Baurecht

Regulatorische Einschränkung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung im Hinblick auf den Einsatz der Vectoring-Technik in den Hauptverteiler-Nahbereichen (Vectoring II)

Aktenzeichen  6 C 6/17

Datum:
21.9.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:210918U6C6.17.0
Normen:
Art 12 Abs 1 GG
Art 14 Abs 1 GG
Art 87f GG
Art 19 Abs 4 GG
§ 42 Abs 2 VwGO
§ 88 VwGO
§ 137 VwGO
§ 54 VwVfG
§ 56 VwVfG
§ 58 VwVfG
§ 2 Abs 2 TKG 2004
§ 2 Abs 3 TKG 2004
§ 9 Abs 2 TKG 2004
§ 132 TKG 2004
§ 10 TKG 2004
§ 11 TKG 2004
§ 12 TKG 2004
§ 13 TKG 2004
§ 21 TKG 2004
§ 23 TKG 2004
Art 8 EGRL 19/2002
Art 12 EGRL 19/2002
Art 3 EGRL 21/2002
Art 4 EGRL 21/2002
Art 6 EGRL 21/2002
Art 7 EGRL 21/2002
Art 7a EGRL 21/2002
Art 8 EGRL 21/2002
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend VG Köln, 17. März 2017, Az: 9 K 8633/16, Urteil

Tatbestand

1
Die Klägerin ist ein regional tätiges Telekommunikationsunternehmen, das eigene Glasfasernetze betreibt. Sie wendet sich gegen Bestimmungen in der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 1. September 2016 (Az.: BK 3g-15/004) wegen der Beibehaltung, der Änderung, der Auferlegung und des Widerrufs von Verpflichtungen auf dem Markt für den auf der Vorleistungsebene an festen Standorten lokal bereitgestellten Zugang zu Teilnehmeranschlüssen (Markt Nr. 3a der Märkteempfehlung 2014/710/EU).
2
Die überwiegend aus Kupferdoppeladern bestehenden Teilnehmeranschlussleitungen sind Teil des bundesweiten Telekommunikationsnetzes der Beigeladenen. Sie führen vom Hauptverteiler über den Kabelverzweiger und den Abschlusspunkt der Linientechnik zu den Räumlichkeiten der Endkunden. Die Beigeladene ist seit der Liberalisierung des Telekommunikationssektors verpflichtet, wegen ihrer insoweit bestehenden Marktmacht anderen Unternehmen vollständig entbündelten physischen Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren. Zuletzt wurde ihr diese Verpflichtung in uneingeschränkter Form durch die Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 21. März 2011 (Az.: BK 3g-09/85) auferlegt. Die Klägerin nimmt beim Betrieb ihres Telekommunikationsnetzes teilweise die Teilnehmeranschlussleitungen der Beigeladenen in Anspruch.
3
Seit 1999 baute die Beigeladene ihr Anschlussnetz auf der Basis des Übertragungsstandards ADSL bzw. später ADSL 2+ breitbandig aus. Zu diesem Zweck errichtete sie sog. Digital Subscriber Line Access Multiplexer (DSLAM) an den Hauptverteilern. ADSL2+ ermöglicht der Beigeladenen und den zugangsberechtigten Wettbewerbern Datenübertragungsraten von bis zu 16 Mbit/s bzw. 18 Mbit/s im Download. Hierfür reicht eine Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung bis zu der Frequenz 2,2 MHz aus. Seit 2006 setzt die Beigeladene zudem den Übertragungsstandard VDSL bzw. VDSL2 ein, der Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz nutzt. Hierdurch können grundsätzlich Datenübertragungsraten von bidirektional 200 Mbit/s erreicht werden. Wegen der sog. Leitungsdämpfung ist dies jedoch nur bei relativ kurzen Kupferleitungen zu realisieren. Die Beigeladene verlagerte aus diesem Grund die DSLAM zu den Kabelverzweigern vor und erschloss diese Verzweiger von den Hauptverteilern aus zusätzlich mit Glasfaserleitungen. Ausgenommen von dieser Maßnahme waren die Kabelverzweiger, die über ein maximal 550 Meter langes Hauptkabel an einen der ca. 8 000 Hauptverteiler angeschlossen sind (Nahbereichs-Kabelverzweiger). In diesen Hauptverteiler-Nahbereichen (im Folgenden: Nahbereiche) durften bisher, damit es nicht zu technischen Störungen in Form von Interferenzen in Bezug auf das Hauptkabel kam, VDSL-Signale nur von den jeweiligen Hauptverteilern, nicht aber von den insgesamt ca. 40 000 Nahbereichs-Kabelverzweigern aus eingespeist werden. Dies hatte die Beigeladene für sich und ihre zugangsberechtigten Wettbewerber durch ihre sog. Prüfberichte festgelegt. Potentiell betroffen waren hierdurch neben den über einen Nahbereichs-Kabelverzweiger geführten Teilnehmeranschlüssen für ca. 5 300 000 Endkunden auch die direkt am Hauptverteiler angebundenen Anschlüsse (A0-Anschlüsse) für ca. 1 200 000 Endkunden.
4
Die Nutzung von VDSL wird ferner durch das sog. Übersprechen beeinträchtigt, das bei einer parallelen Nutzung von VDSL auf Leitungen im gleichen Kabel bzw. Kabelbündel entsteht. Die mit dem Übersprechen zwischen benachbarten Teilnehmeranschlussleitungen verbundene Störung lässt sich durch die Vectoring-Technik reduzieren. Dabei werden die Störsignale, die von den jeweils anderen Leitungen auf eine Leitung in einem Kabelbündel ausgehen, vorausberechnet und durch Erzeugung eines Gegenstörsignals ausgelöscht. Hierdurch können die Datenübertragungsraten erheblich gesteigert werden. Die Vectoring-Technik kann derzeit in praktisch sinnvoller Weise nur eingesetzt werden, wenn nur ein Unternehmen berechtigt ist, im Frequenzbereich oberhalb 2,2 MHz auf sämtliche Teilnehmeranschlussleitungen an den Einspeisungspunkten für VDSL-Signale zuzugreifen.
5
Mit Beschluss vom 29. August 2013 (Az.: BK 3d-12/131) änderte die Bundesnetzagentur die Regulierungsverfügung vom 21. März 2011 und schuf die Voraussetzungen für den Einsatz der Vectoring-Technik in den Gebieten außerhalb der Nahbereiche, den Hauptverteiler-Außenbereichen (im Folgenden: Außenbereiche). Hiernach ist, um die Nutzung der Technik durch die Beigeladene oder einen ihrer Wettbewerber an einem der dortigen Kabelverzweiger zu ermöglichen, der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zur Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz an dem betroffenen Kabelverzweiger für alle anderen Unternehmen ausgeschlossen. Ob insoweit die Beigeladene oder einer ihrer Wettbewerber zum Zuge kommt, bestimmt sich grundsätzlich danach, wer den betroffenen Kabelverzweiger zuerst mit VDSL2-Vectoring-Technik erschließt. Unter näher bestimmten Bedingungen ist die Beigeladene darüber hinaus berechtigt, den Zugang nachträglich zu verweigern.
6
Anfang des Jahres 2015 leitete die Bundesnetzagentur durch ihre zuständige Beschlusskammer von Amts wegen ein Verfahren zur turnusmäßigen Überprüfung der Verpflichtungen ein, die der Beigeladenen durch die Regulierungsverfügung vom 21. März 2011 in der durch den Beschluss vom 29. August 2013 geänderten Fassung in Bezug auf den Vorleistungsmarkt des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung auferlegt worden waren. Im Rahmen dieses Verfahrens teilte die Beigeladene mit, sie beabsichtige, bis Ende des Jahres 2018 die Kabelverzweiger und A0-Anschlüsse in den Nahbereichen unter Aufwendung von ca. 1 Milliarde € flächendeckend mit VDSL2-Vectoring-Technik zu erschließen, und beantragte, ihr den störungsfreien, exklusiven Einsatz dieser Technik durch eine Änderung der bestehenden Zugangsregulierung zu ermöglichen. Sie sei zu der Abgabe einer verbindlichen Investitionszusage bereit. Ihren Wettbewerbern könne als Ausgleich für den Wegfall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung für die Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz ein Layer2-Bitstrom-Zugang zur Verfügung gestellt werden.
7
Die Beschlusskammer gab allen interessierten Marktteilnehmern Gelegenheit zu ersten schriftlichen Stellungnahmen, führte am 13. März 2015 eine erste öffentlich-mündliche Anhörung durch und räumte danach die Möglichkeit zu weiteren schriftlichen Stellungnahmen ein. In der Folgezeit ließ sie durch die zuständige Fachabteilung der Bundesnetzagentur eine Analyse über die Versorgung der Nahbereiche mit breitbandigen Anschlüssen und die Auswirkungen eines flächendeckenden Ausbaus dieser Bereiche mit VDSL2-Vectoring-Technik erstellen. Zur Frage der Zulässigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zur Absicherung eines Ausbau- und Investitionsversprechens holte sie ein Rechtsgutachten ein. In Reaktion hierauf legten die Verbände B. und V. ein weiteres Rechtsgutachten vor.
8
Am 27. August 2015 erhielt die auf Grund einer Marktdefinition und Marktanalyse nach §§ 10, 11 TKG erstellte Festlegung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur betreffend den Markt für den auf der Vorleistungsebene an festen Standorten lokal bereitgestellten Zugang (Markt Nr. 3a der Märkteempfehlung) ihre endgültige Fassung. Danach umfasst der hier relevante Teilmarkt A, auf dem die Beigeladene über beträchtliche Marktmacht verfügt, neben dem entbündelten/gebündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in Form der Kupferdoppelader am Hauptverteiler oder an einem anderen näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt auch den lokalen virtuell entbündelten Zugang an den entsprechenden Punkten (VULA). Hierfür seien die nach der Märkteempfehlung entscheidenden Kriterien der Lokalität des Zugangs, der diensteunabhängigen, in der betrieblichen Anwendung nicht überbuchten Übertragungskapazität sowie der ausreichende Produktdifferenzierungen und Innovationen ermöglichenden Kontrolle der Zugangsnachfrager über das Übertragungsnetz erfüllt. Dagegen sei der Zugang zu Bitstrom, weil es sich nicht um einen lokalen Zugang handele, nicht dem Markt Nr. 3a, sondern dem Markt des für Massenprodukte auf der Vorleistungsebene an festen Standorten zentral bereitgestellten Zugangs (Markt Nr. 3b der Märkteempfehlung) zuzuordnen.
9
Am 28. Oktober 2015 legte die Beigeladene den Entwurf eines Angebots zur Begründung einer Verpflichtung gegenüber der Bundesnetzagentur zu einem in den Einzelheiten umschriebenen bundesweit flächendeckenden und vollständigen Ausbau der Nahbereiche mit VDSL2-Vectoring-Technik vor (im Folgenden: Ausbauzusage). In einer am 12. Februar 2016 eingereichten überarbeiteten Fassung dieses Entwurfs ergänzte sie das Angebot des Ausbaus um ein solches über ein Monitoring und räumte eine Frist für die Annahme der – bis dahin unwiderruflichen – Angebote bis zum Ablauf von 30 Monaten nach Veröffentlichung einer abschließenden Entscheidung über ein Standardangebot “Vectoring Nahbereich” ein. In der Folge brachten Wettbewerber der Beigeladenen Ausbauzusagen teils als Entwurf, teils in gezeichneter Form bei, die einen regionalen oder lokalen Bezug hatten.
10
Unter dem 23. November 2015 veröffentlichte die Bundesnetzagentur den Konsultationsentwurf der beabsichtigten Regulierungsverfügung. Die Beschlusskammer führte das Konsultationsverfahren nach § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG sowie am 10./14. Dezember 2015 eine mündliche Verhandlung durch. Das Bundeskartellamt gab mit Datum vom 3. März 2016 eine Stellungnahme ab.
11
Am 7. April 2016 notifizierte die Bundesnetzagentur den Konsolidierungsentwurf der beabsichtigten Regulierungsverfügung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 1 TKG der Kommission, dem GEREK und den Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Mit Beschluss vom 10. Mai 2016 leitete die Kommission die zweite Untersuchungsphase nach Art. 7a der Rahmenrichtlinie ein, weil erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahme mit Art. 8 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. d der Zugangsrichtlinie i.V.m. Art. 8 und Art. 16 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie bestünden. Am 16. Juni 2016 zog die Bundesnetzagentur den Konsolidierungsentwurf der beabsichtigten Regulierungsverfügung unter Berufung auf Art. 7a Abs. 8 der Rahmenrichtlinie zurück, woraufhin die Kommission das Verfahren der zweiten Untersuchungsphase einstellte. Am 20. Juni 2016 notifizierte die Bundesnetzagentur der Kommission, dem GEREK und den Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen abgeänderten Konsolidierungsentwurf der beabsichtigten Regulierungsverfügung, mit dem die Beschlusskammer den von der Kommission geltend gemachten Bedenken Rechnung zu tragen suchte. Durch Internetveröffentlichung vom 5. Juli 2016 gab sie interessierten Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. Juli 2016. Mit Beschluss vom 19. Juli 2016 gab die Kommission eine Stellungnahme nach Art. 7 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie ab, ohne ein Verfahren der zweiten Untersuchungsphase einzuleiten.
12
Ende August 2016 reichte die Beigeladene ihre am 20. Juli 2016 notariell beurkundete Ausbauzusage mit dem Text des Entwurfs vom 12. Februar 2016 ein.
13
Am 1. September 2016 erließ die Bundesnetzagentur durch die Beschlusskammer – unter Bezug auf die durch die Präsidentenkammer getroffene Feststellung der beträchtlichen Marktmacht der Beigeladenen – die angegriffene Regulierungsverfügung, durch die sie die Beigeladene in Bezug auf Zugangsgewährung (Ziffer 1.1. des Verfügungstenors) sowie Gleichbehandlung, Transparenz, Standardangebotsveröffentlichung und Entgelte (Ziffern 1.2. bis 1.8. des Verfügungstenors) verpflichtete. Überdies widerrief sie das bisher angeordnete sog. Carrier Line Sharing (Ziffer 2. des Verfügungstenors). Die übrigen im Verfahren gestellten Anträge lehnte sie ab (Ziffer 3. des Verfügungstenors). Im Rahmen der Zugangsregulierung wurde die Beigeladene nach dem Verfügungstenor unter anderem verpflichtet,
1.1. anderen Unternehmen
1.1.1. vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss am Hauptverteiler oder an einem näher an der Teilnehmeranschlusseinheit als der Hauptverteiler gelegenen Punkt (insbesondere Kabel- bzw. Endverzweiger – APL) zu gewähren, soweit sie den Zugang nicht nach den Bestimmungen der Anlage 1 – Zugangsverweigerung zum Teilnehmeranschluss außerhalb des Hauptverteiler-Nahbereichs – und der Anlage 2 – Zugangsverweigerung zum Teilnehmeranschluss innerhalb des Hauptverteiler-Nahbereichs – zu dieser Ziffer verweigern darf oder muss,
1.1.2. lokalen virtuell entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler oder einem anderen näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt in Form des Zugangs zum ersten Konzentrationspunkt in den von Anlage 2 zu Ziffer 1.1.1 erfassten Gebieten zu gewähren, soweit die Betroffene den Teilnehmeranschluss unter Einsatz von VDSL2-Vectoring-Technologie oder auf Basis reiner Glasfaser (massenmarktfähiges FTTH) realisiert.
14
Die Anlage 1 zu Ziffer 1.1.1. des Verfügungstenors (im Folgenden: Anlage 1 der Regulierungsverfügung) nimmt die seit 2013 für die Außenbereiche geltenden Regelungen des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung im Frequenzbereich oberhalb 2,2 MHz im Wesentlichen unverändert auf.
15
Die Anlage 2 zu Ziffer 1.1.1. des Verfügungstenors (im Folgenden: Anlage 2 der Regulierungsverfügung) enthält – neben Ziffer 1.1.2. des Verfügungstenors – die Regelungen des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung für die Nutzung von Frequenzen oberhalb 2,2 MHz in den Nahbereichen. Danach kann die Beigeladene nach der Bekanntgabe der Regulierungsverfügung für Anschlüsse, die über einen Nahbereichs-Kabelverzweiger geführt werden, sowie für A0-Anschlüsse die erstmalige Bereitstellung eines Zugangs zum vollständig entbündelten Teilnehmeranschluss am Hauptverteiler zur Nutzung von Frequenzen oberhalb 2,2 MHz gegenüber dort bisher nicht kollokierten Nachfragern verweigern. Als Ersatz muss sie entsprechend dem jeweils aktuellen, gemäß § 23 TKG geprüften und veröffentlichten Standardangebot einen lokalen und virtuell entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (VULA) bzw. einen Layer2-Bitstrom-Zugang – an einem ihrer 899 Broadband Network Gateways (BNG) – anbieten (im Folgenden: Ersatzprodukte). Gegenüber am Hauptverteiler kollokierten Zugangsnachfragern kann die Beigeladene für die genannten Anschlüsse die Überlassung eines Zugangs zum vollständig entbündelten Teilnehmeranschluss in dem genannten Frequenzbereich kündigen und die Bereitstellung solcher Zugänge frühestens ab dem 1. Dezember 2017 verweigern, wenn sie den betreffenden Nahbereich vollständig mit VDSL2-Vectoring-Technik erschlossen hat, die betroffenen Zugangsnachfrager zwölf Monate zuvor informiert hatte und zum Zeitpunkt einer Kündigung die genannten Ersatzprodukte anbietet. Die Beigeladene hat in diesen Fällen der nachträglichen Zugangsverweigerung zudem in näher bestimmtem Umfang Kompensation zu leisten. Die Zugangsnachfrager können die erstmalige oder nachträgliche Zugangsverweigerung abwenden (das heißt, sie haben ein Abwehrrecht), wenn sie am 20. Juni 2016 in dem Anschlussbereich des Hauptverteilers, in dem Nahbereichs-Kabelverzweiger vorhanden sind, mindestens 40 Prozent aller dortigen Kabelverzweiger mit DSL-Technik erschlossen hatten und diese Erschließung diejenige der Beigeladenen um mindestens 33 Prozentpunkte übersteigt, wenn sie sich darüber hinaus dazu verpflichten, alle hierdurch erfassten Nahbereiche binnen bestimmter Frist mit VDSL2-Vectoring-Technik auszubauen und wenn sie außerdem ihrerseits den verdrängten Wettbewerbern inklusive der Beigeladenen die genannten Ersatzprodukte anbieten.
16
Für ihre Entscheidung betreffend die Verpflichtung der Beigeladenen zur Zugangsgewährung stützte sich die Beschlusskammer auf § 9 Abs. 2 i.V.m. § 13 Abs. 1, § 21 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 TKG und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Für die Nutzung von Frequenzen im Bereich bis einschließlich 2,2 MHz sei die Beibehaltung der Verpflichtung der Beigeladenen zur Gewährung des vollständig entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung in Bezug auf alle in Betracht kommenden Regulierungsbelange geeignet, erforderlich und angemessen. Eine andere Beurteilung greife ein, was den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss für die Nutzung von Frequenzen oberhalb 2,2 MHz anbelange. Der Einsatz der Vectoring-Technik sei als Ausbau eines hochleistungsfähigen öffentlichen Telekommunikationsnetzes der nächsten Generation im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG zu qualifizieren. Zur Schaffung der Voraussetzungen für diesen Einsatz sei in Abwägung mit den übrigen betroffenen Belangen der Regulierung in den Außenbereichen ein Ausschluss des entbündelten Zugangs in dem genannten Frequenzbereich nach Maßgabe der Bestimmungen der Anlage 1 der Regulierungsverfügung angemessen. Für die Nahbereiche führe die Abwägung zu einem Zugangsausschluss unter den in der Anlage 2 der Regulierungsverfügung geregelten Vorgaben. Das von den Regelungen der Anlage 2 der Regulierungsverfügung vorausgesetzte Ausbaurecht der Beigeladenen beruhe – unabhängig von einer etwaigen weiteren Begründung aus dem Netzeigentum der Beigeladenen – maßgeblich auf dem Umstand, dass die Beigeladene sich durch ihre bindende und nach den Maßgaben der §§ 54 ff. VwVfG annahmefähige Ausbauzusage zu einem nahezu vollständigen Ausbau aller Nahbereichsanschlüsse mit VDSL2-Vectoring-Technik verpflichtet habe. Die Beigeladene genieße allerdings insoweit angesichts des Zugangsinteresses ihrer Wettbewerber und der Sozialbindung ihres Eigentums keine Exklusivität. Zudem müssten die anzubietenden Ersatzprodukte möglichst ähnliche Bedingungen bieten wie der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Dabei sei der Beigeladenen die Verpflichtung zur Gewährung lokalen, virtuell entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung (VULA) explizit aufzuerlegen.
17
Die Klägerin hat Anfechtungsklage erhoben und – neben einem im Revisionsverfahren nicht mehr weiterverfolgten Begehren auf Aufhebung einer in der Anlage 1 der Regulierungsverfügung vorgesehenen Verfahrensregelung – beantragt, die Regulierungsverfügung insoweit aufzuheben, als in Ziffer 1.1.1. des Tenors ein Recht oder eine Pflicht der Beigeladenen auf Zugangsverweigerung nach den Bestimmungen der Anlage 2 verfügt werde, sowie die Anlage 2 und die Ziffer 1.1.2. des Verfügungstenors aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Der Klageantrag richte sich, sachgerecht ausgelegt, in zulässiger Weise gegen das in der Anlage 2 der Regulierungsverfügung aufgestellte Zugangsregime für die Nahbereiche. In Bezug auf diesen Regelungskomplex – wie auch hinsichtlich des Zugangsregimes für die Außenbereiche nach der Anlage 1 – sei die Regulierungsverfügung, die ansonsten in Gestalt der in Ziffern 1.1. bis 2. ihres Tenors enthaltenen Verpflichtungen einen unteilbaren Inhalt habe, einer Teilanfechtung zugänglich. In der Sache bleibe die Klage ohne Erfolg. Der Zugang zum Teilnehmeranschluss zur Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz in den Nahbereichen werde durch die angegriffene Regulierungsverfügung auf der Grundlage von § 13 Abs. 1, § 21 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 TKG in rechtmäßiger Weise ausgestaltet. In formeller Hinsicht könne sich die Klägerin im Hinblick auf die Zurückziehung des Konsolidierungsentwurfs vom 7. April 2016 und die Renotifizierung des geänderten Entwurfs vom 20. Juni 2016 nicht auf eine Verletzung der in § 12 TKG enthaltenen Vorschiften über das Konsultations- und Konsolidierungsverfahren berufen, da diese keinen individualschützenden Charakter hätten. Unabhängig davon seien auch keine objektiven Verfahrensfehler ersichtlich, insbesondere habe es nicht der Durchführung eines weiteren Konsultationsverfahrens bedurft.
18
Materiell-rechtlich habe die Beschlusskammer ihr Regulierungsermessen abwägungsfehlerfrei ausgeübt. Die Abgrenzung der Nahbereiche durch das Abstellen auf diejenigen Anschlüsse, die über einen mit einem maximal 550 Meter langen Kupferkabel an einem Hauptverteiler angeschlossenen (Nahbereichs-)Kabelverzweiger geführt werden oder als A0-Anschlüsse direkt an einem Hauptverteiler angeschlossen sind, sei ausgehend von den technischen Gegebenheiten nicht zu beanstanden. Ebenso wenig weise die Einschränkung des entbündelten Zugangs zu diesen Anschlüssen Abwägungsfehler auf. Die Beschlusskammer sei fehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beschleunigung des Ausbaus von hochleistungsfähigen öffentlichen Telekommunikationsnetzen der nächsten Generation (im Folgenden: NGA-Ausbau) im Sinne des Regulierungsziels des § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG für diese Einschränkung spreche. In diesem Zusammenhang habe die Beschlusskammer die Ausbauzusage der Beigeladenen als relevanten Belang in die Abwägung einstellen dürfen. Zweifel hieran ergäben sich weder aus den Anforderungen der §§ 54 ff. VwVfG noch im Hinblick auf die Verbindlichkeit der Zusage. Die Beschlusskammer habe zugleich den insbesondere in § 2 Abs. 2 Nr. 2 und § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TKG verankerten Belang des Wettbewerbs seiner Bedeutung entsprechend berücksichtigt und mit anderen Belangen zum Ausgleich gebracht. Das von der Beschlusskammer nach Art einer Billigkeits- oder Härtefallregelung aus der Sozialbindung des Eigentums der Beigeladenen an den Teilnehmeranschlussleitungen abgeleitete Abwehrrecht der Zugangsnachfrager sei abwägungsfehlerfrei ausgestaltet. Frei von Abwägungsfehlern und hinreichend konkret seien auch die Festlegungen der Beschlusskammer zu den Ersatzprodukten VULA und Layer2-Bitstrom, denen ein in sich schlüssiges, abgestuftes Regelungskonzept zu Grunde liege.
19
Die Klägerin verfolgt mit ihrer von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Revision ihr Aufhebungsbegehren weiter. Das Verwaltungsgericht habe ihren Klageantrag zutreffend als zulässige Teilanfechtung der Regulierungsverfügung angesehen, jedoch in der Sache unter Verstoß gegen § 2 Abs. 2 und 3, § 21 Abs. 1 bis 3 TKG i.V.m. § 114 VwGO abgewiesen. Es habe formell-rechtlich die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur im Konsolidierungsverfahren und materiell-rechtlich die Abwägungsentscheidung der Beschlusskammer zu Unrecht unbeanstandet gelassen. In letztgenannter Hinsicht habe die Beschlusskammer das Wettbewerbsmodell des Telekommunikationsgesetzes verlassen und das Regulierungsziel des beschleunigten NGA-Ausbaus nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG überbetont. Ein weiterer Abwägungsfehler liege darin, dass die Kammer die Ausbauzusage der Beigeladenen als abwägungsrelevanten Belang berücksichtigt und nie ernsthaft eine andere Möglichkeit erwogen habe, als diese Zusage zur maßgeblichen Grundlage ihrer Entscheidung zu machen. Ein solches Vorgehen sei im Rahmen der auf einen Ausgleich konfligierender Interessen ausgerichteten Marktregulierung unzulässig. Ferner könne, anders als das Verwaltungsgericht meine, das Abwehrrecht, das die Beschlusskammer den Zugangsnachfragern eingeräumt habe, nicht als bloße Billigkeits- oder Härtefallregelung aus der Sozialbindung des Eigentumsrechts der Beigeladenen hergeleitet werden. Es müsse vielmehr – wovon anders als das Verwaltungsgericht die angefochtene Regulierungsverfügung im Ansatz zutreffend, wenn auch letztlich nicht konsequent ausgehe – aus Gründen der Sicherstellung des chancengleichen Wettbewerbs gewährleistet sein, dass die Wettbewerber der Beigeladenen in gleicher Weise wie diese ein Recht zum Ausbau der Nahbereiche mit VDSL2-Vectoring-Technik begründen könnten. Dies sei nach den Voraussetzungen, die die Beschlusskammer für das Entstehen des Abwehrrechts der Wettbewerber vorgesehen habe, nicht der Fall. Die Klägerin verweist insgesamt ergänzend auf die Begründung ihres unter dem 5. Oktober 2016 bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemachten, im Ergebnis erfolglosen Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Az. VG 9 L 2359/16).
20
Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts gegen die Angriffe der Revision und beantragen deren Zurückweisung.


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