Baurecht

Sicherungsanspruch für Elektroarbeiten  bei Änderung der Preisgrundlagen

Aktenzeichen  3 U 22/19

Datum:
30.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56698
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 232, § 648a
VOB/B § 2 Abs. 5, Abs. 6
ZPO § 286

 

Leitsatz

1. Im Sicherheitenprozess hat sich in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Auffassung durchgesetzt, dass bei streitigen Mehrvergütungsansprüchen und Nachtragsvereinbarungen die klagende Unternehmerseite das Vorliegen der Anspruchsberechtigung dem Grunde nach jeweils voll, also nach dem Beweismaß des § 286 ZPO nachweisen muss (OLG Stuttgart, NJW 2018, 472; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2018, 1292; OLG Hamm, BauR 2017, 1376). (Rn. 24)  (redaktioneller Leitsatz)
2. Vorliegend wurden Änderungen im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B als Voraussetzung eines Vergütungsanspruchs nachgewiesen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 O 252/17 2018-12-21 Endurteil LGHOF LG Hof

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Hof vom 21.12.2018, Az. 12 O 252/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nach Wahl der Beklagten eine gemäß § 648a BGB i.V.m. §§ 232 ff BGB taugliche Sicherheit in Höhe von 222.367,61 € zur Absicherung der offenen Vergütungsansprüche aus dem Bauvertrag vom 14.07./04.08.2015 betreffendes Bauvorhaben „Neubau X-Markt in A., Fl.Nr. … – Gewerk Elektroarbeiten“ zu stellen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 6% und die Beklagte 94%.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges entfallen auf die Klägerin 11% und auf die Beklagte 89%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. v. 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Sicherheitsleistung nach § 648a BGB zur Absicherung ihrer noch offenen Vergütungsansprüche für Elektroarbeiten aus dem Bauvorhaben „Neubau X-Markt in A.“.
Nachdem die Beklagte auf vier Abschlagsrechnungen für erbrachte Leistungen Zahlungen geleistet hatte, verlangte die Klägerin mit der 5. Abschlagsrechnung vom 13.04.2017 zugleich die Stellung einer Sicherheit in Höhe von 290.000,00 €. Da die Beklagte die Sicherheitsleistung verweigerte, stellte die Klägerin unter dem 31.05.2017 die Schlussrechnung (Anlage K 14) über 274.806,83 € und kündigte am 01.06.2017 den Bauvertrag.
Die Schlussrechnungssumme errechnet sich aus folgenden Positionen:
Positionen entsprechend dem Leistungsverzeichnis 899.721,57 €
Positionen aus dem LV mit N (für Nachtrag) bezeichnet 136.358,78 €
Nachträge N 03 bis N 12.3 195.536,32 €
abzüglich Abschlagszahlungen in Höhe von ./. 956.810,04 €
insgesamt: 274.806,83 €
In erster Instanz hat die Klägerin Kürzungen in Höhe von insgesamt 10.266,50 € akzeptiert.
Hinsichtlich der darüber hinaus geltend gemachten Forderung hat die Klägerin in erster Instanz behauptet, dass es sich bei den mit N bezeichneten Positionen um Nachtragspositionen handele, für die sie nach § 2 Abs. 5 VOB/B Vergütung beanspruchen könne, weil es zu technischen Änderungen gekommen sei bzw. diese von der Beklagten angeordnet worden seien.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nach Wahl der Beklagten eine gemäß § 648a BGB i.V.m. §§ 232 ff BGB taugliche Sicherheit in Höhe von 250.000,00 € zur Absicherung der offenen Vergütungsansprüche aus dem Bauvertrag vom 14.07./ 04.08.2015 betreffendes Bauvorhaben „Neubau X-Markt in A., Fl.Nr. … – Gewerk Elektroarbeiten“ zu stellen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und sich u.a. damit verteidigt,
dass die entsprechend dem Leistungsverzeichnis erbrachten Positionen mit den erfolgten Abschlagszahlungen weit überzahlt seien; im Übrigen schulde sie keine weitere Vergütung.
Nach Einvernahme von fünf Zeugen zu den einzelnen LV-Positionen hat das Landgericht durch Endurteil vom 21.12.2018 unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte zur Stellung einer Sicherheit in Höhe von 235.630,96 € verurteilt.
Das Landgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB in dieser reduzierten Höhe bejaht. Von der streitgegenständlichen Schlussrechnung in Höhe von 274.806,83 € hat es zunächst die klägerseits akzeptierten Kürzungen der Beklagten in Höhe von 10.266,50 € abgezogen. Bei den aus dem ursprünglichen LV abgerechneten Positionen (IV.) hat das Landgericht weitere Kürzungen vorgenommen. Im Übrigen hat es die jeweiligen Positionen zuerkannt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 388 – 414 d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 2 ZPO).
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie beanstandet im Wesentlichen, dass das Landgericht die Beweislast-Grundsätze für die Feststellungen zu einem eines Sicherungsanspruches aus § 648a BGB verkannt habe: Anspruch auf Sicherung aus § 648a BGB bestehe nur für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung. Das Landgericht habe demgegenüber rechtsfehlerhaft die schlüssige Darlegung des Vertragsschlusses und der Leistungserbringung als ausreichend angesehen. Soweit Sicherheitsleistung für die ergänzenden, mit N (= Nachtrag) bezeichneten Positionen des LV sowie für die gesonderten Nachträge geltend gemacht werde, habe die Beklagte jedoch eine zugrunde liegende Vereinbarung bestritten. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Stuttgart 10 U 122/16; OLG Karlsruhe 8 U 102/16) müsse insoweit jedoch der Vollbeweis geführt werden; nur für die Höhe/Berechnung der Vergütung reiche eine schlüssige Darlegung aus.
Das Landgericht verneine einen Besicherungsanspruch nur insoweit, als der klägerische Vortrag durch die Beweisaufnahme widerlegt worden sei. Bei verbliebenen Zweifeln sei es von einem besicherbaren Anspruch der Klägerin auch ohne konkrete Nachtragsvereinbarung ausgegangen. Das vom Landgericht in Anspruch genommene Zitat von Kniffka/Koebele sei missverstanden worden.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts beschränke sich auf eher allgemeine Beschreibungen der Zeugenaussagen. Die auf Aufforderung der Klägerin vorgelegten Jourfixe-Protokolle habe das Landgericht als nicht verlässliche Beweismittel bezeichnet. Hieraus ergäben sich jedoch nur Beauftragungen durch die Bauherrin, die Fa. G..
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 21.12.2018 – 12 O 252/17 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil:
Die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach im Falle eines VOB/B-Vertrages Vergütungsanteile nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B nur dann nach § 648a BGB besicherbar seien, wenn der Bauherr die geänderte Leistung bzw. Zusatzleistung nicht nur angeordnet habe, sondern darüber hinaus eine vertragsrechtliche Vergütungsvereinbarung zustande gekommen sei, sei bereits im Grundsatz verfehlt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt den beigefügten Urkunden und sonstigen Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung erzielt in der Sache nur einen geringfügigen Teilerfolg.
Der Sicherungsanspruch der Klägerin gemäß § 648a BGB ist jedenfalls in Höhe von 222.367,61 € begründet. In dieser Höhe hat das Landgericht der Klage zu Recht stattgegeben. Der Senat nimmt auf die insoweit zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und macht sie sich zu Eigen.
Lediglich hinsichtlich der Positionen
– Monteur- und Obermonteurstunden/Regiestunden (Ziffer IV. 3b, S. 17 UA),
– Regiearbeiten Titel 33 (Ziffer VII. S. 23 UA) sowie
– Nachtrag Steuerung Oberlichter (VIII. 3. S. 25 UA) ist der erforderliche Nachweis nicht geführt mit der Folge, dass die Klageforderung in Höhe von insgesamt 13.263,35 € nicht begründet ist.
1. Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Berechtigung der mit N bzw. konkret als Nachtrag bezeichneten Nachtragspositionen, die Klägerin über das ursprüngliche Leistungsverzeichnis hinaus mit der Schlussrechnung gestützt auf § 2 Abs. 5 bzw. 6 VOB/B verlangt.
Gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 VOB/B ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehroder Minderkosten zu vereinbaren, wenn durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, wobei die Vereinbarung grundsätzlich vor der Ausführung getroffen werden soll. Gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung, wenn eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert wird. Allerdings muss der Auftragnehmer den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt.
Im Sicherheitenprozess hat sich inzwischen in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Auffassung durchgesetzt, dass bei streitigen Mehrvergütungsansprüchen und Nachtragsvereinbarungen eine schlüssige Darlegung zum Anspruchsgrund nicht ausreicht, sondern die klagende Unternehmerseite das Vorliegen der Anspruchsberechtigung dem Grunde nach jeweils voll, also nach dem Beweismaß des § 286 ZPO nachweisen muss (OLG Stuttgart, NJW 2018, 472; OLG Karlsruhe NJW-RR 2018, 1292, OLG Hamm, BauR 2017, 1376 – 1380).
Der Berufung ist deshalb zuzugeben, dass die Feststellungen des Landgerichts zu den tatsächlichen Grundlagen der streitigen Mehrvergütungsforderungen und Nachtragsvereinbarungen an dieser strengeren Vorgabe nicht in allen Streitkomplexen orientiert sind. Auch wenn der von der Berufung beanstandete Obersatz des Landgerichts dem nicht entsprechen mag, beruhen die Feststellungen des Landgerichts gleichwohl auch nach der strengeren Auffassung in den meisten Anspruchspositionen auf einer tragfähigen Beurteilungsgrundlage. Insbesondere hat das Landgericht den außerordentlich umfangreichen und zudem komplexen Streitstoff erschöpfend aufbereitet und nach einer ausgedehnten Beweisaufnahme mit einer in jeder Hinsicht überzeugend begründeten – jeweils auch trennscharf nach dem angewendeten Beweismaß differenzierenden – Beweiswürdigung aufgearbeitet. Im Ergebnis dringen die Berufungsangriffe daher nur in wenigen Streitkomplexen durch.
2. Im Einzelnen ist zu den mit der Berufung noch beanstandeten Positionen auszuführen:
2.1 Monteur- und Obermonteurstunden (Regiestunden) zu den Positionen 19.07.014 und 015 sowie 20.07.009 und 010 in Höhe von 5.191,49 € – Ziffer IV. 3b (S. 17 UA)
Insoweit beanstandet die Berufung zu Recht, dass der erforderliche Vollbeweis nicht geführt worden sei. Das Landgericht gelangte aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass zusätzliche Stunden wohl erbracht worden seien, Einzelheiten sich aber nicht hätten feststellen lassen. Damit ist der Nachweis einer Vereinbarung von Regiestunden tatsächlich nicht gelungen. Auch wenn im ursprünglichen Leistungsverzeichnis Regiestunden für nicht vorgesehene Arbeiten grundsätzlich vereinbart worden waren, so ist es jedoch sowohl bei der Abrechnung und nach der hier zugrunde gelegten neueren Rechtsprechung auch bei der Besicherung erforderlich, hinsichtlich des Anspruchsgrundes, jedenfalls was die konkrete Anordnung von Regiestunden anlangt, den Vollbeweis zu führen. Insoweit reicht – wie das Landgericht in diesem Punkt annimmt – eine schlüssige Darlegung nicht aus. In Höhe des Betrages von 5.191,49 € ist somit die zu besichernde Forderung zu kürzen.
2.2 Leistungen über 6m Deckenhöhe (S. 18 UA, dort. Ziffer VI. 1) betreffend die
Pos. 19.04.030 N
1.741,96 €
Pos. 20.04.008 N
Pos. 20.04.009 N
3.071,97 €
199,15 €
insgesamt
5.013,08 €
a) In diesem Streitkomplex ist das Landgericht von einer „Diskrepanz zwischen der Vereinbarung im Leistungsverzeichnis Teil 2, Ziffer 1.17 einerseits und der Leistungsbeschreibung im ursprünglichen Leistungsverzeichnis vom 25.06.2015, dort zum Beispiel unter Position NR.19.04.3 (Leistungsverzeichnis K 69…, S. 797)“ ausgegangen. Da diese Diskrepanz nur mit Hilfe eines Sachverständigen behoben werden könne, jedoch im Sicherheitenprozess ein Sachverständigenbeweis nicht stattfinde, sei es in einem solchen Fall ausreichend, dass die Unternehmerseite wie hier ihren Anspruch auf einen Mehraufwand schlüssig dargelegt habe (Ersturteil, dort S.18).
b) Die Annahme einer nur im Wege des Sachverständigenbeweises aufzulösenden „Diskrepanz“ zwischen den vom Landgericht angesprochenen Festlegungen verschiedener Leistungsverzeichnisse hat jedoch keine Grundlage im maßgebenden Sachvortrag der Parteien.
aa) Das ergibt sich bereits aus dem ergänzenden Vorbringen im klägerischen Schriftsatz vom 25.06.2018, das hinsichtlich der beiden gegenständlichen Leistungsverzeichnisse auszugsweise wie folgt lautet (a.a.O., dort S.2,3 = Bl.252, 253 – Hervorhebungen auch i. O.): „a) Die bislang als Anlage K 4 vorgelegte Unterlage betrifft das durch die Beklagte erstellte, an alle Bieter (darunter auch die Klägerin) versandte Ausschreibungsleistungsverzeichnis. Dieses enthielt keine Preise, da es ja erst durch die Klägerin im Zuge einer Angebotserstellung bepreist werden musste. Dies ergibt sich schon aus dem vorgelegten Dokument selbst.
Anlage K 4 besteht daher aus den ersten 16 Seiten, die unverändert – durch beide Parteien parafiert – später auch Vertragsgrundlage wurden und dem eigentlichen Leistungsverzeichnistext ab Bl. 17 der Anlage K 4 (unbepreistes Ausschreibungsleistungsverzeichnis Bl. 1 bis Bl. 1089, das logischerweise nicht parafiert wurde)… Dieses Ausschreibungsleistungsverzeichnis – Testexemplar wurde tatsächlich nicht unverändert (da schon nicht bepreist) Vertragsbestandteil.
b) Vielmehr unterbreitete die Klägerin im Rahmen ihres ersten Angebotes gegenüber der Beklagten ein unter dem 29.04.2015 datierendes, die Positionen des Ausschreibungsleistungsverzeichnisses übernehmendes, indes mit den abgeforderten Einheits- und Positionspreisen versehenes Angebotsleistungsverzeichnis auf eigener EDV-Maske…
c) Auch dieses Angebotsleistungsverzeichnis vom 29.04.2015 wurde indes nicht unverändert Vertragsbestandteil. Vielmehr wurden auf dessen Basis in den folgenden Wochen und Monaten Vertragsverhandlungen geführt.
Diese mündeten zuletzt in das einzig bausollbestimmende Auftragsleistungsverzeichnis (Stand 25.06.2015).
Dieses tatsächlich bislang noch nicht zu den Gerichtsakten gereichte – durch die Parteien parafierte, selbstverständlich bepreiste Auftragsleistungsverzeichnis, welches zwei Unterschriften der Parteien datierend am 14.07.2015 trägt, ist hingegen die tatsächlich dem Vertrag zugrundeliegende Vertragsgrundlage.
Beweis: Auftragsleistungsverzeichnis Stand 25.06.2015, Anlage K 69“
bb) In ihrer Erwiderung vom 02.08.2018 (dort S. 1 = Bl. 271) hatte die Beklagte einleitend ausführen lassen (Anm: Hervorhebungen nicht im Original):
„Die Klägerin stellt nun entgegen ihrem bisherigen Vortrag unstreitig, dass das als Anlage K 4 vorgelegte Leistungsverzeichnis nicht das letztlich vereinbarte Vertragsleistungsverzeichnis darstellt, sondern lediglich das Ausschreibungsleistungsverzeichnis, das noch vielfältige Änderungen erfahren hat. Auch das Angebotsleistungsverzeichnis vom 29.04.2015 wurde letztlich nicht Auftragsleistungsverzeichnis. Vielmehr mündeten die klägerseits angesprochenen, über Wochen und Monate geführten Vertragsverhandlungen dazu, dass es letztlich ein Auftragsleistungsverzeichnis Stand 25.06.2015 gab, das Gegenstand der bauvertraglichen Vereinbarung vom 14.07.2015 wurde.
Aber auch diese Unterlagen waren nicht die abschließenden, das Leistungssoll der Klägerin bestimmenden Vertragsunterlagen. Vielmehr kam es, wie die Klägerin auch selbst vorträgt, zu einschneidenden Änderungen des Beleuchtungskonzeptes erst in der Folgezeit.“
cc) Damit hatte die Beklagte ausdrücklich bestätigt und zugleich zugestanden (§ 288 ZPO), dass entsprechend dem klägerischen Vorbringen die als Ausschreibungsleistungsverzeichnis bzw. als Angebotsleistungsverzeichnis vom 29.04.2015 bezeichneten Verhandlungsentwürfe nicht bzw. jeweils nur teilweise, nämlich jeweils nur in dem Umfang Bestandteil des Vertrages vom 14.07.2015 geworden waren, als sie in den einzelnen Positionen nicht durch „das einzig bausollbestimmende Auftragsleistungsverzeichnis (Stand 25.06.2015)“ inhaltlich ersetzt worden waren.
Einen davon abweichenden oder gar die Voraussetzungen eines Geständniswiderrufs nach § 290 ZPO schlüssig ausfüllenden Sachvortrag hat die Beklagte weder anschließend in erster Instanz noch mit der Berufung unterbreitet. Demzufolge kann sie mit dem hierzu nachgeschobenen Vorbringen im Schriftsatz vom 28.08.19 (dort S. 3, 4 = Bl. 477f.) bereits wegen der Bindung an ihr Geständnis vom 02.08.2018 nicht mehr gehört werden (§ 535 ZPO). Im übrigen ist der dortige Nachbesserungsversuch, weil erst nach dem Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung unternommen, längst verspätet (vgl. BGH NJW-RR 2007, 414, Rn. 13).
dd) Hiernach ist vom unstreitigen Sachverhalt auch umfasst, dass eine an die Stelle der vorausgegangenen Verhandlungsentwürfe tretende inhaltliche Fortschreibung bzw. Abänderung durch das nachfolgende „Auftragsleistungsverzeichnis vom 25.06.2015“ (Anlage K 69) jeweils auch in Bezug auf die im vorliegenden Streitkomplex diskutierten Positionen stattgefunden hatte. (Hierauf hat sich das Landgericht möglicherweise nur deshalb den Blick verstellt, weil es entgegen dem tatsächlichen Ablauf versehentlich das spätere „Auftragsleistungsverzeichnis vom 25.06.2015“ mit dem „ursprünglichen Leistungsverzeichnis“ verwechselt hatte.)
c) Auf dieser Einordnungsgrundlage ist somit ist von vornherein kein Raum für den vom Landgericht erörterten Auslegungs- bzw. Feststellungsbedarf.
Allein maßgebend ist vielmehr das als Anlage K 69 vorgelegte Leistungsverzeichnis mit dem Stand 25.06.2015, das von beiden Parteien durchgehend paraphiert worden ist, und hier insbesondere die auch im Ersturteil erwähnte Position 19.04.030 (= S. 797 des LV). Danach sind die Beschriftungsfelder im Objekt bei einer Deckenhöhe bis zu 3 Meter komplett zu liefern, montieren und betriebsfertig anzuschließen. Was darüber hinausgeht, ist somit entsprechend dem Klagevortrag gesondert zu vergüten.
2.3 „N“-Positionen des Titels 01 Zähler/Verteilungsanlage (S. 1 bis 24 der Schlussrechnung) – Ziffer VI. 2., S. 18/20 UA
Die Besicherbarkeit dieser Forderungen hat das Landgericht zutreffend damit begründet, dass die gegenständlichen Leistungen zur Erbringung einer ordnungsgemäßen und funktionsfähigen Leistung erforderlich gewesen seien, ein entsprechendes Sachverständigengutachten hierzu jedoch im Sicherheitenprozess nicht eingeholt werden könne.
Wie auch die Beklagtenseite einräumt, ist die Änderung des Beleuchtungssystems in LED-Leuchten unstreitig. Insoweit ist eine Einigung über die Änderung erzielt worden. Damit hat das Landgericht die wesentliche Voraussetzung des § 2 Abs. 5 VOB/B – Änderung des Bauentwurfs – als gegeben erachtet. Damit ist der Anspruchsgrund unstreitig; der Umfang der Änderungen betrifft die Erforderlichkeit und damit die Höhe der Nachtragspositionen. Insoweit reicht die Schlüssigkeit der Darlegungen für die Besicherbarkeit der Forderungen auch nach der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung aus.
2.4 N-Positionen aus den Titeln 02 „KNX/EIB-Steuerungsanlage“ bis einschließlich Titel 21.04 „Inbetriebnahme, Dokumentation, Instandhaltung“; Schlussrechnung S. 24 bis 62 – Ziffer VI. 3. (S. 20 – 23 UA)
Das Landgericht hat diese Positionen zu Recht als besicherbar anerkannt. Es hat aufgrund der umfangreichen Beweisaufnahme zugrunde gelegt, dass das Leistungsverzeichnis vom 25.06.2015 den späteren Änderungen des Vertragsinhaltes nicht mehr angepasst worden ist, ferner eine Vielzahl von Änderungswünschen der Bauherrin über den Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin mitgeteilt und von dieser ausgeführt worden ist, die eine Anpassung der Leistungen erfordert habe. Dass die Beklagte entsprechend den Vorgaben ihrer Bauherrschaft die Änderungen in einer funktionstauglichen Ausführung verlangt und angeordnet hat, dokumentiert sich in den von den Zeugen bekundeten und auch beklagtenseits nicht in Abrede gestellten, plakativen Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten „Machen, machen, machen“. Damit ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das ursprüngliche Leistungsverzeichnis keine verlässliche Grundlage mehr dargestellt habe und Änderungen waren notwendig gewesen seien. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Änderungen im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B als Voraussetzung eines Vergütungsanspruches nachgewiesen sind. In welcher Höhe sie im Einzelfall tatsächlich berechtigt sind, ist nicht Gegenstand des Sicherheitenprozesses.
2.5 Titel 33 „Regiearbeit“ – Ziffer VII. (S. 23 UA)
Da das Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme Zweifel daran hatte, dass all die geltend gemachten Regiestunden tatsächlich berechtigterweise zur Abrechnung gekommen seien, hat es bei der Bemessung der Sicherheitsleistung nach § 648a BGB einen Abschlag von 50% vorgenommen und nur den halbierten Betrag von noch 7.471,86 € in Ansatz gebracht. Dies wird von der Berufung zu Recht beanstandet. Wie bereits ausgeführt, ist hinsichtlich der konkreten Anordnung von Regiestunden, die über den vereinbarten Leistungsumfang notwendig wurden – der Vollbeweis zu führen.
Da ein solcher Nachweis – auch nach den Feststellungen des Landgerichts – nicht erbracht wurde, hat die Klägerin hinsichtlich des weiteren Betrages von 7.471,86 € keinen Anspruch auf eine Besicherung nach § 648a BGB.
2.6 Eigenständige Nachträge Nachtrag N 11 „Nachtschichten“ und „UV-Steuerung Oberlichter“ – Ziffer VIII. 3, S. 24 – 25 UA
Das Landgericht hat mit dem vollen Beweismaß des § 286 ZPO festgestellt, dass Nachtschichten im Dreischichtbetrieb auf Anordnung der Beklagten durchgeführt worden sind, obwohl vertraglich nur ein Zweischichtbetrieb vereinbart war. Insoweit hat die Beklagte auch ohne Erfolg eingewandt, dass diese bereits im Leistungsumfang enthalten und damit abgegolten gewesen seien. Soweit das Landgericht daher die Besicherbarkeit der Nachtragsforderung zu N 11.01 in Höhe von 7.200,00 € zuerkannt hat, ist der Vollbeweis hinsichtlich des Anspruchsgrundes nach § 2 Abs. 6 VOB/B geführt.
Lediglich hinsichtlich des Nachtrags N11.02 „UV-Steuerung Oberlichter“ hat das Landgericht rechtsfehlerhaft die schlüssige Darlegung der Nachtragsvereinbarung ausreichen lassen. Aus diesem Grund ist die zu besichernde Forderung um weitere 600,00 € zu kürzen.
2.7 Nachtrag N 12 „Diverses“ – Ziffer VIII. 4, S. 25 UA
Insoweit hat das Landgericht den Nachweis der Auftragserteilung aufgrund der Aussage des Zeugen R. als erbracht gesehen. Dies wird auch von der Berufung nicht angegriffen. Sie meint lediglich, dass im Hinblick auf die bestehende Überzahlung sich gleichwohl kein Anspruch der Klägerin auf Besicherung ergebe. Auch dieser Einwand hält der Prüfung nicht stand.
3. Soweit in der – ausschließlich zu den Rechtshinweisen des Senats nachgelassenen – Stellungnahme der Beklagtenseite vom 28.08.2019 in mehreren Streitkomplexen auch jeweils ergänzender Sachvortrag eingestreut wurde, handelt es sich, wie schon erwähnt, jeweils ausschließlich um längst verspätetes, weil erst nach dem Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung nachgeschobenes Vorbringen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 414, Rn. 13).
III.
Nach alledem war das angefochtene Urteil lediglich in dem tenorierten Umfang abzuändern und die weitergehende Berufung mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1; 92 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10; 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.


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