Baurecht

Streit um Straßenausbaubeitrag

Aktenzeichen  B 4 K 16.237

Datum:
9.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33911
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 2, Art. 5, Art. 5a, Art. 13
AO § 169
ABS 2016 § 1, § 7

 

Leitsatz

1. Im Straßenausbaubeitragsrecht sind nicht nur bebaubare und gewerblich nutzbare Grundstücke im Innenbereich oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans in die Abrechnung einzubeziehen, sondern grundsätzlich auch landwirtschaftliche Grundstücke im Außenbereich. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundstückseigentümer sind grundsätzlich nicht davor geschützt, dass die Gemeinde eine nichtige Satzung durch eine wirksame ersetzt und damit auch für bereits abgeschlossene Baumaßnahmen Beitragspflichten entstehen lässt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wegen der unterschiedlichen Verkehrsfunktion ist es ausgeschlossen, nur dem Anliegerverkehr dienende (Stich-)Straßen zusammen mit einer Haupterschließungsstraße als einheitliche Einheit abzurechnen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 04.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamts … vom 19.01.2016 ist zwar hinsichtlich der Beitragshöhe rechtswidrig, weil sich tatsächlich ein höherer Straßenausbaubeitrag errechnet. Die Klägerin wird durch die festgesetzte Beitragshöhe aber nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
a. Die Gemeinden können gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG erfolgt die Heranziehung der Grundstückseigentümer zu Straßenausbaubeiträgen aufgrund einer besonderen Abgabesatzung. Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte zunächst durch den Erlass der Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen vom 15.03.2005 (ABS 2005) Gebrauch gemacht. Diese Satzung enthält jedoch eine unzulässige Verteilungsregelung und ist deshalb unwirksam. Nach der Rechtsprechung sind im Straßenausbaubeitragsrecht nicht nur bebaubare und gewerblich nutzbare Grundstücke im Innenbereich oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans in die Abrechnung einzubeziehen, sondern grundsätzlich auch landwirtschaftliche Grundstücke im Außenbereich (BayVGH, B.v. 02.07.2009 – 6 CS 08.2718 – juris Rn. 8 f. m.w.N.; vgl. auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 35 Rn. 11). § 8 ABS 2005 enthält für Außenbereichsflächen aber keine Verteilungsregelung. Der streitgegenständliche Bescheid konnte daher nicht auf die unwirksame ABS 2005 gestützt werden. Der Beklagte hat jedoch am 26.04.2016 eine neue Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen erlassen (ABS 2016), die eine Woche nach Veröffentlichung im Amtsblatt des Beklagten (21.05.2016) in Kraft trat und mit Satzung vom 28.03.2017 teilweise geändert wurde. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Satzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Demgemäß war der Beklagte aufgrund seiner Ausbaubeitragssatzung 2016 dem Grunde nach berechtigt, von der Klägerin einen Straßenausbaubeitrag zu verlangen. Der Erhebung von Beiträgen auf dieser Satzungsgrundlage stünde es nicht entgegen, wenn – wie von der Klägerin vorgetragen – die Ausbaumaßnahme technisch tatsächlich bereits im Jahre 2005, also vor dem Inkrafttreten der ABS 2016, abgeschlossen gewesen wäre. Wie Art. 5 Abs. 8 KAG klarstellt, dürfen Beiträge (auch) für solche Ausbaumaßnahmen erhoben werden, die vor dem Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung endgültig abgeschlossen worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 15.10.2009 – 6 B 08.1431 – juris Rn. 25). Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Da seit Inkrafttreten des KAG vom 26.03.1974 (GVBl. S. 109) am 01.07.1974 jeder Grundstückseigentümer grundsätzlich mit einer Belastung durch Straßenausbaubeiträge rechnen muss, ist ein etwaiges Vertrauen der Betroffenen darauf, von einer Beitragspflicht überhaupt verschont zu bleiben, nicht schutzwürdig. Die Betroffenen sind grundsätzlich nicht davor geschützt, dass die Gemeinde eine nichtige Satzung durch eine wirksame ersetzt und damit auch für bereits abgeschlossene Baumaßnahmen Beitragspflichten entstehen lässt (BayVGH, U.v. 01.06.2011 – 6 BV 10.2467 – juris Rn. 36 m.w.N.). Daran ändert auch die in § 13 Abs. 3 der ABS 2016 enthaltene Übergangsregelung nichts, da diese ausdrücklich nur für bestandskräftige Veranlagungen gilt.
b. Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist die einzelne Ortsstraße als maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten. Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (ständige Rechtsprechung; vgl. BayVGH, U.v. 01.06.2011 – 6 BV 10.2467 – juris Rn. 41 m.w.N.).
Ausgehend davon ist die maßgebliche Einrichtung hier der E* …weg sowie die A* …straße (Grundstücke Fl. Nrn. … und …*). Nach den im Behördenakt des Landratsamtes … befindlichen Lichtbildern (vgl. Seiten 10 ff.) stellen beide Grundstücke nach Überzeugung der Kammer eine einheitliche Einrichtung dar. Diese beginnt im Westen ab der Abzweigung von der Staatsstraße …, verläuft dann weitgehend geradlinig in nordöstliche Richtung, ehe sie sich dann im Bereich des Grundstücks Fl. Nr. … im Rahmen einer Linkskurve, nach der die E* …straße aus nordöstlicher Richtung einmündet, nach Norden fortsetzt. Sie verläuft dann weiter bis zur F* … Hauptstraße, wobei in diesem Bereich noch aus östlicher Richtung der F* …weg und der T* …weg in die A* …straße einmünden. Nach natürlicher Betrachtung stellen der E* …weg und die A* …straße auch aufgrund des bei der Einmündung der E* …straße gewählten Ausbauprofils (Granitzeilen als Straßenbegrenzung) eine einzelne Einrichtung dar. Gestützt wird diese Auffassung auch dadurch, dass der E* …weg und die A* …straße eine etwa gleiche Straßenbreite (5,00 bis 5,50 Meter) aufweisen. Auch die Ausstattung beider Straßen ist etwa vergleichbar. Beide besitzen einen einseitigen Gehweg, lediglich in der A* …straße existieren einige Parkbuchten, die es im E* …weg nicht gibt. Die Auffassung der Klägerin, der Ausbau der Anlage sei gerade im Bereich der Einmündung der E* …straße bewusst und oder gar rechtsmissbräuchlich ausschließlich deshalb gewählt bzw. verändert worden, um die Eigentümer der an der A* …straße anliegenden Grundstücke ebenfalls zu einem Straßenausbaubeitrag heranziehen zu können, teilt das Gericht nicht. Die im Rahmen der Dorferneuerung durchgeführte Ausbaumaßnahme hatte nach dem den Behördenakten beiliegenden Erläuterungsbericht zum Plan über die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen nach § 41 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) u.a. zum Ziel, am P* …platz nördlich der Einmündung der E* …straße in die A* …straße (Grundstück Fl. Nr. …*) unter deutlicher Reduzierung der Asphaltfläche einen kleinen Ruhebereich mit Amtskasten des Beklagten und entsprechender Eingrünung anzulegen, um diesen Bereich gestalterisch aufzuwerten. Außerdem wurde der Einmündungsbereich der E* …straße in die A* …straße auch aus Gründen der Verkehrsberuhigung verändert. Durch die Ausbaumaßnahme sollte erreicht werden, dass die Autofahrer beim Einfahren in die A* …straße ihre Geschwindigkeit deutlich verringern müssen. Diese Motive sind für das Gericht nachvollziehbar und auch von dem vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren gestalterischen Ermessensspielraum des Beklagten im Rahmen von Straßenausbaumaßnahmen gedeckt (BayVGH, B.v. 04.06.2014 – 6 CS 14.716 – juris Rn. 15 m.w.N.).
c. Die Maßnahme ist beitragspflichtig nach § 1 der maßgebenden ABS 2016, weil es sich um eine grundständige Erneuerung/Verbesserung der Anlage und ihrer Teileinrichtungen handelt. Nach dem bereits erwähnten Erläuterungsbericht und den darin befindlichen Farbfotos war die Fahrbahndecke des E* …wegs vor der Ausbaumaßnahme durch vielfache Ausbesserungsarbeiten fast unbefahrbar, die Entwässerung erfolgte einseitig über eine Beton-Spitzgrabenrinne, ein Fußweg oder Fußgängerbereich fehlte gänzlich. Gegen den geschilderten Verschleißzustand der Straße wurden keine substantiierten Einwände der Klägerin erhoben. Ihrer Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag steht nicht entgegen, dass die Ausbaumaßnahmen nicht über die gesamte Straßenlänge durchgeführt wurden und der Beklagte nur den E* …weg bis zur Höhe des Grundstücks Fl. Nr. … – nicht aber vor dem Grundstück der Klägerin – erneuert bzw. verbessert hat. Denn der Teilstreckenausbau erfasst weit mehr als ein Viertel der gesamten Straßenlänge und erfüllt damit die Anforderungen der Rechtsprechung des BayVGH zum beitragsfähigen Teilstreckenausbau (vgl. BayVGH, U.v. 28.01.2010 – 6 BV 08.3043 – juris Rn. 13 f.; U.v. 18.05.2017 – 6 BV 16.2345 – juris Rn. 17 m.w.N.).
d. Der beitragsfähige Aufwand, der nach der Kostenaufstellung des Beklagten 240.002,26 EUR beträgt und gegen den keine substantiierten Einwände vorgebracht wurden, ist um den satzungsmäßig festgesetzten Gemeindeanteil zu verringern. Die Höhe richtet sich gemäß § 7 ABS 2016 nach der jeweiligen Straßenkategorie.
Gem. § 7 Abs. 2 Ziff. 1.1. ABS 2016 beträgt der Eigenanteil der Beklagten bei Maßnahmen an Anliegerstraßen jeweils 20% der Kosten für Fahrbahn, Gehwege, unselbständige Parkplätze, unselbstständige Grünanlagen sowie Beleuchtung und Entwässerung. Dagegen hat der Beklagte bei einer Haupterschließungsstraße gemäß § 7 Abs. 2 Ziff. 1.2 ABS 2016 für Maßnahmen an der Fahrbahn 50% und für Maßnahmen an Gehwegen, unselbständigen Parkplätzen, unselbstständigen Grünanlagen sowie Beleuchtung und Entwässerung jeweils 35% des beitragsfähigen Aufwands zu übernehmen.
§ 7 Abs. 3 Nr. 1 ABS 2016 definiert Anliegerstraßen als Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen. Haupterschließungsstraßen sind gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 ABS 2016 Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind. Hauptverkehrsstraßen sind Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 ABS 2016). Diese Kategorien sollen Straßentypen mit signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Vorteils der Allgemeinheit gegeneinander abgrenzen. Das Verständnis der Einzelbestimmungen kann sich somit von vorneherein nicht isoliert an deren Wortlaut, sondern muss sich am Verhältnis zu den anderen Straßenkategorien orientieren. Da nach den Definitionen der Ausbaubeitragssatzung des Beklagten Anliegerstraßen ganz überwiegend dem Anliegerverkehr und Hauptverkehrsstraßen ganz überwiegend dem Durchgangsverkehr dienen, drängt sich auf, dass sich bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa als gleichgewichtig erweisen müssen. Daraus folgt auch mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben, dass die Begriffswahl „ganz überwiegend“ verdeutlichen soll, dass es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt gehen soll (st. Rspr., BayVGH, B.v. 09.03.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 09.02.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 20.02.2009 – 6 BV 07.615 – juris Rn. 19). Bei der Einordnung einer Straße in die Kategorien der Ausbaubeitragssatzung ist dabei, ausgehend von den Definitionen der Satzung, auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Lediglich daneben, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein (st. Rspr., BayVGH, B.v. 09.03.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 08.01.2015 – 6 ZB 13.577 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 27.07.2012 – 6 ZB 12.796 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 09.02.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18).
An diesen Maßstäben gemessen hat das Gericht erhebliche Zweifel, ob die hier abzurechnende Anlage tatsächlich als Haupterschließungsstraße eingestuft werden kann. Dagegen spricht zum einen die geringe Ausbaubreite des E* …wegs, die Begegnungsverkehr insbesondere mit Großfahrzeugen nicht ohne weiteres ermöglicht. Außerdem ergibt sich aus den vorgelegten Lichtbildern, dass der Beklagte im gesamten Bereich des E* …wegs und der A* …straße eine Tempo-30-Zone angeordnet hat, was gerade darauf hindeutet, dass die Zweckbestimmung der Anlage nicht der Aufnahme eines innerörtlichen Durchgangsverkehrs entsprechen kann, der hinsichtlich des Umfangs mit dem Anliegerverkehr in etwa identisch ist. Außerdem ist nicht einleuchtend, warum zwischen Unter- und Oberf* … nicht die westlich des E* …wegs vorbeiführende Staatsstraße … und die F* …Hauptstraße benutzt werden sollten, die aufgrund des breiteren Ausbauzustands und der fehlenden Verkehrsbeschränkungen deutlich schneller befahren werden können. Im Ergebnis kann das Gericht diese Frage jedoch offenlassen, da die Klägerin bei einer Einstufung der Anlage als Anliegerstraße zu einem viel höheren Beitrag (siehe Vergleichsberechnung 2 vom 07.05.2018) heranzuziehen wäre und daher die vom Beklagten getroffene Entscheidung, die Anlage als Haupterschließungsstraße anzusehen, sie nicht belastet.
e. Sofern man daher von der vom Beklagten getroffenen Einstufung als Haupterschließungsstraße ausgeht, ergibt sich ein beitragsfähiger Aufwand nach Abzug des Gemeindeanteils von 140.797,94 EUR. Dieser Ausbauaufwand ist auf alle Grundstücke zu verteilen, denen durch die Ausbaumaßnahme ein beitragsrelevanter Vorteil vermittelt wird. Dies sind alle Grundstücke die an der Einrichtung E* …weg/A* …straße anliegen. Das von dem Beklagten gebildete Abrechnungsgebiet ist insoweit zu beanstanden, als eine 1.950 m² umfassende, im Außenbereich gelegene Teilfläche des Grundstücks Fl. Nr. … nicht in die Verteilung einbezogen wurde. Dagegen wurden die Grundstücke Fl. Nrn. … (P* …platz) und … (Spielplatz) zutreffend nicht berücksichtigt. Beide Grundstücke wurden im Bebauungsplan „Zwischen Ober- und Unterf* …“ des Beklagten als öffentliche Grünfläche festgesetzt und scheiden deshalb aus dem Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke aus (BayVGH, U.v. 18.05.2017 – 6 BV 16.2345 – juris Rn. 26 m.w.N.). Bei den Grundstücken Fl. Nrn. …, …, … und … hätte entgegen der Auffassung des Beklagten eine Eckgrundstücksvergünstigung gewährt werden müssen, da sie – wenn man von der Einstufung der Anlage als Haupterschließungsstraße ausgeht – von zwei Einrichtungen erschlossen werden. Die genannten Grundstücke liegen außer an der A* …straße (Grundstück Fl. Nr. …*) auch noch an ca. 30 – 35 Meter langen Stichwegen (Grundstücke Fl. Nr. … und …*) an. Es kann offenbleiben, ob diese Stichstraßen Teile des jeweils gegenüberliegenden F* …- bzw. T* …wegs oder eigene unselbstständige Stichstraßen darstellen. Denn bei der Einstufung der Einrichtung E* …weg/A* …straße als Haupterschließungsstraße müssen selbst kurze Stichstraßen aus rechtlichen Gründen als eigene Anlagen behandelt werden, da sie nur der Kategorie „Anliegerstraße“ zugeordnet werden können. Wegen der unterschiedlichen Verkehrsfunktion ist es aber ausgeschlossen, nur dem Anliegerverkehr dienende (Stich) Straßen zusammen mit einer Haupterschließungsstraße als einheitliche Einrichtung abzurechnen (BayVGH, B.v. 19.05.2010 – 6 ZB 09.1758 – juris Rn. 6; U.v. 09.02.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 23). Nach der vom Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 07.05.2018 vorgelegten Vergleichsberechnung 1, gegen die keine Einwände erhoben wurden, ergibt sich unter Berücksichtigung des Vorgenannten ein Beitragssatz von 4,463 EUR/m² und damit für das Grundstück der Klägerin ein Straßenausbaubeitrag in Höhe von 4.513,88 EUR. Dieser Betrag liegt über dem im Bescheid vom 04.03.2015 festgesetzten Beitrag von 4.354,35 EUR, so dass der Beitragsbescheid insgesamt aufrechterhalten bleibt.
f. Die Festsetzungsverjährung (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) KAG, § 169 Abs. 2 Satz 1 AO) ist – anders als die Klägerin meint – nicht eingetreten. Da die ABS 2005 – wie bereits ausgeführt – nichtig war, begann die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2016 zu laufen, in dem die ABS 2016 bekanntgemacht worden ist, sodass der angefochtene Beitragsbescheid rechtzeitig ergangen ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) Spiegelstrich 2 KAG). Auch wenn man – wie von der Klägerin vorgetragen – unterstellt, dass die Ausbaumaßnahme tatsächlich bereits 2005 technisch fertigstellt worden ist, war die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) Spiegelstrich 1 KAG geregelte Ausschlussfrist für die Beitragsfestsetzung von 20 Jahren bei Bescheidserlass bei weitem noch nicht abgelaufen, weil die Vorteilslage erst im Jahr 2005 mit der endgültigen technischen Fertigstellung eingetreten wäre (vgl. BVerfG, B.v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 – juris Rn. 35 ff.; BayVGH, B.v. 30.03.2016 – 6 ZB 15.2426 – juris Rn. 9 ff.).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. § 155 Abs. 4 VwGO ist nicht anzuwenden, auch wenn die Klage zum Zeitpunkt der Klageerhebung wegen des nichtigen Satzungsrechts des Beklagten Erfolg gehabt hätte (BVerwG, U.v. 28.11.1975 – IV C 45.74 – juris Rn. 25). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.


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