Baurecht

Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung für eine Minigolfanlage

Aktenzeichen  15 CS 19.1243

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2736
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 2
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Es liegt kein Anhörungsmangel i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor, wenn die Bauaufsichtsbehörde vor Erlass einer Nutzungsuntersagung mindestens zweimal dem von der Verfügung Betroffenen die Gelegenheit gibt, seine Belange vorzutragen, um sich dann mit der Sach- und Rechtslage auseinanderzusetzen. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegen die Annahme, eine Baugenehmigung habe bereits den Bau einer Minigolfanlage berücksichtigt, spricht die Tatsache, dass die Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigung die Errichtung solcher Anlagen noch gar nicht vorsah. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 S 19.895 2019-06-04 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 €
festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Pächter einer Teilfläche des Grundstücks FlNr. 429 und hatte bis 31. Dezember 2017 auch Teile der Grundstücke FlNr. 434/2 und 435/1 (alle Gemarkung W…) gepachtet. Auf diesem Gelände betrieb er eine Minigolfanlage. Das dazu gehörende, im Wesentlichen in West-Ost-Richtung angelegte „Clubhaus“ [vgl. die vorgelegten Genehmigungen vom 12.9.1973 (Antrag: „Errichtung einer Spielhalle“ – Baugenehmigung „zur Errichtung eines Verkaufsraumes und sanitärer Anlagen“ auf dem Grundstück FlNr.429), 15.3.1993, 23.4.1998 und 11.6.2010 („Anbau an das bestehende Minigolfclubhaus“)] steht im Norden des Grundstücks FlNr. 429. Der nur dort jeweils ausdrücklich als „Minigolfgelände“ bezeichnete Bereich wird auf den zu den beiden Baugenehmigungen aus den Jahren 1993 („Einbau eines Kamins in die Minigolfstation“) und 1998 („Überdachung des Freisitzes“) gehörenden Lageplänen im Maßstab 1:1000 mit identischen Umrissen, einmal mit gelben und das andere Mal mit grünen Randmarkierungen versehen, in trapezähnlicher Form dargestellt. Dieses Areal beginnt im Westen auf dem Grundstück FlNr. 428/10 (W…) in 17 m Entfernung von der in Nord-Süd-Richtung vorbeiführenden H… Straße und greift mit seiner gerade verlaufenden Nordgrenze oberhalb des „Clubhauses“ auf einer Länge von 135 m nahezu rechtwinklig nach Osten auf das Grundstück FlNr. 435 (alt) aus. Ab hier verläuft die Begrenzung auf 100 m spitzwinklig über das Grundstück 434/3 zurück nach Südwesten, wodurch sich das „Minigolfgelände“ bis zur Südostecke des „Clubhauses“ (auf der FlNr. 429) auf rund 30 m verbreitert. Auf den weiter nach Westen folgenden 20 m ist die Grenze in geringer Entfernung (etwa 3 m) parallel zur Südwand des „Clubhauses“ ausgerichtet und knickt danach zum Ausgangspunkt nahe der Straße auf etwa 30 m nach Nordwesten ab.
Nach Aktenlage (vgl. S. 3 des Schriftsatzes der Antragstellerseite vom 15. Mai 2019 im Eilverfahren an das VG und Bl. 67 des Vorgangs 40-5-SO-4-2019 des Landratsamts Freyung-Grafenau) kündigten die Eigentümer der Grundstücke FlNr. 434/3 und 435/1 den Pachtvertrag für ihre Grundstücksteilflächen Mitte des Jahres 2016 zum 31. Dezember 2017, um ein Seniorenwohnheim zu errichten. In ebendiesem Bereich wurden zuvor während der Betriebssaison regelmäßig bis zu 18 Bahnen der Minigolfanlage aufgestellt.
Nach dem Verlust der nordöstlich des Clubhauses gelegenen Teilflächen begann der Antragsteller damit, das Gelände auf der Westseite dieses Gebäudes auf dem Grundstück FlNr. 429 zu planieren, um dort auf einer neu angelegten Terrasse einige Minigolfbahnen aufzustellen und eine Trampolinanlage zu errichten. Nach einer Ortseinsicht am 22. März 2019 verfügte der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. März 2019 die Einstellung der Bauarbeiten. Bei einer Ortsbesichtigung am 18. April 2019 wurde festgestellt, dass eine Trampolinanlage mit sechs Plätzen aufgestellt worden war. Am 19. April 2019 eröffnete der Antragsteller die von ihm auch ausführlich beworbene (vgl. Bl. 45/46 des o.a. Vorgangs des Landratsamts: „100 m² Riesen-Trampolin für Kinder und Erwachsene“, „Schatzsuche nach echten Edelsteinen in allen Größen und Farben – zum Behalten in 18 Tonnen weißem Sand“, „Gratis-Minigolfen für Kinder am 1. Mai, je einem Erwachsenen darf ein Kind eine Runde Minigolf spielen“) neue Anlage.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 2. Mai 2019 untersagte der Antragsgegner die Nutzung bzw. den Betrieb der genehmigungspflichtigen aber nicht genehmigten baulichen Anlagen Minigolfanlage neu, Sandkasten „Schatzsuche“ und der Trampolinanlage auf dem Grundstück FlNr. 429 Gemarkung W… Am 15. Mai 2019 erhob der Antragsteller dagegen Klage (RN 6 K 19.896) und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nutzungsuntersagung wiederherzustellen. Mit Beschluss vom 4. Juni 2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage zu Recht abgelehnt.
Entgegen der Meinung des Antragstellers liegt hinsichtlich der auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützten Nutzungsuntersagung kein Anhörungsmangel i.S.v. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor.
Ausweislich der in der Akte 40-5-SO-4-2019 dokumentierten Vorgänge hat die Bauaufsichtsbehörde dem Antragsteller vor dem Erlass der Nutzungsuntersagung mindestens zweimal ihre rechtliche Bewertung der Angelegenheit erläutert. Dies geschah im Rahmen eines Telefonats am 22. März 2019 (Bl. 17 d. A.) und bei einer Besprechung am 1. April 2019 im Bauamt (Vermerk auf Bl. 24 d. A., mit Hinweis darauf, dass die ungenehmigte Aufnahme des vor Ort beabsichtigten Betriebs zu einer Nutzungsuntersagung führen würde). Der Antragsteller hatte im Vorfeld der streitbefangenen Entscheidung ausreichend Gelegenheit, seine Belange vorzutragen, wovon er auch Gebrauch gemacht hat (vgl. sein Schreiben vom 9.4. 2019, Bl. 28 d. A.). Im Bescheid vom 2. Mai 2019 (Bl. 57/58 d. A.) hat sich der Antragsgegner mit der Sach- und Rechtslage auseinandergesetzt und die Interessen des Antragstellers sowie sein bis dahin gezeigtes Verhalten in die Ermessenserwägungen einbezogen. Für den Senat ist nicht erkennbar, inwieweit bei diesem Ablauf die Voraussetzungen für einen Anhörungsmangel gegeben sein könnten.
Die Nutzungsuntersagung selbst ist rechtmäßig. Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung untersagen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Das Vorliegen der objektiven Voraussetzung hierfür – die formelle Illegalität weil die erforderliche Baugenehmigung fehlt – hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt, hierauf wird verwiesen.
Der neuerliche Vortrag der Beschwerde, dass die Nutzung der Minigolfanlage, des Trampolins und des Sandkastens im Westen des „Clubhauses“ schon durch die Baugenehmigung vom 12. September 1973 bauaufsichtlich zugelassen worden seien, überzeugt nicht. Die erstinstanzliche Entscheidung hat zu Recht erwogen, dass die im dortigen Lageplan westlich der „Spielhalle“ ohne jegliche Zweckangabe vorgenommene „grüne Umrandung“ (durch den Vertreter des Kreisbaumeist…, vgl. den durch diese Person ebenfalls komplett in der Farbe Grün angebrachten Prüfvermerk vom 25.8.1973) unbestimmt ist. Abgesehen davon, dass nach Art. 84 Nr. 1 k) BayBO 1962 (GVBl. S. 179) die Errichtung einer von öffentlichen Verkehrsanlagen aus nicht sichtbaren Einfriedung bis zu einer Höhe von 2 m für sich betrachtet genehmigungs- und anzeigefrei gewesen wäre, ist eine solche Maßnahme auch nicht im Zusammenhang mit der Genehmigung der „Spielhalle“ unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Baugenehmigung zum Gegenstand des damaligen Verfahrens gemacht worden. Ein Antrag auf Genehmigung eines mehrere hundert Quadratmeter großen Platzes für das wiederkehrende Aufstellen von Minigolfbahnen ist diesem Verwaltungsvorgang ebenso wenig zu entnehmen wie den Bauverfahrensakten aus den Jahren 1993 und 1998. Gegen die Genehmigung eines gesamten Platzes für das wiederkehrende Aufstellen einzelner „beweglicher“ Golfbahnen im Jahr 1973 spricht vor allem auch, dass die Bayerische Bauordnung vor ihrer ab dem 1. September 1982 geltenden Fassung (GVBl S. 419) auf „Anlagen“ wie eine „unbebaute“ Grundstücksfläche, auf der nur regelmäßig für eine längere Zeit und damit „überwiegend ortsfest“ einzelne Minigolfbahnen ohne einen einheitlichen Unterbau aufgestellt werden sollten, keine Anwendung fand. Erst Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO 1982 fingierte abstrakt auch (Gesamt-)Anlagen, die nach ihrem Zweck dazu bestimmt sind, überwiegend ortsfest benutzt zu werden, als bauliche Anlagen und unterwarf diese ihrem Regime (vgl. zur Baugenehmigungspflicht auch Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Dezember 2019, Art. 2 Rn. 51 unter „Minigolfplatz“). Art. 2 Abs. 2 Satz 2 BayBO 1962 (GVBl. S. 179) und 1974 (GVBl. S. 513) zählten ohne den zuvor zitierten allgemeinen textlichen Zusatz jeweils nur einen ausdrücklich erwähnten Kreis sonstiger Anlagen als bauliche Anlagen innerhalb ihres Anwendungsbereichs auf; Plätze für vorübergehend aufgestellte Minigolfbahnen oder unbefestigte (Wiesen) Sportplätze ließen sich darunter nicht subsumieren.
Hinsichtlich der Eintragungen in den Lageplänen der Genehmigungen aus den Jahren 1993 und 1998 hat die erstinstanzliche Entscheidung bereits hervorgehoben, dass – soweit ersichtlich – in diesen Verfahren kein Antrag auf Genehmigung des ganzen Umgriffs des Minigolfplatzes gestellt wurde, sondern der entsprechende Bereich allenfalls nachrichtlich übernommen worden sei. Selbst wenn eine derartige Genehmigung gewollt gewesen sein sollte, dürfte diese mangels tatsächlich nachweisbarer Ausnutzung im Westen des „Clubhauses“ längst erloschen sein, Art. 78 Abs. 1 BayBO 1982, Art. 77 Abs. 1 BayBO 1998 (GVBl. 1997 S. 434). Nur nebenbei sei bemerkt, dass die Bayerische Bauordnung den in der Beschwerdebegründung für die Zeit ab 1973 verwendeten Begriff Verfahrensfreiheit erst seit dem 1. Januar 2008 kennt (Art. 57 BayBO 2008, GVBl. 1997 S. 588). Ein rund 400 m² großer „Freizeitpark“ (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BayBO 2008) in der gegenwärtigen Ausgestaltung mit sechs Trampolins, einem großen Sandkasten und mehreren auf befestigtem Grund aufgestellten Minigolfbahnen war zu keiner Zeit Inhalt einer bauaufsichtlichen Genehmigung. Die Errichtung dieses „Spielplatzes“ ist auch heute nicht verfahrensfrei, auf die zutreffenden Ausführungen der ersten Instanz (S. 16/17 der BA) wird Bezug genommen.
Die Untersagung der formell illegalen Nutzung ist nicht unverhältnismäßig; ihre Genehmigungsfähigkeit lässt sich nicht ohne weiteres feststellen. Es liegt auf der Hand, dass der endgültige Wegfall des Sport- bzw. Parkplatzes und an dessen Stelle die Errichtung der Seniorenwohnanlage in unmittelbarer nördlicher Nachbarschaft zum Freizeitgelände des Antragstellers die baurechtliche Situation erheblich umgestaltet haben. Die Vereinbarkeit der aufeinandertreffenden Nutzungen kann nur anhand einer konkreten Betriebsbeschreibung der Freizeitanlage im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens geprüft werden.
Dass die Nutzungsuntersagung keine Ermessensfehler aufweist, hat das Erstgericht ebenfalls schon umfangreich begründet (BA S.18/19). Die bloße Behauptung, der Antragsgegner habe die Nutzung des westlich des Clubhauses gelegenen Bereichs als Minigolfgelände lange Jahre geduldet, kann angesichts der eindeutigen anderslautenden Aktenlage nicht zutreffen. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, würde sich diese nur behauptete Duldung wegen der erheblichen Andersartigkeit des heutigen Erscheinungsbilds der Anlage jedenfalls nicht auf das offensichtliche „aliud“ der gegenwärtigen Nutzung erstrecken können.
Eine im Beschwerdeverfahren erneut als unzureichend gerügte Begründung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) vermag der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen im angegriffenen Beschluss (BA S. 12/13) nicht festzustellen. Zu Vermeidung von Wiederholungen wird darauf verwiesen.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO. Streitwert: § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wie Verwaltungsgericht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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