Baurecht

Straßenreinigungsgebühr, Treppenanlage als beschränkt öffentlicher Weg, Reinigungspflicht trotz fehlendem Zugang, Verschmutzung durch Grenzbepflanzung

Aktenzeichen  B 4 K 19.328

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31098
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 8
BayStrWG Art. 51 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Das Gericht kann über die Klage nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher gehört.
II.
Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 09.11.2018 hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 09.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 11.03.2019 ist zwar bezüglich der für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.09.2018 für die H1. Straße festgesetzten Straßenreinigungsgebühr rechtswidrig und nur bezüglich der ab 01.10.2018 festgesetzten Straßenreinigungsgebühren rechtmäßig, verletzt die Klägerin aber insgesamt nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Erhebung der Straßenreinigungsgebühren ist die aufgrund von Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1 des Kommunalabgabengesetzes – KAG – erlassene Satzung der Beklagten für die Erhebung einer Straßenreinigungsgebühr vom 02.11.2017 (Straßenreinigungsgebührensatzung – SRGS).
Nach Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1 KAG kann die Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabensatzung für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Bei der von der Beklagten betriebenen Straßenreinigungsanstalt handelt es sich nach § 1 Abs. 1 S. 1 der aufgrund von Art. 23, 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Gemeindeordnung – GO – erlassenen Satzung der Beklagten über die Straßenreinigung vom 02.11.2017 (Straßenreinigungssatzung – SRS) um eine öffentliche Einrichtung. Für deren Benutzung erhebt die Beklagte nach § 1 SRGS Gebühren.
2. Die Klägerin ist nach § 2 Abs. 1 SRGS sowohl bezüglich der H1. Straße als auch bezüglich des Treppenweges Gebührenschuldnerin, da sie jeweils nach der Straßenreinigungssatzung zur Benutzung der Straßenreinigungsanstalt verpflichtet ist.
Benutzungspflichtig sind nach § 3 SRS die Reinigungspflichtigen nach § 4 der der aufgrund von Art. 51 Abs. 4 und 5 des Bayerisches Straßen- und Wegegesetzes – BayStrWG – erlassenen Verordnung der Beklagten über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter vom 02.11.2017 (Reinigungs- und Sicherungsverordnung – RSVO) für die im Anschlussgebiet liegenden Straßen.
Die H1. Straße und der Treppenweg liegen nach § 2 Abs. 1 S. 1 SRS i.V. m. der Anlage zu § 2 SRS im Anschlussgebiet der Straßenreinigungsanstalt.
Die Klägerin ist nach §§ 4, 5 Abs. 3 RSVO für die H1. Straße und den Treppenweg reinigungspflichtig.
a) Für die H1. Straße und den Treppenweg besteht die Reinigungspflicht nach § 5 Abs. 3 RSVO, da es sich jeweils nach § 2 Abs. 1 RSVO um eine öffentliche Straße handelt, die in Anlage 2 zu § 5 RSVO aufgeführt ist.
Nach § 2 Abs. 1 RSVO sind öffentliche Straßen im Sinne der Reinigungs- und Sicherungsverordnung alle dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen (insbesondere Ortsstraßen sowie Bundes-, Staats- und Kreisstraßen), Wege (insbesondere beschränkt-öffentliche Wege) und Plätze mit ihren Bestandteilen. Diese Definition entspricht Art. 1 S. 1 BayStrWG mit Nennung von Straßenklassen nach Art. 3 Abs. 1 BayStrWG und § 1 Abs. 2 des Bundesfernstraßengesetzes – FStrG.
Hiernach handelt es sich sowohl bei der H1. Straße als auch bei dem an das Grundstück der Klägerin angrenzenden Teil des Treppenwegs um öffentliche Straßen. Nach Blatt 8 des Bestandsverzeichnisses der Beklagten für Gemeindestraßen (Bl. 72 der Gerichtsakte) ist die H1. Straße, Fl.-Nr. … der Gemarkung …, als Ortsstraße gewidmet. Der Treppenweg, Fl.-Nr. … der Gemarkung …, ist laut Blatt 2 des Bestandsverzeichnisses der Beklagten für beschränkt-öffentliche Wege (Bl. 57 der Gerichtsakte) seit 1968 als beschränkt-öffentlicher Weg für Fußgängerverkehr gewidmet.
Dass der Stadtrat der Beklagten mit Beschluss vom 06.02.2020 den Treppenweg als beschränkt öffentlichen Weg (neu) gewidmet hat, hat keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 09.11.2018 festgesetzten Straßenreinigungsgebühren. Die neue Widmung beruht darauf, dass der Treppenweg im nördlichen, nicht an das Grundstück der Klägerin angrenzenden Teil, eine Änderung erfahren hat.
Aus dem Umstand, dass der bereits seit 1968 gewidmete, unveränderte Teil der Fl.-Nr. …, an dem das Grundstück der Klägerin anliegt, in den Widmungsbeschluss vom 06.02.2020 (Bl. 14 der Behördenakte zu B 1 K 20.264) mit aufgenommen wurde, kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Insoweit handelt es sich lediglich um eine wiederholende Verfügung ohne neuen Regelungsgehalt im Sinne des Art. 35 S. 1 und 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG. Folglich wirkt sich auch die Anfechtung der Widmung im Klageverfahren B 1 K 20.264 nicht auf den Gebührenrechtsstreit aus.
Der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, dass der Treppenweg tatsächlich nur von Patienten, Angehörigen und Bediensteten des Klinikums genutzt werde, ist für die Qualifizierung des Treppenweges als öffentliche Straße im o. g. Sinne ohne Bedeutung. Denn die Eigenschaft einer öffentlichen Straße folgt allein aus der Widmung (Art. 6 BayStrWG), die dann die Benutzung der Straße durch jedermann gestattet (Art. 14 BayStrWG). Dass umgekehrt auch tatsächlich eine Nutzung durch jedermann erfolgt, ist nicht erforderlich.
b) Die Klägerin ist nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 3 S. 2 RSVO Vorderliegerin, da sie Eigentümerin des unstreitig innerhalb der geschlossenen Ortslage (§ 2 Abs. 3 RSVO) an die H. Straße und den Treppenweg angrenzenden Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … ist.
c) Die Reinigungspflicht der Klägerin nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 3 S. 2 RSVO ist nicht nach § 4 Abs. 3 RSVO ausgeschlossen. Danach brauchen Vorderlieger eine Straße nicht zu reinigen, zu der sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen keinen Zugang oder keine Zufahrt nehmen können und die von ihrem Grundstück aus nur unerheblich verschmutzt werden kann.
Diese Einschränkung der Reinigungspflicht ist geboten, um Grundstückseigentümer, für deren Grundstück sich aus dem Angrenzen an eine Straße kein Vorteil ergibt, von der Reinigungspflicht auszunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.1994 – 8 B 92.185-187 – BeckRS 1994, 15305; BVerwG, U.v. 11.03.1988 – 4 C 78/84 – NJW 1988, 2121).
Bezüglich der H1. Straße ist ein Ausschluss der Reinigungspflicht unstreitig nicht gegeben, da das Grundstück der Klägerin eine Zufahrt zur dieser Straße hat.
Bezüglich des Treppenweges ist ein Ausschluss der Reinigungspflicht im o. g. Sinne ebenfalls nicht gegeben. Der Ansicht der Klägerin, dass eine Reinigungspflicht nicht bestehe, da eine objektive Beziehung des Grundstücks der Klägerin zum Treppenweg fehle, folgt das Gericht nicht. Eine objektive Beziehung des Treppenwegs zum Grundstück der Klägerin ist bereits mit dem unstreitigen Angrenzen des Grundstücks an den Weg gegeben. Hieraus erwächst auch ein Vorteil für das Grundstück. Zwar kann die Klägerin von ihrem Grundstück aus aufgrund des Handlaufs tatsächlich keinen Zugang zum Treppenweg nehmen, allerdings kann der Treppenweg i. S. d. § 4 Abs. 3 RSVO vom Grundstück der Klägerin aus nicht nur unerheblich verschmutzt werden. Eine solche Möglichkeit der Verschmutzung ist mit der entlang des Treppenweges vorhandenen, dichten und grenznahen Bepflanzung des Grundstücks der Klägerin gegeben, wobei der Bewuchs über den Handlauf hinaus in den Gehweg ragt. Dies ergibt sich sowohl aus den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern (insbesondere Bl. 23 der Gerichtsakte) als auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Lichtbild (Bl. 59 der Gerichtsakte). Diese Verschmutzungsmöglichkeit rechtfertigt die Reinigungspflicht für den Treppenweg, da damit nicht nur ein Nachteil für den Treppenweg vorliegt, sondern auch ein Vorteil für das Grundstück der Klägerin gegeben ist. Dieser Vorteil liegt darin, dass die Klägerin den Treppenweg zum von ihr vorzunehmenden Beschnitt ihrer Grenzbepflanzung nutzen kann und diesbezüglich nicht auf den Zugang zu privatem Grund Dritter angewiesen ist.
d) Ein Ausschluss der Reinigungspflicht in Bezug auf den Treppenweg ergibt sich auch nicht aus Ziffer V des Kaufvertrags vom 24.11.1965 zwischen dem Großvater der Klägerin und der Beklagten. Unabhängig davon, ob eine solche privatrechtliche Regelung einen Ausschluss der öffentlich-rechtlichen Reinigungspflicht überhaupt begründen kann, bezieht sich diese Regelung bereits nicht auf eine Reinigungspflicht oder Straßenreinigungsgebühren, die aus dem beim Großvater der Klägerin verbliebenen und nun der Klägerin gehörenden Eigentum erwachsen. Die Regelung bezieht sich vielmehr lediglich auf Lasten, Steuern und Abgaben, die auf den der Beklagten verkauften Flächen lasten. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus Ziffer V des Kaufvertrags, nach der Besitz, Nutzen, Lasten, Steuern und Abgaben mit Wirkung ab dem 1. Januar 1966 auf die Käuferin übergehen. Denn den Zeitpunkt des Überganges von Besitz und Nutzen kann der Kaufvertrag nur bezüglich verkaufter Flächen regeln. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kaufvertrag für Lasten, Steuern und Abgaben, wie von der Klägerin vorgetragen, einen weitergehenden Regelungsgehalt im Hinblick auf das beim Verkäufer verbliebene Grundstück haben sollte.
3. Die Höhe der festgesetzten Straßenreinigungsgebühren ist mit Ausnahme der für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.09.2018 für die H1. Straße festgesetzten Straßenreinigungsgebühr nicht zu beanstanden.
Aufgrund der Zugrundelegung von lediglich 10 m Straßenfrontlänge statt 26,5 m für die H1. Straße für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.09.2018 ist diese Festsetzung rechtswidrig. Sie ist aber nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht aufzuheben, da eine zu niedrige Festsetzung die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Die der Gebührenberechnung nach § 3 Abs. 1 SRGS zugrunde zu legende auf halbe Meter abgerundete Straßenfrontlänge bezüglich der H1. Straße beträgt für alle Berechnungszeiträume 26,5 m. Nach § 3 Abs. 2 S. 1 SRGS ist Straßenfrontlänge die Länge der gemeinsamen Grenze des Vorderliegergrundstücks mit dem Straßengrundstück. Die Länge der gemeinsamen Grenze des Straßengrundstücks Fl.-Nr. … mit dem Grundstück Fl.-Nr. … der Klägerin beträgt unstreitig 26,96 m. Die straßenbaulichen Gegebenheiten mit Wechsel des Bodenbelages des parallel zur Fahrbahn der H1. Straße verlaufenden Gehwegs und Abgrenzung des weiteren Gehwegs in Richtung Treppenweg auf dem Grundstück Fl.-Nr. … mit drei Pfosten ändern diese Zuordnung nicht. Denn Straßengrundstück i. S. d. § 3 Abs. 2 S. 1 SRGS ist das mit der Widmung festgelegte Grundstück und die Fl.-Nr. … ist insgesamt unter der Bezeichnung H1. Straße als Ortsstraße gewidmet (s. o.).
Im Übrigen wurden gegen die Höhe der festgesetzten Straßenreinigungsgebühren keine Einwände erhoben. Die Gebührenberechnung hält einer Überprüfung im Übrigen auch stand.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung – ZPO.


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