Aktenzeichen 8 A 15.40020
BayVwVfG BayVwVfG Art. 74, 75
VwGO VwGO § 113
Leitsatz
1. Eine Regelung zum Schutz vor Fluglärm aus einer älteren luftrechtlichen Genehmigung kann durch die tatsächliche und rechtliche Entwicklung überholt sein (Verkehrsflughafen München – sog. 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie von 1974). (amtlicher Leitsatz)
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Aktenzeichen: 8 A 15.40020
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 19. Januar 2016
8. Senat
Sachgebietsschlüssel: 554
Hauptpunkte:
Planfeststellung Verkehrsflughafen München (dritte Start- und Landebahn),
Schutz vor Fluglärm,
62-dB(A)-Lärmgrenzlinie,
Verhältnis von luftrechtlicher Genehmigung und Planfeststellung,
Abwägung,
Vertrauensschutz
Rechtsquellen:
Leitsätze:
In der Verwaltungsstreitsache
…
gegen
Freistaat Bayern, vertreten durch: Landesanwaltschaft Bayern, Ludwigstr. 23, 80539 München,
– Beklagter –
beigeladen: …
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
wegen Planfeststellung Verkehrsflughafen München, dritte Start- und Landebahn,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat,
durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bauer als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Löffelbein, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Frieser aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Januar 2016 am 19. Januar 2016 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Das Verwaltungsstreitverfahren betrifft eine lärmschutzbezogene Einzelregelung des Planfeststellungsbeschlusses der Regierung von Oberbayern – Luftamt Südbayern – vom 5. Juli 2011 für die Erweiterung des Verkehrsflughafens München durch Anlage und Betrieb einer dritten Start- und Landebahn.
Der Kläger, Eigentümer eines Wohnanwesens in K., wendet sich gegen die Aufhebung der sog. 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie nach Ziff. A.I.8. Buchst. a der luftrechtlichen Genehmigung für den Verkehrsflughafen München vom 9. Mai 1974 durch Ziff. A.II.3.1 des Planfeststellungsbeschlusses. Nach der aufgehobenen Regelung durfte der Flughafen nur in dem Umfang betrieben werden, dass durch den Flugbetrieb auf einer bestimmten, das Flughafengelände umschließenden Linie ein äquivalenter Dauerschallpegel von 62 dB(A) an keinem Ort und an keinem Tag überschritten wird. Diese Regelung hat den Flugverkehr in der Praxis nicht begrenzt.
Nach Auffassung des Klägers ist die Aufhebung der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie verfahrensrechtlich und materiellrechtlich fehlerhaft. Der Wegfall der kapazitätsbeschränkenden Funktion der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie führe zu einer höheren Lärmbelastung für das klägerische Grundstück. Der Kläger werde hierdurch in seinem grundrechtlich geschützten Eigentum beeinträchtigt und in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt.
Der Kläger beantragt,
die Regelung in Abschnitt A.II.3.1 des Planfeststellungsbeschlusses der Regierung von Oberbayern vom 5. Juli 2011 aufzuheben.
Hilfsweise beantragt der Kläger,
den Beklagten zu verpflichten, die Regelung in Abschnitt A.II.3.1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 5. Juli 2011 dahin zu ergänzen, dass die Wirksamkeit der Regelung erst mit tatsächlicher Aufnahme des Flugbetriebs auf der planfestgestellten dritten Start- und Landebahn des Flughafens München eintritt.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte und die Beigeladene halten die Klage für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Akten des Beklagten nebst den Antragsunterlagen der Beigeladenen verwiesen.
In den parallelen Verfahren Az. 8 A 11.40040 bis 8 A 11.40045, 8 A 11.40051, 8 A 11.40053, 8 A 11.40055, 8 A 11.40057, 8 A 11.40059, 8 A 11.40061 und 8 A 13.40004, in denen die Kläger im Hauptantrag jeweils die Aufhebung des hier verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses beantragt hatten, hat das Gericht die Klagen mit Urteil vom 19. Februar 2014 abgewiesen. Mit Beschlüssen vom 17. Februar 2015 (Az. 4 B 53.14 bis 4 B 58.14) und 22. Juni 2015 (Az. 4 B 59.14 bis 4 B 64.14) hat das Bundesverwaltungsgericht die von Klägerseite gegen die Nichtzulassung der Revision erhobenen Beschwerden zurückgewiesen.
Das zwischenzeitlich ruhende Verfahren (Beschluss vom 25. Januar 2013, Az. 8 A 11.40065) haben die Beigeladene (vgl. Schriftsatz vom 15. Juli 2015) und der Beklagte (vgl. Schriftsatz vom 16. Juli 2015) wieder aufgenommen. Auf den am 13. Oktober 2015 erlassenen Gerichtsbescheid hin hat der Kläger die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist im Haupt- wie im Hilfsantrag unbegründet. Der auf §§ 8 ff. des Luftverkehrsgesetzes – LuftVG – i. V. m. Art. 74 ff. des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG – gestützte Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 5. Juli 2011 weist keine Rechtsfehler auf, die zur Aufhebung der vom Kläger beanstandeten Regelung führen. Auf die hilfsweise beantragte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Nebenbestimmung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Regelung hat der Kläger keinen Anspruch. Insoweit kommt eine erneute Verbescheidung nicht in Betracht (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Mit Ziff. A.II.3.1 (S. 45) des verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses werden der Abschnitt A I.8. Buchst. a sowie der Abschnitt II.5. Abs. 4 der luftrechtlichen Genehmigung für den Verkehrsflughafen München vom 9. Mai 1974 des (vormaligen) Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr – und damit die Festsetzung einer sog. 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie – aufgehoben. Gegen diese Regelung ist, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. Februar 2014 (BayVGH, U. v. 19.2.2014 – 8 A 11.4040 u. a. – juris Rn. 362 und 491 ff.), auf das Bezug genommen wird, ausgeführt hat, weder verfahrensrechtlich noch materiellrechtlich etwas zu erinnern.
1.1 Für Zuständigkeitsbedenken ist nichts ersichtlich. Insoweit hat der Senat im Urteil vom 19. Februar 2014 (BayVGH, U. v. 19.2.2014 – 8 A 11.4040 u. a. – juris Rn. 362) ausgeführt:
„Die von Klägerseite infrage gestellte Zuständigkeit der Regierung von Oberbayern – Luftamt Südbayern – zum Erlass des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 LuftVG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk) vom 28. Juni 1990 (GVBl S. 220) und § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 20 der Verordnung über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustVVerk) vom 22. Dezember 1998 (GVBl S. 1025) in der bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses jeweils geltenden Fassung. Die Zuständigkeit als Planfeststellungsbehörde ist umfassend und schließt die Kompetenz zum Erlass betrieblicher Regelungen mit ein (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG). Diese umfassende Regelungskompetenz schließt auch die Änderung von betrieblichen Regelungen – vorliegend ausgehend von der erteilten luftrechtlichen Genehmigung des vormaligen Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 9. Mai 1974 (hier: Aufhebung der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie; vgl. hierzu unten Ziff. II.6.5) – mit ein.“
Dem ist vorliegend nichts hinzuzufügen.
1.2 Auch materiellrechtliche Bedenken bestehen nicht. Gemäß der Regelung in Abschnitt A I.8. Buchst. a der luftrechtlichen Genehmigung vom 9. Mai 1974 durfte der Verkehrsflughafen München nur in dem Umfang betrieben werden, dass durch den Flugbetrieb auf der in einer Planbeilage eingezeichneten Lärmgrenzlinie ein äquivalenter Dauerschallpegel von 62 dB(A) an keinem Ort und an keinem Tag überschritten wird. Nach Abschnitt II.5. Abs. 4 der luftrechtlichen Genehmigung vom 9. Mai 1974 hatte die Flughafenbetreiberin auf Anordnung der Genehmigungsbehörde die notwendigen Unterlagen vorzulegen, die eine Überprüfung ermöglichten, ob im Hinblick auf die technologische Entwicklung im Flugzeug- und im Triebwerksbau sowie im Hinblick auf verbesserte Flugverfahren die in der Planbeilage dargestellte Lärmgrenzlinie zu ändern sei.
Diese Regelungen werden durch den verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss aufgehoben. Zur Begründung der Aufhebung verweist der Beklagte darauf, dass im Hinblick auf die seit dem Jahr 1974 eingetretene Änderung der technischen, tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen die 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie obsolet geworden sei und die von der luftrechtlichen Genehmigung vom 9. Mai 1974 zur Rechtfertigung dieser Betriebsregelung angegebenen Gründe durch die in der Zwischenzeit eingetretene Entwicklung entfallen seien (vgl. zum Ganzen ausführlich Planfeststellungsbeschluss, S. 1118 ff.). Der Kläger verweist demgegenüber auf eine drittschützende Wirkung der – kapazitätsbeschränkenden – 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie, hinsichtlich derer Vertrauensschutz bestehe. Die Lärmgrenzlinie sei auch der Sache nach nicht obsolet geworden. Dass der im Zuge der technischen Entwicklung durch leisere Flugzeuge eingesparte Lärm zu einer Steigerung der im Rahmen des Kontingents möglichen Flugbewegungen führe, sei bei der Erteilung der luftrechtlichen Genehmigung vom 9. Mai 1974 einbezogen worden und auch die zukünftige Änderung von Berechnungsvorschriften habe man berücksichtigt. Die nunmehr getroffene Abwägung hinsichtlich des Lärmschutzes sei fehlerhaft, weil der durch die 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie gewährte Schutz nicht in die Abwägung eingestellt worden sei.
Hierzu hat das Gericht im Urteil vom 19. Februar 2014 (BayVGH, U. v. 19.2.2014 – 8 A 11.4040 u. a. – juris Rn. 493 ff.) dargelegt:
„Hinsichtlich der Aufhebung der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie durch den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss ist zunächst darauf hinzuweisen, in welchem Verhältnis eine vorhandene luftverkehrsrechtliche Genehmigung nach § 6 LuftVG und eine nachfolgende luftverkehrsrechtliche Planfeststellung nach §§ 8 und 10 LuftVG stehen. Zu dieser Frage hat das Bundesverwaltungsgericht, dem sich der erkennende Senat anschließt, festgestellt, dass die Planfeststellungsbehörde an den Inhalt der vorherigen Genehmigung nicht gebunden ist. Vielmehr ergibt sich aus § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG, dass die Genehmigung wie jede andere öffentlichrechtliche Gestattung dem jeweiligen Ergebnis der Planfeststellung anzupassen ist. Einer vorherigen Änderung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung bedarf es nicht (vgl. BVerwG, U. v. 5.12.1986 – 4 C 13.85 – BVerwGE 75, 214/221; B. v. 20.8.1990 – 4 B 146.89 – NVwZ-RR 1991, 8/9). Die streitgegenständliche Planfeststellung vom 5. Juli 2011 verdrängt mithin die Regelungen der luftrechtlichen Genehmigung vom 9. Mai 1974 sowohl hinsichtlich der Anlage als auch – wie vorliegend maßgeblich – hinsichtlich des Betriebs des Verkehrsflughafens München (vgl. auch Deutsch in Kölner Kompendium des Luftrechts, 2009, Teil I B Rn. 19; Schiller in Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Stand Juli 2012, § 6 Rn. 80, 84, 88 und 91).
Der Ausübung der mithin bestehenden Änderungsbefugnis durch die Planfeststellungsbehörde stehen auch subjektive Rechtspositionen der privaten Kläger nicht entgegen. Dies gilt sowohl, als sich die Kläger auf die luftverkehrsrechtliche Genehmigung vom 9. Mai 1974 stützen, als auch, soweit sich die Kläger ergänzend auf den Planfeststellungsbeschluss vom 8. Juli 1979 beziehen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist weiter geklärt, dass die von einem planfestgestellten Vorhaben betroffenen Grundstückseigentümer durch die Bestandskraft einer Planung nicht in der Weise geschützt werden wie der Adressat eines begünstigenden Verwaltungsakts, der Änderungen nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – (bzw. der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen) hinnehmen muss. Betroffene Grundstückseigentümer haben demgegenüber keinen rechtlich geschützten Anspruch auf den Fortbestand einer ursprünglichen Planung, ebenso wenig wie sich ein Nachbar auf die Bestandskraft einer Baugenehmigung berufen kann, wenn der Bauherr später bei der Behörde ein verändertes bauliches Vorhaben zur Genehmigung stellt. Der Nachbar hat lediglich einen Anspruch darauf, dass die Genehmigung des geänderten Vorhabens nur unter Beachtung solcher baurechtlicher Vorschriften erfolgt, die seinem Schutz dienen. Ähnlich ist es auch bei der Planfeststellung. Die von der beabsichtigten Planänderung Betroffenen haben ein subjektivöffentliches Recht auf gerechte Abwägung ihrer Belange. Dabei ist unter anderem auch das Interesse der Betroffenen an einer Erhaltung der ursprünglichen Planung gegen das Interesse des Vorhabenträgers an der beabsichtigten Änderung abzuwägen (BVerwG, U. v. 14.9.1992 – 4 C 34.89 – BVerwGE 91, 17/23; vgl. auch U. v. 20.4.2005 – 4 C 18.03 – BVerwGE 125, 261 Rn. 17). Ein darüber hinausreichender Schutz der Betroffenen kann sich – auch mit Blick auf das soeben dargelegte Verhältnis der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung und der Planfeststellung – erst recht nicht aus Regelungen einer vorangegangenen luftverkehrsrechtlichen Genehmigung, namentlich vorliegend der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie nach der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung für den Verkehrsflughafen München vom 9. Mai 1974 ergeben.
Dem subjektivöffentlichen Recht der Betroffenen auf gerechte Abwägung ihrer Belange ist der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss uneingeschränkt gerecht geworden. Namentlich hat der Beklagte das Interesse der Betroffenen an einer Erhaltung des ursprünglichen Lärmschutzkonzepts gegen das Interesse an der beabsichtigten Änderung abgewogen und dabei unter anderem auch die bislang nicht verkehrsabweisende Wirkung der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie, die insgesamt weniger raumgreifenden Lärmauswirkungen des nunmehr planfestgestellten Gesamtvorhabens sowie die Wertungen des Fluglärmschutzgesetzes berücksichtigt (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 1122 ff.). Soweit die Klägerseite ergänzend auf behördliche Aussagen im dem Planfeststellungsbeschluss vom 8. Juli 1979 vorangegangenen Erörterungstermin abstellt, ist dies schon insoweit unbehelflich, als sich die Durchführung dieser Erörterung naturgemäß ausschließlich auf den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 8. Juli 1979 bezogen hat und für den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss keine Rechtswirkungen entfaltet. Auch eine etwaige Einigung im Sinn des § 10 Abs. 5 Satz 2 LuftVG in seiner ursprünglichen Fassung (RGBl 1922 I S. 681) kann in ihrer Bindungswirkung jedenfalls nicht weiter reichen als die Planfeststellung, auf die sie sich bezieht. Dessen ungeachtet sind jedoch auch schon für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen der damaligen Beteiligten hinreichende Anhaltspunkte nicht ersichtlich.“
Auch diesen Ausführungen bleibt – auch unter Würdigung des weiteren Vorbringens des Klägers nach Beantragung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung – vorliegend im Ganzen nichts hinzuzufügen. Namentlich hat der Beklagte – auch ausweislich der Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung – sowohl die Historie der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie als auch die Rechte Fluglärmbetroffener umfassend gewürdigt. Hinsichtlich des Gesichtspunkts fehlenden Rechtsbindungswillens wird lediglich noch ergänzend darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besonderer Umstände bedürfte, die einen bestehenden Rechtsbindungswillen für den Empfänger deutlich hervortreten lassen und dadurch die entgegenstehende Regelvermutung widerlegen (vgl. BVerwG, B. v. 24.10.2012 – 4 C 12.12 – juris Rn. 5). Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht erkennbar.
1.3 Defizite des verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich der Bewältigung des Fluglärms bestehen auch über die vom Kläger ausdrücklich in den Blick genommenen Gesichtspunkte zur 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie hinaus nicht. Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange in der Umgebung des Verkehrsflughafens München im Rahmen seiner fachplanerischen Abwägungsentscheidung umfassend und insgesamt rechtsfehlerfrei ermittelt und berücksichtigt (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 994 ff., zum Gesamtergebnis S. 1186 f.). Die Planfeststellungsbehörde hat hierbei insbesondere das Gewicht der Lärmschutzbelange nicht zu gering eingeschätzt. Weitere Festsetzungen des verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses zum aktiven oder zum passiven Schallschutz sind rechtlich insoweit nicht veranlasst. Hinsichtlich der Bewältigung einer gegebenenfalls zukünftig wesentlich veränderten Fluglärmsituation wird auf die Regelung des Art. 75 Abs. 2 BayVwVfG sowie hinsichtlich der Änderung des durch Rechtsverordnung festgesetzten Lärmschutzbereichs des Flughafens auf die Vorschrift des § 4 Abs. 5 des Fluglärmschutzgesetzes (FluglärmG) in der ab dem 7. Juni 2007 geltenden Fassung (BGBl I S. 2550) hingewiesen. Ergänzend wird zum Ganzen auf die ausführlichen Darlegungen des Senats zum Themenkomplex Lärmschutz in seinem Urteil vom 19. Februar 2014 (BayVGH, U. v. 19.2.2014 – 8 A 11.4040 u. a. – juris Rn. 460 ff.) verwiesen.
1.4 Die vom Kläger hilfsweise beantragte Verpflichtung des Beklagten, den Planfeststellungsbeschluss um eine Regelung zu ergänzen, wonach die Aufhebung der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie erst mit der tatsächlichen Aufnahme des Flugbetriebs auf der planfestgestellten dritten Start- und Landebahn des Flughafens München wirksam werden soll, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Beklagten nach rechtsfehlerfreier Abwägung (vgl. hierzu bereits oben Ziff. 1.2) getroffenen Regelung bestehen auch hinsichtlich des Zeitpunkts des Wirksamwerdens nicht. Sach- oder Rechtsgründe, die einen Aufschub des Wirksamwerdens der Regelung bis zur Aufnahme des Flugbetriebs auf der planfestgestellten dritten Start- und Landebahn erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich. Insoweit ist nochmals auf die vom Beklagten im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung umfassend in den Blick genommenen Umstände, namentlich die bislang nicht verkehrsabweisende Wirkung der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie, die unbeschadet der Inbetriebnahme einer dritten Start- und Landebahn geänderten tatsächlichen bzw. technischen Verhältnisse sowie namentlich auf die Wertungen des Fluglärmschutzgesetzes in der ab 2007 geltenden Fassung hinzuweisen, denen die aufgehobene historische 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie aus dem Jahr 1974 auch mit Bezug auf das in Betrieb befindliche Zwei-Bahn-System nicht gerecht zu werden vermag. Ein klägerischer Anspruch auf die hilfsweise begehrte Regelung kommt nach allem nicht in Betracht.
1.5 Nicht zuletzt bleibt schließlich noch darauf hinzuweisen, dass für eine Verletzung subjektiver Rechte des Klägers im Ergebnis auch schon insoweit nichts ersichtlich ist, als nach den von der Beigeladenen vorgelegten und vom Kläger nicht substanziiert infrage gestellten Lärmprognosen im Prognosefall 2025 gegenüber dem Prognosenullfall keine Zunahme, sondern eine (leichte) Abnahme der Fluglärmbelastung im Bereich des klägerischen Wohngrundstücks zu erwarten ist. Hinzu kommt das ebenfalls nicht substanziiert in Zweifel gezogene verhältnismäßig geringe absolute Fluglärmbelastungsniveau des Klägers (äquivalenter Dauerschallpegel von tagsüber 50,1 dB(A) und nachts 37,8 dB(A) im Prognosenullfall).
1.6 Zur Rechtmäßigkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses im Übrigen wird ergänzend auf die Darlegungen des Gerichts im Urteil vom 19. Februar 2014 (BayVGH, U. v. 19.2.2014 – 8 A 11.4040 u. a. – juris Rn. 356 ff.) Bezug genommen.
2. Der Kläger trägt als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese Anträge gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Ziff. 34.2 bis 34.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.