Baurecht

Rechtsstellung des beigeladenen Jagdausübungsberechtigten im Zusammenhang einer artenschutzrechtlichen Einzelfallausnahme

Aktenzeichen  14 CS 19.617

Datum:
26.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30450
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 1, S. 2, S. 4
BJagdG § 2 Abs. 2
BayAVV § 1 Abs. 4
BayJG Art. 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, Art. 33 Abs. 1 Nr. 1
AVBayJG § 18

 

Leitsatz

1. Die Beschwerdeberechtigung eines Beigeladenen liegt vor, wenn die mit seiner Stellung als Beteiligter verknüpfte Bindung an die angefochtene Entscheidung für ihn von sachlicher Bedeutung ist und diese Bindungswirkung möglicherweise präjudiziell und unmittelbar einer eigenen Rechtbeeinträchtigung führt (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 53433; NdsOVG BeckRS 2018, 740). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG dient den Interessen der fischereiwirtschaftlich Tätigen, die von fischereiwirtschaftlichen Schäden betroffen sind, nicht aber den Interessen eines Beigeladenen als Jagdausübungsberechtigtem. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 45 Abs. 7 S. 4 BNatSchG bietet den Landesregierungen die Option, Sachverhaltsgestaltungen, die artenschutzrechtlich auch als Einzelfallausnahmen über § 45 Abs. 7 S. 1 und 2 BNatSchG regulierbar wären, allgemein durch Rechtsverordnung zuzulassen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 S 19.310 2019-03-06 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller betreibt mit seinem Bruder – dem Antragsteller des Verfahrens 14 CS 19.618 – nach eigenen Angaben eine gewinnorientierte Teichwirtschaft, die erhebliche Fischverluste durch Kormorane erleidet. Der Beigeladene ist der Jagdausübungsberechtigte in dem Gebiet der Teiche.
Durch den streitgegenständlichen Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 1. Februar 2018 wurde die dem Antragsteller mit Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 8. Mai 2012 erteilte und durch deren Bescheid vom 5. Februar 2015 verlängerte artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Abschuss von Kormoranen im Umkreis von 200 m um die Teiche auf insgesamt 15 jeweils durch ihre Flurnummern bezeichneten Grundstücken weiter verlängert, und zwar bis zum 30. April 2021. Bis zur ersten Verlängerung der artenschutzrechtlichen Ausnahme wurden dem Antragsteller seitens des zuständigen Landratsamts auch die daneben erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnisse erteilt bzw. verlängert. Die aktuell erforderliche Verlängerung dieser waffenrechtlichen Erlaubnisse macht das Landratsamt offenbar von der Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 1. Februar 2018 abhängig.
Nachdem der Beigeladene gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgericht Regensburg am 29. Juli 2018 Anfechtungsklage erhoben hatte (RO 4 K 18.1181), beantragte der Antragsteller bei diesem Gericht, die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 1. Februar 2018 anzuordnen. Diesem Eilantrag gab das Verwaltungsgericht nach Beiladung des Beigeladenen durch den streitgegenständlichen Beschluss vom 6. März 2019 statt und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, es sei nicht von einem Erfolg der vom Beigeladenen gegen den Bescheid vom 1. Februar 2018 erhobenen Klage auszugehen, weil diese Ausnahmegenehmigung ihn als Jagdausübungsberechtigten nicht in seinen Rechten verletze. Die Belange eines Jagdausübungsberechtigten im betroffenen Gebiet seien bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht einzubeziehen. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG sei damit nicht dazu bestimmt, neben dem öffentlichen Interesse des Artenschutzes auch Individualinteressen zu dienen. Auch greife die (verlängerte) Ausnahmegenehmigung nicht in den Schutzbereich eines Grundrechts des Jagdausübungsberechtigten ein. Dies sei schon deshalb nicht der Fall, da eine Kollision mit den Rechten des Jagdausübungsberechtigten in der Ausnahmegenehmigung nicht liegen könne – die Frage, ob der Jagdausübungsberechtigte bei Erteilung der entsprechenden waffenrechtlichen Erlaubnisse an den Antragsteller mit Erfolg die Verletzung eigener Rechte geltend machen könne, sei vorliegend nicht entscheidungserheblich.
Mit der vorliegenden Beschwerde begehrt der Beigeladene, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6. März 2019 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beigeladenen ist mangels materieller Beschwer unzulässig und daher zu verwerfen (vgl. § 173 Satz 1 VwGO, § 572 Abs. 2 ZPO).
1. Die als Zulässigkeitsvoraussetzung von Amts wegen zu prüfende Beschwerdeberechtigung eines Beigeladenen erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ungeachtet seiner Beteiligtenstellung eine materielle Beschwer. Diese liegt vor, wenn die mit seiner Stellung als Beteiligter verknüpfte Bindung an die angefochtene Entscheidung für ihn von sachlicher Bedeutung ist, der Beigeladene also geltend machen kann, aufgrund dieser Bindungswirkung möglicherweise präjudiziell und unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt zu werden (vgl. nur BVerwG, B.v. 24.8.2016 – 9 B 54.15 – NVwZ 2017, 568 Rn. 6 m.w.N.; NdsOVG, B.v. 26.1.2018 – 12 ME 242/17 – juris Rn. 24).
2. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil der Beigeladene durch die erstinstanzliche Entscheidung nicht präjudiziell – etwa hinsichtlich der noch anhängigen Klage in der Hauptsache oder etwaigen künftigen waffen- oder jagdrechtlichen Streitigkeiten – und unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt werden kann.
a) § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG, dessen Verletzung der Beigeladene durch Verweis auf sein Vorbringen in der ersten Instanz rügt, dient allenfalls den Interessen der fischereiwirtschaftlich Tätigen, die von den tatbestandlich erfassten erheblichen fischereiwirtschaftlichen Schäden betroffen sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2004 – 9 ZB 03.2305 – BayVBl 2004, 341/342), nicht aber den Interessen des Beigeladenen als Jagdausübungsberechtigtem.
b) Ebenso wenig dient den Interessen des Beigeladenen § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, dessen Verletzung er ebenfalls geltend macht und dabei übersieht, dass es vorliegend bei der Prüfung einer zumutbaren Alternative im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG um die Frage geht, ob es eine zumutbare Alternative zu der Tötung als solcher gibt. Der Einwand des Beigeladenen, eine im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG zumutbare Alternative sei hier die bereits aufgrund der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung mögliche Bejagung des Kormorans durch ihn als Jagdausübungsberechtigten und ausgebildeten Fachmann in seinem eigenen Revier, weshalb es der Erteilung von Bejagungsgenehmigungen an Dritte nicht bedürfe, führt daher nicht weiter.
c) Auch unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten vom 3. Juni 2008 (Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung – AAV), demzufolge zum Abschuss (von Kormoranen) Personen berechtigt sind, die zur Ausübung der Jagd befugt sind, ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene durch die erstinstanzliche Entscheidung präjudiziell und unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt werden kann. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Erteilung einer Einzelfallausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG in eine Berechtigung nach § 1 Abs. 4 AAV eingreifen sollte. Durch die vorliegende Einzelfallausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG wird es im Ergebnis lediglich ermöglicht, dass neben den Abschussberechtigten nach § 1 Abs. 4 AAV eine weitere Person als zur Tötung des Kormorans artenschutzrechtlich ebenfalls berechtigte Person tritt. Einem solchen Nebeneinander mehrerer artenschutzrechtlich zum Kormoranabschuss berechtigter Personen stehen weder § 45 Abs. 7 BNatSchG noch § 1 Abs. 4 AAV entgegen. § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG möchte gerade die Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung erweitern. Die Vorschrift bietet den Landesregierungen die über die für die zuständigen Naturschutzbehörden bestehende Möglichkeit hinausgehende Option, Sachverhaltsgestaltungen, die artenschutzrechtlich auch als Einzelfallausnahmen über § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG regulierbar wären, allgemein durch Rechtsverordnung zuzulassen. Nach dieser Regelungstechnik müssen sich im Wege der Rechtsverordnung eingeführte allgemeine Ausnahmen den in § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG bezeichneten Voraussetzungen fügen (vgl. hierzu nur Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni 2019, § 45 BNatSchG Rn. 31), zumal § 43 Abs. 8 Satz 4 BNatSchG a.F. als Vorgängerregelung des § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG mit dem Argument der Verwaltungsökonomie begründet wurde (vgl. BT-Drs. 16/5100 S. 17). Diese Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung spricht dagegen, eine Art Ausschließlichkeitsanspruch des nach § 1 Abs. 4 AAV Abschussberechtigten dahingehend anzunehmen, dass zu seinen Gunsten die Erteilung weiterer Einzelfallausnahmen an andere Personen artenschutzrechtlich gesperrt ist. Gegen einen so verstandenen Ausschließlichkeitsanspruch des nach § 1 Abs. 4 AAV Abschussberechtigten spricht auch diese Bestimmung selbst. Zum Abschuss berechtigt sind nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 AAV „Personen“, die zur Ausübung der Jagd befugt sind. Da diese Norm zur Konkretisierung der Abschussberechtigung in persönlicher Hinsicht den Plural verwendet, geht sie selbst von der – etwa im Fall von mehreren Pächtern eines Jagdreviers, vgl. Art. 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG), denkbaren – Möglichkeit eines Nebeneinanders mehrerer zum Abschuss berechtigter Personen aus.
d) Unabhängig davon greift der Einwand des Beigeladenen, in sein ausschließliches Jagdausübungsrecht in dem Jagdrevier werde durch die erteilte Ausnahmegenehmigung unmittelbar eingegriffen, weil es dem Antragsteller mit der Ausnahmegenehmigung unabhängig von einer noch folgenden waffenrechtlichen Erlaubnis bereits unmittelbar erlaubt sei, den Kormoranen nachzustellen, sie zu verletzen oder zu töten, wohingegen solche Handlungen gegenüber Wildtieren aber grundsätzlich nur dem örtlichen Jagdausübungsberechtigten vorbehalten seien, nicht durch. Er überzeugt schon deshalb nicht, weil der Beigeladene übersieht, dass der Kormoran nicht zu den Tierarten gehört, die dem Jagdrecht unterliegen. Der Kormoran ist keiner Tierart zuzuordnen, die nach § 2 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) dem Jagdrecht unterliegt. Zwar können die Länder nach § 2 Abs. 2 BJagdG weitere Tierarten bestimmen, die dem Jagdrecht unterliegen. Doch auch der zur Ausfüllung dieser Öffnungsklausel aufgrund Art. 33 Abs. 1 Nr. 1 BayJG erlassene § 18 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJG) unterstellt den Kormoran nicht dem Jagdrecht.
e) Der vom Verwaltungsgericht betonten Frage, ob (unmittelbar) erst die waffenrechtliche Erlaubnis, nicht aber schon die streitgegenständliche artenschutzrechtliche Genehmigung den Abschuss ermöglicht, braucht deshalb hier nicht weiter nachgegangen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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