Baurecht

Rücksichtnahmegebot bei Baugenehmigung zur Errichtung einer Biogasanlage

Aktenzeichen  2 B 15.2392

Datum:
26.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51510
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Bei der Prüfung, ob durch die von einer geplanten Biogasanlage ausgehenden Geruchsbelastungen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Betracht kommt, gibt die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) von 2008 eine Orientierungshilfe. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die von einer geplanten Biogasanlage ausgehenden Geräusche verletzen nicht das Rücksichtnahmegebot, wenn die Anlage sich ca. 180 m und der Abgaskamin sich ca. 220 m vom Wohnhaus des Nachbarn entfernt befindet, welches in einem angrenzenden allgemeinen Wohngebiet gelegen ist.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 06.578 2007-08-06 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin (§ 124 Abs. 1 VwGO) hat keinen Erfolg.
1. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist bereits unzulässig. Sie verfügt nicht über die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO.
Für die Klagebefugnis ist es erforderlich, dass die konkrete Möglichkeit der klägerseits behaupteten Rechtsverletzung besteht. Ist ein Kläger – wie hier – nicht Adressat eines angegriffenen Verwaltungsakts, muss geprüft werden, ob subjektive eigene Rechte oder zumindest anderweitig rechtlich geschützte Interessen verletzt sein könnten. Dies ist dann nicht der Fall, wenn ein Rechtsverstoß aus Rechtsgründen oder aus tatsächlichen Gründen offensichtlich nicht gegeben ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206.92 – BayVBl 1994, 90; U.v. 10.10.2012 – 6 C 36.11 – BVerwGE 144, 284).
Anfechtungsgegenstand ist vorliegend die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Biogasanlage vom 5. Oktober 2005 und 14. November 2015 i. d. F. des Widerspruchsbescheids der Regierung von Schwaben vom 19. April 2016 (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Allein daraus, dass die Klägerin Adressatin des Widerspruchsbescheids ist, ergibt sich noch keine Klagebefugnis. Denn der Widerspruchsbescheid enthält gegenüber der Klägerin keine erstmalige oder zusätzliche selbstständige Beschwer im Sinn von § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 VwGO. Er gebietet der Klägerin selbstständig kein Handeln, Unterlassen oder Dulden. In dieser Hinsicht wurde klägerseits auch nichts vorgetragen.
Mit der Baugenehmigung vom 5. Oktober 2005 und 14. November 2005 wird dem Beigeladenen die Errichtung einer Biogasanlage zur Verwertung von Güllefestmist, nachwachsenden Rohstoffen und Pflanzenresten mit einer elektrischen Leistung des Motors von 100 kW auf dem Grundstück FlNr. 161 der Gemarkung L… gestattet. Der Standort der Biogasanlage liegt ca. 180 m südlich des Wohnhauses der Klägerin. Der Abgaskamin am Blockheizkraftwerk-Gebäude der Biogasanlage befindet sich in ca. 220 m Entfernung zum Wohnhaus der Klägerin. Angesichts dieser Entfernungen zwischen emittierender Anlage und einer zu schützenden Wohnbebauung ist nach Auffassung des Senats eine Rechtsverletzung gegenüber der Klägerin offensichtlich ausgeschlossen.
Der in Nr. 5.4.8.6.1 der TA Luft vom 24. Juli 2002 (GMBl S. 511) und im hierauf Bezug nehmenden Biogashandbuch Bayern genannte Mindestabstand von 300 m bei geschlossenen Anlagen führt hier nicht weiter, denn es handelt sich vorliegend nicht um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage. Zudem ist der genannte Mindestabstand selbst für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen nicht verbindlich, denn es handelt sich lediglich um eine Vorsorge-Regelung. Er kann unterschritten werden, wenn die Emissionen an Geruchsstoffen durch primärseitige Maßnahmen gemindert werden oder das geruchsbeladene Abgas in einer Abgasreinigungseinrichtung behandelt wird. Primärseitige Maßnahmen zur Minderung der Emissionen an Geruchsstoffen sind in der Baugenehmigung vom 5. Oktober 2005 unter Nrn. 12 bis 31 umfangreich beauflagt. Klägerseits wurde deren Wirksamkeit nicht detailliert und umfassend bestritten.
Die Auffassung des Senats wird zudem dadurch bestätigt, dass das Bayerische Landesamt für Umwelt in seinem Gutachten vom 17. November 2011 festgestellt hat, dass die Geruchsstundenhäufigkeit hervorgerufen durch die angesetzten Geruchsemissionen allein aus der Biogasanlage lediglich ca. 0,4% beträgt. Damit ist das Irrelevanzkriterium von 2% nach Nr. 3.3 der GIRL 2008 – deren Anwendbarkeit die Klägerin bejaht – derart weit unterschritten, dass eine unzumutbare Geruchsbelästigung für die Klägerin offensichtlich nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann.
Soweit klägerseits in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2016 erklärt wurde, die Gerüche seien aber wahrnehmbar, ändert dies nichts an der Beurteilung des Senats. Der Ehemann der Kläger will letzthin im Keller des Wohnhauses Gerüche wahrgenommen haben. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es vorliegend auf Gerüche im Keller nicht ankommt, sondern auf solche in Aufenthaltsräumen abzustellen ist. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Gerüche aus den deutlich näher als die Biogasanlage gelegenen Siloanlagen auf dem Grundstück FlNr. 135 herrühren. Schließlich wird die Biogasanlage seit den Jahren 2009/2010 mit zwei Motoren und somit einer wesentlich höheren elektrischen Leistung betrieben. Vorliegend steht jedoch nur die streitgegenständliche Baugenehmigung für eine Biogasanlage mit 100 kW elektrische Leistung inmitten und nicht für eine solche mit einer elektrischen Leistung von insgesamt 290 kW. Es ist damit nicht zu erkennen, dass die klägerseits behaupteten Gerüche aus der Biogasanlage mit dem hier strittigen Betriebsumfang herrühren.
Soweit aufgrund neuer Erkenntnisse hinsichtlich der Windrichtung (vgl. Niederschrift vom 14.7.2016 S. 4) sich ergeben würde, dass die Differenz zwischen der Ausgangsbelastung und der Neubelastung durch die Silos an der Hofstelle gegenüber der klägerischen Anwesen geringer würde, während sich die Belastung durch die Biogasanlage gegenüber dem klägerischen Anwesen über den Anstieg von 0,4% erhöhen würde, würde im Fall einer Neuberechnung selbst eine Verdoppelung des Anstiegswerts auf 0,8% noch deutlich hinter dem Irrelevanzkriterium zurückbleiben. Anhaltspunkte für eine Verdoppelung des Werts sind jedoch nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2016 ebenfalls nichts in dieser Hinsicht dargetan. Eine Neuberechnung anhand der GIRL 2008 war von daher nicht angezeigt.
Die behauptete Geruchsbelastung aus den Siloanlagen auf dem Grundstück FlNr. 135, auf die klägerseits insbesondere abgestellt wird, ist ebenso wenig geeignet, eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zu begründen. Denn diese Silos sind nicht Gegenstand der Baugenehmigung vom 5. Oktober 2005 und 14. November 2005. Die Baugenehmigung bezieht sich lediglich auf die neu zu errichtende Biogasanlage auf dem Grundstück FlNr. 161. Das Hofgrundstück FlNr. 135 mit den dort bestehenden Fahrsilos findet in den Bescheiden keine Erwähnung. Auch in der Betriebsbeschreibung werden die Silos des Beigeladenen auf dem Grundstück FlNr. 135 nur als Bestand erwähnt. Selbst im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerseite vom 15. Juli 2016 wird diese Sichtweise nicht in Frage gestellt. Vielmehr wird aus dem Urteil des Erstgerichts vom 6. August 2007 die Passage zur Zulässigkeit der Klage zitiert, wonach das Grundstück der Klägerin etwa 180 m nördlich vom Baugrundstück liegt und nicht unmittelbar an das Baugrundstück angrenzt. Danach ist auch das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Bauvorhaben nur auf dem Grundstück FlNr. 161 errichtet werden soll. Soweit dort von einer Klagebefugnis der Klägerin ausgegangen wird, ist das Erstgericht zu wenig auf die konkreten Umstände des Einzelfalls eingegangen.
Ebenso wenig ergibt sich eine Klagebefugnis aus der klägerseits behaupteten Lärmbelastung durch die Biogasanlage. Die Auffassung, dass es durch Tätigkeiten an der Biogasanlage selbst zu unzumutbaren Lärmbelästigungen am Anwesen der Klägerin kommen könne, ist abwegig. Der Standort der Biogasanlage befindet sich ca. 180 m südlich des Wohnhauses der Klägerin, der Abgaskamin steht ca. 220 m entfernt. Angesichts dessen bestehen offensichtlich keine Zweifel, dass die im Bescheid vom 5. Oktober 2005 festgesetzten Auflagen zum Lärmschutz, insbesondere die in der Nr. 5 zugunsten näher liegender Wohnanwesen, jedenfalls am Anwesen der Klägerin, eingehalten werden können. Zudem liegt das Grundstück der Klägerin nicht in einem reinen Wohngebiet sondern in einem durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet. Auch die acht Fahrten pro Tag des Beigeladenen zum Betrieb der Biogasanlage auf einer Kreisstraße führen offensichtlich nicht zu einer unzumutbaren Lärmbelastung am klägerischen Anwesen. Zur Nachtzeit scheidet ein Fahrbetrieb zur Biogasanlage ohnehin aus.
2. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist auch unbegründet. Sie wird durch die Baugenehmigung vom 5. Oktober 2005 und 14. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Schwaben vom 19. April 2006 nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1. Entgegen der Auffassung der Klägerin war keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 Abs. 1 BImSchG erforderlich. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Vorschrift, auf die die Klägerin die Genehmigungspflicht stützen will, aufgehoben ist. Nr. 7.1 Spalte 2 Buchst. b des Anhangs zu § 1 der 4. BImSchV wurde durch das Gesetz zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom 23. Oktober 2007 (BGBl I S. 2470) mit Wirkung vom 24. Oktober 2007 aufgehoben. Diese Rechtsänderung ist vorliegend zugunsten des beigeladenen Bauherrn zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 22.4.1996 – 4 B 54.96 – juris; B.v. 23.4.1998 – 4 B 40.98 – juris).
Unabhängig davon hat die Klägerin keinen Anspruch auf Durchführung eines bestimmten Verfahrens. Der Einzelne kann zwar verlangen, dass seine materiellen Rechte gewahrt werden, er hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass dies in einem bestimmten Verfahren geschieht. Er soll die Beachtung der Verfahrensvorschrift nicht um ihrer selbst willen erzwingen können (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 A 7.98, 4 VR 3.98 – NVwZ-RR 1999, 556; B.v. 10.1.2006 – 4 B 48.05 – BauR 2006, 815). Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Verfahrensvorschrift einem Betroffenen unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbstständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will. Aus ihrem Regelungsgehalt müsste sich ergeben, dass diese Regelung des Verwaltungsverfahrens mit einer eigenen Schutzfunktion zugunsten Einzelner ausgestattet ist, und zwar in der Weise, dass der Begünstigte unter Berufung allein auf einen ihn betreffenden Verfahrensmangel, d. h. ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache, die Aufhebung der behördlichen Entscheidung gerichtlich soll durchsetzen können (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.1982 – 4 C 26.78 – BVerwGE 64, 325/331 f.). Hierfür hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen und sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sie durch die Verfahrensgestaltung gehindert gewesen sei, ihre Einwendungen in das Verfahren einzubringen. Aus § 1 der 4. BImSchV in Verbindung mit Anhang 1 ergibt sich keine verfahrensrechtliche Schutzposition zugunsten Dritter. Auch die Vorschriften unter Nr. 5 der TA Luft beziehen sich lediglich auf Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und beruhen demgemäß nicht auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, sondern auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG. Die Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG hat jedoch grundsätzlich keinen drittschützenden Charakter (vgl. Jarass, BImSchG, 11. Auflage 2015, § 5 Rn. 134 ff.). Dies gilt insbesondere für die klägerseits herangezogene Regelung der Nr. 5.4.8.6 der TA Luft. Es handelt sich hierbei unter Nr. 5.4.8.6.1 lediglich um eine Soll-Vorschrift zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Dagegen handelt es sich nicht um eine im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens zu prüfende nachbarschützende Vorschrift, die in einem baurechtlichen Verfahren im Rahmen des Rücksichtnahmegebots keine Berücksichtigung finden würde. Ein Anspruch der Klägerin auf die Gewährleistung eines bestimmten Verfahrens ist damit nicht gegeben.
2.2. Die angefochtene Baugenehmigung vom 4. Oktober 2005 und 14. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Schwaben vom 19. April 2006 verstößt nicht gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebot. Das nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierte Vorhaben des Beigeladenen in der hier genehmigten Form ruft keine schädlichen Umwelteinwirkungen in diesem Sinn hervor. Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß, Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG). Hinsichtlich der von der Anlage des Beigeladenen ausgehenden Gerüche findet Nr. 5.4.8.6.1 TA-Luft vom 24. Juli 2002 (GMBl S. 511) entgegen der Auffassung der Klägerin keine Anwendung. Denn es handelt sich vorliegend nicht um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Anlage im Sinn von Nr. 1 TA-Luft. Zudem handelt es sich bei der Nr. 5.4.8.6.1 TA-Luft um eine Soll-Vorschrift, die dem Vorsorgegedanken verpflichtet ist. Die Vorschrift legt jedoch keine Grenze fest, bei deren Unterschreitung schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten sind.
Die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) von 1998, die auch das klägerseits vorgelegte Privatgutachten vom 24. Mai 2006 anwendet, ist vorliegend keine geeignete Entscheidungsgrundlage (vgl. ausführlich BayVGH, U.v. 17.9.2007 – 15 BV 07.142 – juris). Zudem betrachtet das genannte „Emissionsgutachten“ vom 24. Mai 2006 im Auftrag der Bürgerinitiative „Am Breiten R…“ unter anderem das gesamte Wohngebiet „Am Breiten R…“. Es äußert sich aber nicht konkret zur Immissionssituation beim klägerischen Grundstück, das durch seine Randlage direkt gegenüber der Hofstelle des Beigeladenen und seine Entfernung zur Biogasanlage geprägt ist.
Demgegenüber ist die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) von 2008 eine Orientierungshilfe unter anderen, um Geruchsbelastungen aus landwirtschaftlichen Betrieben und Biogasanlagen beurteilen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 22 ZB 13.692 – juris; B.v. 16.7.2014 – 15 CS 13.1910 – juris). Soweit der Beigeladene der Auffassung ist, die GIRL 2008 könne für die Beurteilung seiner Baugenehmigung aus dem Jahr 2005 nicht herangezogen werden, überzeugt dies letztlich nicht. Das Gutachten des Bayerischen Landesamts für Umwelt vom 17. November 2011, das der Verwaltungsgerichtshof in Auftrag gegeben hat, führt im Übrigen zu einem für ihn günstigen Ergebnis. Der Senat ist mit der Klägerin der Auffassung, dass die GIRL 2008 jedenfalls als Orientierungshilfe geeignet ist, um die strittige Anlage hier technisch beurteilen zu können. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2016 das schriftliche Gutachten mündlich erläutert und ist auch auf neue Erkenntnisse hinsichtlich der Windrichtung eingegangen.
Hinsichtlich der hier gegenständlichen Biogasanlage des Beigeladenen mit einer elektrischen Leistung des Motors von 100 kW stellt das Bayerische Landesamt für Umwelt in seinem Gutachten vom 17. November 2011 fest, dass die Geruchsstundenhäufigkeit hervorgerufen durch die angesetzten Geruchsemissionen allein aus der Biogasanlage des Beigeladenen ca. 0,4% bezogen auf das Wohnhaus der Klägerin beträgt. Damit ist das Irrelevanzkriterium von 2% nach Nr. 3.3 der GIRL 2008 beim Anwesen der Klägerin derart weit unterschritten, dass eine unzumutbare Geruchsbelästigung für die Klägerin offensichtlich ausgeschlossen werden kann. Wie bereits oben unter Ziffer 1. ausgeführt, sind die Fahrsilos des Beigeladenen auf dem Grundstück FlNr. 135 nicht Gegenstand der hier strittigen Baugenehmigung. Soweit aufgrund neuer Erkenntnisse hinsichtlich der Windrichtung (vgl. Niederschrift vom 14.7.2016 S. 4) sich die Belastung durch die Biogasanlage gegenüber dem klägerischen Anwesen über einen Anstieg von 0,4% erhöhen würde, würde bei einer Neuberechnung selbst eine Verdoppelung des Werts auf 0,8% noch deutlich hinter dem Irrelevanzkriterium zurückbleiben. Anhaltspunkte für eine Verdoppelung des Werts sind jedoch nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nichts in dieser Hinsicht dargetan. Eine Neuberechnung war von daher nicht angezeigt.
Selbst wenn die Fahrsilos des Beigeladenen auf dem Grundstück FlNr. 135 zu berücksichtigen wären, ergäbe sich nichts anderes. Das gerichtliche Gutachten des Bayerischen Landesamts für Umwelt vom 17. November 2011 gelangt auch insoweit zu dem Ergebnis, dass das Irrelevanzkriterium nach Nr. 3.3. der GIRL 2008 eingehalten ist. Die Ausbreitungsrechnungen zeigen, dass die Zunahme der Geruchsbelastungen am Wohnhaus der Klägerin, die nur durch die Emissionen, die aus dem Bereich der Fahrsiloanlagen mit Gerüchen aus den Anschnittflächen, den Siloplatten und dem Transportweg freigesetzt werden, bei etwa 1,2% bis 1,4% liegt. Damit ergibt sich auch unter Berücksichtigung verschiedener Nutzungsszenarien für die Fahrsilos eigentlich eine Zusatzbelastung durch den Betrieb der Biogasanlage selbst und der Fahrsilos von rund 1,8%. Dass der gerichtliche Sachverständige insgesamt zu einer Zusatzbelastung von 2% gelangt ist, beruht darauf, dass sich die aus den überlagerten Konzentrationen an den Monitorpunkten berechnete Geruchshäufigkeit von der Summe der aus den Einzelberechnungen ermittelten Häufigkeiten unterscheidet. Dies ist auf die zum Gesichtspunkt Rauigkeitslänge und Besonderheiten der Ausbreitungsrechnung beschriebene Vorgehensweise zurückzuführen.
Die Einwände klägerseits gegen das gerichtliche Sachverständigengutachten überzeugen nicht. Die vom Sachverständigen angenommenen Rauigkeitslängen sind nicht zu beanstanden. Soweit er für die Biogasanlage von einer Rauigkeitslänge von 0,2 m ausgegangen ist, ist dies zutreffend geschehen, weil es sich in Richtung des klägerischen Anwesens um landwirtschaftliche Flächen handelt. Für die Berechnung der Siloanlagen ist er von einer Rauigkeitslänge von 1 m ausgegangen, weil es sich nicht durchgängig um städtische Prägung handle. Auch dies ist zutreffend, da die Umgebung eher ländlichen Charakter hat.
Den Angaben des Gutachters der Klägerin zum Siloraumbedarf für die bestehende Rinderhaltung, wonach 20,4 m³ pro Tier größer zwei Jahre anzunehmen seien, kann nicht gefolgt werden. Eine Stellungnahme der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft vom 26. August 2013 nennt 17 m³/GV (Kuh mit Nachzucht). Das Landwirtschaftliche Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden Württemberg geht von einer notwendigen Lagerkapazität bei ganzjähriger Silagefütterung von 14 bis 15 m³/GV (mindestens ein Silo wird zweimal im Jahr genutzt) und von einer notwendigen Lagerkapazität bei Grünfütterung im Sommer oder nicht silagebetont von 9 bis 10 m³/GV aus (Stand: 19.4.2011). Angesichts dessen geht der Gutachter des Beigeladenen in seiner fachlichen Stellungnahme vom 26. März 2012 unter genauer Darlegung der Fütterungssituation beim Beigeladenen davon aus, dass eher 9 bis 10 m³/GV als 20,4 m³/Tier an Lagerkapazität benötigt würden. Dem ist die Klägerin nicht unter konkreter Bezugnahme auf die Futtersituation auf der Hofstelle des Beigeladenen substantiiert entgegengetreten. Unabhängig davon spricht viel dafür, dass die vom Landwirtschaftlichen Zentrum Baden Württemberg genannten Daten die Bedingungen landwirtschaftlicher Rinderhaltung im süddeutschen Raum zutreffender wiedergeben, als die vom Gutachter der Klägerin genannten Zahlen, die eher auf Verhältnisse im norddeutschen Raum weisen. Die Annahmen des gerichtlichen Sachverständigen zum Siloraumbedarf für die bestehende Rinderhaltung sind von daher nicht zu beanstanden.
Demnach ergeben sich nicht die klägerseits gerügten Ungenauigkeiten im gerichtlichen Sachverständigengutachten vom 17. November 2011. Sowohl die Lagerkapazität für die Rinderhaltung als auch für die Biogasanlage werden zutreffend berücksichtigt. Hierbei ist zu beachten, dass die angestrebte durchschnittliche Füllhöhe von 2,75 m bei den Fahrsilos eine Füllhöhe in der Spitze von ca. 3,5 m erlaubt, wie auch der Gutachter der Klägerin in seiner Stellungnahme vom 21. März 2012 ausführt. Dass die Biogasanlage am Lagerraumbedarf scheitern könnte, ist damit ebenso wenig ersichtlich. Zudem weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Rinderhaltung des Beigeladenen nicht Genehmigungsgegenstand ist. Sollte es demnach aufgrund des Betriebs der Biogasanlage zu einer Einengung beim Lagerraumbedarf für Viehfutter kommen, so kann der Beigeladene für seinen privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb ein zusätzliches Fahrsilo für die Rinderhaltung auf einer seiner landwirtschaftlichen Flächen planen. Außerdem könnte er durch eine teilweise Änderung der Futtergrundlagen für seine Rinder reagieren. Zudem hat das Landwirtschaftsamt Nördlingen bereits in seiner Stellungnahme vom 16. Juni 2005 auf unterschiedliche Silierzeiträume hingewiesen, wodurch ein Fehlbedarf an Silolagerraum ausgeglichen werden kann. Auf das Schreiben des früheren Berichterstatters vom 10. Juli 2013 kommt es damit nicht an. Entsprechend ist der in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 14. Juli 2016 gestellte Beweisantrag der Klägerin unbehelflich.
Vielmehr ist der gerichtliche Sachverständige im Gutachten vom 17. November 2011 von einer zutreffenden Betriebsweise der Siloanlagen vor Inbetriebnahme der Biogasanlage ausgegangen, wie auch unter Ziffer 7. des Schreibens des früheren Berichterstatters ausgeführt wird. Dagegen musste der gerichtliche Sachverständige nicht von einer Überfüllung auf 3,1 m durchschnittliche Füllhöhe bei vier Fahrsilos nach Inbetriebnahme der Biogasanlage ausgehen. Denn der Beigeladene verfügt über die oben genannten Alternativen für den Lagerraumbedarf an Viehfutter, so dass eine unerwünschte Überfüllung nicht unterstellt werden kann. Das gerichtliche Sachverständigengutachten ist demnach sowohl hinsichtlich des Ist-Zustands als auch hinsichtlich des zukünftigen Betriebs der Siloanlagen des Beigeladenen von den richtigen Daten ausgegangen.
Eine Neuberechnung zur Immissionsprognose hinsichtlich möglicher Geruchsbelastungen für das Anwesen der Klägerin durch die hier strittige Biogasanlage war auch nicht aufgrund neuer Erkenntnisse zur Windrichtung veranlasst. Wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2016 erläutert hat, würde eine Neuberechnung zwar eine Erhöhung der Belastung durch die Biogasanlage selbst über den Anstieg von 0,4% hinaus ergeben. Dagegen würde aber die Differenz zwischen der Ausgangsbelastung und der neuen Belastung durch die Siloanlagen an der Hofstelle gegenüber dem klägerischen Anwesen geringer werden. Dies liege daran, dass der Ostwind gegenüber dem klägerischen Anwesen keine so bedeutende Rolle mehr spielen werde, weil die Hauptwindrichtung aus südlicher Richtung komme. Nachdem laut dem Sachverständigengutachten vom 17. November 2011 die überwiegende Zusatzbelastung mit etwa 1,2 bis 1,4% aus den Siloanlagen herrührt und der Beitrag der Biogasanlage selbst nur bei etwa 0,4% liegt, ist nicht davon auszugehen, dass die Zunahme bei der Biogasanlage die Reduzierung der Zusatzbelastung bei den Siloanlagen übertreffen wird. Hierfür sprechen auch die große Entfernung der Biogasanlage und die geringere Entfernung der Siloanlagen zum Anwesen der Klägerin. Soweit der Gutachter der Klägerin hinsichtlich der Ostwinde auf einen Downwash-Effekt hinter den Gebäuden auf der Hofstelle des Beigeladenen hinweist, wäre dieser immer anteilig zu berücksichtigen. Zudem hat dieser Gutachter in seiner Stellungnahme vom 21. März 2012 selbst ausgeführt, dass hohen Einfluss auf die Ergebnisse der Geruchsbetrachtung insbesondere Luftströme aus südwestlichen Richtungen, also aus offener Feldmark hätten. Damit spielten die Ostwinde bereits zuvor keine so bedeutende Rolle, wie sich auch den Ausführungen zur Meteorologie im Gerichtsgutachten vom 7. November 2011 entnehmen lässt. Mithin kann aufgrund der im Gerichtsgutachten ermittelten Ausgangswerte bezüglich der Zusatzbelastung ausgeschlossen werden, dass die prozentuale Zunahme bei der Zusatzbelastung durch die Biogasanlage selbst die prozentuale Abnahme bei der Zusatzbelastung durch die Solaranlagen übersteigen würde.
2.3. Ebenso wenig verletzt die Baugenehmigung vom 5. Oktober 2005 und 14. November 2005 hinsichtlich der durch die Anlage verursachten Geräusche das Rücksichtnahmegebot aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Die Auffassung, dass es durch Tätigkeiten an der Biogasanlage selbst zu unzumutbaren Lärmbelästigungen am Anwesen der Klägerin kommen könne, ist abwegig. Der Standort der Biogasanlage befindet sich ca. 180 m südlich des Wohnhauses der Klägerin, der Abgaskamin steht ca. 220 m entfernt. Angesichts dessen hat der Senat keine Zweifel, dass die im Bescheid vom 5. Oktober 2005 festgesetzten Auflagen zum Lärmschutz, insbesondere in der Nr. 5, eingehalten werden können. Die angegebenen Immissionsrichtwerte sind aufgrund der Randlage der dort genannten Grundstücke sowie des klägerischen Grundstücks zum Außenbereich bzw. zu einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu beanstanden, zumal das Grundstück der Klägerin nicht in einem reinen Wohngebiet sondern in einem durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet liegt. Nachdem sich das Anwesen der Klägerin noch weiter von der Biogasanlage entfernt befindet als die Grundstücke FlNr. 117, 118 und 119, bestehen keine Bedenken, dass der Beigeladene mit allen Emittenten auf dem Betriebsgelände einschließlich des betriebsbezogenen Kraftfahrzeugverkehrs die Richtwerte gegenüber der Klägerin einhalten kann.
Soweit die Klägerin Lärmbelästigungen aus der Anlieferung der Biomasse mittels Lastkraftwagen oder Traktor herleiten will, überzeugt dies nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, woraus sie die behaupteten täglich 16 Fahrten zwischen Hofstelle und Biogasanlage ableiten will. Nach den Angaben des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2016 fährt dieser zum Betrieb der strittigen Biogasanlage morgens und abends je zwei Mal mit dem Schaufellader zwischen Hofstelle und Biogasanlage hin und her. Dies ergibt insgesamt acht Fahrten pro Tag. Diese Angaben wurden seitens der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt. Das Anwesen der Klägerin liegt am Rand eines allgemeinen Wohngebiets und der Hofstelle eines Landwirts gegenüber an der Kreisstraße D… …. Damit ist sie bereits vor Errichtung der strittigen Biogasanlage der Verkehrsbelastung einer Kreisstraße ausgesetzt, die hier unter anderem eine Verknüpfung mit verschiedenen Staatsstraßen herstellt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG). Neben der Verkehrsbelastung durch Lastkraftwagen und Personenkraftwagen auf der Kreisstraße war die Klägerin aber auch schon zuvor landwirtschaftlichem Verkehr durch den Beigeladenen sowie andere Landwirte aus L… und der näheren ländlichen Umgebung ausgesetzt. Angesichts dessen ist es auszuschließen, dass hinsichtlich der Lärmbelastung durch Straßenverkehr die zusätzlichen acht Fahrten täglich zwischen Hofstelle und Biogasanlage des Beigeladenen ins Gewicht fallen. Zudem scheidet ein Fahrbetrieb während der Nacht wegen der Auflage Nr. 11 des Bescheids vom 5. Oktober 2015 aus, wonach ein Beschicken der Biogasanlage zur Nachtzeit untersagt ist. Selbst die klägerseits unsubstantiiert behaupteten 16-täglichen Fahrten würden unter diesen Voraussetzungen im Verhältnis zum normalen Verkehr auf einer Kreisstraße nicht entscheidend ins Gewicht fallen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Nachdem der Beigeladene selbst einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.


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