtigte der Antragsteller seine Ausführungen hinsichtlich der aus Sicht der Antragsteller bestehenden statischen Gefährdung ihres Grenzgebäudes und nahm zu dem Vortrag der Beigeladenen hinsichtlich der zwischen den Beteiligten erfolgten Korrespondenz Stellung.
Mit Schreiben vom 18. April 2016 forderte das Gericht die Antragsteller auf, dem Gericht die Genehmigungsunterlagen betreffend ihr Grenzgebäude vorzulegen.
Mit einem auf den 15. April 2016 datierten Schreiben, das erst am 25. April 2016 beim Gericht einging, legten die Antragsteller eine Farbkopie des „Bauplans 2. Fertigung“ für das Grundstück Fl.Nr. … der Gemeinde … vom 3. Juli 1939 sowie einen Auszug aus einem Eingabeplan, in dem ein Grundriss des Gebäudes der Antragsteller eingezeichnet ist, vor.
Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2016 äußerten sich die Bevollmächtigten der Beigeladenen erneut zu der Genehmigungssituation des Grenzgebäudes der Antragsteller und stellten das Vorliegen einer ausreichenden Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes seitens der Antragsteller in Frage.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg sein wird, da die angefochtene Baugenehmigung vom 5. August 2015 bei summarischer Prüfung keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts oder Bauordnungsrechts verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Nach § 212 a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 146; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 f.).
2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 NVwZ 1998, 58 – juris Rn. 3; BayVGH B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08/2132 – juris Rn. 3).
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragsteller verstößt.
2.1 Der Einwand der Antragsteller, das Vorhaben verletze die Vorschriften der Bayerischen Bauordnung kommt deshalb nicht zum Tragen, da für das streitgegenständliche Vorhaben ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchzuführen war, da es sich bei den streitgegenständlichen Gebäuden nicht um Sonderbauten im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt.
Im vereinfachten Genehmigungsverfahren ist gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBO im Wesentlichen nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu prüfen. Bauordnungsrechtliche Anforderungen – wie das Abstandsflächenrecht des Art. 6 BayBO sowie die Anforderungen an die Standsicherheit nach Art. 10 BayBO – gehören nur dann gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO zum Prüfprogramm der Baugenehmigungsbehörde, wenn insoweit Abweichungen beantragt wurden, sich gemäß Art. 59 Satz 1 Alt. 2 BayBO für das Vorhaben aus einschlägigen örtlichen Bauvorschriften entsprechende Anforderungen ergeben oder gemäß Art. 59 Satz 2 i. V. m. Art. 62 Abs. 3 BayBO ausnahmsweise eine Prüfung bautechnischer Nachweise durch die Baugenehmigungsbehörde vorgesehen ist.
Da vorliegend das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchzuführen war und von den Beigeladenen auch keine Abweichungen zum Abstandsflächenrecht oder zu Art. 10 BayBO beantragt waren bzw. solche auch nicht erteilt wurden, war das Abstandsflächenrecht und Art. 10 BayBO nicht Prüfungsgegenstand des Genehmigungsverfahrens. Auch war vorliegend keine ausnahmsweise Prüfung bautechnischer Nachweise durch die Baugenehmigungsbehörde nach Art. 59 Satz 2 i. V. m. Art. 62 Abs. 3 BayBO vorgesehen, so dass auch insoweit die Vorschriften des Bauordnungsrechts von der Antragsgegnerin nicht zu prüfen waren.
Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und kommt insoweit eine Verletzung von Nachbarrechten durch die erteilte Baugenehmigung nicht in Betracht. Eine (ausschließlich) auf die Verletzung nachbarschützender bauordnungsrechtlicher Vorschriften gestützte Anfechtungsklage gegen eine solche Baugenehmigung würde „ins Leere gehen“ (BayVGH B. v. 14.10.2008 – 2 CS 08/2132 – juris Rn. 3). Daher sind die Antragsteller hinsichtlich ihres Einwandes, das Vorhaben verstoße gegen das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht des Art. 6 BayBO, darauf zu verweisen, insoweit Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG B. v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 NVwZ 1998, 58 – juris Rn. 3).
Auch der Einwand der Antragsteller, der Abbruch des Baubestandes auf dem Vorhabengrundstück gefährde die Standsicherheit des Grenzgebäudes der Antragsteller, vermag dem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Gegenstand der Baugenehmigung ist die Errichtung oder Änderung einer baulichen Anlage (vgl. Art. 55 Abs. 1 BayBO), nicht aber die Ermöglichung einer Beeinträchtigung des Eigentums von Nachbarn. Falls infolge der Durchführung des streitgegenständlichen Vorhabens Schäden an dem auf dem Nachbargrundstück stehenden Gebäude drohen oder verursacht werden sollten, wäre dies lediglich eine weitere Folge des Bauvorhabens, die unabhängig von der Baugenehmigung geregelt und bewältigt werden müsste. Wie und mit welchen, dem Schutz der Nachbargebäude dienenden technischen Vorkehrungen ein Bauvorhaben verwirklicht wird, ist nicht notwendiger Regelungsgehalt der Baugenehmigung, die unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird, Art. 68 Abs. 4 BayBO (BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2582 – juris Rn. 3). Dies bedeutet, dass die Baugenehmigung – die lediglich eine öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für das beantragte Bauvorhaben beinhaltet – privatrechtlich keinen Regelungsgehalt hat und somit die privatrechtliche Rechtstellung des Nachbarn unberührt lässt. Insoweit kann sie auch keine Nachbarrechte verletzen; vielmehr bleibt es den Antragstellern unbenommen, auf dem Zivilrechtsweg ihre Rechte geltend zu machen. Einer Baugenehmigung ist keine Feststellungswirkung hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit des genehmigten Vorhabens zu entnehmen, so dass insoweit keine Nachbarrechtsverletzung in Betracht kommt.
Der generell gegebenen Notwendigkeit, bei Verwirklichung eines Vorhabens dafür zu sorgen, dass die Standsicherheit anderer baulichen Anlagen auf den Nachbargrundstücken gewährleistet wird (vgl. Art. 10 Satz 3 BayBO), hat der Bauherr – auch ohne besondere Auflagen – im Rahmen der von ihm zu beachtenden allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und der Technik Rechnung zu tragen, vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 4 BayBO (BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2582 – juris Rn. 3).
Nach alldem liegt eine Verletzung der nachbarschützenden Normen des Bauordnungsrechts nicht vor.
2.2 Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt nicht gegen das drittschützende Recht des Bauplanungsrechts.
2.2.1 Eine Verletzung der Nachbarrechte der Antragsteller durch die den Beigeladenen mit der Baugenehmigung vom 5. August 2015 erteilten Befreiungen wegen Überschreitung der straßenseitigen Baugrenze nach § 31 Abs. 2 BauGB scheidet bereits deshalb aus, da die betroffene Baugrenze parallel zur östlichen Grundstücksgrenze der Beigeladenen verläuft und somit die von den Antragstellern abgewandte Grundstücksseite betrifft.
2.2.2 Im Übrigen ist nach summarischer Prüfung auch kein Verstoß gegen das drittschützende, bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ersichtlich.
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 BVerwGE 52, 122 – juris Rn. 22).
In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass eine Verletzung auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 – 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 – juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem zweigeschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770, BayVBl. 2009, 751 – juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u. a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9).
Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den Vorschriften des öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts. In einem unbeplanten Innenbereich ist eine Verletzung des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots ausgeschlossen, wenn sich ein Vorhaben nach seiner Art und seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise und nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart seiner näheren Umgebung einfügt (vgl. BVerwG v. 11.1.1999 BayVBl 1999, 568). Eine etwaige Beeinträchtigung der Standsicherheit eines Nachbargebäudes ist daher kein im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu prüfender Belang (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2582 – juris Rn. 2).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt vorliegend voraussichtlich dazu, dass das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt ist. Ein erheblicher Höhenunterschied zwischen dem grenzständigen Gebäude der Antragsteller und den geplanten Gebäuden der Beigeladenen ist vorliegend nicht gegeben. Zwar sind die geplanten Wohngebäude der Beigeladenen höher als das eingeschossige Grenzgebäude der Antragsteller. Ein von der Rechtsprechung für die Annahme einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung der baulichen Anlage geforderter Höhenunterschied von mehreren Geschossen ist allerdings nicht gegeben. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die geplanten Wohnhäuser in einem Abstand von 6 m zu der südlichen Grundstücksgrenze situiert sind. Zudem weist das Grenzgebäude der Antragsteller keine Fenster nach Norden hin auf. Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Anwesens der Antragsteller ist insoweit nicht ersichtlich.
Ungeachtet der Frage, inwieweit der von einem nach planungsrechtlichen Vorschriften zulässigen Vorhaben ausgehende Fahrzeugverkehr überhaupt eine unzumutbare Beeinträchtigung der nachbarlichen Interessen begründen kann, ist eine Rechtsverletzung der Antragsteller bereits deshalb zu verneinen, da die Zufahrt zu dem Vorhabengrundstück auf der von dem Antragstellergrundstück abgewandten Seite situiert ist.
Schließlich führt die von den Antragstellern befürchtete Beeinträchtigung der Standsicherheit ihres Grenzgebäudes durch den Abbruch des Baubestands auf dem Vorhabengrundstück nicht zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots, da dieser Belang nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots keine Rolle spielt (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2582 – juris Rn.2).
3. Nach alldem war den Antrag der Anatragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit der Kostenfolge des § 154 Abs.1 VwGO abzulehnen. Da die Beigeladenen einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es billigem Ermessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhalten (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 53 Abs. 1 GKG i. V. m. den Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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