Baurecht

Sanierungsrechtliche Genehmigung zur Umgestaltung der Fassade

Aktenzeichen  W 5 K 17.1391

Datum:
21.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10006
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 3 Alt. 3
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Unterhaltungsarbeiten im Sinne des § 144 Abs. 4 Nr. 3 Alt. 3 BauGB dienen der Erhaltung des bisherigen Zustandes, das heißt der Vorsorge gegen einen Verfall. Von der Unterhaltung sind die Umgestaltung und die Erweiterung zu unterscheiden. Zu den freigestellten Maßnahmen gehören also solche, die der Reparatur und Erhaltung des baulichen Zustands dienen. Hierzu zählt die Beseitigung oder Vermeidung solcher baulichen Mängel, durch die die bauliche Anlage in ihrem Fortbestehen beeinträchtigt wird.   (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2 Darüber hinausgehende Modernisierungen – hierunter werden Maßnahmen verstanden, die die Anpassung baulicher Anlagen an veränderte, vor allem wirtschaftliche bzw. technische Anforderungen zum Gegenstand haben – sind von der Freistellung ausgeschlossen (hier Genehmigungspflicht bejaht für die Anbringung von Verblendsteinen aus Sandstein an dem Haussockel eines Wohnhauses).  (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 7. November 2017 verpflichtet, der Klägerin die begehrte sanierungsrechtliche Genehmigung zur Anbringung von rotem Sandstein zu erteilen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
1.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere hat die Klägerin geltend gemacht, durch den streitgegenständlichen Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO. Denn die erteilte sanierungsrechtliche Genehmigung ist mit einer Inhaltsbestimmung verbunden, die die Klägerin als Adressatin beschwert.
Inhaltsbestimmungen liegen vor, wenn es sich – anders als bei Auflagen (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG) – nicht um bloße Einschränkungen einer Zulassung oder zusätzliche selbstständige Regelungen handelt, sondern von dem zur Genehmigung vorgelegten Antrag inhaltlich abgewichen wird; wenn also ein Verwaltungsakt mit einem anderen Inhalt als beantragt erlassen worden ist. Genehmigt wird dann vielmehr etwas, das gegenüber dem Antrag ein aliud ist. Dabei ist die Inhaltsbestimmung rechtswidrig, soweit nicht das Fachrecht eine vom Antrag abweichende Zulassung ausnahmsweise zulässt (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Aufl., § 36 Rn. 9 f.).
Der Klägerin wurde zwar eine sanierungsrechtliche Genehmigung erteilt. Gegenstand dieser Genehmigung ist jedoch nicht die beantragte Anbringung von Verblendsteinen aus rotem Sandstein (bossiert, Format: 40 cm x 17 cm), sondern die Anbringung von Verblendsteinen aus rotem Sandstein auf Grundlage der Vorgabe der Unteren Denkmalschutzbehörde. Steinformate und -ausführung sind mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen. Abweichend von dem beantragten Vorhaben wurde damit ein im Hinblick auf Steinformat und -ausführung modifiziertes und letztlich inhaltlich anderes Vorhaben genehmigt. Dies ergibt sich auch aus der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids, in der ausgeführt ist, dass der Antrag zur Anbringung von Verblendsteinen aus rotem Sandstein – in bossierter Ausführung – also nach pflichtgemäßem Ermessen abzulehnen sei. Mithin kann hier auch nicht davon die Rede sein, dass dem Antrag der Klägerin entsprochen worden sei, so dass es an einer Beschwer fehle (so aber der Vortrag der Beklagten).
Gegen die mit einer Inhaltsbestimmung verbundene sanierungsrechtliche Genehmigung ist die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), gerichtet auf die Erteilung der beantragten sanierungsrechtlichen Genehmigung.
2.
Die Klage ist zudem begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten sanierungsrechtlichen Genehmigung. Die mit der erteilten Genehmigung verbundene Inhaltsbestimmung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung für die Anbringung der Verblendsteine ergibt sich aus §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 BauGB.
Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bedürfen die in § 14 Abs. 1 BauGB bezeichneten Vorhaben und sonstigen Maßnahmen im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet der schriftlichen Genehmigung. Die Genehmigung darf gemäß § 145 Abs. 2 BauGB nur versagt werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Vorhaben oder die damit erkennbar bezweckte Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Das Vorliegen der Versagungsgründe ist gerichtlich voll überprüfbar. Ein Beurteilungsspielraum oder Ermessen steht der Beklagten insoweit nicht zu (vgl. Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 145 Rn. 3). Liegen keine Versagungsgründe vor, so ist die sanierungsrechtliche Genehmigung zu erteilen.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die beantragte sanierungsrechtliche Genehmigung zu Unrecht nur mit der modifizierenden Inhaltsbestimmung erteilt. Das Vorhaben der Klägerin stellt ein gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 BauGB sanierungsrechtlich genehmigungspflichtiges Vorhaben dar (2.1.). Die mit der Genehmigungserteilung verbundene Inhaltsbestimmung ist rechtswidrig (2.2.) und es besteht kein Grund zu der Annahme, dass das beantragte Vorhaben die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwider laufen würde (2.3.).
2.1.
Das Vorhaben der Klägerin stellt ein gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 BauGB sanierungsrechtlich genehmigungspflichtiges Vorhaben dar.
Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich der aufgrund des § 142 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BauGB erlassenen Sanierungssatzung der Beklagten und damit in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet.
Die Sanierungssatzung ist mit Blick auf § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB insbesondere nicht deshalb unwirksam, weil bei dem Beschluss über die Sanierungssatzung nicht zugleich durch Beschluss eine Frist festgelegt wurde, in der die Sanierung durchgeführt werden soll, oder weil seit ihrem Inkrafttreten über 15 Jahre vergangen sind. Unterbleibt der Beschluss nach § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB oder ist die Frist länger als 15 Jahre oder wird die Sanierungsfrist nach Ablauf der in § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB festgelegten Frist nicht verlängert, so berührt dies als solches die Rechtsgültigkeit der Satzung nicht (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Oktober 2018, § 142 Rn. 75d). Sofern die Satzung wegen Fristablauf aufzuheben ist, bestimmen sich die Rechtsfolgen nach § 162 BauGB. Demnach bedarf es in diesem Fall für die Aufhebung der Sanierungssatzung vielmehr eines ausdrücklichen Beschlusses der Gemeinde (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 142 Rn. 75d; vgl. auch OVG Koblenz, U.v. 5.10.2010 – 6 A 10164/09 – juris).
Bei dem Vorhaben handelt es sich weiter um eine genehmigungspflichtige sonstige Maßnahme nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, denn es hat eine erhebliche Veränderung einer baulichen Anlage zum Gegenstand, die bauordnungsrechtlich nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig ist. Das Vorhaben beschränkt sich hingegen nicht auf bloße Unterhaltungsarbeiten nach § 144 Abs. 4 Nr. 3 Var. 3 BauGB.
Unterhaltungsarbeiten dienen der Erhaltung des bisherigen Zustandes, das heißt der Vorsorge gegen einen Verfall. Von der Unterhaltung sind die Umgestaltung und die Erweiterung zu unterscheiden. Zu den freigestellten Maßnahmen gehören also solche, die der Reparatur und Erhaltung des baulichen Zustands dienen. Hierzu zählt die Beseitigung oder Vermeidung solcher baulichen Mängel, durch die die bauliche Anlage in ihrem Fortbestehen beeinträchtigt wird. Darüber hinausgehende Modernisierungen – hierunter werden Maßnahmen verstanden, die die Anpassung baulicher Anlagen an veränderte, vor allem wirtschaftliche bzw. technische Anforderungen zum Gegenstand haben – sind von der Freistellung ausgeschlossen (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 144 Rn. 63).
Das von der Klägerin beantragte Vorhaben stellt eine von der bloßen Unterhaltung zu unterscheidende Umgestaltung der Fassade ihres Wohnhauses und damit eine erhebliche und genehmigungspflichtige Veränderung einer baulichen Anlage dar. Zunächst bedingen die geplanten Maßnahmen einen Eingriff in die Bausubstanz des Wohnhauses. Dies ergibt sich insbesondere aus den vorgelegten Lichtbildaufnahmen, die die bisher vorgenommenen Maßnahmen der Klägerin dokumentieren. Auf diesen ist zu erkennen, dass die Klägerin den Verputz des Haussockels bis auf die darunter liegende Bruchsteinmauer vollständig abgetragen hat. Neben einer Neuverfugung ist darüber hinaus die Anbringung der beantragten Verblendsteine aus rotem Sandstein geplant. Dadurch wird der Sockel des Wohnhauses aber nicht lediglich repariert oder erhalten, er wird vielmehr als Teil der Hausfassade umgestaltet.
2.2.
Die mit der Genehmigungserteilung verbundene Inhaltsbestimmung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die das beantragte Vorhaben modifizierende Inhaltsbestimmung, dass die Genehmigung auf Grundlage der Vorgabe der Unteren Denkmalschutzbehörde erteilt wird und Steinformate und -ausführung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen sind, genügt einerseits nicht den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
Für die Beteiligten – insbesondere für den Adressaten eines Verwaltungsakts – muss der konkrete Regelungsgehalt nach Art und Umfang aus sich heraus erkennbar sein, um so den Adressaten überhaupt in die Lage zu versetzen, seine Rechte und Pflichten zu erkennen (Schwarz in Fehling/Kastner/ Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 37 VwVfG Rn. 17). Um den Inhalt der Erklärung zu ermitteln, ist dabei nicht auf die Vorstellung der Behörde, sondern vielmehr auf den objektiven Erklärungsgehalt des bekannt gegebenen Verwaltungsakts abzustellen, wie dieser von dem Adressaten unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) verstanden werden konnte und durfte, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, § 37 VwVfG Rn. 9).
Diesen Anforderungen entspricht die angegriffene Inhaltsbestimmung ersichtlich nicht. Weder aus dem Bescheid selbst noch aus den diesem beigefügten Anlagen ergibt sich vorliegend, auf Grundlage welcher Vorgabe der Unteren Denkmalschutzbehörde die Genehmigung erteilt wird. Auch in Zusammenschau mit dem Ausspruch, dass Steinformate und -ausführungen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen sind, ist nicht erkennbar, für welches konkrete Vorhaben die Genehmigung erteilt wird. Zwar erschließt sich dem objektiven Empfänger, dass jedenfalls das Vorhaben – wie es beantragt wurde – nicht genehmigt ist. Denn in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids ist ausgeführt, dass der Antrag zur Anbringung von Verblendsteinen aus rotem Sandstein – in bossierter Ausführung – nach pflichtgemäßem Ermessen abzulehnen sei. Welches Vorhaben, insbesondere welches Steinformat und welche Art der Ausführung aber stattdessen genehmigt werden soll, ist aus dem Bescheid heraus nicht erkennbar. Schließlich widerspricht sich der Ausspruch in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids selbst, wenn zunächst von der „Vorgabe“ der Unteren Denkmalschutzbehörde und anschließend von einem Abstimmungserfordernis („abzustimmen“) mit dieser die Rede ist.
Andererseits ist die Inhaltsbestimmung auch deshalb rechtswidrig, weil sie der erforderlichen Rechtsgrundlage entbehrt. Eine Inhaltsbestimmung ist rechtswidrig, soweit nicht das Fachrecht eine vom Antrag abweichende Zulassung ausnahmsweise zulässt (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 10 f.). Die Genehmigung darf gemäß § 145 Abs. 2 BauGB nur versagt werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Vorhaben oder die damit erkennbar bezweckte Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Prüfungsmaßstab für die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, sind die Ziele und Zwecke der Sanierung (vgl. Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, § 145 Rn. 3). Denkmalschutzrechtliche Erwägungen nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz können im Rahmen des § 145 Abs. 2 BauGB hingegen nicht angeführt werden. Somit kann auch eine mit einer sanierungsrechtlichen Genehmigung verbundene Inhaltsbestimmung nicht auf solche Erwägungen gestützt werden.
2.3
Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben oder die damit erkennbar bezweckte Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Diesbezüglich ist von der Beklagten nichts Entsprechendes vorgetragen worden und darüber hinaus auch nichts ersichtlich.
Damit besteht nach § 145 Abs. 2 BauGB ein Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten sanierungsrechtlichen Genehmigung zur Anbringung von rotem Sandstein.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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