Aktenzeichen 15 CS 18.2235
Leitsatz
1 Sowohl die Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München/Weihenstephan „Geruchsemissionen aus Rinderställen“ vom März 1994 („Gelbes Heft 52“) und „Geruchsfahnenbegehung an Rinderställen“ vom Juni 1999 („Gelbes Heft 63“) als auch die „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ in der jeweils maßgebenden Fassung und ferner die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) sind brauchbare Orientierungshilfen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche für die Wohnbebauung. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 5 S 18.1432 2018-09-26 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebs, wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80 Abs. 5 VwGO) gegen die dem Beigeladenen für ein benachbartes Grundstück erteilte Baugenehmigung (Bescheid vom 9.8.2018) zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg hat mit Beschluss vom 26. September 2018 den Antrag (u.a.) der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den genannten Bescheid erhobenen Klage abgelehnt. Es könne offenbleiben, ob der am 23. Januar 2018 in Kraft getretene Bebauungsplan, der das Bauvorhaben des Beigeladenen (auf FlNr. 593) planungsrechtlich zulasse, wirksam sei oder nicht, weil das streitgegenständliche Bauvorhaben – selbst wenn es im planungsrechtlichen Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB läge – nicht gegen nachbarschützende bauplanungsrechtliche Vorschriften verstoße. Ein Abwehranspruch der Antragstellerin gegen das streitgegenständliche Bauvorhaben scheide auch im Hinblick auf die geltend gemachten Geruchs- oder Lärmemissionen des landwirtschaftlichen Betriebs der Antragstellerin, denen das Bauvorhaben des Beigeladenen künftig ausgesetzt sein könne, aus, weil das Bauvorhaben aufgrund seiner Entfernung zum landwirtschaftlichen Betrieb aus immissionsschutzfachlicher Sicht – auch unter Berücksichtigung geplanter Erweiterungen des landwirtschaftlichen Betriebs – keinen unzumutbaren Geruchs- oder Lärmimmissionen ausgesetzt sein werde. Zudem liege ein bereits bestehendes Wohnhaus (auf dem angrenzenden Grundstück FlNr. 594) zum landwirtschaftlichen Betrieb der Antragstellerin näher als das streitgegenständliche Bauvorhaben des Beigeladenen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Der die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens begründende Bebauungsplan sei offensichtlich unwirksam und das Bauvorhaben als Außenbereichsvorhaben somit planungsrechtlich unzulässig. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass gegen die Antragstellerin „immissionsschutzrechtliche Maßnahmen“ zur Reduzierung der von ihrem landwirtschaftlichen Betrieb ausgehenden Emissionen angeordnet würden. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass die Geruchsbelastung auf dem streitgegenständlichen Baugrundstück nach einer von der Antragstellerin eingeholten Stellungnahme („Gutachtliche Einschätzung“ vom 4.7.2018) bei 21% der Jahresstunden liegen werde, was deren Unzumutbarkeit indiziere. Die zum landwirtschaftlichen Betrieb nächstgelegene Wohnbebauung befinde sich im Übrigen auf der gegenüberliegenden Straßenseite (FlNr. 133) und sei „deutlich weiter entfernt als das streitgegenständliche Bauvorhaben“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 31. Oktober 2018 und 4. Dezember 2018 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde. Der Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren und im gegen den Bebauungsplan gerichteten Normenkontrollverfahren (u.a.) der Antragstellerin (15 N 18.448 und 15 NE 18.2038) sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6, § 80 Abs. 5 VwGO) rechtfertigt keine vom angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts abweichende Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der im Eilverfahren vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin zu Recht abgewiesen. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des erstinstanzlichen Beschlusses (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass es für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin gegen das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht darauf ankommt, ob der Bebauungsplan, der Gegenstand des Normenkontrollverfahrens (u.a.) der Antragstellerin ist, wirksam ist oder nicht. Denn die Antragstellerin ist – unabhängig davon, ob das Bauvorhaben im Außenbereich (§ 35 BauGB) oder im durch Bebauungsplan festgesetzten Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) liegt – durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ersichtlich nicht in ihren Rechten verletzt. Das Beschwerdevorbringen gegen die erstinstanzliche gerichtliche Würdigung der Sach- und Rechtslage ist insoweit nicht stichhaltig, insbesondere ist der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht ausgeschlossen, dass gegen sie „immissionsschutzrechtliche Maßnahmen“ zur Reduzierung der von ihrem landwirtschaftlichen Betrieb ausgehenden Emissionen angeordnet würden, nicht hinreichend substantiiert.
a) Das Verwaltungsgericht geht bei seiner Beurteilung der vom landwirtschaftlichen Betrieb (auch unter Berücksichtigung seiner geplanten Erweiterungen) ausgehenden Emissionen zu Recht davon aus, dass sowohl die Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München/Weihenstephan „Geruchsemissionen aus Rinderställen“ vom März 1994 („Gelbes Heft 52“) und „Geruchsfahnenbegehung an Rinderställen“ vom Juni 1999 („Gelbes Heft 63“) als auch die „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ in der jeweils maßgebenden Fassung und ferner die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) brauchbare Orientierungshilfen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche für die Wohnbebauung sind und insbesondere im Baugenehmigungsverfahren – auch bei Anwendung der GIRL als Orientierungshilfe – stets eine Einzelfallprüfung erforderlich ist, welche die von der Antragstellerin vorgelegte „Gutachtliche Einschätzung“ vom 4. Juli 2018 vermissen lässt. Das Verwaltungsgericht kommt aufgrund der detaillierten immissionsschutzfachlichen Stellungnahme des Landratsamts vom 23. Januar 2017 zum Ergebnis, dass im Hinblick auf die betriebliche Rinderhaltung der Antragstellerin (künftig geplant 245 GV) nach Maßgabe der „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ schon bei einem Abstand von ca. 68 m zwischen der Stallanlage (Emissionsschwerpunkt) und einem Wohnhaus im Dorfgebiet schädliche Umwelteinwirkungen ausgeschlossen seien. Vorliegend betrage der Abstand zum nächstgelegenen bestehenden Wohnhaus auf FlNr. 594 bereits 80 m und zum streitgegenständlichen Bauvorhaben sogar mehr als 100 m. In Bezug auf die von der Antragstellerin künftig geplante Hühnerhaltung (Hühnerstall mit ca. 1.700 Hennen) betrage der Abstand zum nächstgelegenen Wohnhaus auf FlNr. 594 bereits ca. 160 m und sei damit nach Maßgabe der für die fachliche Beurteilung einschlägigen VDI-Richtlinie „Emissionsminderung Tierhaltung – Hühner“ VDI 3472 und der „Arbeitspapiere der Regierung von Unterfranken“ deutlich größer als der erforderliche Mindestabstand von ca. 65 m. Dies gelte erst recht für das noch weiter entfernt liegende streitgegenständliche Bauvorhaben. Die daraus folgende Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass vom landwirtschaftlichen Betrieb der Antragstellerin keine für das streitgegenständliche Bauvorhaben unzumutbaren Immissionen ausgehen, hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert in Zweifel ziehen können. Der Einwand der Antragstellerin, entgegen der in der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme des Landratsamts vom 23. Januar 2017 angegebenen Vorgehensweise zur Abstandsbestimmung sei bei der streitgegenständlichen Rinderhaltung nicht der ermittelte Emissionsschwerpunkt sondern die jeweilige emissionsrelevante Stallaußenwand als maßgebend anzusehen, ändert an der gerichtlichen Einschätzung nichts, weil auch dann ersichtlich noch ein nach den Umständen des Einzelfalls hinreichender Abstand des streitgegenständlichen Bauvorhabens zu den Rinderställen besteht und der landwirtschaftliche Betrieb ohnehin bereits Rücksicht auf das ihm nächstgelegene Wohnhaus (FlNr. 594) zu nehmen hat.
b) Die Antragstellerin hat ihre Behauptung, die zum landwirtschaftlichen Betrieb nächstgelegene Wohnbebauung befinde sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite (FlNr. 133) und sei „deutlich weiter entfernt als das streitgegenständliche Bauvorhaben“ im Beschwerdeverfahren nicht näher begründet. Das Verwaltungsgericht geht demgegenüber auch zutreffend davon aus, dass sich das nächstgelegene Wohnhaus tatsächlich auf FlNr. 594 befindet. Dieses Wohnhaus (mit der Hausnummer 30) ist auf aktuellen Luftbildern deutlich zu erkennen; die FlNr. 594 wird auch in einem – von dem damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin erstinstanzlich vorgelegten – Grundbuchauszug (u.a.) als mit einem Wohnhaus bebaut beschrieben. Es handelt sich dabei nach – in den Behördenakten befindlichen – Angaben des Beigeladenen um das Wohnhaus seiner Eltern. Für den Senat gibt es danach keinen Anlass, an den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu zweifeln. Das Verwaltungsgericht geht demzufolge zu Recht davon aus, dass der landwirtschaftliche Betrieb der Antragstellerin bereits auf die Wohnbebauung auf FlNr. 594 Rücksicht zu nehmen und im Hinblick auf das weiter entfernt liegende streitgegenständliche Bauvorhaben kein höheres Maß an Rücksichtnahme zu befürchten hat.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene trägt billigerweise seine außergerichtlichen Kosten selbst, weil er keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).